Wechsel zu Sprachheilpädagogik

  • Hallo zusammen :)

    ich bin neu hier auf der Plattform :))

    Ich studiere derzeit an der LMU in München Sprachtherapie (mit Kassenzulassung für logopädische Therapie). Eigentlich gefällt mir der Beruf ganz gut, die Bezahlung und die allgemeinen Arbeitsbedingungen sind nur leider unterirdisch und es besteht nicht wirklich Hoffnung auf eine Verbesserung. Gleichzeitig ist der Job psychisch total anstrengend. Alle Therapeuten, mit denen ich spreche, sind total demotiviert und überlegen alle, den Beruf zu wechseln. Einige wissen jetzt schon, dass sie mal in der Altersarmut landen oder sind finanziell total abhängig von ihrem Partner, obwohl sie Vollzeit arbeiten...

    Ich überlege seit einiger Zeit, meinen Bachelor fertig zu machen und dann noch Lehramt Sonderpädagogik mit Fachrichtung Sprachheilpädagogik zu studieren. Ich habe auch dieses Semester neben meinem Studium an einer Schule gearbeitet und habe auch schon Praktika an Schulen gemacht und ich könnte es mir eigentlich auch echt gut vorstellen.

    Was mich abschreckt, ist die enorme Arbeitsbelastung und die hohe Burnout-Quote unter Lehrkräfte. Ich weiß, dass das natürlich total individuell ist, wie man mit Stress umgeht. Dennoch würde ich mich freuen, wenn mir hier einige Lehrer (am besten aus der Förderschulrichtung) antworten würden. Würdet ihr den Beruf wieder wählen oder würdet ihr eher davon abraten? Ich könnte mir zwar einige Module anrechnen lassen, es würde aber trotzdem noch einige Jahre Studium bedeuten....


    Liebe Grüße,

    Viola

  • Ich habe in München Lernbehindertenpäd auf Lehramt studiert, einige Freunde Sprachheil auf Magister und einige auf Lehramt. Die Sprachheilpäds arbeiten nach wie vor als Lehrer im Umkreis von München, die Sprachheilmags auch, wobei eine irgendwann in einen Bürojob gewechselt ist, sie hatte das Therapieren irgendwann über. Aber eben nur eine hat gewechselt. Eine arbeitet jetzt im Klinikum als Sprachtherapeutin, einer seit vielen Jahren in einem Zentrum für Sprachheilirgendwas.

    Meine Betreuungslehrerin im Ref hat Sprachheil studiert und nach einigen Jahren am SFZ hat sie eine Schulleitung an einer Sprachheilschule übernommen.

    Also eigentlich alle recht zufrieden :)

  • … die Bezahlung und die allgemeinen Arbeitsbedingungen sind nur leider unterirdisch und es besteht nicht wirklich Hoffnung auf eine Verbesserung.

    Die Sätze sind erst im letzten Jahr angehoben worden … oder ist das vom Bundesland abhängig?

    Was sind denn unterirdische Arbeitsbedingungen?

  • Sprachheilpädagogik im Lehramt kann unterschiedliche Schwerpunkte haben: Eventuell arbeitest du an einer anderen Förderschule (musst du in Bayern nicht sowieso ein Unterrichtsfach und zwei sonderpäd. Fachrichtungen studieren?). Oder in der Inklusion, was je nach Bundesland wiederum unterschiedlich gehandhabt wird.

    Du verdienst natürlich wesentlich mehr. Allerdings frage ich mich schon, welchen psychischen Belastungen deine Kolleg*innen sich ausgesetzt sehen, was dann im Lehramt besser werden soll. Ist man als Therapeutin nicht im Einzelsetting?

    Als Lehrkraft bist du halt den Rest deiner Tage Lehrkraft, mit allem was dazu gehört. Deine Kenntnisse in Sprachheilpädagogik nutzen dir dann zwar grundsätzlich schon, aber du unterrichtest, führst Elterngespräche, musst Leistung bewerten, ggf. mit Grundschul-/Sek I-Lehrkräften zusammenarbeiten und hast immer wieder mit verhaltensauffälligen SuS zu tun.

    Wenn du dir das vorstellen kannst: warum nicht? Ich bin sehr froh um meine Absicherung und guten Verdienst. Generell mag ich meinen Beruf. Manchmal hätte ich aber auch nichts gegen schöne Einzelförderung in einer gut ausgestatteten Praxis und Eltern kommen freiwillig, hoffen auf Hilfe. Und wenn sie doch mal unzufrieden sind, wechseln sie einfach die Praxis und machen mich nicht dumm von der Seite an. Und wenn einem danach ist, arbeitet man mit Erwachsenen oder in einer Einrichtung, wechselt den AG... Hat alles Vor- und Nachteile.

  • Ich habe - im Nachbarbundesland - Sonderpädagogik mit Hauptfachrichtung Sprache studiert und arbeite auch in diesem Förderschwerpunkt. Prinzipiell kann ich es empfehlen; ich bin glücklich mit meiner Wahl.

    Natürlich gibt es anstrengende, herausfordernde und stressige Situationen und Phasen. Aber wo gibt es die nicht? Zumindest, wenn man im sozialen Bereich im weiteren Sinne arbeitet.

    Was du bedenken solltest: In Bayern sind die meisten Förderschulen SFZ, die die Schwerpunkte Lernen, Sprache und Verhalten umfassen. Nach dem, was man von dort hört, sind da eher wenige Kinder, bei denen die Sprache wirklich der einzige oder Hauptaspekt der Förderung ist, sondern es sind zunehmend umfassende Entwicklungsprobleme.

    Aber gut, zum einen geht die Tendenz auch hier an Schulen, die nur den Schwerpunkt Sprache haben, in dieselbe Richtung. Zum anderen schreibst du ja, du habest bereits Praktika (in SFZ?!) gemacht, weißt also wohl, was auf dich zukommen würde?

    musst du in Bayern nicht sowieso ein Unterrichtsfach und zwei sonderpäd. Fachrichtungen studieren?

    Bayern, aktuell: ein Förderschwerpunkt mit sehr vielen Modulen/ECTS, eine zweiter mit deutlich abgespecktem Umfang ("Qualifikation"), dazu entweder Grundschuldidaktik (Deutsch, Mathematik und eines aus Musik/Sport/Kunst/Religion) oder Hauptschuldidaktik (Deutsch oder Mathematik, zweites Fach je nach Wahl vom ersten und wieder eines aus Musik/Sport/Kunst/Religion) sowie die allgemeinen erziehungswissenschaftlichen, psychologischen usw. Grundlagen.

    Allerdings frage ich mich schon, welchen psychischen Belastungen deine Kolleg*innen sich ausgesetzt sehen, was dann im Lehramt besser werden soll. Ist man als Therapeutin nicht im Einzelsetting?

    Auch das Einzelsetting hat seine spezifischen Herausforderungen.

    Darüber hinaus ist man in Abhängigkeit von Ärzten, Krankenkassen, Patienten bzw. Eltern, Praxisinhabern usw. mit ihren jeweils eigenen Vorstellungen und Erwartungen.

    Das ganze mit einem hohen Workload für einen eher geringen Lohn und leider auch oftmals geringe Anerkennung.

    So sehr mir die sprachtherapeutische Arbeit Freude bereitet: In einer logopädischen Praxis würde ich unter den Bedingungen nicht schaffen wollen.

  • Also erstmal wirklich danke für die ganzen positiven Antworten!!

    Zu den Kassensätzen: Ja, sie sind erst erhöht worden, es war allerdings eher ein Inflationsausgleich und viele Praxisinhaber sagen, sie können das nicht wirklich an die Therapeuten weitergeben aufgrund der steigenden Mieten und Nebenkosten...

    Und zu den schlechten Arbeitsbedingungen: Es ist natürlich auch von den Praxen abhängig, aber viele Praxen haben immer noch die Minusstundenregel. Das heißt, wenn Kinder (was das hauptsächliche Klientel in den Praxen ist) ausfallen und zum Beispiel in den Sommerferien kann das sehr oft vorkommen, bekommt man "Minusstunden", die man später oder am Wochenende wieder einarbeiten muss.

    Außerdem ist man immer von den Ärzten abhängig, dass die Diagnosen auf den Rezepten richtig ausgefüllt werden. Wenn auch nur ein kleiner Fehler auf den Rezepten passiert, kann es sein, dass die Krankenkasse das ganze Rezept nicht bezahlen will...

  • Zitat

    Manchmal hätte ich aber auch nichts gegen schöne Einzelförderung in einer gut ausgestatteten Praxis und Eltern kommen freiwillig, hoffen auf Hilfe. Und wenn sie doch mal unzufrieden sind, wechseln sie einfach die Praxis und machen mich nicht dumm von der Seite an.

    Also erstmal auch wirklich vielen lieben Dank für deine liebe Antwort. Leider sind die meisten Praxen (zumindest die, in denen ich war) nicht gut ausgestattet und auch viele Eltern, die ich kennengelernt habe, waren auch eher bedingt an der Therapie interessiert. Das ist auch echt sehr frustrierend, wenn die Therapiefortschritte gar nicht gefestigt werden, wenn die Eltern die Hausaufgaben nicht erledigen, wodurch die Therapie drei Mal so lang braucht....

  • Edit: auf diese Bemerkung beziehend:

    ...

    Das ganze mit einem hohen Workload für einen eher geringen Lohn und leider auch oftmals geringe Anerkennung...

    ...frage ich mich: Naja, welcher Beruf bringt schon Anerkennung?

    Was mir mehr Sorgen machen würde: eine Ausbildung geht drei Jahre und dann verdient man. Ein ganzes Studium zu absolvieren, um dann mit Logopädinnen um die vorhandenen Stellen zu rangeln, das würde mich wahrscheinlich stören.

  • Was mir mehr Sorgen machen würde: eine Ausbildung geht drei Jahre und dann verdient man. Ein ganzes Studium zu absolvieren, um dann mit Logopädinnen um die vorhandenen Stellen zu rangeln, das würde mich wahrscheinlich stören.

    Das Studium an der LMU hat eine Regelstudienzeit von sechs Semstern (Kassenzulassung nach Bachelor). Also kein Unterschied. Außerdem nicht so teuer wie die Logopädie-Ausbildung an den oftmals privaten Schulen.

  • Das Studium an der LMU hat eine Regelstudienzeit von sechs Semstern (Kassenzulassung nach Bachelor). Also kein Unterschied. Außerdem nicht so teuer wie die Logopädie-Ausbildung an den oftmals privaten Schulen.

    Stimmt, wobei man auch einen Master machen kann. Und Studiengänge haben in aller Regel nicht den Praxisanteil, den eine Ausbildung hat, wenn man am Ende also so viel verdient, wie eine Logopädin oder ein Logopäde, würde ich lieber gleich die Ausbildung machen. Oder Lehramt studieren, wenn ich denn lieber als Lehrkraft denn als Sprachtherapeutin arbeiten will.

  • In Bezug auf Arbeitsbelastung/Überlastung/Zufriedenheit:

    Mein Eindruck, das hängt sehr von deiner individuellen Einstellung ab.

    Ich kann nur als Grundschullehrerin berichten, mittlerweile seit 1992 in der Schule. ich selber fühle manchmal, dass es zu viel ist und dass ich meinen Ansprüchen nicht mehr gerecht werde (das passiert meinen FreundInnen auch in anderen Berufen). Ich habe eine Kiste, in der ich dann lese. Dort gibt es viele Dankeskarten, Berichte von ehemaligen SchülerInnen und schöne Momente, die ich abgelegt habe. Dann kommt in mir eine tiefe Dankbarkeit - so einen singstiftenden Beruf zu haben. Auch gibt es dort noch mein Anschreiben - als ich anfing, war es überhaupt nicht selbstverständlich einen Job zu finden...., dann kommt in mir Dankbarkeit auf...).

    flippi

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