Wie plant man Unterrichtsgespräche?

  • Hallo ihr Lieben,


    Ich habe das Gefühl, dass viele meiner Stunden nicht so gut laufen, weil ich noch kein praktikables System gefunden habe, mir die wichtigsten zu erreichenden Ergebnisse oder aufzuwerfenden Fragen zu notieren. Ich benutze im Ausbildungsunterricht oft ähnlich wie für U-Besuche einen Stundenentwurf, der als Phase, inhalt, Medien, Sozialformen etc. festhält. Darin ist aber kein Platz, kompliziertere Gedankengänge so prägnant festzuhalten, dass ich in der Stunde überhaupt noch weiß, wie ich damit umgehen wollte bzw. in der Komplexität der Situation die Redebeiträge struktueriert zu kriegen.


    Ich versuche immer, mir die wichtigsten Fragen zu notieren und diese erst weit/dann enger werdend auszuformulieren. Was mir fehlt, ist irgendiwe der Überblick über solche Gesprächssituationen, besonders in der Oberstufe. Ich hantiere dann mit x Zetteln (Schaubilder, Tafelanschrieb, Notizen, Materialien) und verliere den Überblick...


    Wie macht ihr das? Habt ihr ein praktikables Schema für Unterrichtsnotizen? Ein Verlaufsplan scheint mir immer weniger hilfreich, weil er nur bewirkt, dass mir die Flexibilität fehlt und ich am Konzept hänge.
    Es ist also kein fachwissenschaftliches sondern ein Organisationsproblem, das mich zunehmend nervt.


    Dankbar für Tipps,
    Juliet

    Traue jemandem etwas zu und er wird sich darum bemühen, diesem Vertrauen zu entsprechen. (Don Bosco)

  • Ich glaube, dass es lange dauert, bis man das Unterrichtsgespräch gut beherrscht. Das haben uns auch die Ausbilder gesagt. Ich habe auch noch keine tolle Lösung gefunden. Ich habe aber bei mir gemerkt, dass es besser läuft, wenn ich nicht so genau geplant habe, sondern nur gröbere Strukturen aufgeschrieben habe. Ich bin dann freier im Kopf und kann auch tatsächlich mehr auf die Schülerantworten eingehen, weil ich nur weiß, wo ich hin will und nicht immer auf mein Blatt schiele, damit ich den nächsen Anknüpfungspunkt finde.

  • Hallo Juliet!


    Das Problem hat am Anfang jeder. Und es ist genau wie Aktenklammer sagt, es dauert lange bis das anders wird. Mit der Zeit fallen einem intuitiv die richtigen Fragen ein. Bis dahin und damit man nicht mit x Zetteln hantieren muß hab ich es so gehandhabt, daß ich das Tafelbild aufgeschrieben und die Fragen mit Bleistift oder ner anderen Farbe ausformuliert dazugeschrieben hab, und zwar jeweils gerade an der Stelle, wo die Frage geplant ist, und dazu auch noch andere Dinge, die ich mir vorgenommen hab zu sagen, ohne sie gleich an die Tafel zu schreiben. Ich weiß nicht ob das so ohne weiteres auf andere Fächer übertragbar ist, aber mir hat es geholfen.


    Also laß Dir den Spaß am Unterrichten nicht verderben!


    Viele Grüße


    Peter Pan

    Wir sind die Leute, vor denen uns unsere Eltern immer gewarnt haben.

  • Hallo,


    das ist auch mein Problem, das Unterrichtsgespräch zu gestalten. Einer der Lehrer, bei denen ich hospitiere und unterrichte, meinte, daß wäre das Schwierigste und würde auch immer die hohe Kunst bleiben. Aber man kann es üben und bekommt mehr Routine.


    Mittlerweile gehe ich so vor: Zunächst fertige ich eine Struktur der Stunde an, überlege wieviel Zeit ich mit den Phasen verbringen möchte. Dann fertige ich ein Tafelbild an. Unter den Zettel für das Tafelbild notiere ich mir die Phasen, die Arbeitsaufträge und Schlüsselfragen in den Phasen, also die Fragen, die ich als Einstieg stellen möchte oder an Schanierstellen. Wichtig ist, daß es nur 1 Zettel ist am Ende, den man mitnimmt.


    Den Rest mache ich freier, wobei ich im Hinterkopf behalte möglichst offen zu fragen. Also möglichst jede Frage mit "Warum", "Wie" zu beginnen oder mit "Erklären Sie bitte". Auch hilft es nach einer Aussage von Schülern zu warten, wie die anderen reagieren, ihnen Zeit zu geben, einen Gedanken sacken zu lassen. Ich versuche für mein Gefühl überlang zu warten. Das hilft, sonst bin ich viel zu schnell versucht, eine überflüssige Frage nachzuschieben, anstatt die Schüler freier überlegen zu lassen.


    Sehr wichtig ist es auch, von den Notizen wegzukommen. Ich habe sie zwar auch am Pult liegen, falls ich mal ein Detail im Tafelbild nachschauen will, oder nicht mehr weiter weiß. Je mehr ich mich an den Notizen festhalte, umso verkrampfter ist die Stunde. Wichtig ist einfach, die Fragen vor dem Unterricth einmal überlegt und aufgeschrieben zu haben, man muß sie nicht exakt so stellen. Interessanterweise klappt der Unterricht umso besser, je weniger ich auf die Uhr sehe. Sonst habe ich immer das Gefühl, ich muß jetzt aber unbedingt dieses oder jenes reinschieben, obwohl sich gerade eine interessante Entwicklung im Gespräch ergibt.


    Was mir bei komplizierten Sachverhalten in der Oberstufe auch hilft, ist eine vorgefertigte Folie, dann muß ich mich nicht mehr in der Stunde darauf konzentrieren, ob ich alles richtig an die Tafel bringe.


    Aber wie gesagt, das ist alles bestimmt nur Übungssache, zumindestens habe ich das Gefühl, daß es immer besser wird.


    Liebe Grüße,


    Füchsin

  • Mir hat eine Ausbilderin folgendes Buch empfohlen:
    Bernd Weidenmann: Gesprächs- und Vortragstechnik.
    Ist nicht ganz billig, aber vielleicht auch was für dich?!
    LG K.

    • Offizieller Beitrag
    Zitat

    Aber wie gesagt, das ist alles bestimmt nur Übungssache, zumindestens habe ich das Gefühl, daß es immer besser wird.


    Dem ist so. Das ist das Beruhigende an der Sache.


    Übungen für Fortgeschrittene:


    Mal nichts fragen, nur dumm/fragend/lächelnd in die Runde gucken.


    Ein "Gegen"statement statt ner Frage: Aha - dann könnte man im Prinzip doch auch denken, dass...(provokative Theorie). Oder "Soso, Sie glauben also (verdrehte Version dessen, was der Schüler gesagt hat!) Die Schüler widersprechen dann schon. Meist in mehr Sätzen und engagierter als bei einer Antwort auf eine Frage. Dafür heftig loben.


    Die Schüler bitten, den anderen Fragen zu stellen - nur um Erweiterung/Vertiefung bitten.


    Überhaupt weniger mit Fragen, sondern eher mit ergebnisorientierten Aufgaben arbeiten, zu denen dann die Schüler ein feedback geben (z.B. eine Figur in GA durch eine kleine Szene chrakaterisieren lassen, die anderen dann erklären lassen, wie sie diese Szene verstehen und welche Eigenchaften hier betont werden). Da braucht man eine Stunde fast gar nix zu fragen - und die Schüler reden/erklären. Je mehr sie das tun, desto besser können sie's und desto besser können die anderen es beurteilen.


    Insgesamt denke ich, dass es wichtig ist zu lernen, das Gespräch an die Schüler zu delegieren (vor allem in der OS).
    Die brauchen einen weniger, als man so denken würde. Das Loslassen ist mir aber selber sauschwer gefallen nach dem Ref - ich dachte immer , das Gespräch landet dann sonstwo und alle stochern im Nebel :D - ist aber nicht so.


    Zitat

    Ich habe aber bei mir gemerkt, dass es besser läuft, wenn ich nicht so genau geplant habe, sondern nur gröbere Strukturen aufgeschrieben habe.


    Das stimmt absolut! Je mehr Fragen man sich vorbereitet hat, desto unnatürlicher wird das Gespräch, weil die Schüler eben nun doch mal in eine andere Richtung denken, als man so geahnt hate - und das sind oft wichtige Gedanken, die man mit zu viel Struktur geneigt ist abzuwürgen (weil man ja sonst Frage 3a nicht sinnvoll anschließen kann!).


    Deshalb stimme ich zu:

    Zitat

    Sehr wichtig ist es auch, von den Notizen wegzukommen.


    Man kann sich besser auf die Schüler und das was im Gespräch wirklich passiert (!) konzentrieren, man gibt ECHTE Antworten, und wartet nicht nur auf den einen Beitrag der, wie gesagt, Frage 3a und dann 3b erlaubt.


    Und: es ist NICHT verboten und kommt bei Schüler NICHT dumm rüber, wenn man interessiert innehält ud sagt: "Interessante Idee. Darauf bin ich gar nicht gekommen. Geben Sie mir mal ne Minute um mir das zu überlegen...!" Die Schüler freuen sich einen Keks, dass sie die L. mal überraschen konnten.


    Wie im richtigen Leben bzw bei echter Kommunikation auch. Und dahin, denke ich, sollte es irgendwann mal gehen: Eine echte Kommunikation mit den Schülern über das Thema soundso.
    Also: Loslassen! 8) Sich vertrauen, dass man ein würdiger Gesprächspartner ist! Die Schüler sind normalerweise sehr willige und angenehme Gesprächspartner. 8)8)

    WE are the music-makers, and we are the dreamers of dreams,
    World-losers and world-forsakers on whom the pale moon gleams
    yet we are the movers and shakers of the world for ever, it seems.

    Einmal editiert, zuletzt von Meike. ()

  • Während der Ausbildung und zu Beginn meines ersten „richtigen“ Dienstjahres hatten meine Unterrichtsvorbereitungen einen Umfang von mehreren A4-Seiten. Das war immer so von uns verlangt worden (einschließlich ellenlanger Nachbereitungen) und deshalb konnte ich es gar nicht anders.


    Eines Tages passierte mir folgendes: Ich hatte Deutschunterricht im Chemiezimmer. Dort gab es so ein riesiges Pult, wie sie halt in Chemie- und Physikzimmern üblich sind. Auf ebendiesem Pult lag meine Unterrichtsvorbereitung. Ich stand vor der Klasse, das Pult also hinter mir. Da ich so fürchterlich viel aufgeschrieben hatte und man sich das alles eben nicht merken kann, hatte ich plötzlich restlos den Faden verloren und wusste nicht weiter. Ich musste also um das Pult herumlaufen (was ja ein Weilchen dauerte) und in meiner Vorbereitung die Stelle finden, die ich brauchte. Ich fand sie aber ewig nicht, weil die Zettel alle so vollgeschrieben waren. Die grinsenden Gesichter der Schüler sehe ich heute noch vor mir.


    An jenem Tage habe ich aufgehört, solche Mammutvorbereitungen anzufertigen.
    Heute benutze ich für eine Stunde ein A4-Blatt, auf dem aber nicht allzu viel draufsteht.
    Ich notiere nur die Schwerpunkte und einige wenige Stichwörter dazu. Auch „kompliziertere Gedankengänge“ erscheinen nur in Stichwortform – aus o.g. Gründen. Man lernt im Laufe der Zeit, damit umzugehen, das kommt von ganz allein, wie meine Vorposter schon sagten.


    Man muss auch einfach das Risiko eingehen, dass man mal einen Sachverhalt nicht so glänzend dargelegt hat, wie man es eigentlich wollte oder dass man mal eine Kleinigkeit vergisst. Wirklich wichtige Dinge vergisst man in der Regel nicht.
    Nach jedem Schwerpunkt lasse ich zwei Zeilen frei – wegen der Übersichtlichkeit. Da sehe ich dann auf einen Blick, mit welchem Schwerpunkt es weitergeht. Aufgabenstellungen für schriftliche Arbeit schreibe ich meist wörtlich auf, denn die müssen absolut eindeutig sein.
    Unterrichtsgespräche kann man, glaube ich, nicht so richtig planen. Die entwickeln immer so eine Art Eigendynamik.
    Wichtig ist, (scheinbare) Widersprüche zu setzen oder zu provozieren (siehe Meikes Beitrag).


    Dazu ein Beispiel aus dem Physikunterricht eines meiner Kollegen:
    Er zeigte unseren Zwölfern ein Video, in dem es um irgendwelche Experimente von Wissenschaftlern ging. Das Ergebnis der Experimente wurde am Schluss als These formuliert.
    Mein Kollege fragte die Klasse: „Ist diese These richtig? Was meint ihr?“ Die Schüler riefen alle: „Ja, na klar!“ Mein Kollege fragte: „Warum?“ – Antwort der Schüler: „Na, das haben doch Wissenschaftler gesagt. Die müssen es doch wissen!“ Darauf mein Kollege: „Wissenschaftler können sich also eurer Meinung nach nie irren!???“
    An diesem Punkt hatte er die Diskussion, die er haben wollte, der Rest ging von ganz allein.


    In meinem Deutschunterricht gibt es häufig auch Diskussionen, die überhaupt nicht geplant sind. Vor ein paar Tagen erzählte z.B. ein Schüler etwas von einem Buch, das er gelesen hatte, und es entwickelte sich spontan eine hochinteressante Diskussion. Die habe ich einfach laufen lassen. Das echte Interesse, das ich deutlich spürte, war mir wichtiger als das eigentliche Stundenthema. In dieser Stunde haben alle etwas gelernt (mich selbst einbegriffen).


    So, ich hoffe, ich habe jetzt keine Eulen nach Athen getragen.


    Gruß


    Animagus

    • Offizieller Beitrag
    Zitat

    Da ich so fürchterlich viel aufgeschrieben hatte und man sich das alles eben nicht merken kann, hatte ich plötzlich restlos den Faden verloren und wusste nicht weiter. Ich musste also um das Pult herumlaufen (was ja ein Weilchen dauerte) und in meiner Vorbereitung die Stelle finden, die ich brauchte. Ich fand sie aber ewig nicht, weil die Zettel alle so vollgeschrieben waren. Die grinsenden Gesichter der Schüler sehe ich heute noch vor mir.


    !!


    Diese Geschichte gehört in jedes Handbuch für Referendare!


    :D Meike

    WE are the music-makers, and we are the dreamers of dreams,
    World-losers and world-forsakers on whom the pale moon gleams
    yet we are the movers and shakers of the world for ever, it seems.

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