Abi in Bayern - Kritik von Eltern und Lehrern

  • Die Kritik ist deutlich und lässt sich kaum überhören: "Nicht mehr zeitgemäß" nennen Eltern und Lehrer in Bayern die Strukturen und Methoden an den Gymnasien im Freistaat - stupides Auswendiglernen bereite nicht auf die Erfordernisse des künftigen Berufslebens vor. "Die Schüler eignen sich kurz vor der Prüfung abfragbares Wissen an, um es kurz danach wieder zu vergessen", klagen Ulrike Köllner vom Verein Gymnasialeltern Bayern und Klaus Wenzel, Präsident des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbandes (BLLV). (...)


    Der Besuch eines Gymnasiums bedeute für viele Familien nicht nur finanzielle Einbußen, "sondern auch Leid, Frust und vielfach auch Streit". Viele Kinder seien angesichts der Stofffülle "nach ein paar Wochen völlig ausgepowert". BLLV-Präsident Wenzel sagte, für die Lehrer sei es in einem Massenbetrieb Schule immer schwieriger, zu einzelnen Schülern Beziehungen aufzubauen - obwohl der Lehrerberuf ein Beziehungsberuf sei. Individuelle Lernfortschritte einzelner Schüler könnten sie kaum noch erfassen.(...)
    Quelle: Spiegel online
    gesamter Text [URL=http://www.spiegel.de/schulspiegel/wissen/0,1518,624092,00.html#ref=rss]hier[/URL]

  • Heute Deutsch-Abitur: Da half bei keinem einzigen Thema Auswendiglernen.


    (Nicht dass ich viel gegen Auswendiglernen hätte.)

    Seit 2004 unter dem gleichen Namen im Forum, weitgehend ohne ad hominem.

  • An anderer Stelle wurde die "Propaganda" des Philo-Verbands angeprangert. Hier nun ein entsprechendes BLLV-Statement.


    Auch Elternverbände müssen nicht unbedingt objektiv sein ... so forderte der bayerische Elternverband, da die Kinder ja unter der Mehrbelastung des G8 leiden (das würde ich auch nicht in Frage stellen), dass die Stundentafeln gekürzt werden (soweit noch alles ok). Aber die Kürzungsvorstellungen des Elternverbandes hätten den Schülern des G8 bedeutend weniger Wochenstunden beschert, als die Schüler des G9 gehabt hatten ...


    Zum Auswendig-Lernen und wieder vergessen:


    Wie Herr Rau schon sagte ... man schaue sich die Abitur-Aufgaben an. Selbst in einem Fach wie Geschichte (LERN-Fach) ging ohne Fähigkeiten der Beurteilung gar nichts (von Quellen- und Karikaturinterpretation gar nicht zu reden). Selbstverständlich sind diese Fähigkeiten Teil des Lehrplans und werden - zumindest soweit mein Überblick reicht - auch intensiv im Unterricht eingesetzt und verlangt.


    Ja ... die Halbwertszeit von Gelerntem ist nicht sonderlich hoch .... liegt's wirklich nur an der Schulform? Oder nicht doch auch an dem sich ändernden Lernverhalten? Der sich ändernden Konzentration? Der sich ändernden Haltung im Elternhaus zu Bildungsinhalten - Bildung selbst scheint oft egal, Hauptsache Abitur und egal, was das Kind nun wirklich kann. Und ... war das jemals wirklich soooo anders?


    Ich weigere mich (ja, flame on ...), den Sinn des Gymnasiums allein in der "Vorbereitung auf die Erfordernisse des künftigen Berufslebens" zu sehen. Erstens fordern viele Berufe andere Eigenschaften und zweitens könnte man dann manche Fächer ganz streichen ... auch nicht im Sinne einer "Bildung".


    Zur Überforderung der Kinder:


    Ja, das neue G8 in Bayern ist nicht unbedingt ein großer Wurf und sicher im Prinzip härter als das G9 (5. Klasse 1. Fremdsprache, 6. Klasse sofort 2. Fremdsprache ... im G9 war da ein Jahr "Pause" dazwischen, somit konnte sich die 1. Fremdsprache etwas besser festigen).


    Aber - und das geht jetzt so ein wenig auch zum Thema "Massenbetrieb" - wir haben einen beträchtlichen Prozentsatz Schüler, die entweder die Empfehlung für das Gymnasium nur knapp oder eigentlich gar nicht erhalten haben (bzw. nicht erhalten hätten dürfen).
    Ich hab das woanders schon mal geschrieben: Man tut den Kindern nichts Gutes, wenn man meint, dass es unbedingt mit der Brechstange Gymnasium sein muss ... liebe Eltern, informiert Euch und nehmt diese Infos auch an ... es gibt andere Wege, sogar zur allgemeinen Hochschulreife. Wenn das Kind noch nicht soweit ist, dass das Gymnasium ohne Über-Stress überstanden werden kann, der Knoten aber später mal platzt ... FOS/BOS sind eine echte Alternative.


    Kann die Überforderung mit der Stoff-Fülle nicht auch (!) daran liegen, dass die Kinder am Gymnasium überfordert sind? Übertrittsquoten sind in den letzten Jahren - gerade mit Einführung des G8 - an unserer Schule explodiert ... sind wirklich die Kinder plötzlich klüger? Oder hat irgendwer (vielleicht auch der Staat mit der Propaganda von der Wundertüte G8 ) den Eltern eingeredet, dass Gymnasium erstens sein muss und zweitens muss es auch jeder schaffen?


    Paar andere Gedanken, nun auf meine Schule bezogen, weil ich die Zahlen dafür einfach kenne:


    Wir sind eine große Schule ... ja, man könnte böse "Massenbetrieb" sagen ... über 1500 Schüler/innen. Aber ... obwohl unser Elternbeirat nicht unkritisch ist, ist dieser Vorwurf noch nie gefallen. Jedes Jahr wenn Einschreibung ist, können wir uns kaum retten und die letzten Jahre mussten wir Schüler ablehnen und der Ministerialbeauftragte musste sie anderen Schulen zuweisen. Hört sich nicht nach einem Massenbetrieb an, an den Eltern ihre Kinder nicht schicken wollen.


    Wir haben die letzten Jahre konstant jedes Jahr sieben 5. Klassen mit je 32 - 33 Schüler/innen (dazu sag ich lieber nix). Macht also so ungefähr 230 Kinder. Jetzt läuft grade Abitur ... über 150 Kollegiaten/ Kollegiatinnen. Als die in der 5. waren, hatten wir allerdings nur sechs 5. Klassen mit maximal 30 Kindern, also 180.
    Von 180 machen also jetzt 150 Abitur ... lieber BLLV ... wie war das, es schaffen nur 60% der Schüler, die den Übertritt wagen, das Abitur? Und da sind die noch gar nicht eingerechnet, die nach der 10. Klasse auf die FOS gingen und nun schon ihr Fachabitur haben.


    Unser Elternbeirat hat kürzlich einen Umfrage bei den Eltern durchgeführt. 85% (Unterstufe) - 75% (obere Mittelstufe) der Kinder kommen mit 2 Stunden für Hausaufgabe und Lernen täglich zurecht.
    Nachhilfe wird in Anspruch genommen, jedoch (da hab ich die Zahlen jetzt nicht im Kopf) weniger als ich dachte und meist nur punktuell.


    Ich sehe relativ wenige Kinder, die "trotz aller Bemühen an den hohen Hürden" scheitern. Dafür leider eine ganze Menge Kinder - und auch Eltern - die es nicht für nötig erachten, dass Hausaufgaben gewissenhaft erledigt werden, Unterrichtsmaterialien dabei sind und ablenkende Gegenstände ausgeschaltet in der Schultasche sind.


    So ... das war jetzt die Gegendarstellung ... mit sicherheit auch "ideologisch" gefärbt. Die Wahrheit liegt wohl irgendwo in der Mitte, aber mit solchen Pauschalurteilen und monokausalen Erklärungen kommen wir nicht weiter.

    • Offizieller Beitrag

    Was mich an dem Artikel auch wundert, ebenso wie meinen Vorschreiber:
    Heutzutage wird doch in den Schulen kaum noch Wissen auswendig gelernt - abgesehen vielleicht von Vokabeln und wenigen Fakten. Das hat sich doch in den letzten Jahrzehnten extremst reduziert und inzwischen stehen doch Kompetenzen im Mittelpunkt und nicht mehr bloßes Faktenwissen. Das ist doch vermutlich in Bayern nicht anders, oder?

    • Offizieller Beitrag

    Hallo Referendarin,
    da würde ich dir völlig recht geben. Wenn ich mir das GK-Abi Deutsch von Freitag anschaue- die Wahrscheinlichkeit, dass man einen Text, der dran kam, auch behandelt hatte, war ausgesprochen gering. (Vielleicht am ehesten noch das Gedicht).
    Also war Hauptaufgabe im Grundkurs, den Schülern beizubringen, egal mit welchem Text klarzukommen- und das erreicht man nun mal mit Auswendiglernen nicht.
    Wobei ich mir in manchen Klassen schon wünschen würde, dass die mal ihre Formen und Vokabeln wirklich "pauken" - dann würden sie vielleicht nicht nur bis zur nächsten Schulaufgabe sitzen.
    Ich muss noch hinzufügen, dass ich als Schülerin selbst an so einer "Pauk"-Schule war- meine Englisch-Vokabel und Grammatikkenntnisse sind heute deutlich besser als die meines Mannes, der immerhin Englisch-LK hatte.

    • Offizieller Beitrag
    Zitat

    Original von Referendarin
    Was mich an dem Artikel auch wundert, ebenso wie meinen Vorschreiber:
    Heutzutage wird doch in den Schulen kaum noch Wissen auswendig gelernt - abgesehen vielleicht von Vokabeln und wenigen Fakten. Das hat sich doch in den letzten Jahrzehnten extremst reduziert und inzwischen stehen doch Kompetenzen im Mittelpunkt und nicht mehr bloßes Faktenwissen. Das ist doch vermutlich in Bayern nicht anders, oder?


    hm, ich kann das jetzt nicht kurz überreißen, aber wir haben noch bis ende dieses schuljahres eine kollegin aus nrw, die aus privaten gründen nun vier jahre hier in bayern unterrichtet hat und nun wieder zurück geht. grad heute habe ich mit ihr noch einmal über die unterschiede gesprochen (ich selbst habe abi in nrw gemacht).


    wir kamen drauf, dass an bayerischen schulen schon sehr viel mehr "geprüft, getestet, bewertet" wird. Sie meint, dass sie wieder froh sein wird, wenn die notengebung mehr in ihrer hand sein wird, als beispiel. sie hatte hier, auch mit erfahrung eines sohnes am gym, dass die lehrer mehr auf (oder immer so weit) das prüfen würden, was der schüler nicht kann als fortschritte zu berücksichtigen.


    aus meiner eigenen erfahrung weiß ich, dass unterricht in bayern (in meiner erfahrungswelt) oftmals sehr viel "stiller" (ich spreche nicht von unterrichtsstörungen) ist - außer man ist ein lehrer wie ich. aber viele klassen, die ich kannte und kenne und die andere kollegen vorher hatten, stellen zb die arbeit komplett ein, wenn sie in einer ex ne gute note geschrieben haben und sich ausrechnen können, dass sie nicht mehr durchfallen.


    in meiner schulzeit war uns klar, dass die mündliche note letztlich entscheiden kann. man konnte sich reinreiten damit, aber auch rausholen.
    bei vielen meiner kollegen spielt das mündliche (so wie ich das verstehe und nicht die schulordung) keine rolle. ich kenne lehrer, die im fach deutsch zu den schulaufgaben zwei (vier im ganzen jahr) exen schreiben und jeden schüler dann ein mal (oder zwei mal im ganzen jahr) abfragen (laut schulordnung ist die notenpflicht damit erfüllt). ergo: die mündliche schülerleistung wird erhoben anhand von 6 unterrichtsstunden (auf 170 im ganzen jahr).


    sorry, dass ich ins reden kam. diese sachen aber gibts ja nicht erst seit heute in bayern und an der hauptschule läufts, denke ich, oftmals genau so. daher vermute ich andere Absichten hinter dieser verlautbarung.


    grüße


    h.

    • Offizieller Beitrag

    also, ich mache schon deutlich mehr als 6 Noten pro Schuljahr bei meinen Schülern !


    Ich mache die mündlichen Noten immer mal wieder, im Abstand von einer Woche oder länger.


    Allerdings fiel mir anfangs an auf, dass, wenn ich Vokabeln abfragte, manche Schülerinnen (ja, es waren immer Mädchen :D ) ängstlich wissen wollten: "War das jetzt ne Abfrage?"
    Ich fand das irritierend.


    Aber letztendlich bist du in jedem Bundesland als Lehrer besser dran, wenn du eine möglichst breite Notenbasis erstellst. Ist halt mehr Arbeit :D

    • Offizieller Beitrag

    hm, wobei aus meiner sicht die anzahl der noten nicht die objektivität erhöht (wie viele meinen - dieselben kollegen, von denen ich oben sprach, nicht du ;) ), sondern eher dazu führt, dass die endgültige note nivelliert wird - "so um die drei rum".

    • Offizieller Beitrag

    Ich fand es auch interessant, vor allem, weil ich unsere Schule (vielleicht, weil wir doch noch eine recht "junge" Schule sind? oder ich bin bereits "forumgeschädigt"- mein Unterricht läuft nämlich schon immer so ab... :D) hinter Hawkeyes Schilderung so überhaupt nicht erkannt habe. Bei uns gibt es schon viele mündliche Noten (in Englisch und Französisch auch mündliche Schulaufgaben), die auch nicht nur aus Abfragen und Exen (sind eh keine reinen mündlichen Noten), sondern aus Rollenspielen, Präsentationen, Kurzreferaten und ähnlichem bestehen. Und in Französisch kann ich die Erfahrung der "Nivellierung" auch nicht bestätigen- bei mir gibt es durchaus Schüler, die sich auch in der Präsentation 5er einfahren- einfach, weil sie ein dermaßen grottiges Französisch sprechen, dass man sie schon fast nicht versteht- und das wird auch bei den Rollenspielen logischerweise nicht besser.

    • Offizieller Beitrag
    Zitat

    aus meiner eigenen erfahrung weiß ich, dass unterricht in bayern (in meiner erfahrungswelt) oftmals sehr viel "stiller" (ich spreche nicht von unterrichtsstörungen) ist - außer man ist ein lehrer wie ich. aber viele klassen, die ich kannte und kenne und die andere kollegen vorher hatten, stellen zb die arbeit komplett ein, wenn sie in einer ex ne gute note geschrieben haben und sich ausrechnen können, dass sie nicht mehr durchfallen.

    Was mal wieder beweist, dass Noten nur bewirken, dass Schüler NUR noch für die Note arbeiten, weil unser System es ihnen anerzieht. Als hätten junge Menschen nicht ein natürliches "Babbelbedürfnis", verzeiht meinen Hessianismus, auch und gerade in der Fremdsprache.
    Ich habe deshalb meinen Unterricht hauptsächlich auf Schüler-Schüler-Gespräche ausgerichtet, diene eher als Moderatorin/wandelndes Wörterbuch und, bei ausartenden Diskussionen, als Ordner/Ziel-ins-Gedächtnis-Rufer. Was natürlich gründlich vorbereiteter Texte/Materialien und Arbeitsaufträge bedarf, die ein zielgerichtetes Arbeiten auch hergeben.
    Wenn die Schüler merken, dass der Lehrer den Gesprächsluftraum einfach nicht okkupieren will/es nicht tut (meine Devise ist, dass der Sprechanteil des Lehrers im Fremdsprachen(oder jedem?)unterricht höchstens 20% betragen darf), dann sprechen sie halt selber. Und denken! Bleibt ihnen ja nix anderes übrig ;) ! Und nach ner Weile können sie's dann auch in der FS, mehr oder weniger richtig, zumindest aber sort of fluently. Was ja irgendwie der Zweck des FSU ist.


    Das Mündliche mitzubenoten kann einen auf Kommunikation ausgerichteten Unterricht nicht ersetzen, finde ich.
    Ich kann in Hessen (wo das Mündliche in der OS ÜBER 50% zählen muss) bei den Kollegen dauerndem Frontalunterricht auch keine wesentlichen Unterschied zu Bayern feststellen - einer spricht und die anderen verlernen's. Oder spielen mit dem Lehrer fröhlich "verbaler Lückentext". Schade um die brach liegenden Kompetenzen bei den Schülern...


    Zum Glück stirbt die Generation tendenziell aus und auch die Lehrerausbildung setzt auf das Fördern von Kommunikations- und Handlungskompetenz. Wirkt halt nicht bei jedem. Ich habe da selbst bei einem kleinen Prozentsatz von Referendaren eine erstaunliche zähe Frontaldidaktik erlebt... und natürlich hab ich auch vorbildlich arbeitende ältere Kollegen. Es kommt auch drauf an, wie man sich weiterbildet...

    WE are the music-makers, and we are the dreamers of dreams,
    World-losers and world-forsakers on whom the pale moon gleams
    yet we are the movers and shakers of the world for ever, it seems.

    3 Mal editiert, zuletzt von Meike. ()

  • nett ...
    dagegen sei mal pisa angesprochen worden. konnte man für den pisa-test im vorfeld etwas auswendig lernen?? pisa hat eigene probleme, aber will noch jemand behaupten, die gesamtschulen hätten das schulwesen reformiert. nicht mal die gew-propaganda nimmt das wort noch in den mund: einheitsschule!
    das bayerische schulsystem hat etliche schwächen, aber es wird immerhin - zumindest an gymnasien - noch etwas gelernt.
    hier zeigt sich auch der opportunismus der frau schavan. in bawü noch strenge kultusministerin, seit jahren im einsatz fürs bundesdeutsche einheitsabitur. glaubt jemand ernsthaft, dieses würde das niveau bawüs, sachsens, bayerns erreichen???

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