Gerade bei dir, Maylin85, fällt mir wiederholt auf, dass du gar nicht blind für diese Ungerechtigkeiten bist, sondern diese ganz bewusst verteidigst und noch verstärken willst zugunsten der Privilegierten. Das ist einfach nur Abschottung, die du bei deiner eigenen Karrierebiografie ja auch sehr offensiv vor dir her trägst.
Jein. Ich halte ein System für erstrebenswert, dass stärker nach Leistung selektiert und somit möglichst homogene Bedingungen in den einzelnen Schulformen schafft, weil ich absolut davon überzeugt bin, dass man unter diesen Rahmenbedingungen allen Kindern, egal auf welchem Niveau, schlichtweg besser gerecht wird. Dort, wo Heterogenität zunimmt, beobachtet man oft ein allgemeines Abdriften in die Mittelmäßigkeit. Total anekdotische Evidenz, aber in dem Zusammenhang fand ich bemerkenswert, dass die Realschule, an der ich mal ein Halbjahr unterrichtet habe, ein höheres Niveau hatte, als mein späteres Gymnasium (mit sehr heterogener Schülerschaft und vielen Schülern ohne Gymnasialempfehlung, also eigentlich nur noch Gymnasium auf dem Papier). Unter den Bedingungen, die wir nunmal haben, gelingt Individualisierung eben nur begrenzt und je homogener die Ausgangslage ist, desto besser und unkomplizierter lässt sich punktuell und gezielt für einzelne Schüler differenzieren. Finde ich.
Die angeprangerten Ungerechtigkeiten ergeben sich meines Erachtens auch nicht per se aus der Selektion, sondern aus der noch immer nicht optimalen Durchlässigkeit zwischen den Schulformen. DAS wäre ein Punkt, den ich viel stärker in den Fokus rücken würde und wo man nachdenken könnte/sollte, wie man an neuralgischen Punkten (Ende Orientierungsstufe, Oberstufe) funktionale Gelenkstellen schafft, die den Übertritt erleichtern, wenn es Schülern gelingt, in den oberen 10-20% ihrer jeweiligen Schulform zu performen und sich für einen Wechsel zu qualifizieren. Weiterhin sollte irgendwo Berücksichtigung finden, dass einige Kinder einfach länger brauchen oder durch Schicksalsschläge zurückgeworfen werden etc., spricht es braucht weiterhin und niederschwellig zugänglich "zweite Bildungsschancen".
Ich bin überhaupt kein Vertreter von Elitenförderung und der Rest fällt halt irgendwie hinten über, sonst hätte ich mir keine Schulform ausgesucht, in der man ausschließlich auf Schüler mit gebrochener Bilungsbiographie und vielschichtigen Lernproblemen trifft. Ich lehne nur den Ansatz der "einen" Schule für alle ab, denn das resultiert in der Praxis nunmal überwiegend in (ja, auch sozialem) Chaos und Leistungsverlust. Dass man die Abgehängten mitnehmen und besser qualifizieren muss, ist richtig, aber dafür sollte man die Leistungsspitze nicht "opfern", sondern auch dieser Klientel systemisch ermöglichen, sich bestmöglich zu entwickeln. Dazu braucht es Selektion.