Vertretungslehrerin in einer 4. Klasse mit kaum vorhandener Klassengemeinschaft

  • Hallo zusammen,



    ich bin relativ frisch aus dem Referendariat draußen und werde ab März eine 4. Klasse als Klassenlehrerin übernehmen, in der ich seit 2 Wochen schon als Vertretung unterrichte. Da die Klassenlehrerin länger ausfällt, werde ich die Klasse wohl bis zum Ende ihrer Grundschulzeit übernehmen.
    Nun gibt es in dieser Klasse seit den 2 Wochen ständig Streitigkeiten in der Pause und auch im Unterricht gibt es ständig Quengeleien "Der XY macht sich am Tisch zu breit, die xy tritt laufend gegen meine Ranzen" usw...
    Eine Schülerin dieser Klasse ist ziemlich ausgegrenzt und rasselt jeden Tag mit ihren Schulkameraden aneinander. Als ich letzte Woche versucht habe in einem Unterrichtsgespräch die Streitigkeiten anzusprechen, ging eine ziemliche Hetzjagd gegen besagte Schülerin los. Sie ist natürlich nicht unschuldig, aber sie kann auch nicht der Sündebock für alle sein.


    Da die Klassenlehrerin wie gesagt nicht mehr zurückkommt und es sozusagen "meine" Klasse wird, würde ich gern an der nicht vorhandenen Klassengemeinschaft arbeiten.
    Natürlich ist es illusorisch, dass alle nun innerhalb der kurzen Zeit dickste Freunde werden, aber es wäre schön, wenn sich die Streitigkeiten minimieren ließen.


    Für Ideen und Tipps jeglicher Art bin ich sehr dankbar.
    Liz

  • Zitat

    Nun gibt es in dieser Klasse seit den 2 Wochen


    Gegenfrage(n):


    Gab es ein ordentliches Übergabegespräch zwischen dir und der alten KL?
    Was heißt demnach seit den zwei Wochen? Wie war das vorher?


    Ich tendiere fast zu sagen, dass sie dich austesten. Denn das hier


    Zitat

    Der XY macht sich am Tisch zu breit


    würde ich gar nicht all zu lang ausdiskutieren und den Störungen damit nicht zu viel Raum geben.


    Zitat

    ging eine ziemliche Hetzjagd gegen besagte Schülerin los.


    Wie darf man sich das konkret vorstellen?

  • Nein ein Übergabegespräch gab es bisher noch nicht. Ich werde allerdings versuchen dies am Wochenende zu führen.
    Streit gibt es wohl schon öfter, nur seit die Klassenlehrerin fehlt scheint es schlimmer geworden zu sein.
    Dazu kommt, dass ich zurzeit noch für beide 4. Klassen verantwortlich bin, da beide KL fehlen....d.h. oftmals sind beide Klassen gemeinsam im Raum, was das ganze nicht unbedingt einfacher macht. Daher kommt es auch zu solchen Situationen wie dem angeblichen zu breit machen, da alles so beengt ist im Moment.
    Das mit dem Austesten kann gut sein und ich will es ab März natürlich auch besser machen...momentan mit 2 Klassenleitungen und einer neuen Schule bin ich zugegebenermaßen auch überfordert.


    Da ich jedoch bisher noch nie so eine schlechte Klassengemeinschaft erlebt habe, möchte ich in dieser Richtung gerne noch etwas bewegen.
    Bei dem Gespräch ging es schnell los mit "XY ärgert uns immer, XY fängt immer an usw...also alle haben auf das eine Kind geschossen.
    Morgen früh ist die Schulsozialarbeiterin 1 Stunde mit mir in der Klasse und ich hoffe wir können da die probleme mal gemeinsam angehen.

  • Also, unter den Bedingungen ist es natürlich (gerade als Anfänger ) schon heftig.Sieh es als Herausforderung an . :) Du holst das Gespräch mit der bisherigen KL nach und hast dir Hilfe geholt. Das ist schon mal gut.


    Ansonsten gilt: bei einer unruhigen Klasse nicht noch von Außen (also durch wechselnde Methoden oder auch zu vieles Reden über Störungen innerhalb der Unterrichtszeit) mehr Unruhe reinbringen.Bietet nach der einmaligen Aussprache an, dass sie nach der Unterrichtszeit reden können. Du wirst sehen, da verflüchtigt sich manches Problem. Und auch realistisch bleiben: Du hast nur dieses eine halbe Schuljahr. Setz dir selbst ganz klare und auch machbare Ziele. Denk dabei an deine Stellung als Lehrerin an dieser Schule. Es spricht sich alles rum....


    Für Wunder sind andere zuständig.


    Und auch bei aller Enge nicht auf solche Zwischenrufe eingehen. Du kannst es ja eh nicht ändern.

    Zitat

    Daher kommt es auch zu solchen Situationen wie dem angeblichen zu breit machen


    Ein Kind sollte mit einem halben Tisch auskommen.

  • DIe Erfahrung mache ich in der Grundschule gar nicht. Meine Kids würden sehr gerne mit mir stundenlang nach der Stunde über die kleinen "großen" Probleme reden. :D

  • Streit gibt es wohl schon öfter, nur seit die Klassenlehrerin fehlt scheint es schlimmer geworden zu sein.


    Man kann Probleme auch ausweiten, indem man sie nicht taktisch ignoriert. Damit meine ich jetzt nicht, dass du dich nicht kuemmerst,...aber man muss wirklich auch nicht jedem Unsinn nachgehen.
    Meine streiten sich auch immer mal in den Pausen,...dabei kommen sie als Klasse eigentlich sehr gut klar. Wir haben darueber geredet, dass unsere eigene Stimmung oft beeinflusst, wie wir Situationen wahr nehmen. Wenn ich eh schon schlechte Laune hab und mich rempelt einer an, dann schupps ich den wahrscheinlich eher in den Dreck, als wenn ich gute Laune hab. Bei Gespraechen geh ich normalerweise auf beide Seiten ein, und normalerweise sind beide Parteien schuldig. Wenn das der Fall ist, brauchen wir nicht weiter zu diskutieren. A hat B geschuppst, B hat zurueck geschuppst,...beide sind im Dreck gelanded. Dumm gelaufen, aber so ist es nun mal. Sie entschuldigen sich und damit hat sich das.
    Wie Marlene schon sagte, etwas in der Pause zu diskutieren ist auch hilfreich. Meine Klasse weiss, dass ich Diskussionen waehrend dem Unterricht nicht dulde. In der Pause hab ich dann auch Zeit. Sie kommen damit gut klar...und oft haben sie sich dann auch schnell wieder versoehnt.


    Dazu kommt, dass ich zurzeit noch für beide 4. Klassen verantwortlich bin, da beide KL fehlen....d.h. oftmals sind beide Klassen gemeinsam im Raum, was das ganze nicht unbedingt einfacher macht. Daher kommt es auch zu solchen Situationen wie dem angeblichen zu breit machen, da alles so beengt ist im Moment.


    Soll das heissen, du hast ca. 60 Kinder in einem Raum? Alleine?



    Bei dem Gespräch ging es schnell los mit "XY ärgert uns immer, XY fängt immer an usw...also alle haben auf das eine Kind geschossen.


    Das hatte meine Klasse letztes Jahr auch zeitweise. Wir haben dann "If you are not a solution to the problem, you are part of the problem." immer wieder geuebt. Problemverhalten entsteht und entwickelt sich mehrheitlich durch die Reaktionen anderer. Mit der Klasse hab ich mehrheitlich nach dem System: STOP, WALK, TALK gearbeitet.
    - Sag der anderen Person: "STOP, I don't like this."
    - Entferne dich aus der Situation. (WALK away.)
    - Informiere einen Erwachsenen. (TALK)
    Sie sind nach einiger Zeit recht gut damit zurecht gekommen. Das war vor allem der Fall, da ich sehr kindische Schueler hatte, die oft nicht verstanden haben, dass andere ihre Spielchen nicht lustig fanden.

  • Auch wenn es "nur" noch ein halbes Jahr ist: Führ einen Klassenrat ein: http://www.derklassenrat.de/ -> Da gibt es für Rheinland-Pfalz kostenloses Material, mit dem man sich recht schnell einarbeiten kann. Vielleicht findest du auch einen Kollegen in der Nähe, bei dem du dir sowas mal anschauen kannst? Wenn man den Ärger schon mal zunächst aufschreiben und aufs Ende der Woche vertagen muss, kühlt das manches Mütchen. Parallel dazu bietet es sich an, ein einfaches System zur Streitschlichtung einzuführen (in der Klassenratsstunde - so lange muss der Streit warten): beide Parteien sagen nacheinander, was ihnen selbst am Verhalten des anderen nicht gefällt ("Ich möchte nicht, dass du..."), keine Diskussionen, keine Schuldzuweisungen, dnn sagen beide Parteien, was sie vom anderen für die Zukunft für ein Verhalten wünschen, ggf. sagen sie, was der andere zur Wiedergutmachung tun muss, und Schluss ;-). Wichtiges Instrument für Klassenrat und Streitschlichtug: Stoppuhr, Sanduhr o.ä.


    Viel Erfolg!


    Sunny

  • Oh mann, da hat man dir aber was aufgebrummt! 2 Klassenleitungen von 4. Klassen und dann noch beide im selben Zimmer kurz vor Ende der Grundschulzeit, das ist extrem. Dass die Kinder durch den Wind sind kann ich mir vorstellen.


    Wollte dir nur mein Mitgefühl sichern und mich den Vorrednern anschließen: Klassenrat in dafür vorgesehener Stunde, in denen du dich intensiv um ihre Probleme kümmern kannst. Kleine Streitigkeiten, wie zu wenig Platz am Tisch, streng unterbinden und im Unterricht zügig vorangehen. Lass sie vieles machen, was sie schon kennen, schreiben etc., keine Gruppenarbeit.


    Viel Erfolg, es kann nur besser werden ;)

  • Soll das heissen, du hast ca. 60 Kinder in einem Raum? Alleine?


    Nein ganz so schlimm ist es zum Glück nicht....sind "nur" 37 Kinder. Zusammen hab ich diese in 6 Unterrichtsstunden...zuerst mit arbeitsplan zwischen beiden Klassen hin - und hergewechselt....mittlerweile alle in einem Raum...
    Ein Ende der Situation ist zum März allerdings in Sicht...es kann also nur besser werden. Das Stressigste war eher die Verteilung der Aufgaben, da die Kinder auch oft auf andere Klassen aufgeteilt sind und vor allem die Kontrolle, ob denn sowohl an Hausaufgaben als auch an Arbeitsplänen alles erledigt wurde.


    Leider konnte die Schulsozialarbeiterin gestern nicht...wir holen das Gespräch also diese Woche nach. Werde den Vorschlag mit dem Klassenrat mal mit ihr bereden.


    Das mit dem Klassenrat habe ich mir auch schon überlegt...werde mich mal einlesen.


  • Nein ganz so schlimm ist es zum Glück nicht....sind "nur" 37 Kinder. Zusammen hab ich diese in 6 Unterrichtsstunden...zuerst mit arbeitsplan zwischen beiden Klassen hin - und hergewechselt....mittlerweile alle in einem Raum...


    Da habt ihr aber kleine Klassen. Naja, 37 ist ja nun wirklich nicht so schlimm. Gross, aber machbar. Meine erste Klasse hatte 33,...die letzte Grundschulklasse, die mein Mann unterrichtet hat, hatte 35 Schueler.
    Wir hatte mal 90 Schueler in einer Turnhalle,...das waren drei Klassen aus verschiedenen Stufen, die auch alle was unterschiedliches machen sollten. Direktor und ich (als relative ahnungslose Studentin damals),...wahaha... :sterne:



    Das Stressigste war eher die Verteilung der Aufgaben, da die Kinder auch oft auf andere Klassen aufgeteilt sind und vor allem die Kontrolle, ob denn sowohl an Hausaufgaben als auch an Arbeitsplänen alles erledigt wurde.


    Warum werden sie denn auf andere Klassen verteilt? Werden sie einfach dort geparkt und sollen dann eigenstaendig an ihrem Arbeitsplan weiter machen? Oder gehen sie eher zu verschiedenen Fachlehrern?
    Sowas gibt's bei uns hoechstens, wenn die Klasse auf Klassenfahrt geht und ein oder zwei Schueler in der Schule bleiben. Das ist doch keine dauerhafte Unterrichtssituation.


    Ich arbeite nicht mit Arbeitsplaenen, weil sowas bei uns nicht "normal" ist und das fuer mich nicht differenziert und flexibel genug ist. Vor allem bei so einer grossen Klasse und bei den Problemen, die du beschrieben hast, wuerde ich die nicht so lange eigenstaendig arbeiten lassen. Das gibt viel zu viel Moeglichkeit Dummheiten zu machen und sich gegenseitig auf den Keks zu gehen. Wenn deine 4er aber dran gewoehnt sind, muss man sie vielleicht nur dran erinnern, wie man sich im Unterricht benimmt.

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