Brauche dringend Rat - Schwierige Klassenführung und persönliche Grenzen

  • Liebes Forum,


    ich stecke in einer ziemlich herausfordernden und emotional belastenden Situation. Seit ich von einem Gymnasium zu einer Mittelschule gewechselt bin, begegne ich Schwierigkeiten, die es mir schwer machen, effektiv zu unterrichten und eine positive Lernatmosphäre zu schaffen.


    Klassenführung:

    Die Disziplin meiner 13- bis 14-jährigen SuS stellt mich täglich auf die Probe. Sie reden oft durcheinander und ignorieren Anweisungen, was den Unterricht stört. Manchmal brauchen sie sogar 5 Minuten, um überhaupt zu realisieren, dass ich da bin. Trotz verschiedener Methoden, um den Unterricht zu beginnen, bleibt der Erfolg aus. Hinzu kommt, dass ich, bei einer Größe von 156 cm, mich von SuS umringt finde, die bereits über 170 cm groß sind, was die Situation nicht einfacher macht. Meine Mentorin empfiehlt Strenge und Strafen, was meinem Ideal eines unterstützenden Lernumfelds widerspricht. Ich tendiere zu trockenem Humor, was bei SuS mit Deutsch als Zweitsprache oft nicht ankommt. Ich frage mich, wie ich klar und deutlich sein kann, ohne meine Persönlichkeit zu verleugnen.


    Respekt und Fairness:

    Die SuS fühlen sich oft ungerecht behandelt, was endlose Diskussionen nach sich zieht. Obwohl ich ihre Meinungsäußerung fördern möchte, scheint es an Ressourcen zu mangeln, und als einzige Lehrkraft mit diesem Ansatz fühle ich mich isoliert.


    Überschreitung persönlicher Grenzen:

    Besonders belastend finde ich Aufgaben wie die Überwachung der SuS beim Duschen. Als Frau ist es mir unangenehm, pubertierende Mädchen dabei zu beobachten, und ich vermeide es, bei den Jungen in ähnlichen Situationen präsent zu sein. Diese Tätigkeiten kollidieren stark mit meinem Selbstbild und meiner Vorstellung von meiner Rolle als Lehrkraft.


    Kommunikation und individuelle Förderung:

    Ständige Unterbrechungen und Misstrauen erschweren den Aufbau von Beziehungen und die individuelle Förderung. Einige SuS sind Einzelgesprächen gegenüber ängstlich oder unwohl, was eine weitere Hürde darstellt. Ich verstehe, dass eine gewisse Rebellion gegen Autoritäten Teil des Erwachsenwerdens ist, aber das aktuelle Ausmaß macht Unterrichten fast unmöglich.



    In dieser Umgebung zehrt das Unterrichten an mir, sowohl beruflich als auch persönlich. Ich möchte einen Ort schaffen, an dem SuS frei und ungezwungen lernen können, doch die gegebenen Umstände erschweren dies enorm. Ich möchte die SuS unterstützen, aber laute und störende Verhaltensweisen dominieren.

    Ich frage mich, ob ich grundlegende Fehler mache und wie ich meine Beziehung zu den SuS verbessern kann, ohne ständig in Konflikt zu geraten. Für jeden Rat, jede Strategie oder persönliche Erfahrung, die mir helfen könnte, diese Situation zu bewältigen und eine unterstützende Lernumgebung zu schaffen, wäre ich sehr dankbar.

    Vielen Dank im Voraus für eure Unterstützung.

  • Überschreitung persönlicher Grenzen:

    Besonders belastend finde ich Aufgaben wie die Überwachung der SuS beim Duschen. Als Frau ist es mir unangenehm, pubertierende Mädchen dabei zu beobachten, und ich vermeide es, bei den Jungen in ähnlichen Situationen präsent zu sein. Diese Tätigkeiten kollidieren stark mit meinem Selbstbild und meiner Vorstellung von meiner Rolle als Lehrkraft.

    Wo gibt's denn sowas?


    Zuckerbrot: "Wenn ihr bis zu den Osterferien gut mitarbeitet, machen wir Ausflug/Frühstück/schauen einen Film, etc".

    Peitsche:

    - Rädelsführer klein halten, die Ansprechbaren positiv bestärken

    - selbst immer(!) pünktlich zum Unterricht kommen und Zeit stoppen bis alle soweit sind, Zeit notieren und bei 30 Minuten gibt's eine extra Hausaufgabe für die vertrödelte Zeit (muss nicht "extra" sein, reicht schon, wenn du es als "extra" ankündigst)

    - Kollegen ins Boot holen; immer alles dokumentieren, wenn Scheiße gebaut wurde, dann ggf. Missbilligung und Ordnungsmaßnahmen (NRW), so kriegt man auch Eltern zur Kooperation

    - ansonsten geht die Notenskala von 1-6, das darf man auch so anwenden

  • Hm.. so ganz verstehe ich die Zusammenhänge nicht, bzw. man muss sich da deine jetzige Situation zusammenreimen.

    Laut Profil bist du Studentin. Machst du eine Umschulungsmaßnahme vom Gymnasiallehramt zum Mittelschullehramt durch?

    Du scheinst noch in der Ausbildung zu sein, ist das das letzte Jahr, weil du von einer Klassenführung sprichst? Hast du eine eigene Klasse?

    In dieser Umgebung zehrt das Unterrichten an mir, sowohl beruflich als auch persönlich. Ich möchte einen Ort schaffen, an dem SuS frei und ungezwungen lernen können, doch die gegebenen Umstände erschweren dies enorm. Ich möchte die SuS unterstützen, aber laute und störende Verhaltensweisen dominieren.

    Ich frage mich, ob ich grundlegende Fehler mache und wie ich meine Beziehung zu den SuS verbessern kann, ohne ständig in Konflikt zu geraten. Für jeden Rat, jede Strategie oder persönliche Erfahrung, die mir helfen könnte, diese Situation zu bewältigen und eine unterstützende Lernumgebung zu schaffen, wäre ich sehr dankbar.

    Ich verstehe, dass du Ideale hast und auf eine andere Situation triffst wie du sie dir vorgestellt hast. Mir hat am Anfang meines Berufweges (ich habe sowohl in Grund- als auch Hauptschulklassen unterrichtet) geholfen, dass ich bei vielen verschiedenen Lehrern hospitiert habe, was diese mir auch angeboten haben. Da konnte ich mir einiges Nützliches abschauen und im Gespräch habe ich einige Strategien verstanden. Ansonsten ist es leider so, dass man am Anfang oft mehr Unsicherheit ausstrahlt, das nutzen sogar Grundschüler aus. Mit der Zeit gewinnt man Sicherheit.


    Hier noch ein paar Gedanken:

    Selbst bei den Grundschülern geht eine gute Klassenführung nur über konsequentes Verhalten. Ich meine beiden Seiten: freundlich, nett zu den Schülern, aber konsequent, wenn es etwas nicht in Ordnung ist.

    Alles, was Schüler sagen, muss nicht wirklich so empfunden sein. Selbst die Grundschüler probieren es mit: "Das ist aber unfair". Es ist die Frage, wo es sinnvoll ist, sich auf Diskussionen mit Schülern einzulassen, denn sie probieren auch ihre Grenzen aus.

    Gibt es nicht in Bayern getrennter Jungen- und Mädchensport in der Sekundarstufe? Musst du wirklich die Umkleidekabine bzw. das Duschen "überwachen"? Du musst sicher nicht daneben stehen.

    Individuelle Förderung: Ich kann mir hier die beschriebene Emotionen der Schüler schwer vorstellen. Vielleicht ist es ihnen im Klassengefüge eher peinlich. Oder müssen sie evtl. anders angesprochen werden?


    Sieh dich als Lernende und versuche an Kleinigkeiten zu arbeiten. Letztendlich ist es besser, erstmal die Ratschläge erfahrener Lehrkräfte auszuprobieren. Den eigenen Stil findet man noch früh genug.

  • 1. Ich würde nicht verschiedene Methoden ausprobieren, sondern eine durchziehen. Wenn du übersehen wirst, besorge dir ein akustisches Signal und sorge erst mal dafür, dass jeder auf seinem Platz sitzt und den Mund hält.


    2. Wieso kann ein Lernumfeld nicht unterstützend sein, wenn der dies organisierende Lehrer streng ist? Du willst, dass alle leise sind und mitmachen, gleichzeitig willst du aber nicht die sein, die das durchsetzt. Die Kinder sollen von alleine draufkommen und das heißt dann "lernförderlich"?


    3. Meinung kann man äußern, wenn es um kontroverse Themen geht. Wenn du erwartest, dass alle zuhören und mitmachen, bedarf das keiner Diskussion. Oder welche Meinung hörst du dir dann an? Ehrlich gesagt glaube ich, dass du dir auch hierbei in die Tasche lügst. Alle sollen sich auf eine bestimmte Weise Verhalten, aber du willst Spielraum lassen, sich dazu zu äußern, gleichzeitig gibt es aber an dem Grundregeln nicht wirklich was zu rütteln. Meine Meinung: Hört auf, über Grundsätze zu diskutieren. Wenn mehr als eine Person spricht, hören die anderen nichts mehr von dem, was gesagt wird und wenn alle rumlaufen und sich nicht konzentrieren, lernen sie nichts. Punkt.


    4. Was hat das Duschen damit zu tun? Verstehe ich gerade nicht. Wenn du Schwimmaufsicht hast und musst gucken, dass sich alle benehmen, ist es halt so. Nimm eine Trillerpfeife mit. Die Jungsdusche muss eben ein Mann kontrollieren, das würde ich bei 14-Jährigen ablehnen.


    5. Wie äußert sich das Misstrauen? Und inwiefern hat das eine Bedeutung? Ist es möglich, dass sie einfach nur keine Lust haben, weil sie sich dann den Problemen nicht mehr entziehen können?

    ...Ich tendiere zu trockenem Humor,

    Behalte den auf jeden Fall bei! Die lustigsten Leute sind übrigens oft Söhne muslimischer Familien. Wenn sie so wenig Deutsch können, dass sie dich nicht verstehen, musst du vielleicht einfach alles noch viiiel weiter runterbrechen. Wenn du aus Gewohnheit das Niveau des Gymnasiums durchziehst, liegt da vielleicht schon ein wesentlicher Schlüssel. Mach alles so einfach wie möglich, sprich so kurz und klar wie nötig. Humor und Freundlichkeit dabei trotzdem nicht verlieren. Ewiges Gemecker, das zu nichts führt ist Gift.

  • Hey...ich glaube, dass viele deiner Probleme wirklich "hausgemacht" sind (kein Vorwurf, sondern eher die Ermutigung, sie anzugehen) und würde dazu gerne eine kleine Geschichte aus meiner eigenen Schulzeit erzählen.


    Lehrerin, 1,55m groß, "klaa unn uffgestummpt", wie der Hesse sagen würde - aber SO eine Schnauze. Die konnte vor einem 1,80m-Jungen stehen und er war hinterher nur noch kniehoch. ABER: alle haben sie gemocht, weil sie straight und fair war. Sie hat klar gemacht, was sie will und was sie nicht will und hat NICHTS durchgehen lassen. Daran konnte man sich als Schüler*in gut festhalten und die Unterrichtsatmosphäre war produktiv.


    Jugendliche in dem Alter können ganz arg ätzend sein - sind es aber meist dann, wenn sie keinen Rahmen gesetzt kriegen, herumschwimmen und dann nichts mehr ernstnehmen, das du sagst oder tust. Es ist gut, wenn du ihnen Respekt entgegenbringen willst - aber die Befehlsgewalt MUSS in deinen Händen bleiben, egal, wie liberal du das handhaben willst. ZU liberal geht einfach schief. Ich habe diese Erfahrung in jungen Jahren machen müssen, als ich mal für ein paar Monate an ein privates Gymnasium gebucht wurde. Es ist einfach total unrealistisch, die Jugendlichen recht frei und "als Freundin" zu unterrichten. Der Respekt stellt sich nur ein, wenn du ein starkes Kreuz hast, klare Ansagen machst, die auch gelten. Das bedeutet ja nicht, dass die Kinder nie ihre Meinung sagen dürfen oder unterdrückt werden, sondern einfach nur, dass du durch ein starkes Auftreten eine klärende Atmosphäre schaffst. Ich habe als Schülerin immer am besten bei den strengen, fairen und straighten Lehrer*innen gelernt, weil ich sie respektiert habe, sowohl fachlich als auch menschlich.


    Notengebung: Du selbst hast zu verantworten, dass du gerecht benotest. Deine Aufgabe ist es, die Schüler und Schülerinnen so wahrzunehmen, dass du faire Noten geben kannst. Dann kannst du in der Notengebung auch transparent sein und Diskussionen im Keim ersticken, weil sie jeder Grundlage entbehren. Wenn die Kids verstehen, warum es die und die Note gab, geht auch die Diskutiererei zurück, so meine Erfahrungen mit Jugendlichen und mit Grundschüler*innen. Denn selbst Grundschüler*innen können schon mal "unfair!!!" schreien, wenn sie es nicht reflektieren können.


    Übrigens wittern SuS Angst und Unwohlsein durchaus und werden dann selbst unsicher, bzw nutzen das aus. Auch verstehen sie nicht, warum du verschiedene Grundstrukturen immer wieder änderst (so habe ich dich im Ausgangstext verstanden) und das schafft dann Durcheinander.


    Dusche: da musste durch. Wenn du Schwimmen unterrichtest, musst du gucken, aber in der Regel gibt sich das mit den Jahren und der Erfahrung und du fühlst dich da nicht mehr so schlimm.


    Ob du das in dieser Klasse noch gedreht kriegst, weiß ich nicht, ich wünsche es dir. Vielleicht gibt es bei euch die Möglichkeit von Reflexionsstunden mit der Vertrauenslehrkraft der Schule oder dem Schulpsychologen? Da habe ich aber keinen Erfahrungsschatz, inwiefern das Früchte tragen könnte.


    Auf jeden Fall alles Gute für dich.

Werbung