Ausgelagert: Klimakleber und Selbstjustiz

  • Wobei Fußballfans mitm Zug fahren können. Und sicher oft genug machen, weil Bier.

    Achja, damals zum Pokal nach Köln. Mit dem Zug durch's Mittelrheintal. Immer schön. Mit einem halben Dutzend Freundinnen und Freunden. Biergarten in der Altstadt, Sitzen am Rhein, Pokalspiel, dann noch eine schöne Rückfahrt. Ja, mit tollen Menschen und dem Zug macht's Spaß. (auch ohne Bier) Besser als mit dem Reisebus.

  • Zumal es gar nicht stimmt. Autos sind dem Amerikaner deutlich wichtiger, denn ohne läuft in den allermeisten Gegenden absolut gar nix.

    Ja, ich war geschockt, als ich mal dienstlich in New Jersey war und - wie gewohnt - am Nachmittag Dinge zu Fuß erledigen wollte. Neben mir fuhren die Autos plötzlich im Schritttempo vorbei und ich wurde angestarrt... Und die Städte (5 Stück gesehen; kleine Stichprobe also nur) in New Jersey waren krass: Im Zentrum ein paar Blöcke mit Trottoirs. Ein paar Schritte weiter gelaufen: Keine Trottoirs, viel Rasen vor den Häusern, Stellplätze und Garagen. Kein Raum für mich zum Laufen. Da wurd's mir mulmig und ich bin zurück ins Zentrum.


    Zuhaus' kann ich's Laufen ganz anders genießen. Krass, wie die Städte und "Städte", die ich gesehen habe, auf das Auto ausgerichtet waren. Alles: Einkauf, Sport, Kirche, Bank... wurde dort angefahren.


    PS: Laufen = flanieren, nicht joggen.

  • Ein bisschen platt und polemisch, oder?

    Da hast du womöglich Recht. Ich gehe aber mal davon aus, dass das zwei Punkte sind, bei denen politisch ganz schwer etwas zu machen ist, weil einerseits eine große Industrie dahintersteht und andererseits beide Aspekte einen hohen Stellenwert im Leben vieler Deutscher einnehmen. Bis zu einem gewissen Grad lässt sich das mit den Waffen der Amerikanern vergleichen, wobei hier natürlich noch einmal erschwerend das 2nd Amendment hinzukommt.


  • Mal ein schönes Beispiel aus der Gegend, in der ich in den Weihnachtsferien zu Besuch war. Angenommen man lebt in Chicory Rd, einer typischen Vorstadtgegend. Es ist absolut unmöglich zu Fuß den Luftlinie ein paar hundert Meter entfernten Market Basket zu erreichen, es geht dort durch dichten Wald und über einen riesigen Parkplatz. Wer einkaufen möchte fährt bitte mit dem Auto ca. 6km außen rum.


    Es gibt eine Buslinie im Ort, die verläuft entlang der King St, der stark befahrenen Hauptstraße. Dort stehen nur wenige Häuser, die Nachbarschaften werden nicht angefahren.


    In keiner der Nachbarschaften und auch nicht in der "Innenstadt" gibt es nur einen einzigen Supermarkt, Apotheke oder sonstigen Laden. Auch keine Restaurants oder Bar mit der historischen Außnahme EINES EINZIGEN Café im Zentrum. Das nennt man "Zoning". Alles liegt entlang der Hauptstraßen, es gibt sogar eine ganze Menge Restaurants, Geschäfte, etc. Aber keines für irgendwen fußläufig oder per ÖPNV erreichbar.


    Die beschriebene Stadt hat übrigens ca. 25.000 Einwohner. Und ist kein Einzelfall.


    DAS ist Abhängigkeit vom Auto, nicht Deutschland.

  • DAS ist Abhängigkeit vom Auto, nicht Deutschland.

    Das ist AUCH Abhängigkeit vom Auto, eine sehr krasse sogar oder wenn du es gerne umgedreht hättest, dann liegt hier in D ein milde Form der Abhängigkeit vor.

    Tatsachen schafft man nicht dadurch aus der Welt, dass man sie ignoriert.

    Aldous Huxley

  • Da hast du womöglich Recht. Ich gehe aber mal davon aus, dass das zwei Punkte sind, bei denen politisch ganz schwer etwas zu machen ist, weil einerseits eine große Industrie dahintersteht und andererseits beide Aspekte einen hohen Stellenwert im Leben vieler Deutscher einnehmen. Bis zu einem gewissen Grad lässt sich das mit den Waffen der Amerikanern vergleichen, wobei hier natürlich noch einmal erschwerend das 2nd Amendment hinzukommt.

    Das klingt doch viel differenzierter und da stimme ich dir weitgehend zu. Autos und die verbundene Industrie sind in D recht wichtig. Insofern gibt es da auch bei allen entsprechenden Fragen Interessengruppen, die sich gerne einmischen: Aus der Industrie, den Gewerkschaften (IGM), ADAC.

    Den Vergleich mit den Waffen finde ich dann aber doch zu extrem. In den USA gibt es ja sogar Gruppen, die Einschränkungen beim Thema Waffen mit gewalttätigem Widerstand begegnen wollen.


    Die Themen Auto, Umweltschutz, Energie-Quellen, CO2 etc. sind aber so komplex, dass ich mich tendenziell bei solchen Diskussionen zurückhalte, weil vieles eben doch in Graustufen verschwimmt und dann nicht so eindeutig gut oder böse ist. Hier in der Diskussion bspw.: Nur weil ich/wir in Bezug auf die Mobilität eben ganz viele Optionen habe(n) (neben dem Auto) sehe ich doch eben die anderen, die 10km weiter draußen auf dem Land wohnen und bei denen das Auto (vor allem wenn man Kinder hat) überhaupt dazu dient, die Alltagslogistik gestemmt zu bekommen. Dann bspw.: Lützi. Klar ist es frustrierend, dass RWE hier noch ein Dörfchen wegbaggert, aber das, was an dieser Stelle passiert, ist eine völlige Überhöhung dieses kleinen letzten Zipfels des Tagebaus. Was hier passiert, ist, dass etwas, was in einem ganz großen demokratisch zustande gekommenen Kompromiss festgeschrieben ist, nämlich der Abschluss dieses Tagebaus, mit einem viel größeren Prozess, dem Ausstieg aus der Kohle, direkt verbunden ist. Es ist völlig legitim, dagegen zu demonstrieren, aber das war eben die große Kröte, die zu schlucken war. Soll als Konsequenz der ganze Kompromiss aufgeschnürt werden? Wie gesagt: Was RWE da macht, ist mehr als unschön, aber es stellt "nur" ein Schlagloch auf dem richtigen Weg dar. Deswegen halte ich das als Symbol für überhöht. Gleichzeitig investiert RWE eben auch ganz massiv in erneuerbare Energien. Mist, ich klinge fast wie ein RWE-Propagandist. Und genauso sind die ganzen Themen eben zu komplex, um sie hier in kurzen Forumsposts adäquat zu diskutieren (was aber nicht an der Diskussion hindern soll).

    Weitere interessante Aspekte (mal nur schlagwortartig - wie gesagt: Ich habe hier nicht die Weisheit mit Löffeln gefressen):

    In D hat sich in den letzten 30 Jahren der Ausstoß um fast ein Drittel verringert. D ist also eben nicht das Land, das ganz böse ohne Rücksicht auf Verluste immer mehr rauspustet und gar nix getan hat (böse Boomer ;) ). Auf der anderen Seite ist D eben doch weiterhin ein großer Emittent. Auch Graustufe und nicht gut-böse. Dann hat D durch die massive und teure Förderung der Fotovoltaik dafür gesorgt, dass die Industrie in diesem Bereich weltweit beschleunigt hochgefahren wurde (auch nicht so schlecht). Auf der anderen Seite bleiben wir schon seit Jahren unter den Ausbauzielen für erneuerbare Energien (net so doll).

    Dann die technischen Probleme: Energie zu speichern ist weiterhin sehr aufwendig und teuer (Batterien) oder mit großen Verlusten behaftet (power2gas), aber es gibt trotzdem interessante Aspekte wie die Speicherung der Energie auf chemischen Weg. Wie weit werden solche Vorräte reichen? Wo sind die Leitungen vom Norden in den Süden (Windkraft)? Wer wird wie entlohnt, um für die Notfälle Reservekraftwerke bereit zu halten? Ist es zynisch, sich dabei auf Kernkraft aus anderen Ländern zu verlassen?

    Ist das Festkleben sinnvoll, um etwas zu erzwingen? Schadet es nicht eher, weil eben auch ganz viele vernünftige Menschen, die in mobilitätstechnischen Zwangslagen (Wohnen auf dem Land) stecken, massiv beeinträchtigt werden?

    Oder persönlich: Sehe ich als Nichtflieger die andere Familie, die in die USA in den Urlaub fliegt, als Umweltsäue? Bin ich, der doch manchmal, weil es schneller und bequemer ist, das Auto nimmt ein heuchlerischer Umweltarsch?


    Wie gesagt: Ich sehe die Komplexität der ganzen Thematik und ärgere mich dann immer, wenn es polemisch, persönlich und oberflächlich wird. Wie gesagt: Eigentlich will ich mich hier nicht in große Diskussionen verstricken, weil ich zu viele Graustufen wahrnehme, um mit voller Überzeugung klare Positionen zu beziehen.

  • Was ist denn genau die Definition von Abhängigkeit? Reicht es, von Abhängigkeit zu sprechen, wenn die Fahrt mit dem ÖPNV im Vergleich zum Auto z.B. in manchen Gegenden Deutschlands 2-3x so teuer wäre oder 2-3x so lang dauern würde? Vermutlich kommt man mit dem ÖPNV sogar an jedes Ziel, aber in manchen Fällen nur mit viel Aufwand, sprich mehrfach umsteigen, Wartezeiten bis zu einer halben Stunde (oder länger bei Entfall/Verspätung), ein paar hundert Meter Fußweg zwischen Busstationen oder gar Übernachten am Bahnhof - die Geschichte ist ja inzwischen bekannt.

  • In der Region fahren teils die Busse auf dem Land alle Stunde. Zwischenzeitlich auch mal erst nach zwei Stunden. Ich dagegen lebe in der glücklichen Situation, niemals nach Fahrplänen schauen zu müssen, weil die Taktung der Busse so hoch ist und die Linien optimal liegen.

    Die Abhängigkeiten der Menschen in den Dörfern sind wirklich so, dass insbesondere die Fahrtzeiten unglaublich sind. Was für eine Odyssee viele meiner SuS auf sich nehmen, um morgens rechtzeitig in den Unterricht zu kommen, ist Wahnsinn.

    Wenn dann die Familie mit 2-3 Kindern das eigene Leben mit Beruf und all den Terminen im Griff behalten will, ist es dann eher Abhängigkeit vom Auto und nicht mehr der mangelnde Willen und die Bequemlichkeit.

  • In der Region fahren teils die Busse auf dem Land alle Stunde. Zwischenzeitlich auch mal erst nach zwei Stunden.

    Das ist ja immerhin ein Takt. In meinem Heimatort fuhren bis vor wenigen Jahren nur drei Busse am Tag, in den Schulferien weniger.


    Seit stündlich Busse fahren wird sich beschwert, dass sich plötzlich so viele Busse durch das enge Dorf schlängeln, drin sitzen tut nach wie vor keiner.

  • In den meisten Ländern dürfte der ÖPNV im ländlichen Raum schlechter ausgebaut sein als im urbanen Raum. Da haben wir es in Deutschland vermutlich noch vergleichsweise gut wenn man mit manchen sehr ländlichen Regionen in China oder Russland vergleicht. Dort kommen aber vermutlich die Menschen kaum raus und verbringen ihr Leben eben in ihrem Dorf und es ist mal was Besonderes, in den Nachbardörfern herumzukommen. Die Schweiz soll wohl sehr gut ausgebaut sein, was den ÖPNV betrifft, aber das System lässt sich vermutlich nicht zwangsläufig auf andere Länder übertragen, da die Schweiz das nötige Kleingeld hat (und scheinbar auch den politischen Willen, es in den öffentlichen Verkehr zu investieren) und vergleichsweise dicht besiedelt ist.

  • Klar kommen wir beim Vergleich mit nahezu nicht besiedelten Gegenden in großen Flächenstaaten noch ganz gut weg. Aber auch Deutschland ist erheblich dichter besiedelt als diese. Ich habe offen gestanden wenig Verständnis dafür, dass ich selbst in einem Vorort einer Großstadt nur bestenfalls im 2-3h Takt in die Stadt fahren kann und spätestens 18 Uhr zurück muss. Und dabei ist das nicht einmal eine Linie, die nur Dörfer anfährt, sondern eine Direktverbindung zwischen 2 Städten mit Zwischenhalt. Als Reaktion auf den geforderten Ausbau des ÖPNV wurden im letzten Sommer übrigens weitere Verbindungen gestrichen.

  • Da haben wir es in Deutschland vermutlich noch vergleichsweise gut wenn man mit manchen sehr ländlichen Regionen in China oder Russland vergleicht. Dort kommen aber vermutlich die Menschen kaum raus und verbringen ihr Leben eben in ihrem Dorf und es ist mal was Besonderes, in den Nachbardörfern herumzukommen.

    Das weißt du aufgrund deiner zahlreichen Reisen nach Russland und China in eben diese Gebiete?

  • Und dabei ist das nicht einmal eine Linie, die nur Dörfer anfährt, sondern eine Direktverbindung zwischen 2 Städten mit Zwischenhalt.

    Querverbindungen sind sowieso ein ganz großes Problem, das sieht man in meiner jetzigen Wohngegend auch sehr schön.

    Man kommt von überall ganz gut nach Düsseldorf rein, ja. Aber wenn man mal von "Vorort A" nach "Vorort B" möchte, werden die Fahrzeiten aufgrund der ineffizienten Wege dann auch völlig absurd und man landet wieder beim Auto.

  • In den meisten Ländern dürfte der ÖPNV im ländlichen Raum schlechter ausgebaut sein als im urbanen Raum. Da haben wir es in Deutschland vermutlich noch vergleichsweise gut wenn man mit manchen sehr ländlichen Regionen in China oder Russland vergleicht. Dort kommen aber vermutlich die Menschen kaum raus und verbringen ihr Leben eben in ihrem Dorf und es ist mal was Besonderes, in den Nachbardörfern herumzukommen. Die Schweiz soll wohl sehr gut ausgebaut sein, was den ÖPNV betrifft, aber das System lässt sich vermutlich nicht zwangsläufig auf andere Länder übertragen, da die Schweiz das nötige Kleingeld hat (und scheinbar auch den politischen Willen, es in den öffentlichen Verkehr zu investieren) und vergleichsweise dicht besiedelt ist.

    Was wirklich erfreulich wäre: Das Nachverkehr-49€-Ticket. Da wäre das Kostenargument keins mehr - besonders für die, die bisher über die engen Grenzen einzelner Verbünde/Waben pendeln. Was ich fürchte: Die Finanzierung des ÖPNV wird's nicht verbessern.

    Hier die Region ist so geprägt, dass du keine Stelle auf dem Land hast, wo du keinen Ort siehst. Eine sehr hohe Dichte von kleinen Orten. Das macht es aber dann wieder schwierig, weil man theoretisch alle anfahren müsste. Da wären weniger Orte mit mehr Bevölkerung leichter zu handhaben.

  • Das weißt du aufgrund deiner zahlreichen Reisen nach Russland und China in eben diese Gebiete?

    Es würde mich überraschen, wenn der Verkehr in irgendwelchen abgelegenen russischen oder chinesischen Dörfern besonders ausgebaut wäre. In beiden Ländern ist der Kontrast zwischen Stadt und Land noch einmal krasser als hierzulande. Noch durfte ich aber den russischen ÖPNV abseits der Großstädte nicht ausprobieren.


    state_of_Trance : Da hast du Recht - es sind vor allem die Querverbindungen, die den Transport mit dem ÖPNV erschweren. In die nächstgrößere Stadt kommt man meist irgendwie, aber alles Andere ist oft mit mehr Aufwand verbunden.

  • Das ist ja immerhin ein Takt. In meinem Heimatort fuhren bis vor wenigen Jahren nur drei Busse am Tag, in den Schulferien weniger.

    Schön wär's jetzt tatsächlich, wenn ich sagen könnte, du müsstest wohl hier bei mir im Dorf aufgewachsen sein, da hier nur morgens, mittags und abends ein Bus fährt, aber ich fürchte, es ist andernorts nicht besser....

    Tatsachen schafft man nicht dadurch aus der Welt, dass man sie ignoriert.

    Aldous Huxley

  • Leider handelt es sich da, genau wie beim Beispiel der amerikanischen Kleinstadt, absolut nicht um einen Einzelfall. In ländlichen Gegenden (oft ja sehr schön, deshalb bin ich gerne als Besucher dort) schaue ich immer mal wieder (entsetzt) auf die dort aushängenden Busfahrplane.

  • Was für eine Odyssee viele meiner SuS auf sich nehmen, um morgens rechtzeitig in den Unterricht zu kommen, ist Wahnsinn.

    Richtig früh los muss mein 5.Klasskind nicht, aber der Bus kommt 9 Minuten vor Schulbeginn an der Schule an, dann muss es noch 7 min laufen bis zur Schultüre (!) und dann noch ins Klassenzimmer in einem großen Gym (1300 Schüler).

    Erst gestern hat es von der LK einen Anschiss un der 1. Stunde noch VOR der Schulaufgabe (Klausur, Probe) bekommen, warum es denn erst jetzt käme. Dabei haben wir am Elternabend das sogar extra besprochen, dass alle aus diesem Dorf nicht pünktlich sein KÖNNEN.

    Danke fürs Ausko....., das Thema kam mir gerade zupass.

    Tatsachen schafft man nicht dadurch aus der Welt, dass man sie ignoriert.

    Aldous Huxley

    Einmal editiert, zuletzt von laleona () aus folgendem Grund: n vergessen

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