Professioneller Umgang mit seeehr schwierigem Schüler

  • Hallo! Ich hoffe, ihr könnt mir weiterhelfen, obwohl es ähnliche Threads bestimmt schon öfter gegeben hat.
    Ich habe in meiner ersten Klasse einen Schüler, bei dem ich echt nicht mehr weiter weiß. Er kann sich einfach gar nicht benehmen. Er missachtet permanent sämtliche Regeln, hat ständig Streit mit anderen Kindern, vergreift sich täglich im Ton gegenüber Kindern und auch allen Lehrern, haut, tritt, sitzt keine Minute still... Zu alledem ist er extrem überheblich und weiß ALLES besser. Sein Arbeitsverhalten ist nicht mal so zu nennen. Er ist clever und intelligent (ich hatte schon zu Beginn des Schuljahres in Richtung Hochbegabung gedacht, was aber zumindest in Tests im Schulpsychologischen Zentrum nicht "nachgewiesen" werden konnte). Hat aber keine Lernerfolge entsprechend seiner Möglichkeiten. Ich habe schon viel versucht: positive verstärkung, ignorieren, sanktionieren. Aber es bringt alles nichts, scheint ihm total egal zu sein (obwohl er mir eigentlich positiv gegenübersteht, mir gerne etwas mitbringt, erzählt etc.). Ich finde ihn mittlerweile fast untragbar für die Klasse, denn die Klasse leidet echt unter ihm. Im Unterricht werden sie permanent durch ihn gestört, in Streitigkeiten verwickelt, müssen das Gemecker der Lehrer mit ihm ja zwangsläufig ab und zu mit anhören usw. usw. Einige Schüler beginnen nun auch noch ihn zu imitieren. Diese totale Ignoranz von Regeln fasziniert sie natürlich. Echte Freunde hat er nicht, da er meist versucht andere Kinder zu dominieren. Einige Kinder (die schon mit ihm im KIGA waren) dürfen nachmittags nicht mit ihm spielen, da das auch nur Stress gab und er z.T. dann abgehauen ist... Eigentlich total traurig.
    Ich merke, dass mir zur Zeit einfach total die professionelle Distanz zu diesem Kind fehlt. Ich bin einfach nur noch total genervt und frustriert und geh momentan schon gar nicht mehr gern zur Schule...
    Würde mich sehr freuen, wenn ihr mir mit euren Meinungen / Einschätzungen ein wenig weiterhelfen könntet!
    Vielen Dank schonmal fürs lesen!
    LG MARE

  • Hallo du!
    Ich kann sehr gut mit dir mitfühlen. Ich habe zwei von dieser Sorte in meiner Klasse- es ist übrigens auch eine erste. Eben gerade komme ich vom Schulbesichtigungstermin für eine Schule für Erziehungshilfe. Ich habe einen meiner Schüler mit seiner Mutter dorthin begleitet. Ich habe mir schon bald professionelle Hilfe geholt und zwar von einer Kooperationslehrerin der Schule für E-Hilfe. Die kam oft zu Unterrichtshospitationen, führte Elterngespräche und nahm auch den Kontakt mit dem Jugendamt auf. Das war und ist mir eine große Hilfe! Ebenso muss die Familie zum Sozialpädiatrischen Zentrum und Termine bei der Caritas --> das ist eine Auflage des Jugendamts. Eine andere Möglichkeit wäre noch, den Schulpsychologen einzuschalten.
    Liebe Grüße

  • Hallo!
    Schon mal Danke für eure Antworten!
    Ich habe seit Schuljahresbeginn schon einige Gespräche mit den Eltern des Kindes geführt. Die Eltern sehen die Problematiken zwar auch und berichten von ähnlichem Verhalten zu Hause, aber für sie steht im Vordergrund, dass ihr Sohnenmann eine kreative, extrovertierte Person ist (was für sie anscheinend sehr wichtig ist, auch bei der Schwester, die aber ne ganz umgängliche ist). Außerdem hab ich das Gefühl, dass sie nach allem was der Junge schon im Kindergartenalter gemacht hat, mittlerweile echt abgestumpft sind. Sie selber sehen sich empfinden sich als "cool". Haben aber vollstes Verständnis, dass wir als Schule ihren Sohn noch nicht so lange kennen und noch nicht so "Cool" mit ihm gehen können - na herzlichen Dank auch... :rolleyes: Insgesamt sind sie aber durchaus bemüht, die Probleme auch zu Hause zu besprechen, aber reden halt immer nur... Es wird alles mit dem Kind beredet und beredet, aber das hilft ja anscheinend nicht. Auch im Gespräch mit mir ist der Junge immer seeehr einsichtig und sprachgewandt für sein Alter, aber an seinem Verhalten ändert das leider rein gar nichts...
    Der Schulpsychologe hat ja bereits die Intelligenztestung mit dem Kind gemacht und konnte in der Einzelsituatuion nichts extremes feststellen (was ich auch sofort glaube...). Ich hatte dann noch ein persönliches Gesprärch mit ihm, in dem er mir nettgemeinte aber wenig hilfreiche Tipps gegeben hat (positive Verstärkung etc. - alles was ich halt schon ausprobiert habe...)
    Ich hatte zwar auch schon ähnliche Schüler, aber irgendwie war das ganze dann immer gekoppelt mit anderen Umständen (schwere Situation zu Hause usw.), da fand ich es bisher immer leichter auch Hillfe von außen zu bekommen. Bei diesem Jungen sind aber die äußeren Umständen (soweit ich das beurteilen kann) aber in ordnung, so dass ich es schwer finde, die richtige Unterstützung von außen zu finden...

  • Ist es nicht möglich, dass der Schulpsychologe mal hospitiert, damit er den Schüler in der Gruppensituation erlebt? Das haben wir doch häufig... Hast du das Kind einzeln dann ist alles wunderbar: Sowie es sich aber um eine Gruppensituation handelt geht gar nichts mehr.


    Gruß,


    Papaver

    • Offizieller Beitrag

    Hallo Mare,


    kann dir nachfühlen, dass du dich genervt fühlst! Wir sind zwar Pädagogen, aber auch nur Menschen und manchmal ist es eben extremst anstrengend mit solchen Kindern in der Klasse, weil man ja auch noch die der anderen Kinder im Auge behalten muss.
    Habe auch zwei ähnlich schwierige Kinder in der Klasse, wobei der eine ein Bruder deines Schülers sein könnte. ;)
    Die Eltern halten ihr Kind auch schlichtweg für genial, räumen aber ein, dass selbst die eigene Oma genervt von ihm ist und ihn nicht lange aushält... :rolleyes:
    Er bleibt auch hinter seinen Möglichkeiten zurück, weil er einfach keinen Bock hat, sich an irgendwelche Regeln zu halten. Er ist es gewohnt, dass sich alles um ihn dreht, dass seine Interessen, Meinungen und Wünsche immer und unmittelbar im Mittelpunkt stehen. M.E. handeln die Eltern in solchen Fällen nicht verantwortungsbewusst, weil das Kind damit früher oder später auf die Nase fallen muss. Man kann auch mit einem Erstklässler nicht alles ausdiskutieren! Es gibt bestimmte Regeln, an die hat er sich halten. Das gilt heute und auch später. Punkt. Er ist auch nicht Erwachsenen gleichgestellt, sondern ein Kind, das natürlich berechtigte Bedürfnisse und auch Mitspracherecht hat, aber eben nicht sämtliche Abläufe kontrolliert und bestimmt. Und genau das lassen viele Eltern ihre Kinder tun. Alles dreht sich um sie, Bedürfnisse werden sofort erfüllt, Tagesabläufe vom Kind bestimmt. Wie sollen die Kleinen denn dann damit klarkommen, dass sie sich in der Schule einer Gruppe anpassen und Regeln einhalten müssen?
    Ich bin zwar ziemlich gespalten, was dieses Buch angeht, aber vielleicht sollte man es mal den Eltern zu lesen geben: http://www.amazon.de/Warum-unsere-Kinder-Tyrannen-werden/dp/3579069802/ref=sr_1_1?ie=UTF8&s=books&qid=1247806912&sr=8-1&tag=lf-21 [Anzeige]
    Darin werden solche Erziehungsmethoden analysiert. Natürlich auch wieder nach einer Seite überspitzt.
    Mich ärgert es aber zunehmend, dass Eltern meinen, ihrem Kind einen Gefallen zu tun, wenn sie so mit ihm umgehen. Dabei ist ihr Verhalten in meinem Augen grob fahrlässig.


    Richtig tolle Ideen für die Praxis habe ich aber auch nicht. Ich für meinen Teil lasse mich besonders von diesem Kind nicht mehr in Diskussionen verwickeln. Es werden auch nicht alle Regeln oder Weisungen in Frage gestellt. "Meiner" reagiert allerdings auch auf positive Verstärkung. (Wenn auch etwas übertrieben, weil er bei jedem Lob ausruft: Ich bin ganz toll!)


    Kopf hoch, bald sind Ferien! Kurz vor Ferienbeginn fand ich es auch am anstrengensden!


    P.S.: Ich halte Ergotherapie nicht für ein Allheilmittel. Dafür wird es ja anscheinend von vielen gehalten. Was sollte Ergotherapie hier bringen?


    LG
    Melo

  • 1.
    gibt es bei euch eine Integrationshilfe? kann man normalerweise beim Jugendamt beantragen d.h. die Eltern sollten dies tun
    2.
    auch den schulrechtlich möglichen Weg durchaus gehn
    Verwarnung, Schulausschluss ...damit alle merken, dass die Situation wirklich ernst ist
    3.
    Förderschule mit Schwerpunkt E zumindest zeitweise anstreben
    4.
    mir hat das Buch von Christina Buchner sehr geholfen, es heißt:
    Disziplin, kein Schnee von gestern...
    Im Gegensatz zu dem o.g. Buch bot es mir Lösungswege an und sagte mir nicht nur, was ich eh schon weiß!


    lg Rosi

  • Hallo! Vielen Dank für eure Tipps / Anregungen!
    Werde mich jetzt erstmal noch umfassender über die verschiedenen Möglichkeiten informieren und die Problematik nach den Ferien mit neuer Energie (und hoffentlich etwas mehr persönlicher Distanz) angehen!
    Euch allen schonmal ERHOLSAME Ferien =)

Werbung