Seufz, mal wieder die Disziplin

  • Manchmal denke ich, ich bin fehl am Platz. Oder wie kann man es machen, dass man von diversen "Auswüchsen" verschont bleibt?? Ich habe ne 7te Klasse in Deutsch und die war zu Anfang des Schuljahres wirklich fast schon ein wenig zu brav. Im Laufe des Jahres mutierten die Kleinen und ich fühle mich gerade wie eine Dompteurin. Heute stelle ich eine harmlose Frage und ein Junge antwortet völlig unerwartet für mich mit einer pornoreifen Obszönität. In dem Moment habe ich gedacht: DAS PASSIERT NUR MIR. ICH PROVOZIERE SOLCHE ANTWORTEN (weil ich so eine "schlechte Lehrerpersönlichkeit" habe). Sofort und überhaupt habe ich dem Schüler einen Eintrag verpasst/Rauswurf/Sonderaufgabe etc. etc. - die ganze Palette an Grausamkeiten also. Aber ich sitze Stunden später immer noch zuhause rum und denke: DAS PASSIERT NUR MIR! Wie-um Himmels Willen-werde ich eine coole Lehrerin, bei der es schon bei Eintritt ins Klassenzimmer vor Ruhe knistert?
    Schon mal erlebt sowas?
    ne arme Laempel

  • Hi Laempel,
    ich singe das Klagelied mit... habe auch eine 7, die zur Zeit wirklich übel ist. Zuckerbrot und Peitschen, nur leider gibt es inzwischen kaum noch Möglichkeiten für das Zuckerbrot, sondern nur noch Strafen, gemeinsames Lachen ist gar nicht mehr möglich, nur noch Druck Druck Druck... habe auch mit ihnen drüber gesprochen, aber der "harte" Kern hat sich dem verweigert und legt es auf den Kampf an...
    Auch dort wird kommentiert, (noch) nicht pornoreif, aber es ist zum Kotzen. Problem auch: ungefähr 50% sind nett und willig, also keine Kollektivstrafen - aber die übrigen 50% sind auch zu viel, um sie alle mit dem üblichen Kanon gleichzeitig niederzuhalten... es macht wenig Spaß, ich gebe ihnen nach Ostern noch eine Chance und ziehe ansonsten den Frontalunterricht stocksteif durch...
    Mitfühlende Grüße.
    JJ

    • Offizieller Beitrag

    Hi Laempel,


    also wie man cool wird und es vor Aufmerksamkeit knistert, das such ich auch noch.
    Aber vielleicht muntert es dich etwas auf: Mit den obszönen Bemerkungen, das passiert nicht nur dir! Sowas hab ich auch schon in ner Hospitationsstunde mal erlebt bei einer gestandenen Lehrerin. Die hat so ähnlich wie du reagiert: Eintrag, Gespräch mit der Klassenleiterin (mit dem betreffenden Schüler), sofortige schriftliche Aufgabe...


    Grüße,
    Conni

  • Alles nich neu... passiert bei mir in der 7 auch des Öfteren - und da wir grad Billy Elliot (Junge beim Ballett, Kuss zwischen Jungs, ganz viele schmutzige Wörter) gucken, wird auch oft gekichert. Ich hab das Gefühl, dass sie tatsächliche Obszönitäten noch gar nicht verstehen, bzw nicht einordnen können, und dass das meiste eher Austesten von halbverstandenen Begriffen ist (hatten letztens eine interessante Diskussion, warum denn "Mistkerl" viel harmloser als "Arschloch" ist). Ich reagiere meistens so, dass ich die Sprücheklopfer erklären lasse, was denn z.B. "schwul" oder "Transe" eigentlich heißt, dann legt sich das relativ fix. Ich fürchte, geschocktes Reagieren bringt gar nix, dann wird ja erst recht provoziert, also versuche ich den Eindruck zu verbreiten, dass ich von "so Sachen" im Zweifelsfall mehr versteh als sie. Am Anfang fanden die Kinder es glaub ich merkwürdig, inzwischen haben sie sich dran gewöhnt und lassen die Kommentare, aber ich warte auf den Tag, an dem ich die ersten empörten Eltern auf der Matte stehen habe... da wir morgen darüber verhandeln werden, ob das denn jetzt in Ordnung ist oder nicht, wenn zwei Jungs sich küssen, kann das nicht mehr lange dauern.


    Unsicher, aber keineswegs bereit, die Klasse in einen geschlechtsfreien Raum und sich selbst in einen Moralapostel zu verwandeln,
    w.

    Frölich zärtlich lieplich und klärlich lustlich stille leysejn senffter süsser keuscher sainer weysewach du minnikliches schönes weib

    Einmal editiert, zuletzt von wolkenstein ()

  • "Schön, dein Popo! Aber dein Gesicht gefällt mir noch besser."


    (Freundlich bleiben, nicht ironisch werden!)


    Bablin

    Wer hohe Türme bauen will,
    muss lange beim Fundament verweilen.
    Anton Bruckner

    Einmal editiert, zuletzt von Bablin ()

  • @ Bablin: die Antwort merke ich mir


    Neulich in meiner zweiten Klasse, wir haben ein Schnellratequiz gespielt (schnelle Fragen a la: Fluss mit "E", Stadt mit "B", etc.) Dann meinten zwei Jungs "Frag doch mal nach Körperteil mit "P" oder Droge mit "H"! Die Antworten haben sie mir natürlich auch gleich mitgeliefert... Aber ich denke mal, dass das auch nur ein Ausprobieren bzw. "cool sein" wollen ist.


    Angenehmen Abend!
    Leila

  • Das grundsätzliche Problem kann ich gut nachvollziehen - leider ohne eine Patentlösung bieten zu können.
    Aber:

    Zitat

    Lehrerin, bei der es schon bei Eintritt ins Klassenzimmer vor Ruhe knistert


    - so willst du doch nicht wirklich werden, oder?

    Jeder Tag, an dem du nicht lächelst, ist ein verlorener Tag.

  • da gilt nur cool bleiben 8)
    wer von euch flucht denn nicht, wenn er nicht in der schule ist? ;) "erst heute hat mein **** auto wieder mal nicht, und das ist doch zum ***" usw... :D die meisten flüche kennen wir doch.. aus der ruhe bringen sollte uns das nicht, sonst haben sie einen grund uns damit zu provozieren.
    ich kann mich im grunde wolkenstein anschließen, es nimmt ihnen viel wind aus den segeln wenn man sie die wörter erklären lässt.
    siebtklässler müssten das fast schon können, da kann man gespannt sein. bei uns in der gs können sie es meist noch nicht da ist dann ruhe ;):P ich habe es in einer vierten mal so gehalten, dass sie für jeden unflätigen ausdruck eine halbe a 4 seite darüber schreiben mussten, die haben nämlich exzessiv geflucht und schimpfworte gebraucht.. am ende hab ich sowas kaum mehr gehört.


    traurig wurd ich über einen zweitklässler der schon in meiner ersten eigenverantwortlichen stunde ausdrücke gebrauchte, bei denen selbst den siebtklässlern die schamesröte ins gesicht gestiegen wäre.. wenn man dann weiß, wos herkommt und dass zu hause nur so gerdet wird, das ist schon hart.. :rolleyes: ich hab darauf aber auch gelassen reagiert, denn rauswerfen, eintrag usw hätte wohl nicht viel gebracht. als er nach einiger zeit merkte, dass die lehrerin darauf doch nicht wie gewünscht reagierte, hat er es in meinem beisein nahezu eingestellt.


    wie man cool wird kann ich auch nicht sagen, aber dass es hilft ist sicher 8);)

  • Nee, nee, das geht nicht nur Laempel so, mit der Disziplin. Gerade wenn ich in eine neue Klasse komme, sehe ich Disziplinprobleme meist als "Ausprobieren" der "Neuen" an. Obwohl ich da auch eine 3. Klasse habe, die ganz schön nervt... Teilweise kommt mir aber das Grinsen, wenn (Grundschule) ein Junge zu einem anderen sagt "F*** dich". Ich frage natürlich sofort nach, was das denn bedeutet, und der Kleine sagt "Na das heißt sowas wie 'Hau ab'." ;)


    Viel ärgerlicher finde ich, wenn man versucht, die Eltern davon zu überzeugen, mal mit ihren Kindern über ihren Wortschatz zu sprechen, und die Eltern können sich gar nicht vorstellen, dass ihr lieber Kleiner sowas Böses sagt. Ein Erlebnis dieser Art hatte ich erst vor kurzem:
    Sachunterricht, 1. Klasse: 1 Junge flucht rum (u.a. f*** dich), kriegt daraufhin "Sonderaufgabe" (Matheblätter rechnen). Sein Kommentar: "Scheiß Lehrerin." Ich rufe am Abend seine Mutter an, ihre Reaktion: "Ich weiß ja, dass der xy viel SCHEISSE baut. Hab ich ja früher auch gemacht mit dem SCHEISSE bauen. Klar sagt er auch manchmal SCHEISSE. Ich finde das auch manchmal zum Kotzen. Aber dass er SCHEISS LEHRERIN sagt, das kann ich mir nicht vorstellen. Er kann doch unterscheiden zwischen dem normalen SCHEISSE bauen und jemanden damit beschimpfen. Nein, ich glaube Ihnen nicht, dass er sowas gesagt hat. Sowas sagt er hier zu Hause nie."


    Durch das gesamte Gespräch zog sich das Schimpf- und Fluchvokabular des Schülers und ich habe mich nicht das erste Mal gefragt, ob und inwieweit Eltern sich überhaupt bewusst sind, dass sie mit ihrer Wortwahl die lieben Kleinen ganz schön beeinflussen. Wie sollen die Kinder denn erkennen, dass es Sachen gibt, die man einfach nicht sagt, wenn sie ihnen tagtäglich zu Hause um die Ohren geknallt werden?


    LG, das_kaddl

    • Offizieller Beitrag

    Kenne das Problem auch, obwohl die Schimpfwörter eher innerhalb der Schülergruppe ausgetauscht werden.
    Aber meint ihr echt, man sollte die Wörter in der Grundschule auch noch lang und breit erläutern?
    Ich denke da an eine Situation, die ich vor kurzem in einer 3 erlebt habe: die Kinder kamen aus der Pause und ein Junge hatte zu einem Mädchen "du durchgef***** Nutte" gesagt - schon ganz schöner Tobak für die Grundschule.
    Als ich mit den Kindern darüber sprach, war ein Mädchen ganz wild drauf, diese Begriffe zu erklären. Die anderen kannten die Wörter nicht; die meisten befinden sich eh noch auf einem anderen Schimpfwörterlevel.
    Ich habe dann eher den Konflikt zwischen den beiden Kindern in den Mittelpunkt gestellt und das erklärungswütige Mädchen abgewürgt.
    Meiner Meinung nach ging es nicht primär um das Schimpfwort, sondern um das Miteinander.
    Dachte auch, wenn ich dem Wort jetzt soviel Raum gebe, wird es ziemlich interessant - es ist soverboten, dass man es gut zur Provokation einsetzen kann (oder ein ähnliches Wort). Dann kann man auch sicher sein, dass es anschließend wieder ausführlich erörtert wird...
    Weiß auch nicht, welchen Erkenntnisgewinn Grundschüler aus der Erklärung schlimmer Schimpfwörter ziehen, die den meisten Kindern vorher gar nicht bekannt waren bzw. die sie nie sagen würden ?(


    Bei Siebtklässlern verhält sich das aber vermutlich ganz anders.
    Übrigens glaube ich auch nicht, dass es nur dir so geht!
    Was ich so von meinen Mitrefis aus dem Sek1-Bereich mitbekomme, geht es den meisten nicht besser.


    LG,
    Melosine

  • Hallo melosine,
    ich habe mich wohl ein wenig quer ausgedrückt: ich würde f***-dich-Begriffe nur mit der Klasse besprechen, wenn sie schon zum "Klassenwortschatz" gehören würden. Den Jungen, der das verwendet hat, hat das in der Pause getan (zu einem Kind aus einer anderen Klasse) und ich stand zufällig daneben. Das f-Wort in der Stunde habe ich nicht besprochen. Will zwar den Wortschatz erweitern, aber doch nicht in diese Richtung ;)


    LG, das_kaddl

  • Nur am Rande zur Diskussion: unser Lieblingsschimpfwort, als ich in der Grundschule war, hieß "Steckdosenbefruchter".
    Nicht, dass mir damals klar gewesen wäre, was das heisst...

    Give me a simple life
    With a book by the fire
    A stool to rest my feet on
    And a cushion for my head.

  • Zitat

    Nicht, dass mir damals klar gewesen wäre, was das heisst...


    Und jetzt? Ich weiß ehrlich gesagt auch nicht, was ein "Steckdosenbefruchter" ist? Vielleicht könntest du das mal erklären? ;)

  • Ööööhhhhmmmm... jetzt wo ich so genau drüber nachdenke... eigentlich weiss ich's immer noch nicht so genau.


    Vielleicht jemand, der seinen Schniepel in die Steckdose steckt?!? ?( Just a guess. Wie das nun wiederum funktionieren soll ist mir auch nicht klar. ;)

    Give me a simple life
    With a book by the fire
    A stool to rest my feet on
    And a cushion for my head.

    Einmal editiert, zuletzt von Lelaina ()

    • Offizieller Beitrag

    Oh, das geht ja bei einigen von euch auch schon sehr "nett" zu. Manchmal denke ich, wenn die Kinder so viele unregelmäßige Verben ins Präteritum setzen könnten, wie sie Schimpfwörter nutzen, wäre das schonmal ein Fortschritt. :D


    Meine Ausbildungslehrerin handhabt es auch über "Erklärenlassen" von Schimpfwörtern. Wirklich beeindrucken tut das aber nur Schüler, die es nicht können.
    Ich habe es ihr im letzten Schuljahr mal nachgemacht und bekam von einer Viertklässlerin eine kurze, knappe und sehr treffende Erklärung für "lesbisch". Mehrere mischten sich ein und wollten noch andere Begriffe erklären. So hatten wir dann eine wirklich interessante Diskussion im Stuhlkreis über die sexuelle Orientierung von Popstars. 8)


    Am Anfang dieses Schuljahres erklärte uns ein Erstklässler, was das von ihm benutzte Wort "f****n" bedeutet. 8o


    Und in unserer 6 wurde das letzte Mal, als ich dort vertrat, jedem Gegenstand eines der Adjektive "schwul" oder "lesbisch" vorangestellt. Als ich um Erklärung der Begriffe bat, war das nur noch eine Bestätigung für einige Schüler, also hab ichs ignoriert. :rolleyes:
    Die Idee mit der A4-Seite schreiben werd ich mir aber merken. :D


    Liebe Grüße,
    Conni.

  • Zitat

    unser Lieblingsschimpfwort, als ich in der Grundschule war, hieß "Steckdosenbefruchter".


    Hi, hi Lelaina. Weißt du, was wir immer in der Grundschule zueinander gesagt haben?


    "Du homosexuell, verklemmter Badewannenstöpsel!"


    Und meine Nichte (Kindergartenalter) benutzte letztens mal folgendes als Schimpfwort zu einem Kind: "Ätschi, Bätschi, Eierloch!"


    Geht es euch eigentlich auch so, dass man als Lehrer oft drauf und dran ist, Schimpfwörter zu "überhören", wenn man an Schülern vorbeigeht. Ich muss ehrlich sagen, dass ich oft eine Diskussion, die auf Kosten der Unterrichtszeit geht, nicht immer in Kauf nehmen will.
    Ist das jetzt schon die Resignation???


    Andererseits habe ich auch wirklich oft das Gefühl, dass klärende Gespräche oder Sanktionen nichts an der Ausdrucksweise einiger Schüler ändert...
    Beleidigungen waren in meiner letzten 4.Klasse wirklich an der Tagesordnung.
    Wie geht ihr damit um? Überhört ihr auch mal Beleidigungen und Schimpfwörter?


    Fabula

  • Hallo Laempel,
    Das mit den Schimpfwörtern scheint ein allgemein verbreitetes Problem mit pubertierenden Jugendlichen zu sein!
    Mein fast 13Jähriger ist eigentlich ein recht umgängliches Kind, und ich bilde mir ein, relativ gut auf die Umgangsformen untereinander zu achten. Trotzdem gibt es immer wieder Situationen, wo im Eifer des Gefechts, aus Zorn oder auch Übermut, oder ganz einfach, weil er vor Freunden besonders cool daher kommen will, Wörter, mehr aber noch ein Tonfall zu hören sind, die ich so bisher nicht von ihm kannte.
    Ich reagiere darauf direkt, auch im Beisein seiner Freunde, und verbitte mir solche Wörter oder so einen Ton.
    Ich denke, die Jugendlichen probieren zur Zeit einfach aus, was sie sich leisten können und schießen dabei manchmal über das Ziel hinaus. Was sie sicher brauchen sind Erwachsene, die ihnen direkt sagen, dass sie zu weit gegangen sind!
    ovli

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