Letztes Kindergartenjahr- Wie können Eltern unterstützen

  • Liebe Kolleginnen und Kollegen,


    ich bin als Kooperationslehrkraft für den Übergang vom Kindergarten in die Grundschule zuständig. Im Zuge dieser Tätigkeit gibt es zwei Fragen, die ich mir immer wieder stelle (bzw. die mir gestellt werden). Nun wollte ich gerne eure Meinung dazu hören :)


    1. Wie können Eltern ihr Kind im letzten Kindergartenjahr unterstützen, um bereit für die Schule zu werden? (z.B. Stifthaltung üben, dem Kind vorlesen, etc.)


    2. Welche Kompetenzen sind eurer Meinung nach dringend erforderlich für einen erfolgreichen Schulstart?


    Ich bin gespannt auf eure Gedanken:)


    Liebe Grüße

  • Hallo,


    ich bin ebenfalls Kooperationslehrerin und mit dem Thema habe ich mich auch oft befasst.


    Was mir sofort einfällt:

    - Selbstständigkeit fördern, sprich selbstständig anziehen, aufs Klo gehen, ... aber auch kleine Pflichten zu Hause zu haben, wie Tisch decken, Zimmer aufräumen, ... In der Schule haben die Zwergen plötzlich viele Aufgaben, die sie erfüllen müssen, auch wenn sie gerade keine Lust haben.

    - richtiges Verhalten im Straßenverkehr

    - Stifthaltung ist auch wichtig, allerdings bin ich da der Meinung, dass das viel früher schon begleitet werden muss. Malt das Kind schon seit Jahren mit einer "exotischen" Stifthaltung, ist es schwer, es umzugewöhnen...

  • Ich finde den Punkt Selbstständigkeit auch besonders wichtig. Vielleicht mal beim Bäcker alleine Bötchen kaufen gehen, sich dabei trauen, mit nicht vertrauten Erwachsenen zu sprechen etc.


    Abwarten und verlieren können ist ebenfalls wichtig. Öfter Gesellschaftsspiele spielen, dabei kann man beides trainieren.

  • Auch ich würde mir wünschen, dass es um Selbstständigkeit geht: dem Kind nicht alles hinterhertragen, sondern das Kind selbst gehen lassen, selbst tragen lassen, selbst Versäumtes nachholen lassen


    und

    nicht immer alles vorsagen und vorbeten, sondern ggf. moderieren oder auch mal abwarten und darüber auch in die Selbtständigkeit bringen - Tisch decken ist da ein gutes Beispiel, kleine Aufträge sicher auch, etwas holen, etwas wegbringen auch, beim Spielen/Basteln zu Hause nicht alles vorgefertigt hinlegen, sondern das Kind die Materialien holen und aufräumen lassen,


    und

    wenn das Kind um Hilfe bittet, dann kann die Hilfe auch so aussehen, dass man dem Kind zeigt, wie es geht, das Kind dann die Tätigkeit aber selbst wiederholt oder nachahmt oder ausführt, weil es jetzt gesehen hat, wie es geht, was sich auch auf vieles bezieht, sodass (noch) Schwieriges gezeigt, aber nicht aus der Hand genommen wird, selbst wenn das Ergebnis dann (noch) nicht perfekt ist


    und

    dass das Kind die Erfahrung kennt, dass man etwas verpasst, wenn man trödelt, weil nicht immer jeder alle Zeit der Welt hat, um auf das einzelne Kind zu warten, wenn das Kind in einer Gruppensituation ist - das bezieht sich dann nachfolgend (in der Schule) auf Anziehen und Umziehen, Orientieren und Beginnen, Frühstücken, Aufräumen, auch Aufhören uvm.


    und ...

    mit dem Kind REDEN und zwar nicht nur in Befehlen, sonderen einfach mal fragen, erzählen, philosophieren und eigene Vorstellungen und Ideen darstellen lassen, damit das Kind gewohnt ist, sich auszudrücken, dass es weiß, dass es nicht immer nur richtig und falsch gibt, sondern auch möglich oder unmöglich oder lustig oder wünschenswert oder unterschiedlich oder "einfach mal so gedacht" und auch, dass es kennt, dass sich andere für das Kind und seine Vorstellungen und Ideen (oder Tätigkeiten) interessieren. Es gibt da sprudelnde Kinder und andere, die man eher bei Nebentätigkeiten so nach und nach heranführen muss.

  • Stifthaltung ist auch wichtig, allerdings bin ich da der Meinung, dass das viel früher schon begleitet werden muss. Malt das Kind schon seit Jahren mit einer "exotischen" Stifthaltung, ist es schwer, es umzugewöhnen...

    Ja,

    aber JETZT wäre es vielleicht noch besser möglich, wenn man es allein in Ruhe zeigen kann,

    In der Schule müsste es in einer Klasse mit 20-30 Kindern so ganz nebenbei erfolgen und man müsste dann hinter diesen Kindern stehen und sie immer wieder daran erinnern, während die anderen 19-29 leider warten müssen.

  • Vielleicht gehört auch dazu, dass man den Eltern vorab erläutert, dass Schule nicht der schlimme "Ernst des Lebens" ist - sodass die Kinder schon vorab mit Angst kommen, aber auch keine Dauer-Spaßveranstaltung.


    Wenn Kinder etwas lernen und üben sollen, kann es nicht jeden Tag Kindergeburtstag sein.

    (Mich nervt gerade die Anspruchshaltung der Eltern, dass Schule (jetzt "nach" Corona) doch bitte noch dieses, jenes und welches Konsum- und Bespaßungs-Angebot zusätzlich machen muss, damit es eine gute Schule ist und das Kind eine glückliche Schulzeit haben kann.

  • Eltern sollten meiner Einschätzung nach gar nichts speziell trainieren, schon gar nicht Stifthaltung. Alles was bewusst erarbeitet wird, kann auch falsch antrainiert werden. Erzieher*innen machen auch gerne Sachen, die sie für Schule halten, die aber kontraproduktiv sind.


    Alles was Kinder brauchen, ist das, was für uns selbstverständlich ist. Wie Selbständigkeit, also dass man ihnen etwas zutraut, vorgelesen bekommen, Gesellschaftsspiele spielen, Grenzen, positive Aufmerksamkeit, draußen spielen, auf Bäume klettern, Gespräche, Wertschätzung usw.


    Die Familien, die das nicht leisten können, brauchen eigentlich sehr basale Hilfe, am besten durch Vormachen. Gemeinsam Plätzchen backen, Garteneinsätze o.ä. Ob das leistbar ist?

  • Eltern sollten meiner Einschätzung nach gar nichts speziell trainieren, schon gar nicht Stifthaltung.

    Da bin ich anderer Meinung und wirklich dankbar, wenn die meisten Kinder das beherrschen, gerade weil es in der Schule schön sehr spät ist

    und weil man nicht unentwegt hinter 25 ErstklässlerInnen stehen kann, um sie ständig daran zu erinnern.

    Es ist erschreckend, wie weniger Kinder das können.

    Ob das nach den KiGa-Schließungen jetzt besser sein wird?


    Bei schulischen Inhalten bin ich ansonsten auch der Meinung: nichts forcieren!

    Auf Fragen, die vom Kind ausgehen, kann man antworten, alles andere kann warten, bis das Kind zur Schule geht. Manchmal erschließen sich die Kinder ja auch selbst schon einiges.

    Wobei... nein, ZÄHLEN darf man auch schon mal üben, so nebenher. Wenn Kinder nicht bis 10 zählen können, haben sie gleich zu Beginn der Schulzeit sehr schnell ein Problem, weil viele Mathewerke gleich mit den Zahlen bis 10 oder 20 arbeiten.

  • Also wenn das Kind den Stift mit der Faust umklammert oder nicht bis 10 zählen kann, dann nutzt es auch nichts den Eltern zu sagen, sie sollten mal gucken, dass die Stifthaltung korrekt sei. Diese Kinder haben doch ganz andere Probleme.

  • Wir reden aneinander vorbei, denke ich. Ich sage nicht, dass es gut ist, wenn Kinder mit 6 noch nicht bis 10 zählen können, oder dass es schön oder nur normal wäre, wenn fünf noch nicht in der Lage sind, den Stift richtig zu halten.


    Ich sage, dass sie es nicht können, weil im 2.-5. Lebensjahr ganz andere Dinge verpasst wurden. Ich halte es für sinnlos bis kontraproduktiv, Eltern Tips zu geben, der Art "achten Sie darauf, dass das Kind den Stift so hält" oder "zählen Sie mit dem Kind bis 10". Denn Justins Mutter weiß schon nicht, wie sie konfliktfrei Justin am Tisch halten soll. Sie hat keine Stifte und Malpaier und sie setzt sich nicht mit ihm hin, einfach nur um bei ihm zu sein und mit ihm Spaß am Malen zu haben. Sie kann nicht wie ein Lehrer hinter ihm stehen und die Stifthaltung üben, weil er bereits an der Konsole hängt. Und der Papa von Jennifer kann auch nicht Zahlen bis 10 üben, weil er denkt, er solle die Zahlwortreihe mit ihr auswendiglernen und schimpfen, wenn das dumme Kind es immer noch nicht kapiert. Die ganze Pränumerik bringt ein gesundes Kind aus einem normalsozialiserten Setting mit. Wenn es bei Schuleintritt nicht die grundlegendsten Fähigkeiten mitbringt, dann muss die Beratung anders aussehen als "das müsste ihr Kind schon können, üben Sie das mal". Es schreit ja geradezu nach Förderbedarf.


    Zur Ausgangsfrage, wer stellt denn diese Fragen? (Engagierte) Eltern? Erzieherinnen?

  • Vielen Dank schon mal für eure Beiträge!


    Diese Fragen wurden mir von Eltern gestellt. Oft habe ich den Eindruck, Eltern glauben, dass ihr Kind besonders schulbereit ist, wenn es möglichst viele Wörter schreiben oder Plusaufgaben vorsagen kann. Andere (basale) Dinge werden da manchmal ein bisschen stiefmütterlich behandelt. Zum Beispiel die Kompetenz, eine angefangene Aufgabe zu Ende zu bringen.


    Wie seht ihr denn das Thema Aufmerksamkeit? Früher sagte man ja mal, dass sich ein Schulkind mindestens 15 Minuten am Stück konzentrieren können muss. Das ist meiner Einschätzung nach aber oft utopisch. Was meint ihr?

  • Ist nicht Aufmerksamkeit sehr Handlungsabhängig?

    Mein Sohn (gerade eingeschult) kann locker über 15 Minuten Legoanleitungen lesen und bauen, sich ein interessantes Buch angucken, ein Spiel spielen oder Malen. 15 Minuten Aufräumen ist aber eher ein Problem...

    Only Robinson Crusoe had everything done by Friday.

  • utopisch

    Utopisch trifft es ganz gut.


    Schwieriger finde ich, wenn Kinder es nicht 2 min schaffen, z.B. eine Anleitung zu hören und daraus die Handlungsplanung zu entwickeln, dass man ein Heft aus dem Ranzen suchen muss und eine Seite aufschlagen soll und zwar dann direkt. Manche verstehen nicht, dass es dann geschehen soll, andere vergessen den Auftrag, sobald sie sich zum Ranzen beugen oder können ihn gar nicht erst aufnehmen. Dass es unterschiedliche Gründe gibt, ist mir schon klar.


    Passend zum Thema

    https://www.zeit.de/zeit-magaz…ndschullehrerin-interview

  • Zitat aus dem Artikel: "Hol deine Federtasche heraus und schreibe ein A." Das können die Kinder schon nicht umsetzen. Ich muss sie kleinteilig anweisen: "Hol deine Federtasche heraus, nimm einen Bleistift und mit diesem Bleistift schreibst du ein A in die Linien."


    Das war doch nie anders bei ersten Klassen. Vielleicht ist das der Effekt, wenn man eine Vierte abgibt und wieder bei 1 (oder eher 0) anfängt...

  • Sie hat zum ersten Mal eine 1.Klasse.

    Ich finde auch normal, dass man SuS das System Schule erst erklären muss, nicht nur am Anfang, zwischendrin sind auch immer wieder solche Sachen, die alle Welt selbstverständlich findet, Noten oder Arbeiten schreiben z.B.


    Aber die Grundtendenz des Artikels zeigt, dass es vorschulisch gerade nicht um Übungen im Schreiben, Lesen und Rechnen geht und nicht darum, die Hefte des 1. Schuljahrs schon mal vorab zu bearbeiten (hatte ich auch schon).

  • Ich bin schon eine ältere Kollegin und ich habe den Eindruck, dass zumindest in NRW viele Dinge, die früher in der Grundschule eingeführt wurden, schon vorausgesetzt werden.

    Bei uns findet keine Eingewöhnungszeit mehr statt - früher wurden die Kinder bis zu den Herbstferien wochenweise 1 Stunde mehr beschult - es gab verschiedene Modelle, aber 6 Stunden am Stück, inclusive Sport und danach Betreuung, das wurde im gesamten Schuljahr nicht erwartet. Es gab noch kein Englisch ab der ersten Woche (das wurde aber seit diesem Schuljahr wieder abgeschafft in NRW...). Wir hatten oft auch geteilte Lerngruppen, damit wir im kleinen Kreis die Kinder an alles gewöhnen konnten. Es war auch gewünscht, zwischendurch Pausen zu machen und auf dem Schulweg 15 Minuten zu spielen. Heute wird das bei uns nicht gewünscht.


    Es gab zu Beginn Schwungübungen, die Stifthaltung wurde trainiert, Grob- und Feinmotorik, dafür gab es Zeit. Heute habe ich das Gefühl, es kommt immer noch eine Schippe drauf, heute, wird dieses vorausgesetzt. Kinder, die nicht in phonologischer Bewusstheit trainiert sind, laufen schnell hinterher. Auch für die Buchstabeneinführung steht immer weniger Zeit bereit - dafür seit neuestem: Entwicklung von Medienkompetenz, Verbraucherschutz , Methodentraining incl. Lernspiralen und was weiß ich noch alles. Dazu noch Inclusion, Abschaffung des Schulkindergarten (bei Einführung der Schuleingangsphase - ein nicht durchdachtes Modell).

    Seit zwei Schuljahren steht noch weniger Zeit zur Verfügung, da durch das Testen, ständige Lüften, 3-4 maliges Händewaschen jede Woche fast 1 Unterrichtsstunde aufgefressen wird......


    Daher mein Tipp:

    Schauen, was bei euch erwartet wird (ich weiß nicht, wie in deinem Bundesland die Lage aussieht).

    Und dann mit den Erziehern im Verbund überlegen, was erleichtert es den Kindern, in unserer Schule gut klar zu kommen?

    Aus welchem Umfeld kommen unsere Kinder?

    Außerdem finde ich weniger mehr - Konzentration auf das wirklich wichtige - Bewegung, Bewegung, soziales Miteinander und Muße zum Spielen, Kneten und nebenbei bauen mit Legosteinen/Magnetbausteine, Mensch ärgere dich nicht spielen (man lernt die 1:1 Zuordnung, die Würfelzahlen, sich selbst zu steuern, bei der Sache zu bleiben...).

    Basics wie : / an- und ausziehen lernen anstatt Lernen welche Planeten es gibt..... und vor allem Spielen, spielen , spielen, malen, mantschen, kneten, Bilderbücher vorgelesen bekommen, Reimspiele......



    flippi

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