Dyskalkulie

  • Hallo zusammen,
    in meinem Bekanntenkreis gibt es eine 18jährige mit der ich zur Zeit Mathe übe. Wir rechnen Stoff der 3. Klasse. Sie ist positiv auf Dyskalkulie getestet worden.
    Additions-und Subtraktionsübungen löst sie, indem sie sich die Zahlen, wie beim schriftlichen Rechnen untereinander vorstellt. Muss ich sie jetzt auf vorteilhaftes Rechnen und andere Rechenwege hinweisen oder reicht es, wenn sie einen Rechenweg beherrscht?
    LG Ines

  • Wenn sie eine Dyskalkulie hat, kannst du froh sein, ihr einen vernünftigen Rechenweg vermitteln zu können. Alles andere kann sie nur verstehen, wenn sie
    auch den zugrunde liegenden Aufbau unseres Dekadischen Systems verstanden hat, ein Mengen-Zahlen Verständnis hat usw.

  • Ich stimme Raindrop zu. Wichtig sind klare Strukturen und Lösungswege.
    "Vorteilhafte Rechenwege" sind oft genug verwirrend.


    Ein Beispiel, wie jemand mit Dyskalkulie einen "vorteilhaften Rechenweg" empfinden könnte, kannst du nachempfinden, wenn du einen dir selbst bislang unbekannten Rechenweg betrachtest.
    [Blockierte Grafik: https://fbcdn-sphotos-d-a.akam…780350371_666891006_n.jpg]


    (Japanische Multiplikationsmethode - tricky - probier das mal selbst mit dreistelligen Zahlen und Ziffern >5!)


    Links zu Dyskalulie und Arithmasthenie findest du hier:
    http://autenrieths.de/links/linksmat.htm#Dyskalkulie

    Vorurteilsfrei zu sein bedeutet nicht "urteilsfrei" zu sein.
    Heinrich Böll

  • Danke für eure schnellen Antworten. Ehrlich gesagt habe ich das japanische System bis jetzt noch nicht durchschaut. Ich habe mit meiner Bekannten Übungen zum Zahlbegriff (simultane Zahlerfassung, Zahlen im Hunderterfeld zeigen) gemacht. Das kann sie. Sie kann auch Zahldarstellungen mit Strichen (für Zehner) und Punkten für Einer erkennen und auch selbst darstellen. Ich denke immer, jetzt kann sie es und wir können weiterschreiten aber dann macht sie wieder einen Fehler nach dem anderen und kann nicht 14 - 7 rechnen.
    Ich denke ich werde die Literaturhinweise mal durchschauen. Vielleicht ist ja etwas für mich dabei. Zur Zeit habe ich halt das Gefühl auf der Stelle zu treten.
    LG Ines

  • Ehrlich gesagt habe ich das japanische System bis jetzt noch nicht durchschaut.

    ich versuch mal zu erklären:


    in dem japanische system werden striche gezogen.
    für den ersten faktor (13) verlaufen die striche aufsteigend (ein roter strich für die zehner und drei blaue für die einer),
    für den zweiten faktor (12) absteigende striche (ein grüner oben pür die zehner und zwei schwarze für die einer weiter unten)
    dann werden die stellen, an denen sich die striche kreuzen, gezählt:
    im linken bereich kreuzt sich nur einmal rot mit grün -->1
    im mittleren bereich kreuzen sich zweimal rot mit schwarz und dreimal blau mit grün, also insgesamt fünf überschneidungen -->5
    im rechten bereich kreuzen sich sechsmal blau mit schwarz -->6
    --> 13 x 12 = 156


    :gruebel: ich weiß nicht, ob mein aufschrieb verständlich war...


    lg emmemm

  • Ich finde das BUch Rechenschwäche verstehen - Kinder gezielt fördern von Gaidoschik ganz hilfreich. Um die Hintergründe dir noch mal klar zu machen, ist auch das Buch von Wartha Lehrerbücherei Grundschule: Rechenproblemen vorbeugen: 2.-4. Klasse ganz hilfreich.


    Wenn du langfristig helfen willst, sind grundlegende Dinge zu bearbeiten, da reicht es nicht, dass Rezepte gelernt werden.

  • Lissy ist mir zuvorgekommen. Denn auch ich hätte das Buch von Sebastian Wartha empfohlen - ein überaus kompetenter und junger Prof an der PH Karlsruhe, kenne ihn persönlich. Sehr wahrscheinlich wird es auch bei deiner Nachhilfeschülerin an fehlenden Grundvorstellungen mangeln (näheres dazu u.a. im Buch). Es wäre notwendig genau daran zu arbeiten! Wenn du ihr einen Rechenweg zeigst, wird ihr das - es hängt vom Einzelfall ab -, wenig weiterhelfen. Das ist in etwa so, als wenn du ein Rezept für einen Kuchen lernst. Sobald du später exakt die selben Zutaten wieder vorgesetzt bekommst, gelingt es dir wieder den Kuchen zu backen. Ist aber zum Beispiel nur eine Zutat verändert oder du musst einen etwas größeren Kuchen backen, wirst du daran scheitern. So in etwa, versuche ich das immer zu erklären. Insofern kann ich Lissy hier nur beistimmen, dass es langfristig wenig erfolgversprechend ist, der Schülerin ein Rechenschema X beizubringen. Oder um mal zwei populäre Begriffe zu bemühen: "Es mag kurzfristig effektiv sein, dass sie einen Rechenweg schematisch auswendig lernt, langfristig ist es aber wenig effizient."



    Eventuell hilft dir auch: http://www.legasthenieverband.…ads/2013/03/dvld4inet.pdf

    Einmal editiert, zuletzt von MarekBr ()

  • Danke schon mal für die vielen Tipps. Das gibt mir Hoffnung da doch noch zu Erfolgserlebnissen zu kommen. Die sind für meine Bekannte natürlich wichtiger noch als für mich. Sie wird wohl nie zu den Themen vordringen, an denen ihre Klasse arbeitet (lineare Gleichungen) aber ich denke so ein bisschen Alltagsmathematik ist nicht zu verachten.
    LG Ines

  • Kleine Rätselauflösung:


    56 * 75 wird genauso wie im Bild dargestellt, also
    5 waagrechte Striche oben, 7 senkrechte Striche links (Zehner und Einer von 56)
    7 waagrechte Striche unten, 5 senkrechte Striche rechts. (Zehner und Einer von 75)


    links oben ergeben sich 35 Kreuzungspunkte, in der Diagonale insgesamt 67 und rechts unten 30 Punkte


    Nun wird addiert:


    35
    _67
    __30
    ---------
    4200


    Ob dieses Vorgehen einen Rechenvorteil ergibt, sei mal dahingestellt. 8)
    Es sollte nur als Illustration dazu dienen, dass die Erklärung eines weiteren Lösungsweges einen Menschen mit Dyskalkulie verwirren und eventuell überfordern könnte...


    edit:Unterstriche als Zeichen für die Leerstellen der Treppendarstellung der Additionsaufgabe eingefügt


    Noch'n Japan-Beispiel:


    86*57


    40..........= 8*5 (Produkt der Zehner)
    _86........= 6*5 + 8*7 (Produkt der Innenglieder plus Produkt der Außenglieder)
    __42.......= 6*7 (Produkt der Einer)
    ---------
    4902

    Vorurteilsfrei zu sein bedeutet nicht "urteilsfrei" zu sein.
    Heinrich Böll

    Einmal editiert, zuletzt von alias ()

  • Hallo zusammen,
    also die Japaner habe ich jetzt durchschaut :) . Bei meiner Dyskalkuliebekannten tue ich mich noch schwerer. Mal sehen, wie es beim nächsten Mal läuft.
    LG Ines

  • Vielleicht wäre es auch wichtig, noch ein Stück weiter herunter zu brechen?
    Wie sieht es denn mit der Zahlzerlegung im Zahlenraum bis 20 aus? Kann sie die quasi aus dem FF oder zählt sie noch?
    Wenn das nicht wirklich sitzt und kein Mengenverständnis da ist, dann wird der Stoff der dritten Klasse noch immer schwierig sein und bleiben!
    Welche Rechenstrategien nutzt sie denn?

  • Hallo Ilse2,
    ja ich glaube da liegt das Problem. Sie zählt bei der Zahlzerlegung. Wie schaffe ich es, sie davon wegzubekommen? Irgendwie müsste es doch zu schaffen sein, dass sie die Aufgaben im Zahlenraum bis 20 auswendig kann, oder verlange ich da zu viel?


    Danke auch für den Link.
    Liebe Grüße Ines

  • Ich würde zunächst die Zahlzerlegung der Zahl 10 üben. Dafür soll sie die Finger auf den Tisch legen und du legst einen Stift zwischen zwei Finger. Sie sagt dir, wie viele sie auf der linken Seite sieht und dann wie viele auf der rechten. Wenn du z. B. den Stift zwischen den 6. und 7. Finger legst und sie zählt die Finger der linken Hand, frage mal nach, wie viele Finger sie an der linken Hand hat und ob sie das nutzen kann (um dann 5+1 zu rechen). So übst du mit ihr, bis sie sich sicher ist. Anschließend lässt sie die Finger liegen. Du sagst ihr eine Zahl und sie dir die Ergänzung zur 10. Klappt auch das gut, werden die Hände verdeckt und wenn sie dann zögert, erinnere sie an ihre Hände. Klappt auch das, werden die Hände weg genommen.
    Ich hoffe, dass meine Erklärung hilfreich und verständlich war? Wenn nicht, frag nach.

  • Ich würde auch versuchen, über die Zahlzerlegung zu gehen, allerdings nicht bei 10 sondern schon bei kleineren Zahlen beginnen. Und viel, viel mit Anschauungsmaterial arbeiten, damit sich die Zahl (als abstraktes Symbol) mit der konkreten Menge "verbinden" kann. Übungen z.B. zunächs mal mit 4 Wendeplättchen, wieviele rote, wieviele blaue, daraus Additionsaufgaben bilden, alle Aufgaben finden und legen lassen, die das Erebnis 4 haben, Plättchen auf zwei Hände aufteilen, eine Hand öffnen, wieviele sind in der anderen Hand usw. Das mit jeder Anzahl bis 20 durchexerzieren, bis im Prinzip alle Zahlen zerteilt werden können. Wichtig wäre auch, strukturiertes Material zu verwenden (Rechenschiffchen, Rechenrahmen mit 2 Farbenusw.). Damit dann auch das spontane Erkennen und Benennen von Anzahlen üben, dabei die Kraft der Fünf/Zehn erkennen und nutzen usw.


    Auch wenn sich deine Bekannte vielleicht im ersten Moment veräppelt vorkommt, das sind einfach die Grundlagen, wenn die sitzen, wenn ein Verständnis für den dekadischen Aufbau geschaffen ist, dann wird vieles einfacher!

  • Danke Ilse,
    wir haben in den letzten beiden Wochen intensiv an der Zahlzerlegung gearbeitet. Wenn das sitzt wird wohl der nächste Schritt die Zehnerüberschreitung sein. Langsam habe ich das Gefühl das Land in Sicht ist.
    LG Ines

  • Ich wollte nur noch mal was von mir hören lassen. Wir sind jetzt mittlerweile bei der Zehnerüberschreitung und ich habe den Eindruck wir sind bei der Wurzel des Problems. Letzte Woche hat sie mir erzählt, dass sie im Berufskolleg eine Arbeit zu zu linearen Gleichungen schreibt. Da sieht man mal wie groß die Diskrepanz zwischen können und können sollen ist. Ich denke mal, dass unser Üben ihr für die Schule rein gar nichts mehr bringt.
    LG Ines

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