Teach First Deutschland - Spiegelartikel

  • Interessanter Artikel im Spiegel Online:


    "Das Programm "Teach First Deutschland" soll ab 2008 junge Akademiker aller Disziplinen als Lehrer an Problemschulen locken. Im Interview erklärt Teamleiterin Kaija Landsberg, 28, wer die Idealkandidaten sind - und was "High Potentials" vom Schul-Experiment haben."


    http://www.spiegel.de/unispieg…ruf/0,1518,516056,00.html


    Was haltet Ihr davon?


    Gruß
    SB

  • Hm. Da verständigen sich die Kultusminister mit Hängen und Würgen, dass "nach Bologna" der Zugang zum Lehrerberuf mindestens den MA bedingt, und im Projekt sollen Bachelorabsolventen "Problemschüler" betreuen.


    Mich würde interessieren, wie das "intensive Training" ausschaut, dass die BA-Studies absolvieren und welche "rechtliche Stellung" (vergleichbar Praktikant / Referendar / vollwertiger Lehrer) sie in der Schule haben.


    Auch die "Bildungsexperten", die an dem Ganzen mitarbeiten, würden mich interessieren (d.h., die Namen der B.).


    LG, das_kaddl.

  • Ein Zitat aus einem im angegebenen Artikel verlinkten Artikel (http://www.spiegel.de/unispieg…ruf/0,1518,513136,00.html)


    Zitat


    Doch die Monate davor waren harte Arbeit - durchgeackerte Nächte inklusive. "Manchmal war die Arbeitsbelastung ziemlich hoch", so Maria, "ich musste Stunden planen, mich auf Inspektionen meiner Kurse vorbereiten und dazu noch viele Bücher auf einmal lesen."


    Gerade diese Belastbarkeit schätzen Firmen an Absolventen, die nach der Uni bei "Teach for America" oder "Teach First" einsteigen. Wer sich in diesem Job bewährt, der kann auch fast jede andere Aufgabe übernehmen. Allerdings ist der Schulalltag für die Aushilfslehrer oft sehr hart, wie Christina Lind berichtet.



    So eine echte "Top-Absolventin", ja, die kann schon was... Und in Deutschland? Da üben halt nur "faule Säcke" diesen Beruf aus, wie ein ehemaliger Ministerpräsident zu sagen flegte, der dann auch Kanzler wurde.


    Gruß !

    Mikael - Experte für das Lehren und Lernen

  • Noch was schönes aus dem von mir verlinkten Artikel:


    Zitat


    "Die ethnische Diversität an dieser Schule war besonders hoch - Türken, Somalier, Schwarzafrikaner, Chinesen, Portugiesen", sagt Christina. Viele der Schüler hätten Aufmerksamkeitsprobleme gehabt und nicht selten überhaupt keine Lust auf Schule. Einer ihrer Englischkurse, erzählt sie, sei von anfangs mehr als 30 auf gerade einmal 12 Schüler geschrumpft. Immerhin zwei von ihnen hätten die Abschlussprüfung mit der Note "befriedigend" geschafft.


    Aha, Top-Absolventin schafft es also durch ihre gute Unterrichtsqualität den Kurs von 30 auf 12 Schüler zu reduzieren???
    Und davon immerhin zwei Schüler mit der Note 3???


    Wenn mir jemand erklären kann, wie das im deutschen Schulsystem ein Kriterium für "guten Unterricht" sein kann, dann aber los!


    Gruß !

    Mikael - Experte für das Lehren und Lernen

  • Ich bin auch ein bißchen skeptisch. Da wird uns die ganze Zeit erzählt, dass die Lehrer nicht genug Praxiserfahrung in der Uniausbildung kriegen. Und dann stellt man in diesem Programm Leute ein, die gleich gar keine haben. Und ich finde ja, dass man gerade für "Problemschüler" pädagogisch ordentlich qualifizierte Lehrkräfte bräuchte...


    Natürlich bin ich auch erstaunt, dass die Teach-first-Absolventen wegen ihrer ernormen Durchhaltefähigkeit auf dem Arbeitsmarkt total begehrt sind, während unsere "ganz normalen" Lehrer angeblich schwer vermittelbar sind, weil uns ja die berühmte Erfahrung "in der freien Wirtschaft" fehlt.


    Allerdings finde ich die Idee, dass Absolventen mit Migrationshintergrund als Vorbild dienen sollen, nicht so blöd. Es gibt ja wirklich zu wenig ausgebildete Lehrer türkischer, arabischer etc. Abstammung.



    Naja, warten wir's mal ab, ob das alles wirklich passiert...

  • Das Programm gibt es hier ja schon ein wenig laenger. Was ich davon halten soll, weiss ich noch nicht so genau. Warum nun genau Leute, die oft an Privatschulen waren, dann auf Eliteunis gingen (Oxford, Cambridge, LSE, Durham etc.) und dort eben einen BA/MA mit nem "First" abgeschlossen haben, deswegen bessere Lehrer sein sollen, weiss ich nicht. Gut, ich war an einigen dt. Schulen, an ner futzeligen britischen Uni, hab meinen First um 3% verpasst und brauche eben 2 Jahre fuer meine Lehrqualifikation.
    Hier ist es aber so, dass ein BA durchaus zum Unterrichten befaehigt. Die Praxis sieht ganz anders aus, waehrend man an der Uni ist. Man ist naemlich staendig im Praktikum...bis man dann am Ende der drei Jahre, 24 Wochen Praktikum angesammelt hat und fuer mehrere Wochen Klassenlehrertaetigkeiten uebernommen hat.


    Natuerlich kann man Leute nicht einfach so in die Schule stopfen und erwarten, dass sie alles problemlos hinbekommen. So laeuft das aber in der Regel auch nicht.
    Ich bin derzeit in meinem ersten Hauptpraktikum. Davor war ich bereits 12 Wochen in verschiedenen Vorpraktika. Die letzten paar Wochen hab ich hauptsaechlich zugeschaut. Diese Woche hab ich aber meine ersten eigenen Stunden gehalten. Anfangs ist meine Mentorin (bzw. der eigentliche Lehrer) noch mit dabei, schaut zu, unterstuetzt, gibt Feedback und Tipps. Nach und nach werd ich dann alleine gelassen...bis ich in ein paar Wochen dann vollstaendig die Klasse uebernehme (bis Weihnachten). Genauso hab ich jetzt auch angefangen die Tutorgruppe meiner Mentorin zu uebernehmen. Am Ende werde ich dann die letzten paar Wochen mit einem Pensum von 14 Stunden 'geniessen'. Dazu noch ausserschulische Aktivitaeten und all das. Natuerlich kommt immer jemand, und schaut zu, schreibt Berichte ueber mich. So z.B. meine Mentorin, der Direktor, mein Tutor und was weiss ich, wer sonst noch. :D


    Ich finde das eigentlich gut. Wie sollte man mir denn sonst naechstes Jahr guten Gewissens eine Klasse oder mehrere anvertrauen, wenn ich vorher noch nie irgendwelch Verantwortung fuer Unterricht oder Klassen hatte? Ich denke also nicht, dass jahrelanges Studium immer die beste Loesung ist. Mein Fachwissen hab ich durch meinen BA, die Praxiserfahrung gibt's nunmal besser in der Schule. Selbst wenn die Vorlesung ueber "behaviour management" noch so spannend ist.

  • Die eigentliche Praxis der "Teach First-Lehrkräfte" ist eher hausbacken, irgendwo zwischen weltfremdem Idealismus und einem fast sektiererischen Ernst. An der tumben Beschränktheit unserer Hauptschul-SuS beißen sich jedenfalls auch diese eifrigen Konzepte die Zähne aus. Zudem geht ein Großteil der Arbeit für die Dokumentation drauf: Tue Gutes und sprich darüber. Eine Lesezirkel an einer Hauptschule wie der unsrigen ist jedenfalls so ziemlich das überflüssigste, was ansteht. Schließlich scheitert ja auch der EDV-Unterricht daran, dass die Schüler gerne Hardware "abziehen". Und immerhin kennen sie vom Hörensagen die Mär, dass es Menschen gibt, die lesen können und für diese sog. "Bücher" ein paar Euro lockermachen, die man dann wieder in Tabak investieren kann.

    "Wir operieren in dem Gebiet, das zwischen den besten Absichten und dummem Zufall liegt. Unser Leben ist ein einziges Glück im Unglück. Und dieser Umstand verleiht all unseren Handlungen etwas unfreiwillig Komisches." (aus: "Die Enzyklopädie der Dummheit")

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