gedämpfte Stimmung nach Abi-Rede

  • Hallo zusammen,


    mich würde interessieren, wie ihr zum Thema "Kritik in Abiturreden" steht.


    Die Abiturfeier meiner Schule hat letzte Woche stattgefunden. Feierliche Hochstimmung, alle zeigten sich von ihrer besten, charmantesten Seite, Lachen, Glucksen, in "Schale" geschmiegte junge und ältere Menschenkörper, Photos hier, klingende Sektgläser dort, kurzum: Friede, Freude, Eierkuchen... (selbst bei denen, die einen sonst nicht einmal mit dem A**** grüßen würden).


    Die Tutoren hatten sich entschlossen - entgegen der Tradition an der Schule - deutliche Worte in der Abiturrede zu verwenden. (Es gab einen aktuellen Anlass: eine Kollegin war nach dem Lesen der Abikommentare weinend im Büro des SL zusammengebrochen).


    Nach der Rede: gedämpfte Stimmung bei Schülern, Eltern und SL. Positive Rückmeldung der Kollegen.


    Wie steht ihr dazu? Wie sieht die "Tradition" an eurer Schule aus? Harmonie bis zum Umfallen oder auch Kritik am Jahrgang? Ist es zu verantworten, die "feierliche Stimmung" dieses besonderen Abends zu dämpfen?


    Neugierig auf eure Erfahrungsberichte und Meinungen


    klöni

  • Guten Morgen, Klöni!


    Ich finde es gut, dass in diesem Fall deutliche Worte gefunden wurden. Wenn eine Kollegin durch eine Abizeitung zusammenbricht, dann denke ich schon, dass man so etwas nicht unkommentiert stehen lassen kann und soll.


    Aber mal was anderes: Wird die Schülerzeitung bei euch nicht vom Chef gegengelesen?

  • Hallo Effie,


    bei uns erhalten die Lehrer einen Vorabdruck der Kommentare. Wir dürfen dann die streichen, die uns nicht gefallen. Allerdings hat sich in den letzten Jahren bei den Abiturienten eingebürgert, diese "Korrekturen" einfach nicht zu berücksichtigen und sie trotzdem zu drucken.
    Nein, unsere SL verhält sich passiv, agiert erst, wenn die Hütte brennt. So musste aus allen Abizeitungen, die auf der Abifeier verkauft wurden, die Kommentare über die Lehrerin von den Schülern mit der Schere ausgeschnitten werden, bevor die Zeitung über den Tisch ging. Also, da ist jetzt in jedem Exemplar ein Loch drin. :D


    klöni

  • Krass krass. Ist ja mal eine wirklich exklusive Abizeitung, hat nicht jeder.


    Spaß beiseite: Wenn der Kommentar wirklich so deftig war, dann müssen die Tutoren reagieren! So etwas unkommentiert stehen zu lassen, wäre unkollegial, finde ich.

  • Die Abikommentare wurden nur als EIN Beispiel für das Sozialverhalten / die "Reife" des Jahrgangs angesprochen. Das allgemeine Sozialverhalten war eigentlich der Hauptkritikpunkt in der Rede und ist vielen Anwesenden übel aufgestoßen. Nach dem Motto: Muss das jetzt sein?

  • Ich gehe mal davon aus, dass die meisten Anwesenden Eltern waren, oder? Und wer hört da schon gern Kritik an einem solchen Tag? Damit rechnet vermutlich ja auch keiner.
    Aber wenn der Abijahrgang wirklich so "auffällig" (mir fällt grad kein anderes Wort ein) war, dann kann man so etwas nicht einfach unter den Teppich kehren und unerwähnt lassen (wäre bei uns allerdings so, und das ärgert mich).


    Lieben Gruß,Effi


    P.S.: Wie stehst du denn eigentlich dazu?

  • Eine Abiturfeier ist auch eine Rückschau auf die gemeinsam verbrachte Zeit. Offenbar hat es die Abiturientia aus Gründen, die ich nicht beurteilen kann, für angemessen gehalten, diese Rückschau in ihrer Art und Weise in der Abiturzeitung zu halten.


    Warum dürfen die Kollegen, die ja anscheinend unter einigen Faktoren sehr gelitten haben, nicht ihrerseits einen ernsten Moment der Erinnerung in die Feier einbringen? Es darf natürlich nicht in eine Abrechnung ausarten, aber das war, so wie du es erzählst, ja auch nicht der Fall.


    Nele

  • Zitat

    Original von klöni
    Die Abikommentare wurden nur als EIN Beispiel für das Sozialverhalten / die "Reife" des Jahrgangs angesprochen. Das allgemeine Sozialverhalten war eigentlich der Hauptkritikpunkt in der Rede und ist vielen Anwesenden übel aufgestoßen. Nach dem Motto: Muss das jetzt sein?


    Naja... das Hauptproblem an der Sache ist sicherlich auch, dass dieses "allgemeine Sozialverhalten" - so allgemein es auch sein mag - ja nicht ALLE Schüler eines Jahrgangs betrifft. Natürlich stehen durch so eine Rede auch Leute schlecht dar, die nichts für die Brisanz der Sache durch ihr alltägliches Verhalten oder auch diese Kommentare können. Da kann ich durchaus nachvollziehen, dass man denkt "Muss das jetzt sein?".


    Ich denke, es hätte vollkommen gereicht, den Vorfall mit den Kommentaren anzusprechen (den hätte ich aber auf jeden Fall angesprochen!) so nach dem Motto "fragt es sich, ob wirklich ALLE diese Reife, die ihnen nun zugesprochen wurde, besitzen!".


    Denn: Was bringt es, die Schüler jetzt als Allgemeinheit an den Pranger zu stellen? Die, die es ernsthaft nicht betrifft, fühleln sich zu Recht ziemlich degradiert. Und die, DIE es betrifft sind vermutlich von so einem Schlag, dass es ihnen sowieso egal ist, was irgendwer von ihrem Verhalten hält (und genau den Eltern ist es wahrscheinlich auch egal).

  • Zitat von "NELEABELS"

    Offenbar hat es die Abiturientia aus Gründen, die ich nicht beurteilen kann, für angemessen gehalten, diese Rückschau in ihrer Art und Weise in der Abiturzeitung zu halten.


    Ich denke, jede Schule hat eine bestimmte, vordergründige Art des gemeinsamen Miteinanders und der Kommunikation zwischen den Beteiligten. An meiner Schule würde ich dieses Miteinander als "katzenfreundlich" (im Englischen sagt man : oversweet) bezeichnen. Vornerum: wir haben uns alle lieb. Hintenrum: das Gegenteil. Es ist in meinen Augen ein Zeichen von Kommunikationsschwäche (Kritikunfähigkeit, hierarchische Kommunikationsstrukturen, etc.), die v.a. von einem Teil der SL vorgelebt werden, u.a. der Oberstufenleitung. Es ist die Angst vor Repressalien, sobald man mal seine Meinung äußert. Von dieser Angst sind nicht nur die Schüler betroffen.


    Malina: etwa 100 Schüler.


    Effi:

    Zitat

    P.S.: Wie stehst du denn eigentlich dazu?


    ich würde mich als Menschen der offenen Worte bezeichnen. Heuchlerische Freundlichkeit kann ich einfach nicht. Mir hat einigen SuS des Jahrgangs etliches nicht gefallen, v.a. die fordernde Selbstüberschätzung und die Unfähigkeit selbst in Feedbackbögen (anonymisiert) konstruktiv und sachlich Kritik zu üben. Es gab aber auch einige SuS, die habe ich regelrecht geliebt, andere fand ich unglaublich sympathisch oder einfach nur nett. Einen großen TEil jedoch überhaupt nicht.

  • Schwierig ...
    Meine Meinung: Die Abiturfeier soll der feierliche Abschluss der "Schullaufbahn" sein, auf ihr selbst sollte es harmonisch zugehen - Kritik an Einzelnen sollte nicht allen die Stimmung verderben.


    Wenn es von Schülerseite Kritik an Lehrern gibt, so hat man erstens lange vor dem Abitur Zeit, diese mal zu äußern ... richtig, da trauen sich viele Schüler nicht. Gut, dann eben in der Abitur-Zeitung. Das finde ich auch in Ordnung, bei allem Verständnis für deutliche Worte usw. sollte da die Kritik aber auch fair und vom Ton her nicht verletzend sein.
    Klar gibt es da eine Grauzone - aber irgendwo ist eine Grenze, die man auch in der Abi-Zeitung nicht überschreiten sollte.


    Mir fällt es jetzt schwer, eine weitere Einschätzung abzugeben, denn ich weiß ja nicht, was die Schüler geschrieben haben und ich kenne auch die Kollegin nicht.


    An "meiner" Schule waren bisher alle Artikel - auch die unerfreulichen - noch unterhalb der Schmerzgrenze und der Großteil der Kritik hatte wenigstens einen nachvollziehbaren Kern. Allerdings zogen es dann auch mal einige Kollegen/Kolleginnen vor, der Abitur-Feier fern zu bleiben.


    Edit: hatte Klöni wohl missverstanden.


    Wenn nun aber die Abi-Zeitung nur die Spitze des Eisbergs ist, und der Großteil des Jahrgangs über die ganze Zeit der Oberstufe hinweg massiv negativ aufgefallen ist, kann man evtl. die Tutoren (damit ich nicht wieder missverstehe: sind das Lehrer, die die Oberstufe betreuen?) verstehen. Nur auch hier sollten die Worte wohl gewählt werden.

  • hallo,


    ich wollte zunächst zur abiturzeitung einwerfen, dass zumindest in nrw keine schülerzeitung a) einer genehmigung bedarf und b) einer zensur unterliegen darf! d.h. vorheriges verteilen und streichen von eventuellen kommentaren ist kulanz der schülerschaft. natürlich müssen die verantwortlichen dann auch die eventuell strafrechtlichen konsequenzen tragen.


    ansonsten finde ich es völlig in ordnung entsprechende kommentare in einer abiturrede zu verpacken. irgendwie glaubt man nach dem abitur, man könne sich alles erlauben. ok, das erste ausbildungsjahr oder das studium stutzen einen dann wieder etwas zurecht (oder auch nicht). aber von seiten der schülerschaft zu verlangen, nachdem man sich wie die axt im walde benommen hat, alles zu schlucken und einen friedfreudeeierkuchen abschluss zu feiern, wäre reichlich naiv.


    lg Sunrise


  • Ich begrüße es, dass auf der Abiturrede auch kritische Töne angeschlagen wurden.


    Es kann nicht sein, dass die Schüler sich immer mehr erlauben (können) und Lehrer, (die sicherlich auch mal etwas falsch machen) überall öffentlich gebrandmarkt werden dürfen. - s. Urteil "spickmich"


    Wo haben Lehrer noch Rückendeckung? Schulleitungen und Schulbehörde stehen selten hinter den Lehrern. Wie ist da noch ein Arbeiten möglich?


    Mich belastet dies...


    Wie geht es euch damit?


    Bester Gruß


    Simian ?(

  • Zitat

    Zitat: nighthawk: Kritik an Einzelnen sollte nicht allen die Stimmung verderben.


    Einzelne wurden auf der Veranstaltung weder von Schüler- noch von Lehrerseite angegriffen, soll heißen: es wurden keine Namen genannt.


    Aber allein das Ansprechen von sichtbaren Verhaltensweisen scheint auf Eltern- , SL- und Schülerseite Bedrückung hervorgerufen zu haben. Die Tutoren (jeder verantwortlich für etwa 20 Schüler) haben die Verhältnisse realistisch beschrieben ohne über die Stränge zu schlagen. Alles im Rahmen des Erträglichen, wie ich finde.


    Auch auf Schülerseite gab es untereinander einige Seitenhiebe.
    Von den Lehrern kennt man es halt an meiner Schule nicht. Unsere SL ist SEHR elternfreundlich, auch wenn es bedeutet, im Konfliktfall einen Kollegen in die Schusslinie zu ziehen oder ihn im Regen stehen zu lassen. Habe ich selbst schon am eigenen Leib erlebt.
    Die Kollegen ziehen nur äußerst selten gemeinsam an einem Strang, um Druck auszuüben.
    Deshalb: ich fand's hervorragend!


    Einen unangenehmen Zwischenfall gab es trotzdem. Hier hätte ich gerne von euch gewusst, ob der Kollegin rechtliche Schritte zustehen.


    Die Schüler zeigten einen selbstgedrehten Filmausschnitt. In einer Szene wurde eine Lehrerin beim Unterrichten gezeigt. Ganz offensichtlich wusste sie nichts davon. Die Kollegin ist wirklich ein Herz, kann keiner Fliege etwas zuleide tun, ist sehr kompetent, wird aber häufiger als Zielscheibe des Spotts herangezogen. Die Kamera bewegte sich dann von der Lehrerin auf schlafende, Zeitschriften lesende und sonstwie beschäftigte Schüler weiter. Hatte alles etwas von YouTube.


    Der Film wird nächste Woche zum Kauf angeboten. Hat ein Lehrer in einem solchen Fall die Möglichkeit, die Entfernung von Szenen, die ihn zeigen, einzufordern? Ich wüsste natürlich auch gerne, ob ich in diesem Film zu sehen bin.


    Viele Grüße
    klöni

  • Ich finde euer Verhalten vollkommen richtig.


    Ja, auch als Lehrerin hat man das "Recht am eigenen Bild", d.h. Schüler dürfen die Bilder nicht gegen ihren Willen ausstrahlen, verkaufen schonmal gar nicht.
    Welchen Rechtsweg sie gehen muss (muss ja auch ziemlich zügig gehen), weiß ich leider nicht, aber ich würde die Schüler auf jedenfall sehr, sehr schnell darüber informieren, damit diese auch noch eine Chance haben zu reagieren.

  • Zitat

    Der Film wird nächste Woche zum Kauf angeboten. Hat ein Lehrer in einem solchen Fall die Möglichkeit, die Entfernung von Szenen, die ihn zeigen, einzufordern?


    Unbedingt, sage ich als Laie. Ob das praktisch umsetzbar ist, weiß ich nicht. Anwalt beauftragen, Antrag auf einstweilige Verfügung, bis es dann zu einer Hauptverhandlung kommt. Grund: Recht am eigenen Bild, Verbot heimlichen Filmes, Veröffentlichung schon gleich gar nicht. (Auch wenn ein Gericht fälschlicherweise entscheiden könnte, Abizeitung und -film seien nicht öffentlich.)


    Ob sich das lohnt, kann ich nicht beurteilen.Halbwegs vernünftige Schüler sollten das ohnehin von sich aus einsehen.

    Seit 2004 unter dem gleichen Namen im Forum, weitgehend ohne ad hominem.

  • Auf jeden Fall hat man das Recht am eigenen Bild und muss nicht hinnehmen, dass man gefilmt und mit inszenierten Szenen der Lächerlichkeit preisgegeben wird. Es würde auch sicher nicht lange dauern, bis das Filmchen in der gesamten Schule und auf Youtube kursiert.
    Man kann den juristischen Weg über einen eigenen Anwalt gehen, aber in dem Fall, wenn ein Lehrer in Ausübung seines Dienstes so angegriffen wird steht auch der Diensther in der Pflicht. Der hat nämlich auch einen Schutzauftrag gegenüber seinen Bediensteten. Ich würde auf jeden Fall sofort den Personalrat einschalten. Außerdem würde ich den Schülern schriftlich mitteilen, dass du der Verbreitung des Bildmaterials ausdrücklich widersprichst und juristische Schritte einleiten wirst, wenn dies trotzdem geschehen sollte.


    Grüße,
    Moebius

  • Sind die Schüler verpflichtet vor einer Veröffentlichung des Films die Lehrer, die darin gezeigt werden, zu informieren und deren Erlaubnis einzuholen?

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