Permanente Störung im Religionsunterricht

  • Hallo!
    Ich bin gerade durch Zufall auf dieses Forum gestoßen, ich hoffe, dass meine Frage hier am richtigen Platz ist...


    Ich unterrichte seit diesem Schuljahr katholische Religion an 2 Grundschulen (habe nach dem Referendariat 3 Jahre Babypause gemacht).


    Die eine Schule ist wirklich ein absolut sozialer Brennpunkt, die 70% Ausländer an der Schule betreffen mich zwar mit Religion nicht so sehr, aber die deutschen Schüler sind auch nicht ohne.


    In meiner 4. Klasse ist ein permanenter Lärmpegel, es ist unglaublich. Ich denke schon, dass mein Unterricht motivierend ist, aber die betreffenden Schüler bekommen von der Motivation leider nicht viel mit. Ich arbeite viel mit Ritualen, aber am Anfang der Stunde dauert es etwa 10 Minuten bis wirklich alle leise im Sitzkreis sitzen. Ermahnungen u.ä. prallen einfach ab. Ich verteile gelbe und rote Karten bei Störungen, aber leider ist es ein Sport, die Karten zu bekommen (und die Zusatzaufgabe nach der roten Karte wird auch gemacht! Nur leider geht es in der nächsten Stunde genauso weiter!).


    Ich bin einigermaßen gefrustet momentan. Die Schüler sind nicht einfach, aber so kann es nicht weiter gehen!
    Die Klassenlehrer arbeiten viel mit Druck (sie haben die Hauptfächer, drohen mit schlechten Noten und streichen Ausflüge usw.), das kann ich nicht. Eigentlich möchte ich einen schönen Unterricht machen, viel singen, malen, Rollenspiele usw. Aber sofort flippen sie aus und sind kaum mehr zurückzuholen. Es ist nicht einmal möglich, ein Geschichte vorzulesen/zu erzählen - immer wieder 3-4 die Unruhe verbreiten.


    Habt ihr Tipps, wie man auch die letzten Nervensägen besser motivieren kann (mir fällt nämlich nichts mehr ein) und welche Sanktionen man noch verhängen kann (außer irgendwas schreiben), die wirklich "weh tun"?


    Danke


    Christina

  • Hallo Chriskind!


    Tut mir echt leid für dich, dass du in deinem ersten Jahr an so eine schwierige Klasse geraten bist.


    Viel weiterhelfen kann ich dir nicht, ich kann dir nur sagen, dass ich mit ähnlichen Problemen zu kämpfen habe. Die Kids sind an sich total lieb, und auch bei der Klassenlehrerin die reinsten Engel (ich bin ja dabei in Hospitation). Nur wenn ich allein drin bin, ist oft kein Durchkommen.


    Was meine Klassenlehrerin als System hat, und auch immer wieder in fremden Klassen einführt, sind Smileys und Grimlies.


    Je nach Benehmen in einer Situation (z.B. Hefte aufräumen, in den Sitzkreis kommen etc.) bekommt die Klasse Smileys oder Grimlies. Dabei gibt es Abstufungen jeweils von 1 bis 6 (also man kann auf einen Schlag einen Sechser-Smiley vergeben, der dann natürlich 6x soviel zählt wie ein normaler).
    Oft zählen wir auch z.B. bis 3; wenn bis dahin alles in Ordnung ist, gibt's den Smiley, wenn nicht, einen Grimlie.


    Da kannst du dann in deiner letzten Reli-Stunde in der Klasse gegen Ende der Stunde ein Spiel spielen, wenn mehr Smileys als Grimlies auf der Liste stehen; oder die Kids dürfen sich was aussuchen...


    Am Anfang sind die Schüler mucksmäuschenstill, sobald man sich auch nur in die NÄhe der Liste begibt. Jetzt mittlerweile wirkt es nicht mehr ganz so stark, aber dennoch hat man so noch eine gute Chance, dass es leise wird (nur halt nicht mehr ganz so schnell).


    Ich hab jetzt noch eingeführt, dass ich dabei auf die Uhr schaue. Wenn sie es schaffen, innerhalb von 5 Sekunden leise zu sein, gibt es einen 2er Smiley, bis 15 Sekunden immerhin noch einen 1er, und dann in Abstufungen Grimlies.


    Außerdem habe ich noch - um auch einzelne Schüler loben zu können - Sonderlobe eingeführt. Jeder Schüler kann pro Stunde bei mir einen Smiley (in einer eigenen Liste) bekommen. Bei 4 Smileys gibt es ein Sonderlob (mit Namen und Datum); bei 5 Sonderloben gibt es eine Kleinigkeit (im Moment Fleißbildchen, da stehen die voll drauf!).
    Am Anfang waren sie zwar alle ganz wild drauf, Smileys und Sonderlobe zu bekommen. Auswirkungen auf meinen Unterricht hatte ich allerdings keine bemerkt. Das kommt erst jetzt so langsam, ca. 2 Monate nach der Einführung. Ich weiß nicht, ob's wirklich damit zusammenhängt, oder ob ich inzwischen einfach besser mit ihnen zurecht komme. Auf jeden Fall wird's so langsam immer besser.


    Mit Strafen konnte ich dir jetzt leider nicht weiterhelfen. Außer dass ich auch bemerkt habe, dass was abschreiben o.ä. gar nichts bringt.
    Vielleicht bringen dir aber die Belobigungstipps was?


    Liebe Grüße,
    biene maja

  • Danke schon mal für den Tipp mit den Smileys.
    Ich habe ja wie gesagt gelbe und rote Karten (auf 2 gelbe folgt eine rote, ab dann gibt es eine Zusatzaufgabe), Schüler die die ganze Stunde positiv auffielen bekommen ein Kleeblatt (bei 10 gibt es eine Belohnung).
    Das mit den Kleeblättern ist schon eine feine Sache, aber die Karten sind für die Katz. Vergebe ich eine bietet das Gesprächsstoff für 5 Minuten, Gejohle, Protest (warum bekommt xy keine?) usw. Es macht die Sache also nicht unbedingt besser.
    Ich habe da wirklich so paar Idioten, die haben nicht den geringsten Ehrgeiz, ein Smiley zu bekommen... :(


    Heute am Ende der Stunde waren 2 noch nicht mit dem Hefteintrag fertig, also habe ich mit den anderen Hangman gespielt. Sie haben dauernd blöde Buchstaben gesagt, damit sie das Wort nicht herausbekommen, er aber endlich gehängt wird (weil das ist ja sooo toll!). Manche sind echt so "krank", an die kommt man kaum ran!


    Christina

  • Ich habe auch so eine Musikklasse, in der ich anfangs überhaupt nicht durch kam. Anfangs hatte ich aber auch immer keinerlei Überblick, wer denn eigentlich die Unruhestifter sind ... Mittlerweile komme ich wunderbar mit der Klasse zurecht - und selbst die Klassenlehrerin ist erstaunt, weil sie sonst bei keinem Fachlehrer so diszipliniert sind wie bei mir.
    Ich gebe zu, dass die Art, mit der ich es geschafft habe, nicht unbedingt die pädagogischte war: anfangs habe ich es auch mit Loben, Klassenvertrag, etc. versucht. Dann habe ich den strengen Weg eingeschlagen: wer zweimal auffällt, darf beim Sitzkreis/Rollenspiel/Musikinstrumentespiel und Singen/... nicht mehr mitmachen, sondern sitzt hinten und schreibt einen Text (meist eine Sachinformation über die Musikinstrumente, den Inhalt des Liedes etc.) ab. Als Hausaufgabe muss weitergeschrieben werden und die Eltern müssen unterschreiben.
    Heute ist es zum ersten mal seit Weihnachten wieder vorgekommen, dass ein Schüler schreiben musste.
    Wie gesagt - nicht unbedingt die Möglichkeit, die einem in der Uni/im Seminar als optimal gezeigt wird, sie hat aber gewirkt!
    Die Schüler bezeichneten mich zwar zwischendurch als "alter Drachen", aber zahlreiche Poesiealben und die Aussprüche "ich freue mich schon so auf die Musikstunde!" lassen mich vermuten, dass es nur einzelne Schüler waren die den Unterricht störten, diese sich jetzt zusammenreißen müssen und die restlichen 25 Schüler den Unterricht so jetzt genießen.

  • Hallo Chriskind,
    es ist schon hart, wenn man trotz guter Vorbereitung seine Arbeit in der Klasse nicht richtig "anbringen" kann und wenn man merkt, dass es allein mit Lob wohl auch nicht geht.
    Die Sache mit den Karten ist von der Idee her schon gut, nur muss nach der ersten roten Karte im Wiederholungsfall etwas anderes ("härteres") kommen: z.B. ein Brief an die Eltern und danach eine Stunde Nachsitzen z.B.
    Du kannst - wenn du alles in der Schülerakte eingetragen hast - als letzten Schritt auch ein Kind für eine gewisse Zeit vom Reli-Unterricht ausschließen (z.B. für vier Wochen).
    Das ist zwar nicht sehr "pädagogisch", aber du musst ja auch überleben. Und das Kind lernt, dass es Grenzen gibt.
    Die anderen Kinder werden es dir danken!
    (Ich lobe übrigens auch, aber immer nur eine Tischgruppe gemeinsam mit einem "Tischgruppenpunkt". Wenn die Gruppe 10 Punkte hat, darf sie sich ein Spiel wünschen.)
    Gruß venti :D (ich komme mir grad sehr fies vor)

  • Mit dem Nacharbeiten ist so eine Sache, wenn man nur teilweise an der Schule ist.... und wahrscheinlich ist das Fach RU sowieso meist an die Randstunden gelegt worden???


    Wenn die Schüler nur Druck gewohnt sind, ist es wahrscheinlich bei einigen fast unmöglich, sie in deinen 2 Stunden umzupohlen. Sie verstehen wahrscheinlich nur eine Sprache??? Wenn die Kinder nur frontales Arbeiten und Engführung gewöhnt sind und dann auf einmal kreativ arbeiten sollen, ist das natürlich eine hohen Anforderung, zumal viel Raum für Ausbrüche ist.


    Eine Referendarin (!) hat mal in einer Chaos-RU Klasse (bei mir waren sie immer schrecklich, dann übernahm sie die Klasse) echt Ruhe hereinbekommen, indem sie immer Texte zum Abschreiben dabei hatte. Die Kinder bekamen Striche, ab dem dritten Strich ging es ans Abschreiben. Zu Hause musste der ganze Text abgeschrieben werden und unterschrieben vorgezeigt werden. Der Text fasste den Stundeninhalt zusammen. Und da die Kinder nicht anders bereit waren, mitzuarbeiten..... Ist wirklich nicht pädagogisch, aber hat gewirkt.
    eine mitfühlende
    flip

  • Hallo Chriskind,


    du könntest ja glatt die Reli-Lehrerin in der Klasse meines Sohnes sein


    In seiner Klasse gibt es 3 Dauerstörer, vor allem in Reli und Englisch. Die Lehrerin versucht sehr konsequent durchzugreifen, ist aber bisweilen ebenso "geknickt" wie du.
    Nach dem gelbe-rote-Karten wurde die Kinderbibel abgeschrieben. Als das nichts mehr half wurden die Rabauken in andere Klassen verwiesen. Derzeit steht wöchentliches "Nacharbeiten nach dem Unterricht" an.


    Inzwischen arbeitet einer der dreien schon ganz prima mit, einer schwankt noch, da bleibt nur noch der dritte, an dem sich bisher jeder Lehrer die Zähne ausgebissen hat.


    Im letzten Schuljahr wurde in dieser Klasse von Seiten der Lehrkräfte viel mit Klassenbelohnungen und Tischgruppenpunkten und ebenso Tischgruppenstrafen gearbeitet. Die Klasse war kurz vorm Supergau. "Nur wegen dir sind wir zurückgestuft worden", "Der XXX soll weg, bringt uns nur Minuspunkte", usw.
    Sehr viele Kinder waren untereinander zerstritten, es gab täglichen Zickenterror. Seit nur noch die zur Rechenschaft gezogen werden, die bewußt und absichtlich den Unterricht stören, gibt es wieder eine Klassengemeinschaft. Jetzt gehen 25 Kinder wieder gerne in die Schule, die anderen 3 hassen sie.


    Ich bin mir schon bewußt, dass es sehr gute pädagogische Gründe für die diversen Maßnahmen gibt. Aber am Allerwichtigsten ist eine klare und logische Konsequenz für den Einzelnen. Sobald für jeden Schüler klar ist, was ihm "blüht" ,die Konsequenzen auch strikt eingehalten werden und auch noch steigerbar sind, gibt es langsam und schleichend Erfolge. Es kann und darf nicht sein, dass eine kleine Minderheit die Klasse und die Lehrkraft am lernen hindern.


    Chriskind, du bist auf dem richtigen Weg, weil du dich dagegen verwehrst


    Ich wünsche dir viel Kraft und Konsequenz


    nadja

  • Ich arbeite an einer Förderschule und kenne deine Probleme nur zu gut. So spontan fällt mir dazu Folgendes ein:


    Versuch mal herauszubekommen, in welchen Unterrichtssituationen die Schüler leiser als sonst sind. So toll "etwas offenere" Unterrichtsformen auch sind, Kinder die sie nicht gewöhnt sind "nutzen" sie aus. Manchen "Chaoten" (is jetzt nicht bös gemeint) fehlt hier auch der schützende Rahmen.
    Etwas andere Unterrichtsformen behutsam Schritt für Schritt einführen.


    Ich erinnere mich da an eine 3/4, die ich als Fachlehrerin in Musik hatte.
    Sitzkreis (ich mit Gitarre) war jedes Mal ein Kampf: Wer sitzt neben wem-neben den mag ich nicht-der schubst-der schaut so komisch ......
    Ich hab dann den Sitzkreis weggelassen. Ich saß am Stuhl vor der Klasse mit meiner Gitarre, die Schüler auf ihrem (gewohnten!) Platz und so haben wir gesungen. Und das ging ganz gut. Viel besser als vorher im Sitzkreis.


    Schüler schreiben lassen ist noch ein Tipp. Nicht als Strafe, sondern Hefteinträge gestalten. Also keine Lückentexte auf einem Arbeitsblatt, sondern richtige Sätze von einer Folie!!!!!!! abschreiben lassen (da hast du eine Verschnaufpause) und Zeichnungen/Bildchen einkleben. Da wird es normalerweise schnell ruhig, weil sich die Schüler aufs Abschreiben konzentrieren müssen. Das wird dann in der nächsten Stunde erst mal abgefragt.
    Wer fertig ist malt seine Bildchen aus oder holt sich ein Mandala oder etwas ähnliches (aussuchen lassen!) bei dir ab.


    Und vielleicht noch ein paar Überlegungen zu den "Störern":
    Wer stört wann und warum? Sind es immer bestimmte? Liegt es an der Sitzordnung? Was mögen deine Störer gerne? Was sind ihre Hobbys? Wie/ mit was kannst du sie "ködern"? ;)

  • hallo chriskind, zu störungen und problemen gab es hier schon allerhand. such mal "Disziplinprobleme" "Hilfe so eine Klasse gabs noch nie" und "Problem mit einer Schülerin".
    alles gute

  • hallo chriskind, wie ging es denn nun weiter? gibt es möglichkeiten für ein besseres zusammenarbeiten?

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