Hörbuchserie zum Zweiten Weltkrieg

  • Hallo zusammen,

    habt ihr euch auch schon mal gefragt, wie man die NS-Zeit so vermitteln kann, dass sie nicht nur verstanden, sondern auch emotional nachvollziehbar wird?

    Aus genau dieser Frage heraus ist aktuell ein Projekt entstanden, das versucht, Geschichte über Alltagsnähe erlebbar zu machen:

    Zitat

    Das Ehebuch erzählt in Tagebuchform vom Leben einer kleinen Familie in einem deutschen Ort während der Jahre vor und während des Zweiten Weltkriegs.

    Es zeigt die Perspektive gewöhnlicher Menschen – mit all ihrer Ambivalenz und geprägt von ungefilterter Propaganda.

    Das Ganze ist als Hörbuchserie auf YouTube umgesetzt (kostenlos und ohne Werbung):
    👉 https://www.youtube.com/@DasEhebuch

    Ich finde, das Projekt könnte sich gut eignen, um Schüler*innen oder allgemein Interessierten zu zeigen, wie Propaganda wirkt und wie schnell sich Wahrnehmungen verschieben können – natürlich nur in Kombination mit historischen Fakten, Quellen und Einordnung. Das Projekt erscheint mir gerade aktueller den je.

    Mich würde euer Feedback interessieren:

    - Wie seht ihr grundsätzlich solche fiktionalen Zugänge zur Zeitgeschichte?

    - Könnte so etwas helfen, die damalige Atmosphäre greifbarer zu machen und aktuelle Geschehnisse besser auf Fakenews und Propaganda "zu filtern"

    - Worauf sollte man eurer Meinung nach achten, wenn man solche Formate einsetzt oder empfiehlt?

    Ich freue mich über eure Einschätzungen und Anregungen 🙂

    Viele liebe Grüße

  • Worauf sollte man eurer Meinung nach achten, wenn man solche Formate einsetzt oder empfiehlt?

    Sollte man sich das nicht grundsätzlich vor der Empfehlung fragen. Und soll dein Nickname darauf hinweisen, dass es sich um deine eigenen Inhalte handelt?

    Für meine Fächer ist jedenfalls das Ehebuch wohl eher nicht zu gebrauchen.

  • Das ist eine berechtigte Frage ;)

    Und ja, der Nickname bezieht sich auf das Projekt. Mir geht es hier aber nicht darum, etwas zu „bewerben“, sondern eher darum, Rückmeldungen zu bekommen, ob und wie so etwas in der schulischen Vermittlung funktionieren könnte. Das Projekt ist ohnehin auch kostenlos und soll dazu dienen, Geschichte greifbarer zu machen.

    Ich bin selbst kein Lehrer, fände aber spannend, wie sich mit einem fiktiven Tagebuch vielleicht zeigen lässt, wie subtil Propaganda auf Denken und Wahrnehmung wirken kann.

    Dass das nicht für alle Fächer passt, ist natürlich völlig klar 🙂 – ich hatte eher an Geschichte, Ethik oder Gemeinschaftskunde gedacht.

    Liebe Grüße

  • Welchen Hintergrund hast du denn?

    Ich habe mir jetzt mal eine halbe Folge angehört, bei der ich mir vom Titel her vorstellen hätte können, dass diese vielleicht in Gemeinschaftskunde passen könnte. Ich fand es deutlich zu langatmig und vor allem zu wenig zielführend bezogen auf den Titel. Für eine emotionale Teilhabe an einem Zeitzeugnis fehlt einerseits das reale Zeitzeugnis (da würde es ja Tagebuchaufzeichnungen aus der Zeit geben..) und andererseits der nachvollziehbare und spürbare, direkte emotionale Bezug, der dieses Erzählformat eigentlich sehr interessant macht. Es bleibt meines Erachtens zu distanziert und oberflächlich, um Hörer:innen tatsächlich emotional mitnehmen zu können.

    Das würde für meine Schülerschaft nicht funktionieren, aber auch zu meinem Unterricht nicht passen. Um das im Unterricht einsetzen zu können, müsste das zumindest aus meiner Perspektive noch sehr deutlich überarbeitet werden (kürzer, zielschärfer, emotional nachvollziehbarer- wenn das ein Ziel sein soll).

    "Benutzen wir unsere Vernunft, der wir auch diese Medizin verdanken, um das Kostbarste zu erhalten, das wir haben: unser soziales Gewebe, unsere Menschlichkeit. Sollten wir das nicht schaffen, hätte die Pest in der Tat gewonnen. Ich warte auf euch in der Schule." Domenico Squillace

  • Danke für dein ehrliches und konstruktives Feedback!

    Mein Hintergrund ist fachfremd, das Interesse für Geschichte eher ein persönliches Hobby. Das Ehebuch ist aus der Idee heraus entstanden, Geschichte einmal nicht über Daten und Fakten, sondern über Entwicklung und Atmosphäre erfahrbar zu machen.

    Natürlich gibt es in diesem Themenfeld viele große literarische Vorbilder – das Projekt richtet sich aber eher an ein jüngeres Publikum.

    Ich verstehe deinen Punkt: Für den Unterricht ist es vermutlich tatsächlich zu langatmig... Es funktioniert eher als kontinuierliches Hör-Erlebnis, bei dem man die Figuren und ihre Wahrnehmung langsam begleiten kann – so, wie sich auch der Zeitgeist selbst schrittweise verändert hat.

    Gerade dieses Entschleunigte ist ein wesentlicher Aspekt: Propaganda, gesellschaftlicher Druck oder Gewöhnung wirken selten plötzlich, sondern entwickeln sich in kleinen, kaum wahrnehmbaren Schritten. Genau das soll das Projekt spürbar machen.

  • Gerade dieses Entschleunigte ist ein wesentlicher Aspekt: Propaganda, gesellschaftlicher Druck oder Gewöhnung wirken selten plötzlich, sondern entwickeln sich in kleinen, kaum wahrnehmbaren Schritten. Genau das soll das Projekt spürbar machen.

    Bei teilweise gerade einmal 45min Unterricht im Fach pro Woche funktioniert ein derart langsames Erzähltempo gerade in gesellschaftswissenschaftlichen Fächern nicht. Darüber hinaus, muss man als Lehrkraft bei einem reinen Audioformat mit bedenken, dass viele SuS nur noch über die Aufmerksamkeitsspanne eines TikTok- oder Instavideos verfügen von der Länge her.

    Letztlich wirkt es aber auch langatmiger dadurch, dass es zu wenig zielscharf erzählt wird, also zu viele unwesentliche Details, dafür zu wenig Raum, um emotionale Tiefe und damit Verbindung herzustellen.

    Gut didaktisiertes Material zu erstellen, das in Schule und Unterricht verwendet werden kann, fällt selbst manchen gelernten Lehrkräften schwer. Das im Rahmen eines Hobbys mal eben aus dem Ärmel zu schütteln ist nicht realistisch. Belass es insofern bei einem Hobby. Vielleicht findest du ja deine Fans bei YouTube.

    "Benutzen wir unsere Vernunft, der wir auch diese Medizin verdanken, um das Kostbarste zu erhalten, das wir haben: unser soziales Gewebe, unsere Menschlichkeit. Sollten wir das nicht schaffen, hätte die Pest in der Tat gewonnen. Ich warte auf euch in der Schule." Domenico Squillace

  • Ich glaube, mit der „Aufmerksamkeitsspanne eines TikTok- oder Instavideos“ triffst du tatsächlich einen wichtigen Punkt.

    Gerade deshalb kann die Erzähltechnik der Tagebuchform meines Erachtens eine Wirkung auf jüngere Hörer haben. Durch die eher kurzen, fragmentarischen Einträge lassen sich die einzelnen Geschehnisse schnell erfassen – ähnlich wie Posts oder kurze Textabschnitte. Gleichzeitig entsteht über die Vielzahl der Einträge hinweg ein entschleunigter Gesamteindruck: Man begleitet die Figuren und erlebt ihre Wahrnehmung schrittweise.

    Insofern ist die Tagebuchform ein Stilmittel, das sich an heutige Rezeptionsgewohnheiten anlehnt.

    Ich sehe das Ehebuch weniger unmittelbar _im_ Unterricht, sondern eher als mögliche ergänzende Erfahrung außerhalb der Schule – etwas, das bei manchen vielleicht Interesse oder Nachdenklichkeit wecken kann, über die reinen Zahlen und Fakten hinaus, die man sonst im Unterricht hört (und vielleicht auch nur für die Klausuren auswendig lernt, weil es eben sein muss).

    Es soll kein Ersatz für didaktisch geplantes Material sein, sondern eine Ergänzung, einfach eine andere Art, sich Geschichte mal anders zu nähern.

    Aber vielleicht hat Du Recht und die Schule ist nicht dir richtige Zielgruppe... diese Beurteilung will ich mir nicht anmaßen ;)

  • Jetzt habe ich mich extra erstmals hier angemeldet, weil ich zu dem Thema was sagen muss, da es bisher nur negative Kommentare gibt. Ich habe das Hörbuch gestern zu etwa einem Drittel angehört und finde es richtig gut. Wenn man damit die heutige Generation motivieren kann, sich mit dem Thema zu beschäftigen, ist es das wert. Ob das klappt, kann ich nicht sagen. Kempowski u. a. zeigt den damaligen Zeitgeist auch sehr gut, aber das eignet sich für die heutige Jugend kaum. Das hier scheint mir auf die heutige Generation besser zugeschnitten. Ich nehme dem Charakter "Heinrich" nicht ab, dass er aus den 1930ern kommt, aber die Sprache ist lebendig und nicht ganz so altmodisch.

    Für den Unterricht ist das nichts, da muss ich meinen Vorrednern zustimmen. Und echte Sprecher wären besser. Die KI-Stimmen sind aber eigentlich in Ordnung (abgesehen vom Prolog, der klingt furchtbar).

    Ich finde es gut, dass solche Projekte entstehen.

    Mir persönlich gefällt es – aber nicht für den Unterricht (bin sowieso Mathe/Physik).

    VG

  • Vielen Dank euch allen für die Rückmeldungen – auch (und gerade) für die kritischen.

    Ich merke, dass ich mit dem Projekt hier vermutlich etwas außerhalb des eigentlichen Fokus liege.

    Die KI-Stimmen waren übrigens eine pragmatische Entscheidung, um das Ganze in dieser Form überhaupt realisieren zu können.

    Ich freue mich sehr, dass es zumindest Michael persönlich gefallen hat, und nehme alle Anregungen gern mit.


    Danke euch für den offenen Austausch und die ehrlichen Einschätzungen!

  • In deine Hörbuchserie habe ich noch nicht hereingehört und ich wünsche dir viel Erfolg mit dem äußerst wichtigen Thema.

    Im Unterricht verwende ich gerne die 8 Filmsequenzen von http://www.derkriegundich.de , da hier meine Förderschüler abgeholt werden, diese ins Begreifen kommen und ins Nachspüren!

    Da du ja genau das erreichen möchtest, habe ich den Link gepostet. Vielleicht nimmst du da ein paar Kniffe und Ideen mit für deinen weiteren Weg.

    Viel Erfolg!

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