Macht Buchstabeneinführung überhaupt noch einen Sinn?

  • Hallo,


    meine Ersties schreiben und lesen schon lange (seit etwa den Herbstferien) alle Buchstaben (war selbst erstaunt, wie gut die das Schreiben lernen mit der Anlauttabelle funktioniert). Sie sind total interessiert an allem, was Schreiben und Lesen angeht, in der Schreib- und Lesegeschwindigkeit können sie mit so manchem Zweitklässler mithalten (und bearbeiten auch immer wieder ganz gern deren Aufgaben).


    Heute hatte ich bei der Buchstabeneinführung (H - auch ich war für die Tipps in einem anderen Threat dankbar) mal wieder mit toalen Disziplinproblemen zu kämpfen (sonst sind meine Ersties aber total lieb): kein Gedanke an spannenden Stundeneinstieg. Natürlich haben die Kinder sofort erkannt, worauf ich hinaus wollte und malten gleich lauter Has auf die ausgeteilten Blätter - ist ja irgendwie auch positiv, wenn sie die Rituale schon kennen, das Formen der Buchstaben aus Schnee nahmen sie noch ganz gerne an (wobei ich aber auch den Eindruck hatte, dass sie es nicht mehr unbedingt als Übung benötigten, sondern dass ich mit ihnen auch Iglu bauen hätte können).


    Wie macht ihr das: gebt ihr ab einer gewissen Zeit das Buchstaben erlernen mehr in die Hände der Kinder? Die Eigenfibel hätte ich ja schon ganz gerne fertig gemacht ... nur ob es dazu notwendig ist, dass wir uns jede Woche gezielt zusammen setzen und den Buchstaben einführen und dann eine Seite gestalten oder ob ich den Kindern einzelne Übungen gezielt in die Freiarbeit geben kann und auf das große "Aha"-Erlebnis verzichten kann? (ich hätte vielleicht so etwas im Kopf wie wöchentlich weiterhin die Stationen zu einem neuen Buchstaben aufbauen, die Kinder können dann selbstständig damit arbeiten)


    (zu sagen ist dabei vielleicht noch: ich unterrichte in einer jahrgangsgemischten Klasse, meine Ersties orientieren sich ganz stark an den Größeren und bei den fünf Ersties, die ich habe, habe ich auch ganz gut den Überblick, dass ich erkenne, dass sie beispielsweise motorisch schon die Buchstaben richtig schreiben)

  • Auf jeden Fall sollte man in diesem Fall den Rhythmus verändern und vielleicht zwei Buchstaben pro Woche nehmen, denke ich. Gerade in den Flex-Klassen ist der sonst übliche Buchstaben-Einführungskurs ab einem gewissen Zeitpunkt wohl überflüssig. Wenn die Kinder viel alleine erarbeiten könnten, dann sollen sie das in freien Phasen ruhig tun. So wie Du es beschreibst, hatten die Kinder ja die entsprechenden AHA-Erlebnisse eh schon.

  • Also bei meinen Erstis ist es ähnlich. Ich führe inzwischen auch zwei Buchstaben ein, v.a. kommen jetzt auch die Verbindungen ( au etc.)
    Die Kinder kennen die Anlauttuhr seit Beginn des Schuljahres und ich sage ganz ehrlich: Den Brimbramborium für die Buchstaben habe ich ziemlich aufgegeben.
    Wichtig sind mir akustische und graphomotorische Sicherheit, teilweise auch Kneten etc., aber eher selten. Wichtig sind mir, dass die Kinder die Bewegungsabläufe kennen.
    Gruß
    Pet

    Ich bin Grundschullehrer, ich muss nicht die Welt retten!!!

  • Ich habe bei meiner ersten Klase sogar drei Buchstaben in der Woche eingeführt und hatte keine Probleme damit. Wichtig war mir nur regelmäßig (ein- bis zweimal pro Woche) ein Buchstabendiktat, um überprüfen zu können ob die Laut - Zeichen - Zuordnung korrekt ist. Hab das immer ganz spielerisch gemacht: "Wir haben schon so viele Buchstaben - ob wir uns die schon alle merken konnten..." Die Kinder sind total drauf abgefahren. Ich habe auf jeglichen Schnörkel verzeichtet - die Kinder wollten und brauchten das nicht - die wollten Buchstaben!! Habe aber sehr auf das Heraushören geachtet und Spiele zum auffinden des Lautes am Anfang, Mitte, Ende des Wortes gemacht.


    Kann ich nur empfehlen. Wenn ich bei den Buchstabendiktaten gemerkt hätte, dass die Kinder die Buchstaben verwechseln, hätte ich einfach ein paar Tage keinen Buchstaben eingeführt.
    LG

    • Offizieller Beitrag

    Genau das war heute Gesprächsthema bei mir und meinen Parallelkolleginnen! Wir haben auch nur bis zu den Herbstferien die sonst übliche Buchstabeneinführung (mit allen Sinnen ...) durchgeführt. Da unser Lehrwerk (Bausteine) eine gute Struktur vorgibt, brauchen die Kleinen anscheinend kaum noch Anleitung. Ich schreibe jeden neuen Buchstaben an der Tafel vor. Heute hatten wir z.B. das G/g und das erste Graphem, das in den 'Keller' der Lineatur geschrieben wird. Auch das war kein Problem. Wörtersammlung und Hörübungen mache ich oft zusammen mit den Zweitklässlern (kann ja nicht schaden, auch im Hinblick auf Rechtschreibung). Ich bin ebenso verblüfft wie schnell die Erstis sind. Natürlich habe ich auch schwache Schüler. Aber ich lege viel Wert aufs Schreiben/Abschreiben und mache viele rhythmische Spielchen, z.B. Klatschübungen. Ab übermorgen bekomme ich eine Referendarin und nun stellt sich die Frage, ob ich ihr - speziell für die jahrgangsgemischte Klasse - überhaupt zu der Buchstabeneinführung raten kann, die in meiner Ausbildung das Höchste darstellte?


    Talida

  • Ich bin auf die Antwort auf Talidas Frage gespannt. Bei unterrichtsbesuchen wird ja tatsächlich oft eine Buchstabeneinführung gezeigt.


    Aber der "reale" unterricht - gerade in einer ersten Klasse - ist doch sowieso etwas ganz anderes als das was unsere Lehrbeauftragten immer noch (!) von uns sehen wollen. Wenn ich täglich Stunden so durchplanen würde wäre für die Organisation von offenem Unterricht, Schülerbeobachtung etc wohl kaum mehr Zeit.


    Und ehrlich gesagt haben die kleinen noch so viel intrinsische Motivation, dass sich meiner Meinung nach der Zeitaufwand für Effektgeladene Stunden nicht lohnt. In der Zeit lernen wir lieber neue Buchstaben oder "spielen" mit Zahlen

  • Hallo Talida,


    würde mich auch mal interessieren, was deine Referendarin dazu sagt. Ich habe mich ehrlich gesagt noch nicht getraut, eine Buchstabeneinführung im Besuch zu zeigen (ich unterrichte auch jahrgangsgemischt), weil ich nicht einschätzen konnte, wie die Fachleiter in Zeiten von Sommer-Stumpenhorst darauf anspringen .


    Viele Grüße
    Christina

  • Wie wäre es denn, wenn die Referendarin zu Beginn erstmal etwas anderes wie z.B. eine Stationsarbeit zur Einübung der Buchstaben oder vielleicht die Behandlung eines Bilderbuches etc. zeigen würde. Vielleicht bekommst Du ja dann im Auswertungsgespräch im Anschluss an die Stunde heraus wie die Seminarleiter zu Einführungsstunden stehen. Dann könnte der nächste Besuch vielleicht eine Einführung werden, denn schließlich kommen die Seminarleiter ja auch öfter.


    Was wirklich eine schöne Vorführstunde wäre: Die Hochzeit von e + i zu "ei"... "Was wäre das e ohne das i"... da kann man schöne Sachen machen.

    • Offizieller Beitrag

    Die Unterrichtsbesuche sind leider so wenig, dass schon jeder davon sitzen muss. Wahrscheinlich rate ich ihr wirklich zu einer Lektüre/einem Bilderbuch und angeleitetem Schreiben. Ich hoffe, das ist noch gefragt?! Es ist echt spannend, jetzt mal wieder einen tieferen Einblick in die Ausbildung zu bekommen. Mein Ref ist nun rund zehn Jahre her, da hat sich bestimmt etwas verändert. Jetzt kommen auch erstmal zwei Wochen Hospitation für unsere LAA und dann soll sie sich entscheiden, in welcher Klasse sie Mathe und wo sie Deutsch macht.

  • Hallo!


    Ich bin in Diskutierlaune. Deswegen hole ich diesen Thread nochmal aus der Versenkung.
    Das Thema hieß ja: Macht Buchstabeneinührung überhaupt noch einen Sinn?


    Nach meinen 2 Jahren Flex denke ich, dass es nur begrenzt Sinn macht.
    Zu meinen Rahmenbedingungen: Ich arbeite in einer Grundschule mit 75% Anteil an Kindern mit Migrationshintergrund. Die übrigen Kinder kommen größtenteils auch aus schriftfernen Familien. Und selbst in dieser Konstellation haben für die meisten Kinderr die ersten Wochen bis Weihnachten gereicht und sie hatten sich mittels Stumpenhorst-Materialien die Buchstaben erarbeitet. Im Schnitt bleiben drei Kinder, die sich intensiver mit den Buchstaben/ Lauten beschäftigen müssen. Dies dauert aber häufig das ganz erste bzw. zweite Schulbesuchsjahr.

    Meine Frage, die ich mir immer stelle:
    Wenn meine "schwachen" Schüler so schnell und leicht die Laute und Buchstaben lernen, wie sieht es dann in priviligierten Schulen aus?
    Wird nicht viel zu viel Zeit mit der Einführung von Buchstaben verschwendet?


    VG

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