Beiträge von Antimon

    Ich spende für Projekte, die ich regelmässig nutze. Wikipedia bekommt von mir jedes Jahr zu Weihnachten 50 CHF, auch der Steffen Polster, der sich die Mühe gemacht hat, die ganzen alten DDR-Lehrbücher im MINT-Bereich zu digitalisieren, ist mal von mir bedacht worden. Bei YouTube gibt es 2 - 3 Kanäle, die ich finanziell unterstütze. Ich finde, das gehört sich einfach, wenn man schon selber nichts aktiv tun kann oder will.

    Für eine Promotion mag das nicht reichen, aber ich denke, das dass schon mehr ist als das, wofür ein "Das finde ich sehr verallgemeinernd" angebracht wäre.

    Einfach nur ein anekdotischer Einwurf vom Rande: Ein direkter Arbeitskollege von mir ist halber US-Amerikaner, der bestätigt ziemlich genau das, was du schreibst. Er kann sich des Grauens über die aktuellen Vorgänge in den USA nerven und ganz hervorragend Trump parodieren. Letzteres ist ausgesprochen amüsant, alles andere eher nicht.

    Ich habe mich wirklich gründlich informiert

    Das glaube ich nicht. Allein wenn du hier im Forum die Suche-Funktion bemüht hättest, wüsstest du, dass du mit Sport und Wirtschaft, Lehramt Sek I in der Schweiz völlig chancenlos bist. Wirtschaft wird an der Sek I nicht unterrichtet (Edit: Das äquivalente Verbundfach wäre HAW) und Sport ist hoffnungslos überlaufen. Du brauchst für die Sek I drei Unterrichtsfächer und studierst im Moment nur eins davon.


    Der einfachste Weg in die Schweiz mit Lehramt Sek I: Fang in der Schweiz an einer PH mit dem Studium für die Sek I von vorne an. Sport wird dir anerkannt (möglicherweise auch ein Teil Wirtschaft für HAW) such dir zwei weitere Fächer aus dem möglichen Kanon aus. Den findest du auf den Webseiten der Pädagogischen Hochschulen, natürlich nicht bei der EDK. Letztere ist eine Behörde, die hat mit der konkreten Ausbildung nichts zu tun.


    Normalerweise würde ich meinen Master an meiner Hochschule absolvieren und dann das Referendariat machen, um anschließend in der Schweiz anerkannt zu werden. Aber aus verschiedenen Quellen habe ich erfahren, dass in der Schweiz kein Referendariat notwendig ist, um als Lehrer einzusteigen

    Die Ausbildung wird dir nur anerkannt, wenn sie vollständig ist, d. h. das 2. Staatsexamen ist abgeschlossen. Deine Quellen haben vom Bildungssystem in der Schweiz offenbar nicht gar so viel Ahnung. Zum Anerkennungsverfahren wärst du aber bei der EDK fündig geworden, ich dachte, da hast du gelesen?

    Und dann noch dieser Kommentar von dir, den ich auch nicht einfach so stehen lassen kann:

    "Mir liegt die Schweizer Mentalität nicht so und ich habe Probleme mit der Sprache chchchch."

    Danke. Ich hab's mir gekniffen, fand ich - wie so oft - völlig daneben. Ich schliesse mich dir an: Wer kein Interesse an einer weiteren Diskussion hat, kann es doch einfach bleiben lassen.


    Die anfänglichen und längst beseitigten Startschwierigkeiten mit anderen Forumsmitgliedern sind natürlich auch schon längst Schnee von gestern.

    Danke auch dafür. Mea culpa, ich bin manchmal es bizzeli zu schnell. So sind wir Basler*innen halt 8)


    Wer sind denn "wir"?

    "Wir zwei" sind die anderen :*


    (Mach dir nichts draus.)

    Weil, wie du schon geschrieben hattest, die Anerkennung nicht passgenau ist und man schlechter eingruppiert wird?

    Oder weil die Ausbildung in Deutschland nicht zu den Erwartungen an Lehrkräfte in der Schweiz passt?

    Beides. Es kursieren wirklich eine Menge Vorurteile und schlichtweg falsche Vorstellungen über die deutsche Lehramtsausbildung. Viele (eben auch Schulleiter) wissen nicht, dass die für die Primar und Sek I eben wirklich besser ist die Ausbildung in der Schweiz. Dann nimmt man die Leute besser gleich mal gar nicht. Das Problem mit den Erwartungen, die oft nicht erfüllt werden können, tritt tatsächlich auf Stufe Sek II auf, da ist es sicher gerechtfertigt, Bewerber*innen abzulehnen. Aber darum geht's ja hier nicht.


    Der bürokratische Kram ist absurd. Es gibt hier im Forum jemanden, der in Deutschland an einer Gesamtschule das Ref gemacht hat, der wird bei uns im Baselland nicht voll bezahlt weil ihm das 3. Unterrichtsfach für die Sek I "fehlt". Das ist komplett hirnverbrannt. Der *hat* eine Sek I Ausbildung und er hat verschiedene Niveaus unterrichtet. Der ist faktisch *besser* ausgebildet als jemand mit Lehrdiplom von der ollen FHNW und bekommt weniger Lohn. Da das unterdessen mehrere mir bekannte Personen betrifft, habe ich das Thema höchst persönlich für die nächste Gewerkschaftssitzung traktandiert. Ich will jetzt wissen, wie wir vorgehen müssen um das zu ändern. Es braucht sicher einen Vorstoss an den Landrat, ich werde es rausfinden, welcher Art genau.

    Und wie einfach bzw. schwierig es ist, unter diesen Voraussetzungen in die Schweiz zu wechseln, das weißt du ja nun gar nicht

    Ich kenne persönlich Leute, die mit einer deutschen Ausbildung an der Sek I arbeiten und daraus deutliche Nachteile haben. Ich hatte hier auch schon Austausch via PN mit einigen, die es überlegt hatten und es haben bleiben lassen weil zu mühsam. Sek II gibt es immer wieder Leute, die hier erfolgreich landen, das sind dann aber solche, die eben bei euch in den Quereinstieg müssten (in Deutschland nicht auf Lehramt studiert). Für die ist es in der Schweiz besser. Primar kenne ich eine Person, die sich hat das deutsche Staatsexamen anerkennen lassen. Man hat sie ziemlich gepiesakt. Eben, es gibt Gründe, warum es in der Konstellation so wenige Leute hier gibt. Es gibt auch andere Bereiche, in denen die landesspezifischen Ausbildungen völlig inkompatibel sind. Juristen z. B., sofern man nicht internationales Recht macht.

    Von einigen Praxislehrpersonen kann man in kurzer Zeit viel lernen und bei anderen fragt man sich, wie die eigentlich selbst die PH schaffen konnten. Da gab es einfach keine wirkliche Qualitätskontrolle. Nur bei zwischenmenschlichen Verfehlungen wurden einzelne PL aussortiert. Ich weiss aber nicht, wie man diese Rolle attraktiver machen könnte, damit sich mehr engagierte und talentierte Lehrpersonen für diese Rolle anbieten. Du hättest dazu als Insiderin sicher Ideen?

    Kommt mir bekannt vor. Eigentlich ist der Job gut entlöhnt. Für das letzte Praktikum, das ich betreut habe, habe ich 1500 CHF netto bekommen. Es melden sich zu wenig Praxislehrpersonen weil viele einfach unzufrieden mit der Qualität der Ausbildung sind. Die meisten von uns haben das Papierli ja selber von der FHNW. Ich kann mir vorstellen, dass es für die Sek II jetzt besser geht. Der Michael Ruloff macht mir einen guten Eindruck, der hat mal alle Partnerschulen abgegrast und nachgefragt, was wir eigentlich meinen. Das ist vor ihm nie passiert. Eigentlich müssten sie uns zu irgendeiner Art Weiterbildung verpflichten aber das trauen sie sich nicht, dann macht's einfach keiner mehr. So traurig ist das leider. Physik z. B. ist so, dass die Studis oft warten müssen, bis es überhaupt einen Platz gibt. Ich habe da selber in der Ausbildung ein Praktikum gemacht nach dem ich bei der Studienberatung war und fast auf Monofach gewechselt wäre. Der Typ hat mich echt fast in den Wahnsinn getrieben.


    Wahrscheinlich wünsche ich mir insgeheim ein Ref, auch wenn ich die Art und Weise, wie das laut einigen Erfahrungsberichten in manchen Bundesländern umgesetzt wird, nicht gutheissen kann

    Ich denke eigentlich auch, dass man das implementieren müsste. Die Studis sollten eine eigene Klasse bekommen und entlöhnt werden. Das wäre eine klare Aufwertung der Ausbildung. Wer sich bis anhin in Stellvertretung eine Stelle sucht, bekommt dafür dann zwar Geld, wird aber im Sinne der Ausbildung nicht betreut. Und die Ausbildung verzögert sich dadurch sogar noch. Ich habe es damals in nur einem Jahr durchgezogen und währenddessen eben nicht gearbeitet. Das muss man sich leisten können.

    Ausserdem möchte ich jederzeit meinen Job (trotz langer Kündigungsfristen) kündigen können, um nach einem anstrengenden Klassenzug entweder eine "kurze Pause" machen zu können oder auch um mich temporär beruflich umzuorientieren, falls das irgendwann mal nötig sein sollte.

    Ach übrigens ... Sofern in deinem Arbeitsvertrag nicht explizit was anderes drinsteht, kannst du mit 2 Monaten Frist mitten im Schuljahr hinschmeissen. Bzw. es kann dir auch hingeschmissen werden. Wenn nichts Gröberes vorgefallen ist, einigt man sich darauf, das Schuljahr halt fertig zu machen. Aber ich habe es durchaus ein paar Mal erlebt, dass Leute mitten im Jahr plötzlich weg waren.


    Ich verstehe dieses Argument schon, zählt für mich auch recht viel. Mir ist es genau wie dir wichtig, dass ich mich da bewerben kann, wo's mir passt und auch einfach gehen kann, wenn's mir passt. Ehrlicherweise hast du mit einer originären Primar-Ausbildung aber eigentlich keine anderen Möglichkeiten als halt an einer Primarschule zu arbeiten. *Du* hast andere Möglichkeiten, weil du einen wissenschaftlichen Master im MINT-Bereich hast. Als Sek-II-Lehrperson hat man auch andere Möglichkeiten. Primar und Sek I ist aber in der Ausbildung so spezifisch, dass es halt wirklich schwierig wird.

    Ich bin jedenfalls der Auffassung, dass die meisten Lehrpersonen im Kanton Zürich finanziell mit einem 80%-Pensum gut zurechtkämen und dann auch die Arbeitsbelastung in einem erträglichen Rahmen wäre.

    Aus gewerkschaftlicher Sicht ist das eine sehr bedenkliche Auffassung. Es muss möglich sein in diesem Beruf mit einem 100 % Pensum zu arbeiten ohne zu "sterben". Dafür hat die Bildungsdirektion zu sorgen. Mein letztes 100-%-Brutto war übrigens fünfstellig, Baselland zahlt sehr gut. Im Moment arbeite ich mit einem 60-%-Pensum da ich an der Uni in Teilzeit Informatik für die Facherweiterung studiere. Das mache ich auf eigene Kosten, in der BKSD weiss man davon. Es gab mal das vom Bund finanzierte Projekt "GymInf" zur berufsbegleitenden Facherweiterung, das wurde aber nach zwei Durchläufen eingestellt. Wir suchen im Kanton immer noch händeringend Informatik-Lehrpersonen für die Sek II. Das was ich gerade an der Uni mache, ist qualitativ viel hochstehender als die GymInf-Ausbildung, der Kanton macht aber keinerlei Anstalten, das zu unterstützen. Ich verzichte auf 40 % Lohn und zahle Studiengebühren. Willst du wissen, wie viele Lektionen Unterricht ich dieses Semester an der Schule gebe? Es sind 16. Das sind 73 % Pensum, keine 60 %. So läuft das, wenn man Fächer unterrichtet, für die es zu wenig gut qualifizierte Lehrpersonen gibt. Und so werden halt auch die Kolleginnen und Kollegen an den Primarschulen zugeschmissen, irgendjemand muss es ja machen. An den Volksschulen darf kein Unterricht ausfallen, so steht es in der Bundesverfassung. Wie lange arbeitest du schon in diesem Beruf? Ich habe das Gefühl, du bist einfach im Tal der Ernüchterung noch nicht angekommen.


    Und damit ich nach diesen Beispielen nicht komplett in der Luft zerrissen werden: Ich könnte jetzt auch genauso viele Beispiele aufzählen, wo ich mit meinem Unterricht ziemlich unzufrieden bin und das (aus welchen Gründen auch immer) noch nicht besser hinbekomme. Und ich kenne etliche Lehrpersonen, die mir in vielen Bereichen einiges voraushaben. Ich halte mich selbst für einen absolut durchschnittlich talentierten Lehrer.

    Ach, so bescheiden bin ich nicht. Ich gebe überdurchschnittlich guten Fachunterricht und zähle auch im Bereich Schulentwicklung zu den engagiertesten Lehrpersonen, die an meiner Schule arbeiten. So steht es mehrfach schwarz auf weiss im Protokoll meiner Mitarbeitergespräche. Kaufen kann ich mir davon nichts. Versteh mich nicht falsch, ich mache meinen Job wirklich sehr gerne. Ich möchte aber nicht, dass meine persönliche Leistung der Standard für alle anderen sein soll denn dafür bekommt man zu wenig vom Arbeitgeber zurück. Deswegen auch Gewerkschaft ;) Was ich persönlich zurückbekomme: Im schulhausinternen Vergleich überdurchschnittlich viele MINT-Studierende aus meinen Maturklassen. Unterdessen hat der erste Ehemalige mit dem Doktorat am Biozentrum in Basel begonnen. Und Ehemalige, die mir Bier ausgeben, weil sie es lustig bei mir hatten.


    Mach weiter so wie du es beschreibst, das klingt sehr gut. Aber tu mir bitte den Gefallen und steh mal einen Schritt zurück um dir anzuschauen, wie es eigentlich deinen Kolleginnen und Kollegen geht. Ob es für alle so gut passt wie für dich. Ich glaube nämlich, dass nicht.

    Ich darf dir versichern, dass die Unterschiede vor allem zwischen Nordwürttembergern und Schweizern erheblicher sind, als von dir vermutet. Im grenznahen Raum sieht das natürlich anders aus, weil man dort seit Jahrhunderten eine andere Art von Kontakt hat miteinander, sich teilweise auch kulturell gemeinsam entwickelt hat und je nach Wohnort das Überqueren der Grenze sowieso fester Teil der Alltagswege ist, so dass die Grenze mehr und mehr zu einer fiktiven Größe wird.

    So ist es. Ich habe im Übrigen auch so meine Zweifel, ob ich es irgendwo in der Zentralschweiz langfristig ausgehalten hätte. Erstaunlicherweise hilft mir da bis heute die Herkunft aus dem ländlichen Oberbayern mit den Leuten noch relativ gut in Kontakt zu kommen. Aber Einsiedeln ist eine komplett andere Welt als Basel und das passt dann schon ganz gut, dass letzteres als "Heimatort" in meine ID eingetragen ist :)


    Die Uni Basel sowie auch die FHNW sind immer schon die nächstgelegenen Hochschulen für die grenznahen Baden-Württemberger. Es ist normal, dass eine gute Handvoll "Dütsche" hier rüber kommt zum Studieren. Der akademische Mikrokosmos einer Hochschule ist aber auch noch mal was anderes als der ganz normale Alltag im Oberbaselbiet oder Fricktal. Die Studis wohnen doch alle nicht hier, die radeln am Abend wieder heim nach Lörrach oder gehen auf den Zug irgendwo ins Breisgau.

    Selbstverständlich darf ich dir dann erklären, wie es in den Primarschulen abläuft, die ICH ganz persönlich von innen gesehen habe.

    Sicher darfst du das, das habe ich auch gar nicht infrage gestellt. Ich glaube, du hast meine Antworten auch nicht sehr sorgfältig gelesen oder mindestens etwas interpretiert, was da gar nicht stand. Ich habe keine Ahnung vom konkreten Berufsalltag einer Primarlehrperson, ich käme auch nicht drauf, das zu behaupten. Aber über die allgemeinen Anstellungsbedingungen kann ich mich schon noch äussern, da weiss ich durch die Arbeit in der Gewerkschaft dann schon recht gut Bescheid.


    Diesbezüglich ein weiterer Widerspruch in deinen ersten Beiträgen:


    Den Ruf des Staatsexamens im allgemeinen will ich nicht beurteilen. Ich bin auch sehr skeptisch, dass das über alle Schulformen hinweg ähnlich gesehen wird.


    Ich bin einfach überrascht, dass ich in den Primarschulen der Schweiz (mit Ausnahme von Grenzstädten wie Basel und Kreuzlingen) im Verhältnis zu anderen Berufsgruppen verhältnismässig wenig Deutsche treffe. Klar gibt es in den grossen Städten in jeder Schule 1-2 Deutsche (dann aber meist DaZ Lehrpersonen oder Logopäden), aber wenn man das mit den Zahlen im Gesundheitswesen oder verschiedenen anderen Industriezweigen vergleicht, ist das einfach eine überraschend kleine Zahl.

    Hast du mal überlegt, warum das so sein könnte? Es ist genau das was ich schrieb: Die Anerkennung der deutschen Ausbildung macht nur Ärger. Es ist völlig korrekt was du schreibst, die deutsche Ausbildung zur Grundschullehrperson ist qualitativ deutlich besser als das schweizer Lehrdiplom für Primarschulen. Die deutsche Ausbildung ist aber mit dem schweizer Bildungssystem nicht kompatibel. Zu wenig Unterrichtsfächer, dann fehlt die heilpädagogische Zusatzausbildung oder weiss der Kuckuck was für ein Krampf und schon landet man trotz EDK-Anerkennung im falschen Lohnband. Ich bleibe dabei, du verklärst diesen Beruf. Die allermeisten Lehrpersonen arbeiten für Geld und nicht für "leuchtende Kinderaugen" und das ist auch sehr gut so. Ich hätte sowas von keine Lust, mich vom Kanton finanziell über den Tisch ziehen zu lassen nur weil irgendein Bünzli in der Behörde findet, meine Papierli aus dem Ausland ist nicht genehm. Noch dazu ist es von einem Kanton zum anderen dann auch noch unterschiedlich geregelt was die Sache noch viel willkürlicher erscheinen lässt als es ohnehin und objektiv betrachtet schon ist.


    Andererseits habe ich schon Stellvertretungen erlebt, die keine oder kaum eine Ausbildung hatten und einfach eine grosse Begeisterung und ein grosses Talent/Gespür für Kinder hatten. Wenn man die eng begleitet, kann das zeitweise ganz gut funktionieren. Für eine Dauerlösung braucht es aber natürlich beides: Eine gute Ausbildung und eine Begeisterung für den Job/die Kinder. Die Ausbildung kann man eben notfalls auch nach und nach ergänzen, deshalb kommt es für mich eben an zweiter Stelle. Aber wie gesagt: beides wichtig!

    Uh nein, da sind wir jetzt echt ganz weit auseinander. Das finde ich eine ganz gefährliche Einstellung, von "Begeisterung für die Kinder" lernen die keine Mathe und das ist immer noch die Kernaufgabe der Schulbildung. Ich werde nicht dafür bezahlt es mit meinen Jugendlichen lustig zu haben, auch wenn das noch so sehr in meinem Sinne ist, sondern zuallererst dafür ihnen die Fachinhalte meiner Unterrichtsfächer beizubringen. Dafür braucht es eine professionelle Ausbildung der Lehrpersonen. Im Bereich Sek II stehen wir da in der Schweiz sehr gut da, im Bereich Primar und Sek I eher nicht.

    dominik89 Was du zuletzt schreibst, klingt ganz anders als deine ersten paar Beiträge. Ja, da sind wir doch recht nah beieinander. Ich versuche dir mal die Widersprüche aufzuzeigen, die mich zu einer deutlich schärferen Antwort gebracht haben als es wahrscheinlich angemessen war. Dafür bitte entschuldige :rose:


    Du schreibst zu Beginn:


    Aus der Ferne frage ich mich allerdings, ob sich die Schweiz als potenzieller Arbeitsmarkt überhaupt auf dem Radar der deutschen Lehrpersonen befindet? [...] Aufgrund des aktuellen Lehrermangels ist es sogar so, dass man sich das Arbeitspensum mehr oder weniger frei aussuchen kann. Dass der Arbeitgeber da einfach seinen Willen durchsetzt, wäre aber in jedem Fall undenkbar.

    "Die Schweiz" ganz allgemein, es geht erst mal gar nicht spezifisch um einen bestimmten Kanton und eine bestimmte Schulstufe. Darauf meine Antwort, dass das so pauschal nicht stimmt, dass man hier beliebig dar Arbeitspensum verhandeln könne und dabei bleibe ich auch - es stimmt einfach nicht. Was du infolge übrigens selbst auch einräumst:


    In meinem Kanton bedeuten 28 Wochenlektionen ein 100% Pensum. Schlussendlich ist ein 100% Pensum aber kaum zu schaffen, weil die Arbeiten neben der eigentlichen Unterrichtstätigkeit so umfangreich sind, dass die meisten engagierten Lehrpersonen reihenweise Überstunden machen müssen (die dann auch nicht komplett in den Ferien abgebaut werden können, weil dort in der Regel die Vorbereitung weitergeht).

    Volià. Doch nicht alles so toll, wie es in deinem ersten Beitrag noch klang. Welches Pensum arbeitest du denn selbst? Ich schätze auf 80 - 100 %, du bist ein Mann. Natürlich hattest du noch nie Probleme dein Pensum zu "verhandeln", du arbeitest genau im Sinne der Schulleitung mutmasslich Vollzeit inkl. KLP-Funktion. Geh mal und frag die jungen Mütter in deinem Kollegium, wie toll sie ihre Teilzeit "verhandeln" konnten. Geh mal und frag die jungen PH-Absolventinnen (es sind zu 90 % junge Frauen), wie toll sie "verhandeln" konnten, ob sie zum Berufseinstieg vielleicht doch nicht grad sofort eine Klassenleitung übernehmen wollten. Müssen sie nämlich ganz oft weil's einfach viel zu wenig Primarlehrpersonen gibt. Alles was du infolge für den Kanton Zürich schreibst könnte irgendeine Kollegin aus dem Baselland ganz genauso schreiben. Die Situation ist überall im Land die gleiche, es gibt zu wenig Lehrpersonen für die Primar und Sek.


    Im Baselland arbeitet man für eine 100 % Stelle an der Primar übrigens nur 26 Wochenlektionen, ich glaube wir sind derzeit der Kanton mit der niedrigsten Pflichtlektionenzahl über alle Schulstufen hinweg. Nur arbeitet die 100 % an der Primar kaum irgendjemand weil es gar nicht möglich ist. Weil die Kolleginnen damit beschäftigt sind, den heilpädagogischen Förderbedarf zu organisieren und sich gegen amoklaufende Eltern zu wehren. Also die arbeiten dann eben schon 100 %, bekommen aber weniger Geld dafür, weil es offiziell Teilzeit ist. Exakt das schreibst du selbst übrigens auch für Zürich (siehe oben). Es wirkt in der Summe also etwas komisch, dass du den Kolleginnen und Kollegen hier im Forum die Primarschule in der Schweiz als tollen, alternativen Arbeitsort zu einer deutschen Grundschule verkaufen willst.


    Die Schulstufe mit den bei Weiten besseren Arbeitsbedingungen im Vergleich zu Deutschland ist die Sek II, vor allem das Gymnasium. Das ist hier die "Königsdisziplin" in die die Bildungsdirektionen landauf, landab auch das meiste Geld reinschiessen. Die gewerkschaftliche Solidarität mit der Primar und der Sek I ist zumindest bei uns im Kanton sehr gross. Ich behaupte, alle Kolleginnen und Kollegen würden gutheissen, was ich weiter oben schrieb: Wenn wir der Primarschule eine Reduktion des Vollzeitpensums "erkaufen" könnten, würden wir es gleich morgen tun. Die BKSD wird uns die Pflichtlektionenzahl von 22 auf 23 erhöhen, das kommt ziemlich sicher demnächst. Damit wäre Geld gespart, wir haben den teuersten Stundenlohn. Ich glaube allerdings kaum, dass das Geld bei den Kolleginnen und Kollegen der Primarschulen ankommt, leider verlässt uns ja auch irgendwann dann mal unsere gute Monica Gschwind.


    Mit Silvia Steiner habt ihr in Zürich übrigens auch eine von den Guten auf dem Posten sitzen, auch wenn sie von den populistischen Medien zur rechten Zeit des Grauens verrissen wird (der Tagi geht mir diesbezüglich in letzter Zeit echt nur noch auf den Sack). Stichwort "Poldis". Natürlich hat Frau Steiner recht damit, dass das Programm nicht verlängert werden sollte. Wir brauchen an den Primarschulen nicht noch weitere 600 Hausfrauen, die auch mal Kindern ein bisschen das Rechnen beibringen wollten (das ist jetzt bewusst sehr überspitzt ausgedrückt), wir brauchen eine komplette Überarbeitung der Ausbildung unserer Primarlehrpersonen und einen massive Steigerung der Attraktivität dieses Berufs. Das erreichen wir nicht, indem wir die Anforderungen an die Professionalität nur immer noch weiter absenken. Wir brauchen ein besseres Ausbildungsprogramm an den Pädagogischen Hochschulen, eine kleinere Pflichtlektionenzahl und mehr Assistenz, vor allem für die Zusatzaufgaben im heilpädagogischen Bereich.


    Aber vielleicht stimmst du mir zu, dass der PH-Unterricht derzeit (trotz der vielen Praktika) viel zu theoretisch ist.

    Nein, da stimme ich dir tatsächlich nicht zu. Die fachwissenschaftliche Ausbildung, vor allem in den Kernfächern, ist viel zu schlecht und müsste dringend vertieft werden. Du unterschätzt da glaube ich, dass du eben einen fachwissenschaftlichen Master im MINT-Bereich hast und für dich persönlich der Bereich an der PH einfach nicht so wichtig war. Der reguläre Weg an die PH führt in der Schweiz aber über die Fachmaturität Pädagogik und glaub mir, ich weiss sehr gut, was die Schülerinnen und Schüler können und vor allem was sie nicht können. Ich weiss ja, was ich ihnen beibringe und ich weiss, dass an der PH nicht mehr allzu viel dazu kommt (wenn überhaupt). Ich unterrichte gerade einen FMP-Kurs in Physik, die sind wirklich toll und man könnte noch sehr viel mehr mit ihnen vertiefen, wenn wir die Zeit dazu hätten. Haben wir aber nicht, letzte Woche hatten sie schon die schriftlichen Abschlussprüfungen.


    Was du infolge schreibst, was du gerne mehr an Praxisausbildung gehabt hättest, finde ich bedauerlich, dass das nicht passiert ist. Das ist gar nicht Aufgabe der PH sondern hätte man dir in den Berufspraktika beibringen müssen. Ich arbeite selbst als Praxislehrperson für die FHNW (herzlichen Glückwunsch zu deiner Ausbildung, das ist mutmasslich die schlechteste PH im ganzen Land), im Bereich Sek II sind uns die Praxisphasen in den letzten Jahren einfach sukzessive zugunsten irgendwelcher Schwurbel-Veranstaltung zusammengestrichen worden. Dann hatte man leider auch im Partnerschulprojekt keine Zeit mehr, neben der fachwissenschaftlichen und fachdidaktischen Vor- und Nachbereitung des Unterrichts mit den Studis sowas auch noch anzuschauen. So gut es ging, habe ich es immer gemacht. Aber man braucht Zeit um wirklich über Fallbeispiele zu sprechen und man braucht vor allem mehr Zeit in den Klassen um gewisse Probleme überhaupt erst zu sehen. Erfreulicherweise wird sich das künftig alles wieder ändern, die Leitung Berufspraktische Studien hat nämlich gewechselt. Weisst du, was im Bereich Sek II da die letzten Jahre ganz eindeutig das Problem war? Zu viele Deutsche in neuralgischen Positionen, die unser Bildungssystem in der Schweiz gar nicht kennen. Jetzt hat endlich wieder ein Schweizer übernommen, der selbst in der Schweiz auch unterrichtet hat. Magst du mir erzählen, wie das im Bereich Primar bei dir gelaufen ist? Ist ja die gleiche PH (du warst wahrscheinlich Campus Brugg/Windisch, ne?), das würde mich jetzt wirklich interessieren.


    [Fortsetzung folgt ...]

    . Für mich war das nicht das Hauptkriterium

    Hoffentlich nicht, aber so kommt es gerade rüber. Du kannst dich auch nicht recht entscheiden, ob es jetzt um Schweiz vs Deutschland so allgemeinen oder um die Primar speziell gehen soll. Was mich betrifft: Ich bin nicht hierher gekommen, weil hier alles besser ist, sondern weil es der Zufall so ergeben hat. Ich bin mit dem Herzen in diesem Land und ich bin mit dem Herzen in Basel. Ich bin geblieben, weil ich hier mein Zuhause gefunden habe. Hier im Forum wird gerne mal überlesen, dass ich mich oft auch kritisch zu unseren Strukturen in der Schweiz äussere, obschon es für mich insgesamt einfach besser passt. Wir haben sehr gute Arbeitsbedingungen, aber als Gewerkschafterin sehe ich insbesondere auch, was an unseren Primar- und Sekundarschulen wirklich schlecht läuft. Wenn ich entscheiden könnte, würde ich gleich morgen eine Wochenlektionen mehr arbeiten, wenn man den Primarlehrpersonen dafür das Pensum reduziert. Du verklärst und das stösst mir auf und zwar vor allem mit Blick auf die Arbeitsbedingungen der Kolleginnen und Kollegen an der Primar und Sek.


    Deren Ausbildung ist nota bene auch deutlich mangelhaft. Da kommst du daher mit deinem deutschen Master und meinst mir erklären zu müssen, wie's hier geht. Ich unterrichte Fachmittelschule, Berufsfeld Pädagogik, also angehende Primarlehrpersonen. Die haben ein gottverdammtes Recht auf eine vernünftige Ausbildung, dafür müssten die Bildungsdirektionen einfach mal sorgen. Aber es ist halt billiger, fertig ausgebildete Deutsche einzukaufen. Sorry, wenn ich hier keinen Kniefall vor deiner Lobpreisung machen kann.

    dominik89 Ich lebe seit bald 13 Jahren in der Schweiz, ich bin eingebürgerte Schweizerin. Und ich arbeite seit 12 Jahren an der Schule. Ich kenne das System sehr gut und sehr offensichtlich besser als du, ich bin im Vorstand der kantonalen Gewerkschaft aktiv. Ich habe lediglich versucht dich darauf aufmerksam zu machen, dass du offenbar über ein paar wichtige organisatorische Dinge nicht Bescheid weisst und deshalb deine Aussagen bezüglich deutsche Lehrpersonen an schweizer Schulen nicht so pauschal zutreffend sind. Es spielt eine sehr grosse Rolle, ob du hier mit einem ausländischen Lehrdiplom arbeiten willst oder dieses an einer PH in der Schweiz erworben hast. Und das hier ...


    Jeder halbwegs vernünftige Schulleiter würde deshalb lieber eine Lehrperson aus Deutschland anstellen

    ... stimmt ganz einfach nicht. Das deutsche Staatsexamen hat in der Schweiz ganz generell und unabhängig von der Schulform einen sehr schlechten Ruf. Ob das gerechtfertigt ist oder nicht, darüber will ich mich gar nicht auslassen aber es ist eine Tatsache, dass Bewerber*innen aus Deutschland überhaupt nicht gerne eingestellt werden. An meiner derzeitigen Schule arbeitet ein einziger Kollege mit einem deutschen Staatsexamen, den haben wir dieses Schuljahr eingestellt und werden ihn auf Ende des Schuljahres wieder entlassen. Ansonsten arbeiten hier einige gebürtige Deutsche, die haben das Lehrdiplom aber alle in der Schweiz erworben.


    Die Schweiz ist in der Regel noch teurer als Deutschland, also warum genau sollte man dahin gehen?!?

    Weil es ein sehr schönes Land mit sehr netten Leuten ist :)

    Ein derzeitiger (!) Engpass lässt sich beheben, in einer Woche nichts mehr vorhanden ist nicht dasselbe

    Es ist auch nicht "gelogen". Vielleicht geht's einfach mal weniger dick aufgetragen.

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