In diesem Thread geht es ja in verschiedensten Ausrichtungen um Meinungen zur katholischen Kirche, zum Umgang selbiger mit ihrem Missbrauchsskandal, ihrem (positiven oder negativen?) Handeln im Laufe der Geschichte, um den Zusammenhang zwischen Ethik und Naturwissenschaft.
Ich will mal einen Aspekt einwerfen, der meine Meinung zur katholischen Kirche ganz intensiv mit gestaltet: Welchen konkreten Einfluss hat die katholische Kirche mit ihren „Werten“ auf *mein* Leben? (Das ist vielleicht greifbarer als ein philosophisches „Was wäre, wenn es die katholische Kirche nicht gegeben hätte“…)
Kurzfassung: Die katholische Kirche mischt ganz kräftig mit in der Politik und nutzt ihren Einfluss in der „Meinungsmache“ (ob von der Kanzel oder in den Medien). Sie hat damit einen deutlichen Einfluss auf meine persönliche Lebensgestaltung (hierdurch gibt es keine freie Wahl des Wohnortes oder des Arbeitsplatzes; der Einfluss führt zu deutlichen finanziellen Benachteiligungen; zudem hat die k.K. Einfluss in höchstpersönliche/intime Lebensbereiche).
Als ich mit dem Referendariat fertig war und den ersten „echten Job“ suchte, stellte ich fest, dass mein präferiertes Bundesland (nein, das war nicht Bayern…) bei der Einstellung verheiratete Menschen sowie Menschen mit Kindern bevorzugte. Ich hatte also wenig Chancen. Zwar befand ich mich in einer langjährigen Partnerschaft, aber Heiraten ist mir erst seit Oktober 2017 erlaubt. Das war dann 15 Jahre zu spät. Diese Bevorzugung bei der Einstellung in den Lehrerberuf konnte ich also nicht in Anspruch nehmen. Als denn 2017 die „Ehe für alle“ kam, äußerte die katholische Kirche starke Vorbehalte. Diese Kirche hatte auch Druck ausgeübt gegenüber Parteien, sodass monatelang im Raum stand, ob die „Ehe für alle“ nicht wieder abgeschafft wird (und in dem Zusammenhang bereits geschlossene Ehen wieder annulliert werden). Der Weg dahin sollte über eine Verfassungsklage des Landes Bayern gehen – genau so, wie es ein gewisser Vorsitzender der deutschen Bischofskonferenz gefordert hatte.
Also, eine Einstellung auf der „Überholspur“ aufgrund eines „Ja“ im richtigen Moment war nicht möglich. Wie wäre es mit Kindern? … Auch wieder nicht möglich. Künstliche Befruchtung bei Unverheirateten (siehe oben…) sah und sieht die Bundesärztekammer sehr kritisch (in den Musterrichtlinien von 2006 empfiehlt sie ein Verbot). Wie gut, dass das mit den Unverheirateten nicht mehr als Argument funktioniert, es „steht verheirateten, lesbischen Paaren der Zugang zu einer Samenbank seit Oktober 2017 offen.“.
Ende gut, alles gut? Nein, natürlich nicht. Die Regelungen der Bundes- und Landesärztekammern legen es zumeist in die Entscheidung der behandelnden Ärzte, ob sie eine künstliche Befruchtung vornehmen oder nicht. Das ist explizit nicht nur eine medizinische, sondern auch ethische Entscheidung. Wie also steht die katholische Kirche zu dem Thema? In Österreich zeigte sich die „Katholische Kirche ‚erschüttert‘“ als 2014 ein entsprechendes Gesetz diskutiert wurde.
Man kann natürlich auch mal „wissenschaftliche Institutionen“ befragen, was die dazu meinen. Man findet, dass dies für lesbische Paare „Ethisch inakzeptabel“ sei, wobei „die katholische Kirche die IVF grundsätzlich ablehnt.“ (Diese Zitate stammen aus einer Publikation des „Instituts für Medizinische Anthropologie und Bioethik (IMABE)“, einer lt. Selbstaussage unabhängigen wissenschaftlichen Einrichtung. Vorsitzender des Kuratoriums ist ein Erzbischof, im wissenschaftlichen Beirat finden sich ganz viele „Univ.-Doz. Dr …“. So ganz unabhängig (etwa von der Lehrmeinung der katholischen Kirche) wird dieses „Institut der Österreichischen Bischofskonferenz“ wohl doch nicht sein.
Lassen sich behandelnde Ärzte in ihren Entscheidungen durch Meinungen der Kirche beeinflussen? Natürlich. Manche halten sich bewusst an das, was „christlich“ ist, andere haben diese Einstellung unbewusst übernommen. (Und natürlich gibt es auch Ärzte, die sich nicht durch religiöse Meinungen beeinflussen lassen). Das mit den Kindern ist also auch nicht so einfach (zumal es für gleichgeschlechtliche Paare (anders als für heterosexuelle Paare) viel Geld kostet, die gesetzlichen Krankenkassen formulieren Regelungen wie „Es dürfen nur Ei- und Samenzellen des Ehepaars verwendet werden.“).
Bedeutete für mich bei nur begrenzt zur Verfügung stehenden Stellen: Keine Einstellung in meinem Wunsch-Bundesland, weil ich die Kriterien der bevorzugten Einstellung nicht erfüllen durfte. Also Bundeslandwechsel, Umzug, regelmäßige Heimfahrten (was alles ja auch nicht kostenlos ist).
Bedeutet für mich auch heute noch, dass ich „so `nen Hals“ bekommen, wenn Kollegen fordern, dass doch auf Kollegen mit Kindern Rücksicht genommen werden solle. Diese Forderung ist dann verbunden mit irgendwelchen Zusatzbelastungen, zusätzlichen Aufgaben, die Kinderlose übernehmen sollen. Nein, werde ich bestimmt nicht tun. Schließlich sind Kinder Privatsache. Wer sich entscheidet, welche zu haben, muss sein Privatleben so einrichten, dass er auch sein Berufsleben „schafft“. (Und wer jetzt einwenden möchte, dass Kinder nicht nur Privatsache sind, der hat natürlich Recht: Solange Kirche und Politik festlegen können, ob ich die Wahl habe, ein Kind zu bekommen oder zu adoptieren, ist das keine Privatsache.)