Benotung - wann "ungenügend"?

  • 16 von 54 Punkten = ca. 30 % hat eine Schülerin in einer Sek.-I-Englischarbeit erzielt, die ich dieser Tage korrigiert habe.
    Gebt ihr damit schon eine 6? Ich überlege. Bin geneigt, dieses zu tun, auch wenn Kollegen das vielfach erst bei nur 20 % erbrachter Leistung machen.
    Mir scheint allerdings die Diskrepanz zu den anderen drei (besseren) 5ern zu groß zu sein, wenn ich das noch 5 - nenne, dann müsste ich die anderen tw. wieder auf 4 - setzen...
    Hintergründe:
    Es findet sich kaum eine wirklich richtige (richtig geschriebene) Vokabel, gramm. Struktur, kein einziger völlig "gerader" Satz in der Arbeit, es bestehen riesige Lücken in den Grundkenntnissen. Die betroffene Schülerin ist sprachlich insgesamt äußerst leistungsschwach, lernt/übt aber meiner Einschätzung nach auch nicht viel oder nicht das richtige. Ich denke nicht, dass sie über die Erprobungsstufe hinauskommen wird. Sie stammt aus äußerst problematischem Elternhaus, ist enorm empfindlich und vmtl. zögere ich deshalb die 6 zu geben.
    Die Arbeit bestand zur Hälfte aus Wiederholungsstoff aus dem vergangenen Schuljahr, sie war nicht zu schwer und nicht zu lang. Der Klassenschnitt liegt bei 3,1.
    Wie handhabt ihr solche Grenzfälle?
    Gerade etwas ratlos...,
    Antigone

  • Ich gebe die 6 ab weniger als 20 % der zu erreichenden Punktzahl. Wenn knapp ein Drittel der Punkte (30%) erreicht wurde, kann man dann von auf absehbare nicht zu schließenden Lücken sprechen?


    Zugleich: Wenn du die Arbeit 5- nennst, ist die Botschaft, dass große Defizite vorhanden sind, ja auch noch deutlich vernehmbar. Insofern: Ob 6 oder 5-, das macht den Kohl nicht fett. Wichtiger Wäre herauszufinden, wie man die Defizite ggf. noch auffangen kann bzw. die Eltern ggf. im Hinblick auf einen Schullaufbahnwechsel zu beraten.

  • Zitat

    Original von Nighthawk
    Bei uns liegt die Grenze zwischen 5 und 6 bei ca. 30-33% ...


    Ist bei uns auch so, allerdings erst ab der Sek.II - vorher liegt die Grenze zwischen 5 und 6 bei etwa 40%. Das ist Beschluss der Fachschaft und das habe ich auch im Ref so gelernt. Also: Ich würde definitiv die 6 geben.

  • Zitat

    Original von Eliah
    vorher liegt die Grenze zwischen 5 und 6 bei etwa 40%. Das ist Beschluss der Fachschaft und das habe ich auch im Ref so gelernt. Also: Ich würde definitiv die 6 geben.


    Unter 40% schon 6? Bei uns gibt es bis 50% noch eine 4-. Ungefähr sieht das so aus (wobei man es auch mal unterschiedlich handhabt, bei sehr leichten Arbeiten oder on bestimmten Fächern, sind es dann z.B. nicht 95% und 85% sondern 98% und 88%).


    bis
    95% 1
    85% 2
    70% 3
    50% 4
    25% 5


    Also alles unter 25% ist 6.
    Also läge eine 6 bei 13,5 Punkten.


    Liebe Grüße Nana

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  • Mhm. Ich persönlich bekomme immer Bauchschmerzen, wenn sich Lehrer über Bewertungen auslassen und es dann ruckzuck zu einer Zahlenjonglage verkommt und zwischen einzelnen Prozentpunkten abgewogen wird. Finde ich, ehrlich gesagt, fürchterlich.


    Am Rande möchte ich deshalb noch einmal daran erinnern, dass eine ungenügende Leistung laut §48(3) SchulG NRW folgendes ist:


    Zitat

    Die Note „ungenügend“ soll erteilt werden, wenn die Leistung den Anforderungen nicht entspricht und selbst die Grundkenntnisse so lückenhaft sind, dass die Mängel in absehbarer Zeit nicht behoben werden können.


    Und deswegen ist das, was Philosophus gesagt hat, so wichtig - es kann nicht darum gehen, dem Schüler eine Zahl vor den Latz zu knallen, sondern er muss genau verstehen, wie und in welchen Bereichen die Leistung so schlecht ist, dass sie auch nicht in absehbarer Zeit behoben werden kann. Und, das sehe ich auch so, da ist die Differenzierung von "noch mangelhaft" und "ungenügend" fließend.


    Es kann sinnvoll und notwendig sein, ein "ungenügend" zu vergeben. Aber da muss man sich bewusst sein, dass eine 6 in einer Klausur in erster Linie eins ist, nämlich eine pädagogische Guillotinierung.


    Nele

  • Zitat

    Aber da muss man sich bewusst sein, dass eine 6 in einer Klausur in erster Linie eins ist, nämlich eine pädagogische Guillotinierung.


    Nun, so derartig dramatisch würde ich es wirklich nicht ausdrücken - komm´ mal wieder runter...
    Es geht um Schule und nicht um´s Leben. Ich sah (als grottenschlechte Mathe-Schülerin in meiner eigenen Schulzeit) und sehe für mich (nun auf "der anderen Seite") jedenfalls stets, dass es noch was anderes im Leben gibt als Schule, Lehrer und Noten... :)


    Die Frage, die sich stellt, ist, warum ich ein existentes Notenspektrum nicht auch in vollem Maße ausschöpfen kann/soll!


    Wenn die Leistung doch sehr exakt der Beschreibung von nicht absehbar zu schließenden Lücken entspricht. Was m.E. der Fall ist.


    Da ich aber bei Weitem keinem Kind die nicht 100%-ig prognostizierbare Schullaufbahn verderben will noch gar sonstigen (häuslichen, emotionalen) Schaden anrichten möchte, werde ich wohl doch eine NRW - NDS- etc. - schulsystem - freundliche 5 - vergeben.


    Mit letztlich ungutem Gefühl. Da sich vmtl. die Grundschulprognose bewahrheiten wird, die das Kind explizit nicht für´s Gym. empfohlen hat, was meine Kollegen und ich seit über einem Jahr bestätigt sehen.


    Aber dafür hat richtigerweise sicherlich die 5 - Signalwirkung genug.


    Und ich hab´ über meine Berufsjahre hinweg schon so viele Kinder im Abi - Jahrgang wiedergefunden, bei denen ich es in der 5, 6, 7, 8. Klasse nie für möglich gehalten hätte.
    Dass jene dahin gekommen sind, lag an Entscheidungen wie diesen...
    Die aber mit Sicherheit nie meine allein waren... ;)

    2 Mal editiert, zuletzt von Antigone ()

  • Zitat

    Original von neleabels


    Es kann sinnvoll und notwendig sein, ein "ungenügend" zu vergeben. Aber da muss man sich bewusst sein, dass eine 6 in einer Klausur in erster Linie eins ist, nämlich eine pädagogische Guillotinierung.


    Nele


    Das würde ich so absolut nicht stehen lassen, insbesondere, wenn - wie Antigone schreibt - die Schülerin nicht oder das Falsche übt.


    Und: Eine Arbeit alleine macht noch keine Noten und sagt auch über die Zukunft wenig aus.


    Wenn 5- bzw. 6 keinen Unterschied macht ... warum haben wir dann überhaupt noch die Note 6?


    Nebenbei:
    In Bayern ist es wohl üblich, für die Sek I eine strengere Punkteverteilung zu nehmen. Die Englisch-Fachschaft meiner Schule hat beschlossen, in der Unterstufe die Grenze zwischen 4 und 5 bei 50% zu legen!


    Allerdings muss ich auch sagen, dass ich diese Grenze sehr stark davon abhängig mache, welcher Art der Leistungsnachweis war. Bin ich der Meinung, dass das Geforderte durchaus anspruchsvoll war, ist der Beschluss für mich nicht bindend.

  • Ich persönlich zögere auch immer mit der Vergabe einer 6 und entscheide mich in vergleichbaren Fällen meistens eher für die 5, schöpfe aber die Notenskala im Prinzip voll aus.
    Eine 6 gebe ich in der SI dann, wenn wirklich so gut wie nichts dabei ist, was sich positiv sehen lässt, das deckt sich dann mit der Notendefinition von "ungenügend".


    Persönlich habe ich da als Richtwert für mich etwa 20% festgelegt, handhabe das aber flexibel, auch je nach Fehlerart. Und - zugegeben - gucke ich gelegentlich auch danach, wie sich jmd. im Unterricht präsentiert. Ich meine damit ausdrücklich nicht, dass ich die 6 in Klassenarbeiten als Bestrafung einsetze, das wäre ja schlimm, aber in einigen wenigen krassen Fällen, in denen Selbtwahrnehmung und Arbeitseinsatz von Schülern eben nichts mit der wirklichen Lage der Dinge zu tin haben, habe ich mich bei sehr schwachen Arbeiten aus diesem Grund für eine 6 entschieden, um damit auch aufzurütteln.
    Ich überlege gerade, das waren 2 Fälle. In einem Fall hat sich die Schülerin danach um 4 Noten gesteigert, in dem anderen Fall hat sich nichts getan.

  • Nele, ich verstehe dich so, dass du für eine schwerpunktmäßig pädagogische Vergabe der Note 6 eintrittst.


    Gerade am unteren Rand der Notenskala halte ich aber die Transparenz für alle Beteiligten für zentral. Aus diesem Grund ist es eben auch notwendig über die skalenmäßige Abgrenzung nachzudenken. Dass ich schlussendlich über eine Note auch pädagogisch zu entscheiden habe widerspricht dem nicht.

  • Zitat

    Original von neleabels
    Mhm. Ich persönlich bekomme immer Bauchschmerzen, wenn sich Lehrer über Bewertungen auslassen und es dann ruckzuck zu einer Zahlenjonglage verkommt und zwischen einzelnen Prozentpunkten abgewogen wird. Finde ich, ehrlich gesagt, fürchterlich.




    Nele


    Wollte nur helfen. Und bei uns ist das eben im Groben so bindend.
    Ob ich das fürchterlich finde oder nicht.
    Evt. kann ja doch der eine oder andere etwas damit anfangen. Und ich finde es immer noch besser als Willkür. Das prozentsystem ist für Lehrer, Eltern und auch Schüler transparent.


    Edit meint: Und dadurch komme ich nie in die Zwickmühle zu überlegen, ist das 6 oder nicht. Es ist dann 6. Und keiner diskutiert, weil es ein verbindliches System ist.

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    Einmal editiert, zuletzt von Nananele ()

  • Zitat

    Original von Schubbidu
    Gerade am unteren Rand der Notenskala halte ich aber die Transparenz für alle Beteiligten für zentral. Aus diesem Grund ist es eben auch notwendig über die skalenmäßige Abgrenzung nachzudenken.


    Ich denke, das Problem ist, dass in Bayern die Noten eben nach dem Schulgesetz rechnerisch vergeben werden. Alle Noten, die Jahresendnote eingeschlossen. Der pädagogische Spielraum ist da sehr stark eingeschränkt. Gerade deshalb ist das, was Schubidu schreibt, hier so wichtig. Im Übrigen wird bei uns (in Bayern bzw. zumindest an meiner Schule) ganz deutlich zwischen Klassenarbeiten (Schulaufgaben) und Tests (Exen) unterschieden. Für Klassenarbeiten haben wir den Fachschaftsbeschluss, der als Vorgabe gilt, letztlich aber erstmal auch nicht bindend wäre. In Tests kann ich selbst entscheiden, wann ich welche Note gebe. Trotzdem würde ich auch das zumindest in dem Sinne als "Zahlenjonglage" sehen, als ich mir für jeden Test - abhängig vom Schwierigkeitsgrad - generell überlegen würde, wo ich die Grenze zwischen 5 und 6 ziehe. Ich würde das nicht von der einzelnen Schülerarbeit abhängig machen.


    EDIT: Einige peinliche Tippfehler ausgebessert...

    Einmal editiert, zuletzt von gelöschter User ()

    • Offizieller Beitrag


    Ein bisschen OT, aber dennoch:


    Also ich finde diese Staffelung in Form einer Pyramide bei der Notenvergabe ehrlich gesagt schwer zu legitimieren.


    Wenn 95% der Gesamtpunktzahl für eine "eins" zu erreichen ist, wird es diese Note in den seltensten Fällen geben. Es lässt sich meines Erachtens nicht hinreichend erklären, wieso diese Prozentabstände gewählt wurden. Das sieht nach einer Inflation der mittelmäßigen Noten aus.


    Vergleich Zentralabitur NRW im 100-Punkte-System:


    bis 85 Punkte 1
    bis 70 Punkte 2
    bis 55 Punkte 3
    bis 45 Punkte glatt 4 (also nicht defizitär)
    bis 39 Punkte 4- (Defizit)


    Unter 20% der Maximalpunktzahl: unegnügend


    (OK, dieses System ist extremst Schülerfreundlich - da ist es fast eine Kunst durchzufallen).


    Gruß
    Bolzbold

  • Zitat

    Original von Antigone


    Nun, so derartig dramatisch würde ich es wirklich nicht ausdrücken - komm´ mal wieder runter...
    Es geht um Schule und nicht um´s Leben. Ich sah (als grottenschlechte Mathe-Schülerin in meiner eigenen Schulzeit) und sehe für mich (nun auf "der anderen Seite") jedenfalls stets, dass es noch was anderes im Leben gibt als Schule, Lehrer und Noten... :)


    Nun, vielleicht sehe ich es einfach deshalb etwas dramatischer als eine Gymnasiallehrerin, weil ich tagtäglich sehr viele Leute unterrichte, die, nachdem sie aus dem Regelschulsystem herausgekegelt sind (ob das ein Passiv oder ein Aktiv ist, überlasse ich dem geneigten Leser ;) ) einen schulischen Neuanfang versuchen, und deshalb eine meiner pädagogischen Hauptaufgaben die ist, lernerisches Selbstbewußtsein und die wachsende Leistungsfähigkeit, die damit verbunden ist, wieder aufzubauen. Die sind freiwillig da, wenn ich denen brachial komme, sind die genauso schnell wieder weg. Wem nützt das? :)


    Und ja, da komme ich nicht runter, das beiläufig verteilte "ungenügend", ist leider, beabsichtigt oder nicht, ein klassisches pädagogisches Signal mit der Aussage "du gehörst hier nicht her, geh auf eine andere Schulform." Ich plädiere dafür, dass man die Wirkung solcher Signale nicht unterschätzt und sehr sehr sorgfältig damit umgeht!


    Nichtsnichtsnichts bleibt so im Gedächtnis haften wie öffentlicher Misserfolg.


    Zitat

    Die Frage, die sich stellt, ist, warum ich ein existentes Notenspektrum nicht auch in vollem Maße ausschöpfen kann/soll!


    Ich sage *nicht*, dass man die Notenskala nicht voll ausschöpfen sollte, nach oben wie nach unten. Ich sage, dass man dass nicht durch das vermeintlich objektive Anlegen von Zahlenmaßen tun sollte - ich meine das also genauso, wie Schubbidu das sagt.


    Dass man in einigen Bundesländern auf Befehl der Dienstvorschriften taschenrechnergläubiger ist als in anderen, habe ich schon mitbekommen - aber in NRW ist das ja zum Glück anders und es geht um NRW und nur darüber sage ich was.


    Nele

    2 Mal editiert, zuletzt von neleabels ()


  • Mhh, du hast schon recht. Habe mir das ja auch nicht ausgedacht.
    Nur wenn mir 15 Punkte an der vollen Punktzahl fehlen, ist es auch schwer zu rechtfertigen, da noch 1 zu sagen. ;)
    Aber zum Nachdenken hast du mich schon gebracht. Ich werde das auf jeden Fall hinterfragen.
    Dennoch habe ich mit diesem System auch 1ser und 2er.

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    Einmal editiert, zuletzt von Nananele ()

  • Ich habe gerade ganz aktuell in einem Deutsch-Aufsatz (in Verbindung mit Grammatik) ein "ungenügend" gegeben. Ich rechnete die Punkte aus: 23% wurde erreicht.
    Bei uns ist es so, dass bei 50% gerade noch eine 4 gegeben wird. Was schlechter ist, wird eine 5 (bzw 6) Von daher finde ich es mit 23% und den massigen Lücken, die das Kind hat, gerechtfertigt.

  • Zitat

    Und ja, da komme ich nicht runter, das beiläufig verteilte "ungenügend", ist leider, beabsichtigt oder nicht, ein klassisches pädagogisches Signal mit der Aussage "du gehörst hier nicht her, geh auf eine andere Schulform."


    Ich verteile ein "ungenügend" nicht "beiläufig", sondern mache mir durchaus Gedanken drüber, wie allein schon dieser aus diesem Grund erstellte Thread unter Beweis stellt.


    Ferner tut es mir außerordentlich Leid, dass deine Klientel offenbar nur aus solch maßgeblich problematischen, sogenannten "schulischen Restbeständen" besteht, die innerhalb aller weiterführenden Regelschulen von den "bösen Lehrern" (die sicherlich alle nur Unrecht hatten in ihrer leistungsbezogenen Einschätzung ;) psychisch in Grund und Boden unterrichtet worden sind. Und nun augenscheinlich mühsam von dir seelisch aufgepäppelt werden müssen.


    Aber dazu sage ich letztlich nur eins:
    Den Schuh ziehe ich mir bestimmt nicht an.
    Ich für mich gebe mein Bestes innerhalb meines Berufes, mache guten Unterricht, investiere einiges an Zeit in adäquate Vorbereitung, und noch mehr Zeit in z.T. höchst anspruchsvolle gymnasiale Korrekturen und arbeite in dem Kontext weit über die von dir (und vermutlich von dir auch persönlich eingehaltenen) propagierten 41 Stunden pro Woche.


    Ich für meinen Teil investiere genug um "meinen" Kindern - unabhängig von ihrem Background - Chancen für´s souveräne Durchkommen am Gymnasium zu ermöglichen. Und nur letzteres ist mein ausgewiesener Job.


    Und bin dabei bei Weitem nicht verantwortlich für die absolut üble Bildungs-Sch...., die in diesem Land gelebt und auch noch als richtig erachtet wird.
    Und die hauptsächlich darin besteht, dass zu wenige Gelder für all die notwendigen Förderungsmaßnahmen und kleine Klassenstärken freigegeben werden.


    Ich verteile allerdings auch - ja, auch bzw. gerade vor dem Hintergrund dieses defizitären Systems - 6en, wenn ich der Meinung bin, dass ein Kind am Gymnasium nichts verloren hat.
    Abitur machen ist heute nicht per se schwieriger als in den 80/90ern und die Schüler sind per se nicht blöder.
    Die äußeren (u.a. medialen) Reize, die Ablenkung von Schule ist wahrhaftig aber größer, ganz zu schweigen von den nicht mehr funktionierenden, tragfähigen Elternhäusern, die in den 80/90ern noch wesentlich mehr dazu geeignet waren Kinder in ihrer Schullaufbahn zu unterstützen.


    Ich bin an sich und von jeher eine Verfechterin des dreigliedrigen Schulsystems. Dies, weil ich der Meinung bin, dass einfach nicht alle Menschen bzgl. ihres Intellekts, in ihrer Begabung und Fähigkeit gleich sind, auch wenn sie gleiche Ausgangsmöglichkeiten haben. Beides ist für mich Fakt. Der eigentlich auch nirgendwo außerhalb des Schulsystems bestritten wird.
    Oder sind deine Freunde und Bekannten alle gleichermaßen schlau/begabt/pfiffig/identisch akademisch begabt? Haben die alle Abitur, sind die alle Akademiker? Wenn ja - schön, ich kenne das jedoch anders.
    Ich kenne es allerdings erst seit ein paar Jahren so, dass Schüler bzw. eigentlich nur deren Eltern massiv mit diesen Gegebenheiten hadern...


    Manche Kinder/Schüler/Menschen sind schlicht pfiffiger/schlauer/qualifizierter als andere. Grundsätzlich, und eigentlich das Normalste der Welt. Nur heutzutage wird eine solche Tatsache plötzlich massiv in Frage gestellt.
    Und ich habe dennoch auch heute noch absolut nichts dagegen, genau solche Qualifikationen oder eben mangelnde Qualifikationen innerhalb meiner Schülerklientel zu diagnostizieren und auch zu artikulieren.


    Wenn die Hautpschule als die Schulform, die sie eigentlich ist, gestärkt worden wäre bzw heute noch würde, gäbe es Diskussionen dieser Art gar nicht. Dann würden sich Eltern auch nicht derart in die Buchs machen, wo und warum ihr Kind jetzt mal weiterführend aktiv ist... Weil sie im Hauptschulbesuch ihres Kindes nichts Defizitäres, sondern normale Gegebenheiten sehen würden.
    Das System ist pervertiert. Und das liegt nicht an den Lehrern. Die machen nur, was ihnen von oben aufgedrückt wird. Was sollen sie auch anderes tun, dürfen die meisten von ihnen doch nichtsmals streiken? Und wie wir hier sehen, handhaben die einen es strenger (Bayern), die andern laxer (NRW, NDS etc.).


    Wir innerhalb unserer Berufsgruppe sind nunmal rein rechtlich die letzten, die effektiv am System was machen können.
    Aber exakt deshalb oder eben auch trotz dessen werde ich mit Sicherheit nicht anfangen ungerechtfertigte Zensuren zu verteilen. Nicht an Kinder, deren fehlende gymnasiale Empfehlung sich in den geschriebenen Klassenarbeiten nur bestätigt. Nicht an Kinder, die nicht an die Schulform gehören, an der ich unterrichte.
    5 - oder 6 ist dabei in der Tat nur ein Detail.



    Edit: Viele lästige Tipp-Fehler - wer nun noch einen findet, kann sich was dafür kaufen :)

    5 Mal editiert, zuletzt von Antigone ()

  • Zitat

    Original von Antigone


    Manche Kinder/Schüler/Menschen sind schlicht pfiffiger/schlauer/qualifizierter als andere. Grundsätzlich, und eigentlich das Normalste der Welt. Nur heutzutage wird eine solche Tatsache plötzlich massiv in Frage gestellt.
    Und ich habe dennoch auch heute noch absolut nichts dagegen, genau solche Qualifikationen oder eben mangelnde Qualifikationen innerhalb meiner Schülerklientel zu diagnostizieren und auch zu artikulieren.


    Hm, jetzt führen wir die Diskussion um die Schulform dann in zwei Threads. Vielleicht finden die Moderatoren ja eine Lösung...


    Antigone, ich halte das dreigliedrige Schulsystem auch nicht (mehr) grundsätzlich für falsch (früher dachte ich da anders). Allerdings würde ich die Beführworter einer Gesamtschule nicht alle in einen Topf werfen. Deine Ausführungen sind aber so zu verstehen. Zumindes bei Nele und Meike gehe ich davon aus, dass sie nicht die grundsätzlichen Unterschiede von Schülern in Punkte Leistungsfähigkeit bestreiten würden.


    Es geht halt um die Frage der Chancengleichheit und welches System diesbezüglich am meisten leisten kann. Hier kann man ja durchaus begründet unterschiedlicher Meinung sein. Die Performance des aktuellen Systems ist eben in den vergangenen Jahren dramatisch eingebrochen - dass heißt aus meiner Sicht aber eben nicht (und hier sind wir uns dann wohl einig) dass das dreigliedrige Schulsystem als solches des Problem wäre.

    • Offizieller Beitrag

    Antigone, das war ein guter Beitrag !
    Den möchte ich noch um eine Punkt ergänzen.


    Bildung hängt auch am Elternhaus.
    Heißt: es gibt Elternhäuser, in denen geredet, differenziert geredet wird. Es gibt andere Elternhäuser, in denen tagein, tagaus die Flimmerkiste u/o PC Spiele laufen.
    Es gibt wiederum andere Elternhäuser, in denen die Kinder lernen, mit Hammer und Bohrmaschine umzugehen.
    (jaaaa, ich weiß, das ist jetzt nicht sehr differenziert dargestellt ;))


    Muss das alles gleichgeschaltet werden? Und wer sagt denn, dass die Kinder, die mitbekommen, wie man eine Spülmaschine repariert und Winterreifen aufzieht, dass diese Kinder daheim weniger gefördert werden?
    Das Zeil der Kindererziehung sollte sein, lebenstüchtige Menschen zu erziehen. Nicht lauter Intellektuelle. Natürlich auch nicht mediensüchtige Konsumenten.
    Muss dafür jeder oder fast jeder Abitur haben ? Wir haben doch heute schon eine Akademikerschwemme, Facharbeiter fehlen.


    Die Frage nach der Chancengleichheit erinnert mich an die frühen 70 er Jahre. Da wurden in den Klassen Umfragen erstellt nach dem erlernten und ausgeübten Beruf des Vaters (nach dem der Mutter auch? Ich weiß es nicht, die waren ja oft nicht berufstätig ?(). Und wer am Gymnasium war, ohne eine Akademikerfamilie im Hintergrund zu haben, der wurde bewundernd angestarrt vom modernen linksliberalen Junglehrer. :D


    Leute, macht euch doch nichst vor:
    Begabungen und Interessen sind unterschiedlich. Und Gott sei dank sind heute weder Schulgeld noch die Haltung "mein Kind braucht keine höhere Schule zu besuchen, das ziemt sich nicht für unsereins" gang und gäbe.
    Die Degradierung der Hauptschule ist tatsächlich mit ein Hauptübel für die Hysterie vieler Eltern. Auch die Arbeitswelt ist daran nicht ganz unschuldig

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