Förderschule Hören/ Kommunikation- Erfahrungen?

  • Hallo ihr Lieben,
    momentan befinde ich mich im ersten Semester für das Lehramtstudium der Fächer Anglistik und Geschichte für das Gymnasium/ die Gesamtschule.
    Mir macht das Studium Spaß, ich finde es sehr interessant und auch ein Eignungspraktikum an einem Gymnasium hat mir gut gefallen.
    Dennoch interessiere ich mich auch sehr für den Bereich Gehörlosenpädagogik. Ich war schon immer von Gebärdensprache fasziniert und möchte bald einen Gebärdensprachkurs machen. Im Sommer plane ich außerdem, ein mehrwöchiges Praktikum an einer Förderschule mit diesem Schwerpunkt zu machen, vorher werde ich leider keine Zeit dazu haben, da ich im Frühjahr ein 4-wöchiges Orientierungspraktikum an einer Realschule mache (bzw. machen muss) und außerdem noch eine Quelleninterpretation von Februar bis April schreibe.
    Dennoch würde ich mich gerne schon vorab über den Arbeitsalltag an einer Schule für Hörgeschädigte informieren, um eine Vorstellung von der Arbeit zu bekommen.
    Zum Beispiel würde mich interessieren, auf welchem "Niveau" unterrichtet wird, also wie es fachlich aussieht. Könnte ich zum Beispiel meine Fächer Englisch und Geschichte unterrichten oder gibt es dort ganz andere Fächer? Werden ganz normale Klausuren geschrieben?
    Mein Problem ist, dass ich fachlich gerne anspruchsvollere Sachen mache, ein Praktikum an einer Grundschule hat mir nicht so gut gefallen, weil mir da zu viel gemalt/ gebastelt wurde. Wäre das an einer Förderschule auch so?
    Wie gesagt, baldmöglichst werde ich es mir selbst ansehen, dennoch würde ich mich freuen, jetzt schon Erfahrungen zu hören :)
    Vielen Dank schon mal!
    Liebe Grüße,
    littlesweetie

    • Offizieller Beitrag

    Hallo!


    Vorerst: ich in gymnasial ausgebilet und zur Zeit vertretungsweise auch am Gym. (noch vorm Ref)
    Ich habe ein Praktikum an einer Gehörlosenschule gemacht, irgendwann mitte im Studium.


    Alltag an einer Gehörlosenschule:
    je nach Gehörlosenschule sehr sehr uinterschiedlich, und auch je nach Altersstruktur und Ausbildung der Lehrkärfte. Was ist dein Bundesland und bist du flexibel? Einige Bundesländer setzen wirklich eindeutig mehr auf die sprachliche Ausbildung ihrer Lehrkräfte. In Berlin zum Beispiel studierst du nur eine Förderrichtung (eben Gehörlosen / Schwerhörigenpädagogik) und ein Schulfach. Dein zweites Schulfach ist nämlich Gebärdensprache und mit je nach Semester bis zu 10 Stunden die Woche eindeutig ein gutes Fundament.
    Du musst schliesslich am Ende IN Gebärdensprache auch unterrichten. (wenn du in einer GL-Schule bist).
    Wenn dein Bundesland / deine Uni diese Meinung nicht teilt und nur sehr wenige Stunden anbietet, bitte bitte sei bereit, mehr als die 4-5 Kurse deiner VHS zu machen und eben nach Berlin oder woandershin zu fahren, um Intensivkurse zu machen. Ich finde es so traurig, dass die Gebärdensprachkompetenz von zum Teil neu eingestellten Lehrkärften sich auf ein Basisgespräch über Wetter, Alter und Vorstellung begrenzt.


    Niveau:
    Naja, auch hier ein großes Problem.
    Offiziell sollen Schwerhörigen- und Gehörlosenschulen (genauso wie Blindenschulen) die unterschiedlichen Schulformen abbilden. Soweit ich weiß haben die meisten aber nur Real- und Hauptschulklassen. Reine Gebärdlerklassen sind auch oft jahrgangsübergreifend, weil sonst nicht genug Kinder da sind. (Ja, es gibt Eltern, die ihre absolut gehörlosen Kids in oralen Klassen mit 1-2 Stunden Gebärden die Woche lassen...)
    Es gibt auch Gymnasialformen bzw. Oberstufenkollegs (oder nur einen?). In Essen zum Beispiel und ich glaube, auch von einem in München gehört zu haben. Definitiv sehr wenig, da Freunde von mir aus RLP, Sachsen oder Baden-Württemberg nach Essen für die Oberstufe gingen.


    Englisch und Geschichte sind auch Schulfächer an Gehörlosenschulen, du würdest aber vermutlich viel mehr Fächer unterrichten. In der Regel gilt ein Klassenlehrerprinzip, ergänzt durch Fachlehrer (zum Beispiel eben für Englisch).


    Ich hoffe, es war ein Anfang, Frag ruhig nach, wenn du mehr Fragen hast.


    Chili

  • Liebe Chili,


    Vielen Dank für deine Antwort! Wie hat dir das Praktikum denn allgemein gefallen und was war der Grund dafür, dass du dich doch für das Gymnasium entschieden hast? (Oder habe ich das falsch interpretiert?)


    Ich wohne in NRW. Flexibel bin ich eigentlich nicht unbedingt, weil ich gerne bei meinem Freund und meiner Familie wohnen würde, aber ich hoffe, dass mein Freund vielleicht später so nett ist und mit mir umziehen würde falls das nötig wäre. Dass die Uni Berlin sehr gut sein soll für Gehörlosenpädagogik habe ich auch schon gelesen, bloß leider ist das ziemlich weit von Bielefeld entfernt.. Allerdings liegen alle anderen Unis, an denen man dieses Fach studieren könnte, auch nicht viel näher. Soweit ich weiß, kann man GL-Pädagogik nämlich nur in Hamburg, Berlin, Köln, Heidelberg und München studieren, in Bielefeld gibt es meines Wissens nach diesen Schwerpunkt nicht. Natürlich ist es mir wichtig, gute Kompetenzen zu haben um bestmöglich später arbeiten zu können, aber im Moment habe ich schon etwas Angst davor, ganz allein nach Berlin zu ziehen.. Aber das werde ich ja eh erst nach meinem Praktikum oder mehrerer Praktika entscheiden, also mache ich mir jetzt erst einmal noch nicht so große Sorgen ;)


    Das Problem mit den Schulformen habe ich auch schon bemerkt. Alle außer 1 Schule in NRW sind auf Hauptschulniveau, nur in Dortmund gibt es eine Realschule. Ich finde es auch nicht richtig, dass Eltern ihre gehörlosen Kinder auf eine Regelschule schicken, ich glaube das hilft niemandem. Bei manchen mag das vielleicht funktionieren, aber ich denke, dass viele Kinder in einer normalen Schule nicht unbedingt angemessen gefördert/fordert werden, wie sie es brauchen.


    Wie gesagt, ich würde schon gerne später an eine Realschule oder ein Oberstufenkolleg gehen, aber da es davon so wenige gibt, weiß ich nicht, wie gut die Chancen stehen würden, später eine Anstellung zu bekommen. Allgemein beunruhigt mich das Thema Inklusion. Wird es in Zukunft überhaupt noch Förderschulen für Gehörlose geben oder werden die alle mit Dolmetscher in Regelschulen geschickt? Ich möchte nämlich nicht später von Regelschule zu Regelschule geschickt werden, um pädagogischen Rat zu geben und nicht selbst zu unterrichten!
    Weißt du, wie viele Fächer ich an der Gehörlosenschule unterrichten würde? Ich bin zum Beispiel nicht so gut in Mathe und Politik. Müsste ich dann auch diese Fächer in irgendeinem Maße studieren oder unterrichte ich das alles quasi dann "fachfremd"?


    Wenn ich Englisch unterrichten würde, dann wäre das ja auch in Gebärdensprache. Ich weiß, dass es die amerikanische und die britische gibt, müsste ich dann beide können? Das stelle ich mir nämlich schon kompliziert vor. Vielleicht wäre Geschichte dann einfacher zu unterrichten.


    Könntest du mir das Alltagsleben in der Schule noch etwas genauer beschreiben? Wie genau funktioniert der Unterricht? Erfolgt er komplett in Gebärdensprache? Welche Unterrichtsmittel werden genutzt? Welche Themen werden behandelt? Wie sind die Schüler an sich? (Aufgedreht, sehr ruhig, etc.)


    Ich hoffe, du kannst mir meine Fragen beantworten :) Vielen Dank schon mal und liebe Grüße!

    • Offizieller Beitrag

    Hallo Littlesweetie,


    Das Praktikum hat mir solala gefallen.
    Ich hatte darum gebeten, in einer gebärdenden Klasse zu sein, was auch ermöglicht wurde. (Es gibt ja Klassen für Schwerhörige, und Klassen für Gehörlosen).
    Ich war damals an der Schule in Frankfurt. Es gab 7 Kids in der Gruppe, 1 davon war CODA (Child of Deaf Adults) und hat dementsprechend super gebärdet. Die Lehrerin konnte nicht gebärden, hatte wohl in den letzten Jahren einen Crash-Kurs gemacht und hat alle paar Wörter, die sie gesprochen hat, eine Gebärde dazu gemacht. Mir gegenüber sagte sie, dass dieses Wildgestikulieren von dem Kleinen CODA sie einfach nerven würde (tja, er war auch der einzige, der _wirklich_ gebärdet hat, die anderen hatten einfach Schwierigkeiten, sich noch auszudrücken.
    Es wurde auch viel Wert auf Sprechen gelegt, aber das war nicht der Schwerpunkt.


    Alltag? Was soll ich sagen? Die meisten Kids sind logischerweise Fahrkinder, kommen von weit her, sind also schnell tagsüber müde. Es ist oft eine Ganztagsbetreuung aber nicht überall und es sind logischerweise sehr kleine Kleingruppen. (1) so viele Kids gibt es nicht, 2) sonst kann man sich ja nicht verstehen)


    Warum hab ich dann mein Gymnasialstudium fertig gemacht? Ich studierte zu dem Zeitpunkt schon 6 Jahre und wollte das abschliessen. Abgesehen davon will ich gerne mit großen Kids arbeiten und ich war / bin mir dessen bewusst, dass ich nie eine solche Lehrerin sein möchte. Nicht falsch verstehen, es war keine schlechte Lehrerin. Aber ich würde nicht nach Spanien auswandern und meinen Unterricht nur auf Deutsch halten. und dabei hätten die Kids dort eine Chance, irgendwann Deutsch zu verstehen. Gehörlose hören aber nicht und werden es auch nie tun, egal wie laut und langsam ich spreche.


    Ich bin nach meinem Studium durch Zufall nach Berlin gezogen und habe dann beschlossen, dort den Bachelor "Deaf Studies" anzufangen (im Nachhinein falsch, ich hätte direkt Audiopädagogik machen sollen, wäre sicher besser gewesen). Es spielten mehrere Sachen eine Rolle, warum ich das Ganze abbrach: ich war eindeutig zu alt, um noch in einem Bachelor-System mit 15 Leuten zu studieren (es sind nur 15 pro Jahr und man studiert wirklich alle zusammen), ich konnte finanziell nicht sicher stellen, dass ich Job und Studium vereinbaren könnte (habe gearbeitet, aber nicht in der Schule), und: die Gebärdensprache bleibt eine Leidenschaft von mir, aber ich kann mir trotzdem nicht vorstellen, FÜR Gehörlose zu sprechen, sie sollen selbst ihre FürsprecherInnen sein. Wie gesagt, es wäre anders gewesen, wenn ich direkt in der Audiopädagogik gewesen wäre, und nicht beim allgemeinen Dolmetschbachelor.


    Ich halte allgemein viel von Inklusion, glaube aber nicht (hoffentlich nicht!!), dass es Gehörlose in großem Masse treffen wird. Ich weiß, dass es gehörlose Kids, die mit Dolmetscher und Integrationshelfer in die Regelschule gehen, aber die Mehrheit wird es wohl nicht werden. Klar wäre es für viele weniger Fahrzeit und Integration in der Nähe aber wichtig ist die sprachliche Bildung, und die sollte man am Besten in der GL-Schule finden. Allerdings weiß ich jetzt von meinem neuen Wohnort, dass hier an der Gehörlosenschule nur eine Gehörlose unterrichtet und eine andere, die gut gebärdet, der rest nicht.
    Es wird sich hoffentlich mit der Zeit ändern. Es ist auch sehr neu, dass die Gebärdensprache anerkannt wurde und es also langsam in die Gehirne von Universitäten und Schulen kommt, dass die GS keine Affensprache ist.


    Ich arbeite jetzt an einem Gymnasium und biete Gebärdensprach-AGs. Über die letzten 3 Jahre komme ich auf 3+4+7 Kinder, die also ein paar Grundkenntnisse der Gebärdensprache lernen. Die 4 von letztem Jahr sind sogar in ihrem zweiten Jahr und langsam kann ich nicht mehr mitfolgen, meine Kenntnisse sind ja auch nicht prickelnd. Wir treffen uns in regelmässigen Abständen auch mit Gehörlosen (in fast jeder Stadt gibt es Gehörlosen- Gebärdenstammtische, einfach im Netz suchen, auch StudiVZ oder so), und das macht immer wieder Spass.


    A propos Spass: am 17. März ist die Münsteraner Theatergruppe (bestehend aus Gehörlosen und Hörenden) in Bielefeld und spielt das Stück "Schrille Stille". Für Hörenden perfekt verständlich, ich empfehle es dir auf jeden Fall (und deinem Freund, damit er was auch davon mitbekommt). Das Stück ist genial!
    http://www.bielefeld.de/de/kf/…2012&UHRVON=19:00&UHRBIS=




    Englisch an der Gehörlosenschule:
    funktioniert genauso wie Deutsch, wird also nur schriftlich und leicht lautsprachlich gemacht. Klappt auch einigermassen, viele kennen das von Foren, dass man eben nicht spricht.
    Wie das Niveau ist, weiß ich nicht, ich kenne nur "ältere" Gehörlose vom Stammtisch und sonst welche die das Abitur in Essen gemacht haben, vom Studium in Berlin. Sie konnten gut Englisch, wir mussten auch Texte auf Englisch lesen.
    ASL oder BSL müsstest du nicht lernen ;)


    Chili

    • Offizieller Beitrag

    Ach ja: noch zum Alltag.


    Ob die Kids aufgedreht oder ruhig sind, das ist doch keine Frage, das hängt von jedem Kind, vom Fach, vom Tag, vom Lehrer ab.
    Ob der Unterricht nur in Gebärdensprache läuft, hängt vom Lehrer ab. Meiner Meinung nach müsste es, ist aber längst nicht so. und nicht vergessen, man wird in der Regel für Gehörlosen- UND Schwerhörigen ausgebildet. Die funktionieren ja anders.
    Was meinst du mit Unterrichtsmitteln?


    Schöne Grüße,
    Chili

  • Ob der Unterricht nur in Gebärdensprache läuft, hängt vom Lehrer ab. Meiner Meinung nach müsste es, ist aber längst nicht so.


    Nun ja, ich bin kein Experte, aber im Zuge der sozialen Integration ist die pädagogische Grundidee doch eigentlich die bilinguale Erziehung gehörloser Schüler, oder?


    Dabei sollte man auch beachten, dass die Zahl gehörloser Kinder dank des medizinischen und technischen Fortschritts abgenommen hat und wohl auch weiter abnehmen wird. Hörgeschädigte/schwerhörige Kinder werden hingegen zunehmend auch integrativ beschult werden. Außerdem fühlt sich die Hörgeschädigtenpädagogik auch zunehmend für AVWS und ähnliche Störungsbilder verantwortlich.

    • Offizieller Beitrag

    AVW?


    Für mich bedeutet Soziale Integration echt nicht, dassman die Kids lautsprachlich unterrichtet. Dass gehörlose SchülerInnen die Schriftsprache erlernen, ist ja klar, sie lesen schliesslich auch Bücher und so weiter, aber warum sollen sie ihren Unterricht in Lautsprache bekommen??
    Im Sinne der sozialen Integration verlangt man nicht von gelähmten Kids, dass sie bitte laufen üben.


    Chili

  • Soziale Integration ist gerade für gehörlose Kinder/Menschen quasi ein Ding der Unmöglichkeit, wenn sie sich gar nicht lautsprachlich verständlich machen können bzw. Methoden erlernen, mit nicht-gehörlosen menschen zu kommunizieren.Das ist ein gewaltiger Unterschied zu Schülern, die beispielsweise gelähmt sind.
    Ich schließe mich da Plattenpieler an, es wird immer weniger Kinder geben, die tatsächlich gehörlos sind, schwerhörige Kinder wird es auch weiterhin viele geben. Schwerhörige Kinder haben aber oft "nebenbei" auch noch andere Entwicklungsverzögerungen, z.B. im Bereich Sprache. Oft ist genau wegen dieser "Nebenerscheinungen" die sonderpädagogische Unterstützung erst notwendig.Das Arbeitsfeld von Sonderpädagogen, auch im Bereich der Sinnesgeschädigten wird sich im Zuge der Inklusion (und die wird kommen, da braucht man sich nichts vorzumachen) verändern, da bin ich sicher. (Wobei Hören und Kommunikation auch nicht mein Schwerpunkt ist und meine Kenntnisse daher nicht sonderlich vertieft).
    Das Niveau an Förderschulen mit dem Förderschwerpunkt Hören und Kommunikation ist absolut unterschiedlich, da es hier unter anderem ja auch die Bildungsgänge Lernen und Geistige Entwicklung gibt. Ich vermute allerdings, dass nur eine sehr geringe Minderheit der Schülerinnen und Schüler auf gymnasialem Niveau unterrichtet werden. Die meisten, die das Potential haben befinden sich vermutlich schon im Gemeinsamen Unterricht...
    AVWS = Auditive Verarbeitungs-/Wahrnehmungsstörung

    • Offizieller Beitrag

    ihr werdet doch wohl zustimmen, dass es einen Unterschied macht, ob ich einem (gehörlosen) Kind beibringe, sich lautsprachlich bzw. in der lautsprachlichen Welt zu bewegen oder ob ich es lautsprachlich unterrichte!!!
    Ein Fach in der Woche ist eben nicht der Unterrichtsmittel. Kinder sollten in ihrer Muttersprache erzogen werden, damit sie wenigstens eine Sprache gut beherrschen. Sonst brauchte man nicht die mühsam erkämpfte Anerkennung der Gebärdensprache und kann weiter machen, wie es bisher war: Kinder irgendwo parken, denen die Gebärdensprache (notfalls gewaltsam) verbieten und sie dann ohne Allgemeinbildung aus der Schule in Berufe wie technische Zeichner entlassen...
    Kinder brauchen einen Zugang zur Welt, um sich kognitiv und psychisch zu entwickeln und den bekommen sie nicht, wenn sie ihrer Sprache beraubt werden. Da die meisten gehörlose Kinder aber keine gehörlose Eltern haben, brauchen sie die Gebärdensprache als Basis...


    Chili

  • Du hast ja grundsätzlich recht, es ist absolut sinnlos, gehörlose Kinder ohne jeglichen Zugang in einer Sprache zu unterrichten, die sie nicht verstehen. Das könnte man sich auch gleich sparen. Aufgrund des medizinischen Fortschritts gibt es aber immer weniger Kinder, die gar nicht hören können. Dazu kommt die Inklusion, die kommen wird. Die betrifft alle Bereiche. Auf lange Sicht werden selbstverständlich auch gehörlose, schwerhörige Kinder verstärkt die Regelschulen besuchen, gerade die, die kognitiv fit sind, das ist ja jetzt schon so.
    Und gerade der Förderschwerpunkt "Hören und Kommunikation" ist besonders im Bereich der Gehörlosen in meinen Augen extrem schwierig zu integrieren, eben weil die Kommunikationsmglichkeiten fehlen... Gebärdensprache war lange Zeit das Mittel der Wahl, im Moment wird diese oft kritisch gesehen, warum kann ich nicht genau sagen. Aber wie gesagt, "Hören und Kommunikation" ist nicht mein Schwerpunkt, weshalb meine Kenntnisse da eben nicht besonders tiefgehend sind...

    • Offizieller Beitrag

    Gebärdensprache war lange Zeit das Mittel der Wahl, im Moment wird diese oft kritisch gesehen, warum kann ich nicht genau sagen.

    Hallo!


    Nee, die Gebärdensprache war eben lange Zeit NICHT das Mittel der Wahl.
    1880 auf dem Mailander Kongress haben sich die deutschen Gehörlosenpädagogen GEGEN die Gebärdensprache entschieden und zahlreiche Generationen von Gehörlosen wurden dazu gezwungen, komische Laute von sich zu geben und auf den Händen geschlagen, sobald sie gebärdet haben. Erst seit einem guten Jahrzehnt gibt es eine richtige Wende in der Gehörlosenpädagogik (nicht umsonst gibt es zur Zeit in Deutschland eine einzige Uni, die anständig ausbildet: Berlin, weil es dort auch flächendeckend Gebärdensprachkurse gibt).
    und ob gehörlos geborene Kinder mittels CI (Cochlea Implentat) tatsächlich in der Lage sind, _RICHTIG_ zu hören, sei dahin gestellt. Würde ich jetzt das Gehör verlieren, würde ich mich operieren lassen und wäre dann in der Lage, die Laute von einander zu filtrieren. Gehörlos geborene Menschen sind aber nicht in der Lage, das Gezwitscher von Vögeln im Hintergrund von der Stimme des Nachbars zu filtrieren.
    Aber das ist ein ewig andauernder Streit in der Gehörlosenpädagogik, den werden wir nicht in einem Forenthread lösen können. Die einen sehen das so, andere eben anders. ;)


    Gebärdende Grüße,
    Chili

  • Ja, das werden wir hier sicher nicht lösen können ;) ... und ich bin schlicht kein Experte, ich schätze, du hast gerade bei gehörlosen Menschen mehr Ahnung als ich! Aber im Sinne der Inklusion werden sich fast alle Förderschulen mehr oder weniger auflösen und die, die bestehen bleiben eher zu sowas wie "Restschulen" (das klingt böse... sorry) werden, die von den Kindern besucht werden, die anders überhaupt nicht mehr beschult werden können. Von gymnasialem Niveau kann man da langfristig mit Sicherheit nicht sprechen. Ob das jetzt gut oder schlecht ist ist nochmal ein völlig anderes Thema, zu dem ich mich jetzt lieber nicht äußere :X:
    VG

  • Mal abgesehen von der Diskussion ... Ich hab den Förderschwerpunkt Hören und Kommunikation in Köln studiert, mein Referendariat an einer Hörgeschädigtenschule gemacht und danach auch ein Jahr an einer anderen Hörgeschädigtenschule (alles in NRW) gearbeitet... (hätte das auch gern weiter gemacht... bin nur zur Zeit in Elternteilzeit wohnortnah in einen anderen Förderschwerpunkt abgeordnet, aber ich will auf jedenfall irgendwann wieder zurück...) also wenn du noch konkrete Fragen hast, immer raus damit! ;)


    Viele Grüße Eumel

  • Eumel, ich würde mich wirklich freuen, wenn du mir alles über dein Studium und deinen Beruf erzählen könntest!! :)


    Ich mache gerade ein Praktikum an einer Realschule für Hören und Kommunikation und es gefällt mir wirklich gut! Die Schüler sind super, der Unterricht ist interessant und die Lehrer-Schüler-Beziehung scheint mir eine ganz andere als an einer Regelschule zu sein. Ich könnte mir diese Arbeit wirklich gut vorstellen :) Allerdings wurde ich gestern von einer der Lehrerinnen entmutigt, dass es die Förderschulen bald eh nicht mehr geben wird, sondern nur noch Gemeinsamen Unterricht, bei dem ich gar nicht selber unterrichten würde. Und das möchte ich eigentlich nicht.


    Deswegen fänd ich es sehr wichtig, auch andere Einschätzungen zu hören. Eine Studentin, mit der ich gesprochen habe, meinte zum Beispiel, dass gerade die Förderschulen Sehen und Hören am schwierigsten geschlossen werden können.


    Ich weiß nun echt nicht, ob ich mich für Sonderpädagogik entscheiden soll, weil ich einfach Angst habe, in 10 Jahren arbeitslos zu sein :(


    Deswegen hoffe ich auf ermutigende Erfahrungen und Fakten, denn eigentlich ist dieser Beruf wirklich mein Traumjob! :)

  • Studier doch einfach, was dich interessiert!
    Ob/was für einen Beruf man nachher damit bekommt, kann man sowieso nicht wissen. Sonderpädagogik dürfte von den Einstellungsprognosen her in den meisten Bundesländern meines Erachtens doch besser aussehen als Realschul- oder Gymnasiallehramt, oder irre ich?
    Und was du so gegen Integration hast, habe ich auch noch nicht ganz verstanden (denn bei dir klingt es tatsächlich, als hättest du nicht etwas gegen die schlechten Rahmenbedingungen der Integration, sondern gegen diese an sich?) ...

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