Lehrer wird mit Filzstift beworfen!

  • Hallo,


    aus aktuellem Anlass wende ich mich an das Forum mit der Bitte um eure Meinung / Haltung: Was macht "man", wenn mir Schüler in einer 8. Klasse Realschule bei einer Vertretungsstunde einen Filzstift an den Rücken werfen, wenn ich gerade an der Tafel stehe?


    Ich habe nur so weit reagiert, dass ich deutlich gesagt habe, dass das zu weit geht. Natürlich weiß man nicht genau, wer es ist, nur so ungefähr die Ecke, aus der es kommt; ich konnte in dem Moment also keinen "Schuldigen" zur Verantwortung ziehen, kannte auch die Klasse nicht. Es ist ja auch nichts wirklich Schlimmes passiert, nur habe ich das Gefühl, dass ich in so einer Situation genauer wissen müsste, was die beste Haltung /Stellungnahme dazu ist.


    Zu meiner Situation: In bin zur Zeit "Geld-statt-Stellen-Kraft", also Vertretung, am zwei Realschulen. Ich habe zwanzig Jahre nur Erwachsene unterrichtet, die zu solchen Aktionen nicht neigen, und fühle mich öfters in Fragen der "Disziplin" (blödes Wort) überfordert. Ich unterrichte in einer Kleinstadt im ländlichen Raum, keine "Brennpunktschule", nur sind im Allgemeinen die Kids sehr unruhig, um nicht zu sagen laut.
    Vielen Dank für eure Antworten
    kien

  • Lieber kien,
    sei nicht böse, wenn ich frage: WIE hast Du die Stunde begonnen? Warst Du zu zielstrebig auf das Stundenziel hingeeilt? Hattest Du Dich nicht zuerst des Vertrauens der Schüler versichert?


    Ich weiß - große Worte in seltsam anmutenden Fragen. Und wahrscheinlich kannst Du sie beantworten, ohne Dich zu ärgern. Sei so nett, bitte!

  • Hallo, kien,


    dein avatar kommt mir bekannt vor - den hat Remus Lupin. Es wäre vielleicht besser, wenn du dir einen anderen suchst ...


    Für so eine Situation wie die geschilderte gibt es kein Patentrezept, "eigentlich" sollte sie besser gar nicht erst vorkommen. Du hast schon richtig reagiert. Wenn die Situation es erlaubt, humorig zu reagieren, ist es ein Glücksfall, aber dazu fällt mir jetzt auch nichts ein (Bei mir klingelte mal am Anfang ein Wecker - ich sagte: super, dann sind wir jetzt alle aufgewacht und können loslegen).


    Ich würde es in der nächsten Zeit vermeiden, der Klasse den Rücken zu kehren und darum statt an der Tafel lieber mit dem Overheadprojektor arbeiten.


    Viel ermutigen und loben, mit Humor reagieren, wenige aber eindeutige Grenzen setzen und auf denen auch mit Ernst bestehen.


    Bablin

    Wer hohe Türme bauen will,
    muss lange beim Fundament verweilen.
    Anton Bruckner

  • Ein Verhalten kann man durch Ignorieren löschen.

    Erziehung ist die organisierte Verteidigung der Erwachsenen gegen die Jugend.

  • Zitat

    Timm schrieb am 24.04.2006 22:25:
    Ein Verhalten kann man durch Ignorieren löschen.


    Und wenn es aber zu arg wird? Man braucht ganz schön viel Mut dazu.

    • Offizieller Beitrag
    Zitat

    row-k schrieb am 24.04.2006 22:17:
    Lieber kien,
    sei nicht böse, wenn ich frage: WIE hast Du die Stunde begonnen? Warst Du zu zielstrebig auf das Stundenziel hingeeilt? Hattest Du Dich nicht zuerst des Vertrauens der Schüler versichert?


    Ich weiß - große Worte in seltsam anmutenden Fragen. Und wahrscheinlich kannst Du sie beantworten, ohne Dich zu ärgern. Sei so nett, bitte!


    Moin row-k!


    Also ich weiß nicht, ob die Frage nach dem Vertrauen für diese eine Stunde nicht einfach zu weit greift bzw. hier eine falsche Kausalverkettung hergestellt wird. Mit einem Stift beworfen zu werden kann mehrere Ursachen haben - eine davon könnte in der Rolle des Lehrers begründet sein, falls die Schüler wissen, dass er sowieso nicht lange dort ist.


    Dann wäre da die Frage, ob man sich tatsächlich des Vertrauens ALLER Schüler versichern kann oder ob eben ein bis zwei (und dann auch noch genau die Werfer) sozusagen übrig bleiben.


    Gruß
    Bolzbold

  • Moin Bolzbold!


    Du hast schon Recht. Es gibt immer Ausnahmen. Nur wollte ich gern wissen, wie kien die Stunde begann, ohne es böse zu meinen.


    Es ist dann schon ein Unterschied, wie man als Lehrer in derartigen Fällen reagiert. Nur so waren die Fragen gemeint.

    • Offizieller Beitrag
    Zitat

    row-k schrieb am 24.04.2006 22:44:
    Moin Bolzbold!


    Du hast schon Recht. Es gibt immer Ausnahmen. Nur wollte ich gern wissen, wie kien die Stunde begann, ohne es böse zu meinen.


    Es ist dann schon ein Unterschied, wie man als Lehrer in derartigen Fällen reagiert. Nur so waren die Fragen gemeint.


    Ich weiß, wie Du das gemeint hast. Es impliziert aber irgendwo schon ein mögliches Fehlverhalten der Lehrkraft - auch wenn Du es so nicht direkt meinst.
    Die Frage wäre ja dann: War ein möglicherweise fehlerhafter Stundenbeginn die Ursache bzw. der Grund für den geworfenen Stift.
    Ich würde anders ansetzen. Welche Motivation hat ein Schüler, einen Stift in den Rücken des Lehrers zu werfen?
    Mangelnder Respekt?
    Rachegedanken?
    Grenzen austesten?
    Ein Versehen?


    Gruß
    Bolzbold

  • Zitat

    Bolzbold schrieb am 24.04.2006 22:51:...Ich weiß, wie Du das gemeint hast. Es impliziert aber irgendwo schon ein mögliches Fehlverhalten der Lehrkraft - auch wenn Du es so nicht direkt meinst.
    Die Frage wäre ja dann: War ein möglicherweise fehlerhafter Stundenbeginn die Ursache bzw. der Grund für den geworfenen Stift.


    Um genau das "Fehlverhalten" (ein böses Wort, na ja, wir wissen ja, wie es gemeint ist) auszuschließen, fragte ich. Dann könnte man durchaus so weitermachen, wie Du vorschlägst:

  • Andererseits könnte man auch bei unglücklichem Stundenbeginn schnell eine Ursache finden.

  • Zitat

    row-k schrieb am 24.04.2006 22:27:


    Und wenn es aber zu arg wird? Man braucht ganz schön viel Mut dazu.


    In dieser Situation braucht man Mut.


    Das Löschen durch Ignorieren kommt ja aus der klassischen Verhaltensforschung, wird aber von Lehrern kaum praktiziert. Risikolos ist das Ignorieren z.B. bei Schülern die ständig reinreden.


    Ich bin einmal mit Papierkügelchen beworfen worden. Ich habe es ignoriert, nach der Hälfte der Doppelstunde hatten die Schüler keinen Spaß mehr. Am Ende der Stunde habe ich die Schüler noch aufgefordert den Raum bis zum Ende der Mittagspause zu reinigen und gesagt, dass der Kollege das überprüfen wird. Kein Problem, lief tadellos und hat sich nie wiederholt.


    Ein anderer Fall war, dass ein Schüler durch eine besonders gelungene Vogelstimmenimitation (der war gut, ich weiß bis heute nicht, wer es war) auffallen wollte. Auch er ließ es nach der 2. Doppelstunden (und markiert den hartnäckigsten Fall).


    Natürlich funktioniert das nur, wenn der Unterrichtsfortgang durch das Verhalten nicht gestört wird und es zu keinen (bleibenden) Sachbeschädigungen o.ä. führt.


    Das Löschen durch Ignorieren wird aber im positiven Falle viel zu selten praktiziert. Eher wird manchmal unbewusst positives Verhalten gelöscht, z.B. durch das Ignorieren eines Schülers, der sich oft meldet, aber nicht gesehen wird. Gerade als Anfänger bewegt man sich wenig und hat tote Winkel. Deswegen ist wichtig, dass man dies bei den Schülern anspricht und um Rückmeldung bittet.


    edit und @unknwon-teacher-man: Löschen durch Ignorieren funktioniert! Die Schüler bemerken sehr wohl den Unterschied, ob man durch Schwäche nichts sagt oder ob man einen sicheren Stand hat und bewusst ignoriert.
    Wer sich natürlich unsicher vor der Klasse fühlt, sollte darauf verzichten. Insofern ist mein Tipp für kien eher eine langfristige Verhaltensalternative, aber ich habe die Fragen auch als bewusst offen gestellt verstanden.

    Erziehung ist die organisierte Verteidigung der Erwachsenen gegen die Jugend.

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  • hallo kien,
    das ist wirklich blöd, ich ärgere mich schon, wenn die Bande in meinem Rücken grundsätzlicher immer lauter wird, wenn ich an der Tafel stehe ...


    neben dem bereits angesprochenen OHP gibt es noch die Möglichkeit, Schüler schreiben zu lassen, je nach Inhalt geht das ganz gut ... oder diktieren, das geht allerdings auf die eigene Stimme je nach Geräuschpegel der Klasse ...


    ob man ein Verhalten immer durch Ignorieren löschen kann, möchte ich bezweifeln, es gibt nämlich auch die Strategie, das Verhalten, wenn es ignoriert wird, zu steigern, um die alte Aufmerksamkeit wiederzugewinnen ... auch sollte man sich durchaus nicht alles gefallen lassen ...
    eine Kollegin, die mal mit einem Päckchen Tempo beworfen wurde und das ignoriert hatte, hat bei der Klasse damit nur inneres Kopfschütteln ausgelöst und sicher nicht an Achtung gewonnen ...


    mfg
    der unbekannte Lehrer

    "Get thee back into the tempest and the Night´s Plutonian shore!...
    Take thy beak from out my heart, and take thy form from off my door!"
    Quoth the raven: "Nevermore." (E.A.Poe,The Raven)

  • Hallo Timm,
    das gefällt mir gut! Man lernt eben nie aus - cool.


    EDIT: Ich habe nochmals darüber nachgedacht. Wenn mir das passierte, würde ich wahrscheinlich sagen: "Wollt Ihr mich umbringen?" Oder ähnlichen Schmarrn.
    Im Falle der Vogelstimme hätte ich dann gefragt: "Amsel? ... Oder doch Fink? ... Sagt's mir, ich weiß es nicht genau."

  • Zitat

    Timm schrieb am 24.04.2006 23:02


    Löschen durch Ignorieren funktioniert! Die Schüler bemerken sehr wohl den Unterschied, ob man durch Schwäche nichts sagt oder ob man einen sicheren Stand hat und bewusst ignoriert.



    ja, kann ich bestätigen, gerade auch bei (leichten) Störungen durch Geräusche (gute Vogelstimmenimitatoren waren leider noch keine dabei) oder auch bei Schülern, die zwischendurch jede neue Unterrichtsphase mit Kommentaren wie "Deutsch ist sowieso scheiße" begleiten, und dass immer mit Blick auf mich, ob ich es auch ja gehört habe. Hab ich, aber ich muss ja nicht auf alles reagieren.


    Ist allerdings wirklich situations- und auch schülerabhängig, aber wenn es funktioniert hat es den Vorteil, dass ich nicht auch noch selbst durch meine Intervention den Unterricht störe.


    carla

    Nehmen Sie die Menschen so wie sie sind.
    Es gibt keine anderen

  • Zitat

    row-k schrieb am 24.04.2006 23:05:
    Hallo Timm,
    das gefällt mir gut! Man lernt eben nie aus - cool.


    EDIT: Ich habe nochmals darüber nachgedacht. Wenn mir das passierte, würde ich wahrscheinlich sagen: "Wollt Ihr mich umbringen?" Oder ähnlichen Schmarrn.
    Im Falle der Vogelstimme hätte ich dann gefragt: "Amsel? ... Oder doch Fink? ... Sagt's mir, ich weiß es nicht."


    Habe mich unklar ausgedrückt: Die Schüler zielten auf die Tafel, 2 der Kügelchen (in der Größe eines halben Kleinen-Fingernagels) trafen mich wohl eher aus Versehen. Hätte ich das Gefühl, dass mehrfach mit Absicht auf mich gezielt würde, hätte ich anders reagiert.


    Ein lockerer Spruch kann oft angemessen sein und wäre für mich in kiens Fall und den vorliegenden Umständen die erste Alternative. Ich finde es aber wichtig, ein möglichst breites Handlungsreservoir zu haben. Dazu gehört eben - auch wenn es sich vordergründig widersinnig anhört - das Nichthandeln als Handlungsalternative. Die Schüler müssen natürlich merken, dass ich eben bewusst eine Handlungsalternative ergreife und nicht aus Unsicherheit nicht handle. Meistens sind uns eben Lehrer aus der Schulzeit in Erinnerung, die aus einer Position der Unsicherheit/Schwäche nicht handeln.


    Ein Kollege verlässt z.B. das Zimmer für 5 Minuten bei einer schwierigen Klasse , wenn es zu unruhig ist (sein Lehrerzimmer ist genau gegenüber,so dass er auch nicht sinnlos irgendwo rumsteht). Die Zeit wird hinten angehängt. Es ist also ein anderes "Nichthandeln" als bei Kollegen, die fluchtartig das Klassenzimmer verlassen, weil sie nicht mehr Herr der Lage sind.


    carla: Genau das ist der Vorteil am Nichthandeln: Die (vielleicht avisierte?) Unterrichtsstörung wird nicht erreicht oder ad absurdum geführt.

    Erziehung ist die organisierte Verteidigung der Erwachsenen gegen die Jugend.

    Einmal editiert, zuletzt von Timm ()

  • Wenn wir gerade bei Handlungsalternativen sind:


    Auch die Aufforderung "Weiter bitte!", also genau das Herausfordern des Störens bewirkt - je nach Situation - wahre Wunder, weil es einerseits überrascht und andererseits das Gegenteil des Gegenteils fordert.

  • Zitat

    row-k schrieb am 25.04.2006 16:32:
    Wenn wir gerade bei Handlungsalternativen sind:


    Auch die Aufforderung "Weiter bitte!", also genau das Herausfordern des Störens bewirkt - je nach Situation - wahre Wunder, weil es einerseits überrascht und andererseits das Gegenteil des Gegenteils fordert.


    Das kann ich aus meiner Erfahrung heraus überhaupt nicht bestätigen - im Grundschulbereich funktioniert das nicht. Die Schüler stutzen kurz, freuen sich dann aber und machen fröhlich weiter...

  • hallo kien, wenn Dir ähnliches noch mal passiert, wie mit dem Stift, bedank Dich doch einfach und mach die Schüler darauf aufmerksam, daß man an der Tafel mit Kreide schreiben muß.


    Freundliche Grüße


    Anke

  • Hallo,


    zunächst mal vielen Dank für die vielen interessanten Antworten zu meiner Frage. Da ist viel Nachdenkenswertes, ich werde mir alles noch mal ganz in Ruhe ansehen und vielleicht auf das eine oder andere noch gezielt antworten. Zur Grundsituation vielleicht noch so viel, dass ich ein Thema für diese Vertretungsstunde vorbereitet hatte, und das war eine Kurzgeschichte, die die Schüler aber vor einigen Wochen bei einer anderen Kollegin, die ebenfalls vertreten hatte, besprochen hatten. Ich hatte die Info von meiner Vertretung am letzten Tag vor den Ferien bekommen, konnte da also nichts mehr absprechen. Ich war dann schon froh, dass ich ein Quiz mit Fragen zu Allgemeinwissen als Reserve kopiert in der Tasche hatte. Nichts besonders Prickelndes, aber wenigstens etwas. Natürlich war den Schülern klar, dass das jetzt so eine Art Verlegenheitslösung war, aber so schlimm kann es ihnen eigentlich auch nicht erschienen sein. Na, für diese eine U-Stunde; Vertretungsstunden werden anscheinend ganz gerne als Freiraum für alles Mögliche angesehen.
    Insgesamt ist ja die Ausage gerne folgende: Der Lehrer muss Grenzen setzen; klar. Aber wie das im Einzelnengeht und welche Möglichkeiten er zur Durchsetzung der Grenzsetzung in Anspruch nehmen kann und welche funktionieren, das ist dann im Zweifelsfall die Frage!
    Also, nochmal vielen Dank
    kien

  • Zitat

    kien schrieb am 25.04.2006 17:30:


    Na, für diese eine U-Stunde; Vertretungsstunden werden anscheinend ganz gerne als Freiraum für alles Mögliche angesehen.


    Vertretungsstunden in un- oder kaum bekannten Klassen sind selbst bei 'altgedienten' Kollegen aus diesem Grund unbeliebt: normales Weiterarbeiten ist selten möglich und für vieles andere lassen sich die Schüler nur schwerlich begeistern, zumal dann, wenn sich die Vertretungen in einer Klasse z.B. wegen Krankheit des KL häufen.
    Insofern hast du es da mit keiner nornmalen Unterrichtssituation zu tun.
    Dass Grenzen setzten eine Dauerthema ist, ist sicherlich richtig, nur erledigt sich das in Lerngruppen, die man kennt, irgendwann. In Vertretungsstunden muss man a) eine Stunde mehr oder weniger improvisieren und b) 'nebenbei' die Grenzen abstecken - ganz schön viel auf einmal.
    Ich trete in solchen Situationen mittlerweile häufig ziemlich streng auf und habe auch schon in einigen Klassen statt die geplanten Stunde zu halten das zuvor bei Störungen angekündigte Diktat geschrieben (wird korregiert und an die Deutschkollegen weitergegeben). In der Regel werden eventl. danach stattfindende Vertretungsstunden weitaus produktiver und netter für alle Beteiligten und die Schüler haben diese Konsequenz auch bislang noch nie übel genommen; die Regeln und Grenzen müssen anscheinend erst mal geklärt sein.


    Liebe Grüße!


    carla

    Nehmen Sie die Menschen so wie sie sind.
    Es gibt keine anderen

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