Oh cooler Thread.
Also: Die Ausbildung war anders.
Am IFL (Grundschullehrer) in der Regel nach Abschluss der 10. Klasse.
Die Lehrer ab Klasse 5 eben an der Uni mit Abi. Es waren nur bestimmte Fächerkombinationen möglich.
Grundschule: Deutsch, Mathe, Heimatkunde (Pflicht) und Sport oder Kunst oder Musik oder Schulgarten oder Werken (Wahl).
Ab Kl. 5 gab es dann typische Kombinationen (Mathe - Physik, Bio-Chemie, Deutsch-Musik, Deutsch-Englisch, Deutsch-Geschichte, Sport-Geografie, Russisch-Englisch, Russisch-Geografie) und an wenigen Unis weniger typische Kombinationen (Mathe-Chemie), einige Kombinationen (Mathe-Musik, Deutsch-Physik, Englisch-Kunst) waren gar nicht möglich.
Die Ausbildung war recht stark verschult und beinhaltete zusätzlich noch Marxismus-Leninismus. Es gab angeblich von Anfang an einen Praxistag pro Woche an der Schule und das letzte halbe Jahr war ganz an der Schule. Fertig war man nach 4 bis 5 Jahren, es gab kaum ein Überschreiten dieser Studiendauer.
Danach unterrichtete man wohl 22 Wochenstunden.
Die Unterrichtsziele und Inhalte waren recht genau vorgegeben, auch an meinen Schulen lief das meiste frontal mit dem Ideal "alle lernen zur gleichen Zeit das Gleiche im gleichen Tempo". Es war z.B. bei vielen Lehrern verpönt, wenn Kinder in die Schule kamen und schon lesen konnten.
Nun die Erfahrungen aus meiner bisherigen Zeit im Schuldienst bzw. in Praktika:
Ich habe in den Praktika in den 90ern in den Schulen auf ehemaligem DDR-Gebiet vorwiegend Frontalunterricht und Einzelarbeit erlebt. Eine Doppelstunde habe ich aber auch Wochenplanarbeit gesehen. Ausnahme: Eine Integrationsschule mit vorwiegend Wochenplan- und Freiarbeit und sehr selbstständigen Drittklässlern.
In den Schulen im ehemaligen BRD-Teil des Landes sah ich Frontalunterricht und Tagesplanarbeit, auch mal Freiarbeit, undifferenzierte und differenzierte Abschnitte, eine bunte Mischung.
Den Schuldienst verbringe ich in einem Bundesland auf ehemaligem DDR-Gebiet und ich finde es an manchen Tagen sehr schwierig. In meiner Ausbildungsschule hieß es oft: "Früher.... da war alles so gut. Also das, was in den neuen Plänen steht, das haben wir auch gemacht. Unsere Schüler haben Sozialkompetenz erworben, die durften sich einfach nicht streiten. Und Methodenkompetenz... alle guckten nach vorne, wenn der Lehrer was an der Tafel schrieb." Naja, so etwa jedenfalls... Jedenfalls bin ich auf "Zu DDR-Zeiten war alles besser" mächtig allergisch.
Es gab auch Kolleginnen, die schon einen etwas anderen Unterricht machten, z.B. Gruppentische stellten oder manchmal einen Wochenplan vorbereiteten.
Was mir auffiel: Das Stellen von Gruppentischen wurde mit Gruppenarbeit gleichgesetzt, auch wenn es sich um Frontalunterricht handelte. "Freiarbeit" wurde oft als "stille Einzelarbeit an vorgegebenen Aufgaben" interpretiert. Ein "Projekt" war ein Tag, an dem die Schulleitung ein Thema vorgab und jeder Lehrer zu sehen hatte, wie man das unter die Kinder bringt. Ein Mitglied der Schulleitung sagte mir, dass sie ja wüsste, wie das im Vorbereitungsdienst ist, weil sie zur Vorführstunde für die Eignung als Schulleitungsmitglied auch eine Stunde offenen Unterricht zeigen musste.
Eine Differenzierung fand kaum statt, teilweise bekamen nicht mal Kinder mit LB leichtere Aufgaben. Die ersten zwei Monate des Vorbereitungsdienstes ging es mir jedenfalls richtig schlecht, weil mich alles so an meine eigene Schulzeit erinnerte und die war trotz vieler guter Erinnerungen doch teilweise sehr öde, langweilig und reglementiert.
In meinem neuen Kollegium höre ich "Früher war alles besser." viel seltener, das ist gut. Gleichzeitig werden viele Sachen als selbstverständlich vorausgesetzt, die noch aus der Zeit von vor mehr als 15 Jahren stammen. Dass ich meinen Deutschunterricht in Lese-, Rechtschreib/Grammatik-, und Ausdrucksstunden einteile, erscheint selbstverständlich. Dass seit über 10 Jahren der integrative Deutschunterricht im Rahmenlehrplan steht, scheint niemand zu wissen und niemand hören zu wollen. Einerseits wird erzählt, dass Deutsch und "Sachkunde" (Es heißt seit über 10 Jahren "Sachunterricht", aber auch das weiß noch kaum jemand.) fächerverbindend unterrichtet werden, aber teilweise im gleichen Satz wird dem widersprochen "... dann nehm ich von der Sachkundestunde noch ein paar Minuten für Deutsch". Sachkompetenz wird sehr stark in den Mittelpunkt gerückt, es herrscht das Fachlehrerprinzip (Obwohl es das nichtmal zu meiner Schulzeit in der Primarstufe gab!). Token-Systeme und Verträge mit Schülern etc. sind unbekannt und werden als nicht hilfreich abgetan, wenn ich beschreibe, worum es geht. (Schon besser, denn an meiner Ausbildungsschule wurde sowas als "Schwäche und Unfähigkeit des Lehrers" ausgelegt.)
Was mir noch auffällt: Ein bestimmtes Lehrerbild schwebt in den Köpfen umher: Der Unterhalter, der mit Strenge jeden Mucks unterdrückt und die Kinder sofort in den Bann zieht. Das war an meiner Ausbildungsschule extrem, jetzt erlebe ich es zum Glück nicht mehr so extrem, aber es ist doch abgeschwächt noch da.
Zusätzlich habe ich 2 etwas größere Schulen gesehen, dort gab es einige KollegInnen, die bereits offenere Unterrichtsformen praktizierten, auch mal (wirklich) projektorientiert arbeiteten. Andere nicht.
Wie es nun in den alten Bundesländern ist, weiß ich nicht.
McMoritz
Die Lehrerausbildung ist nichtmal heutzutage gleich, es gibt gravierende Unterschiede zwischen den einzelnen Bundesländern. (Ich hatte im Studium zwar Didaktik, aber meist für eine andere Altersstufe, was auch viel bequemer ist als wenn man sich als Dozent z.B. darüber Gedanken machen muss, wie man seine tollen Gedichtseminare auf die ersten Schuljahre überträgt oder Erstklässlern einen Tanz beibringt.)
Ich sah bis vor 3 Jahren die ganze Ost-West-Sache auch sehr gelassen. Seit der 11. Klasse spielte ich in einem "gemischtdeutschen" Orchester, studierte mit jungen Leuten aus beiden ehemaligen Teilen, von einigen weiß ich nicht mal, wo sie aufgewachsen sind, es war mir und vielen anderen nicht wichtig. Seit ich mich aber wieder auf dem Boden eines neuen Bundeslandes befinde, betrifft mich dieses "Thema" wieder. Neben dem oben genannten, meinen KollegInnen in mir die "Ossi" zu erkennen und meinen nun, dass ich mich als Ostdeutsche fühle, aber das tu ich nicht.
Grüße,
Conni
PS: Noch was.... Wie sieht es mit handlungsorientiertem Mathematikunterricht in den alten Bundesländern aus? Bei uns scheint die Devise zu sein "So schnell wie möglich weg von eigenem Handeln (enaktive Phase) hin zur symbolischen Darstellung." Ein ikonisches Material wurde mir neulich mit den Worten "Da können die Kinder handeln." gegeben. Das ist nur richtig für diejenigen, die es an die Tafel heften dürfen.