Sinneskrise

  • Hallo!


    Ich bin ganz neu hier, was auch ein Zeichen meiner Ratlosigkeit ist. Ich denke, das ist so eine Art Midlife-Crisis von Lehrern. Ich unterrichte an einer Gesamtschule und kann derzeit werder meine Klasse noch sonst irgendeinen Schüler leiden, und das am ersten Tag nach den Ferien! Die Schüler sind total unmotiviert und obwohl ich lange mit verschiedenen Angeboten, Methoden und Materialien versucht habe, sie "zu kriegen", bin ich nun am Verzweifeln. So langsam zweifele ich an meiner Qualifikation! Vor allem habe ich das Gefühl, je weniger Schüler mitarbeiten, desto schlechter werde ich. Mit motivierten Klassen, da habe ich auch eine, klappt es gut,da hat man auch Lust, sich was einfallen zu lassen, aber wenn man sich ständig was einfallen lässt, was dann wieder nicht funktioniert....


    Es würde schon reichen, wenn jemand sagt, dass ich nicht alleine bin...


    Icewoman

  • Hallo Icewoman,


    du bist mit Sicherheit nicht alleine, und nach den Ferien ist es immer schwer, sich wieder an den Schulrhythmus zu gewöhnen - das gilt für SuS und Lehrer(Innen).
    Bist du schon länger Im Lehramt oder noch ziemlich neu?


    Alles Gute für die nächsten Tage! Schreib uns, wie es dir ergangen ist - du wirst mit Sicherheit noch gute Tipps für deine spezielle Situation bekommen, wenn wir Genaueres wissen.


    Gruß venti :)

  • Vor allem habe ich das Gefühl, je weniger Schüler mitarbeiten, desto schlechter werde ich.


    Genau das sagte mir neulich ein ehemaliger Lehrer im Rückblick auf seine langen Jahre an der Schule.


    Unterrichten ist keine Einbahnstraße. Wenn da Schüler sitzen, die nicht lernen wollen, dann kann man machen, was man will, da wird nichts draus. Natürlich geht mir das ganz genauso! Ich merke ganz oft, dass mir richtig gute Sachen einfallen, auch ganz spontan, wenn ich aufmerksame Schüler habe. Kämpfe ich aber ständig gegen Unruhe und Unlust an, dann werde auch ich unlustig und unfähig. Auch wenn ich zu Hause gute Ideen hatte.


    Ich würde mich an deiner Stelle in den Klassen, in denen es nicht gut läuft, gerade nicht mit Angeboten und Methodenwechsel überschlagen, sondern versuchen, irgendwie in einen Rhythmus zu kommen, in dem sie, wenn auch unlustig, mitmachen. Alles andere ist vermutlich Energieverschwendung.

  • Kaum zu glauben, ich lebe immer noch...
    Also, ich bin nicht neu, sondern seit 10 Jahren dabei, sollte also eigentlich wissen, wie es läuft. Das Problem ist, dass der Montag mit einem Grundkurs Deutsch angefangen hat, ich unterrichte Deutsch fachfremd seit 6 Jahren, und dieser Kurs ist aufnahmeresistent. Ich hatte schon einen Grundkurs und klar haben die ihre Schwierigkeiten, aber die schießen echt den Vogel ab. Allerdings ist der Grundkurs in Mathe und Englisch nicht besser, auch da meckern die Kollegen. Die Hälfte des Kurses ist meine eigene Klasse und die werden so langsam aber sicher mit runter gezogen, bleibt ja nicht aus. Zumindest habe ich keine Disziplinprobleme, das ist auch nicht bei allen Kollegen so. Es handelt sich übrigens um eine 7. Klasse, die fangen gerade an voll zu pubertieren. Und das an einem Montagmorgen nach den Ferien war einfach zu viel für mich, zumal ich tatsächlich noch im Urlaubsloch stecke, da ich erst Sonntag wiedergekommen bin und in der ersten Ferienwoche krank auf der Nase lag. Wie das halt immer so ist, wenn man Ferien bekommt. Vielleicht habt ihr aber dennoch ein paar Tipps, wie man totalen Deutschmuffeln "Warum muss ich das können, mich versteht doch jeder..." mal etwas Feuer unter dem Hintern machen kann?


    Gruß Icewoman

  • Auch wenn ich mich jetzt nicht besonders beliebt mache, aber unmotivierte Klassen kenne ich persönlich nicht bzw. nur kaum.
    Auch jetzt nach den Ferien kann ich keine Unlust feststellen. Im Gegenteil: Ich habe das Gefühl, dass sich alle gefreut haben, mich wieder zu sehen. Und mir geht es genau so.


    Früher hatte ich ein paar Mal einige Klassen, die unmotiviert waren, aber im Nachhinein weiß ich, dass es größtenteils an mir und meiner Einstellung gegenüber dieser jeweiligen Klasse lag. Ich glaube, dass ist immer eine Wechselwirkung und dass SuS sehr wohl merken, wie man als Lehrer gestimmt ist. Ich weiß, dass dir meine Einschätzung wahrscheinlich nicht viel nützt, denn m.E. fängt es mit deiner persönlichen Einstellung der Institution Schule und deiner SuS an.
    Führe mit deinen Schülern doch mal eine Evaluation deines eigenen Unterrichts durch. Das kannst du z.B. unter http://www.sefu-online.de/ machen. Dort musst du dich zunächst registrieren und für deine SuS sogenannte "Pässe" ausdrucken. Oft wundert man sich, wenn man sich selbst einmal aus Schülersicht sieht. Vieles ist einem selber vielleicht gar nicht aufgefallen.

  • Hört sich interessant an, aber hessische Lehrer sind nicht autorisiert...


    Oh, das wusste ich nicht. Bist du dir sicher? Das Ganze ist ja von der Universität Jena und wir sind hier auch in NRW. Vielleicht findest du ja ein anderes/ähnliches Evaluations-Tool.


    Solche Befragung sind für mich jedenfalls sehr aufschlussreich, weil die SuS völlig anonym deinen Unterricht bewerten. Meine Erfahrung ist, dass die dann sehr unverblümt schreiben und es gut ist, mal so einen Spiegel vor Augen geführt zu bekommen. Natürlich nur, wenn man sich darauf einlassen möchte.


    Was du so schreibst, klingt für mich nämlich leider schon sehr pessimistisch. Damit tust du dir selbsr ja auch keinen Gefallen.
    Zum Beispiel schreibst du, die Klasse sei "aufnahmeresistent". Ich glaube nicht, dass das auf jeden Schüler in dieser Klasse zutrifft. Oder dass die Klasse gerade anfängt zu pubertieren. Auch das wird nicht auf jeden zutreffen.

  • Himmelherrgott ... natürlich sind nicht alle Schüler so. Das weiß doch auch jeder. Mir war nicht klar, dass hier jedes Wort auf die Goldwaage gelegt wird. Und tatsächlich gibt es Klassen, da machst du auch mit einer voll optimistischen Einstellung nix. Da kannst du noch so motiviert reingehen. Ansonsten würde ich sagen, da hast du dann echt Glück gehabt mit deinen Klassen.


    Und ich sehe das durchaus positiv, denn auch durch diese Klassen lernt man enorm viel. Dennoch darf man mal ein Tief haben, und dann auch jammer (jammer, jammer...). X(


    ...

  • Du hast doch selber geschrieben:

    Zitat

    Ich unterrichte an einer Gesamtschule und kann derzeit werder meine
    Klasse noch sonst irgendeinen Schüler leiden, und das am ersten Tag nach
    den Ferien!


    Woher soll ich wissen, dass diese Aussage nicht ernst gemeint und offensichtlich ein wenig dramatisiert war? Was war denn Anlass deines Postings gewesen?
    Ich muss leider ehrlich sagen, dass ich dich nicht so ganz verstehen kann, denn für Anregungen (siehe Vorschlag zur Evaluation deines Unterrichts) scheinst du nicht sehr offen zu sein.

    Und tatsächlich gibt es Klassen, da machst du auch mit einer voll optimistischen Einstellung nix.


    ...

    Ich sehe das zum Beispiel anders. Und ich weiß nicht, ob man unbedingt von "Glück" sprechen kann bei Klassen, die in der ersten Stunde absolute Arbeitsverweigerung betrieben haben und bei Schülern, die sogar im Unterricht gewalttätig wurden. Ich glaube halt nur, dass vieles davon abhängt, wie man selber gestimmt ist.


    Mir war vielleicht auch nicht klar gewesen, dass du hier einfach nur etwas "jammern" wolltest, wie du ja selber schreibst.
    Das ist natürlich auch dein gutes Recht, aber es ändert sich dadurch ja nicht wirklich etwas. Ich wollte einfach nur meine Hilfe anbieten, indem ich meine Sicht der Dinge schildere.... das soll natürlich nicht heißen, dass ich die Weisheit mit Löffeln gefressen habe, sondern es ist - wie schon geschrieben - einfach nur meine Sicht.


    Falls du dich aber einfach so mal austauschen möchtest, kannst du mir auch eine private Nachricht schicken - ich habe immer ein offenes Ohr :)

  • Was hast du denn gemacht, wenn eine Klasse Arbeitsverweigerung betrieben hat? Das wäre doch mal hilfreich, zu sagen hatte ich auch, und das hat funktioniert.


    Im Übrigen liebe ich Evaluationen und halte sie für unumgänglich, um den eigenen UNterricht zu reflektieren und zu verändern.

  • Was hast du denn gemacht, wenn eine Klasse Arbeitsverweigerung betrieben hat? Das wäre doch mal hilfreich, zu sagen hatte ich auch, und das hat funktioniert.


    Im Übrigen liebe ich Evaluationen und halte sie für unumgänglich, um den eigenen UNterricht zu reflektieren und zu verändern.

    Ich kann dir leider nicht die eine Maßnahme nennen, die letzten Endes zum Erfolg geführt hat, sondern lediglich viele kleine Dinge.


    Also, ein Grund für die Arbeitsverweigung war zum Beispiel gewesen, dass ich angekündigt habe, Vokabeltests zu schreiben (was ich in all meinen Englischklassen mache). Dies stieß auf gehörogen Gegenwind.
    Hier habe ich versucht zu erklären, wieso ich mich für Vokabeltests entscheide. Ich erzähle dann ein wenig von meiner eigenen Zeit als Schüler und dass wir z.B. zunächst einen Lateinlehrer hatten, der auch jede Woche einen Test geschrieben hat und die ganze Klasse ziemlich gut in latein war. Dann hatten wir einen lateinlehrer bekommen, der keine Tests geschrieben hatte, was zu dem Ergebnis führte, dass keiner mehr Vokabeln gelernt hat. Das haben viele Schüler zum Beispiel eingesehen und die ersten haben gemerkt, dass ich ihnen nichts Böses möchte.


    In einer Klasse hatte ich einen Schüler, der monatelang vehement versucht hat, die anderen Schüler mit seiner Antipathie mir gegenüber anzustecken (was ihm in den ersten Wochen auch sehr erfolgreich gelungen ist). Ich habe mich davon einfach nicht irritieren lassen, sondern mit den Schülern gearbeitet, die wirklich etwas lernen wollten. Diejenigen, die versucht haben, den Unterricht durch Arbeitsverweigerung zu boykottieren, fanden das irgendwann auch langweilig und haben dann nach und nach doch mitgearbeitet. Schließlich blieb nur noch dieser eine Schüler übrig, der leistungsmäßig natürlich im Bereich "ungenügend" lag. Seine Klassenarbeit war dementsprechend ausgefallen und seine mündliche Mitarbeit habe ich selbstverständlich ebenso bewertet. Bei einem Gespräch unter vier Augen hat er mich dann sogar persönlich bedroht, woraufhin ich das Gespräch abbrach und die Schulpädagogin hinzu bat.
    Ich hatte das Gefühl, dass er bei diesem Gespräch das erste Mal eingesehen hat, dass er sich nicht unbedingt vorbildlich verhalten hatte und er hatte daraufhin sein Verhalten ebenfalls verändert.


    Ich kann dir also leider nur einzelne Beispiele nennen, denn die eine Musterlösung habe ich natürlich leider auch nicht zur Hand. Ich habe mich einfach nicht entmutigen lassen und mich stattdessen auf die Schüler konzentriert, die wirklich etwas lernen wollten. Genau diese Schüler hatte ich dann auch immer bei der Konzeption meines Unterrichts vor Augen.
    Das Ganze ist jetzt nur ein Beispiel aus einer Klasse. Da gibt es noch viele weitere Beispiele, weil ich eine Zeit lang an einer Schule gearbeitet habe, an denen es viele problematische Fälle gab. Zum Glück hatten wir dort auch eine Sozialpädagogin, die tolle Arbeit geleitet und einen sehr toll unterstützt hat.

  • Zitat Icewoman :

    Zitat

    Die Schüler sind total unmotiviert und obwohl ich lange mit
    verschiedenen Angeboten, Methoden und Materialien versucht habe, sie "zu
    kriegen", bin ich nun am Verzweifeln.

    Das kann ich persönlich nicht nachvollziehen, dass man verzweifelt ist, wenn man seinen Job korrekt macht. In unserer dekadenten Zeit der medialen Berieselung mit ihrer Dauer-Spaß-Programmierung sowie zur Erziehung zum passiven Konsum wundert mich das Verhalten der Schüler nicht wirklich. Eher würde es mich andersrum erstaunen.


    Zitat

    Vor allem habe ich das Gefühl, je weniger Schüler
    mitarbeiten, desto schlechter werde ich.

    Warum eigentlich ? Weil die verzogenen und einseitig auf Konsum getrimmten passiven Schüler in der Schulstube keinen richtigen Einsatz zeigen ? Glaubst du im Ernst, dass die Konsum-Kids zu Hause mehr Einsatz zeigen und z.B. Mutter bei der Hausarbeit oder Vater bei der Gartenarbeit helfen ? Jaja, die Begriffe Pflicht/Anstrengung werden in unseren Schulen, den Kuschelpädagogen sei Dank, kaum noch gelebt.


    Ich persönlich habe überhaupt kein Problem damit, wenn ich vor der ein oder anderen Klasse Monologe halte. Ich selbst bin ja von meinem Unterricht und von dem, was ich inhaltlich mache, überzeugt und kann mich auch ab und zu begeisternd reinsteigern (Ich höre mich auch selbst gerne reden, wenn es sein muss). Wenn die ein oder andere Klasse nicht mitmacht, sehe ich es nicht als mein (!) Problem an. In der Schulstube verstehe ich mich als lebendes Angebot. Wer dieses niveau- und anspruchsvolle Angebot nicht wahrnehmen möchte, muss dann eben später als ungebildeter Dummhans weiterleben. 8)

    Ihr kommuniziert mit dem künftigen Bildungsminister !

  • :rolleyes:



    In unserer dekadenten Zeit der medialen Berieselung mit ihrer Dauer-Spaß-Programmierung sowie zur Erziehung zum passiven Konsum wundert mich das Verhalten der Schüler nicht wirklich.


    Tatsächlich sehe ich das auch so. Nur nicht bei schlechtem Wetter und Montagen nach den Ferien. Heute hatte ich in eben dem Deutschkurs eine tolle Stunde, alle haben prima mitgearbeitet und ein Schüler meinte: "Ui, ist das leise!" Hat Spaß gemacht.



    Weil die verzogenen und einseitig auf Konsum getrimmten passiven Schüler in der Schulstube keinen richtigen Einsatz zeigen ? Glaubst du im Ernst, dass die Konsum-Kids zu Hause mehr Einsatz zeigen und z.B. Mutter bei der Hausarbeit oder Vater bei der Gartenarbeit helfen ? Jaja, die Begriffe Pflicht/Anstrengung werden in unseren Schulen, den Kuschelpädagogen sei Dank, kaum noch gelebt.


    Nicht? Ich dachte, die verausgaben sich daheim und haben dann nur in der Schule keinen Elan mehr... :rolleyes:


    Im Prinzip danke ich auch Mc Griffin, denn nach seiner Antwort war ich so stinkig, dass es mir gleich besser ging. Bringt wirklich nichts, sich hängen zu lassen, und ja, natürlich wirkt sich das auch auf die Schüler aus. In diesem Sinne auf gehts, neu Taten folgen...

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