Weil dir die reinen Fachinhalte aus dem Studium genau nix für das Halten von Unterricht bringen - von "nice to know"-Momenten mal abgesehen.
Ich kann es nur gebetsmühlenartig wiederholen: Kollegen, die solche Aussagen machen, haben meiner Ansicht nach nicht kapiert, wofür das Studium da ist, und sind häufig genau auch die fachlichen Dünnbrettbohrer.
Ich brauche das Fachwissen aus meinem Studium jeden Tag. Und natürlich hat ein großteil der Seminare, die ich im Studium belegt habe, nur wenig bis gar keine Überschneidung mit den Lehrplanthemen. Mittelhochdeutsche Ablautreihen, die Kultur und Literatur der Südstaaten der USA, barocke Jesuitendramen oder frühneuhochdeutsche Bibelübersetzungen habe ich thematisch noch nie im Unterricht gemacht.
Aber wer nur so weit denkt, hat wohl sein Fach nicht verstanden: Durch mittelhochdeutsche Ablautreihen und frühneuhochdeutsche Bibelübersetzungen (und natürlich andere Linguistikseminare, auch zur Gegenwartssprache) habe ich grundlegend verstanden, wie unsere Sprache als System funktioniert und wie sich gewissen Phänomene entwickelt haben. In der Vorbereitung und der Durchführung meines Grammatikunterrichts ist das ab der fünften Klasse hilfreich. Durch das Südstaatenseminar habe ich verstanden, wie man kulturelle Unterschiede beschreibt, durchdenkt und mit anderen Kulturen kontrastiert. Im Landeskundeunterricht brauche ich das in allen Jahrgangsstufen. Durch die barocken Jesuitendramen (und anderen Literaturseminare) habe ich die Auseinandersetzung mit Literatur gelernt, so dass ich dieses Wissen jetzt auf alle Primärtexte im Unterricht anwenden kann.
Nun bin ich kein Grundschullehrer. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass es da so viel anders ist. Wie will ich denn Kindern Sprache / Grammatik oder auch Mathe beibringen, wenn ich die Systematik hinter diesen Fächern nicht begriffen habe? Und die Systematik zu begreifen heißt eben nicht, Subjekt-Prädikat-Objekt zu erkennen oder das große Einmaleins auswendig zu können, sondern sich abstrakt mit den Fragestellungen und Problemen der Fachwissenschaft auseinandergesetzt zu haben.
Deshalb: Kollegen, die solche Aussagen machen, kann ich im Arbeitsalltag einfach nicht ernst nehmen.