Legasthenie im Fremdsprachenunterricht

  • Hallo Leute,


    ich habe ein Prob: Eine meiner Schülerinnen in der 6. Klasse hat Legasthenie. Ich habe sie in Französisch, bin aber nicht ihr Klassenlehrer.


    Schriftlich steht sie sogar auf 3, aber Vokabellernen klappt nicht so gut, deshalb habe ich ihr eine 4 im Zeugnis gegeben, und jetzt erfahre ich mal von der Mutter, was los ist ... :( Sowas stellt man doch schon eher fest, oder?
    Zwar ist die Frage, ob das Mädchen dann am Gymn noch richtig ist, aber sie ist ja jetzt auf jeden Fall da, und da muss man dann eben sehen, was man machen kann.


    Also, meine beiden Fragen erstmal:


    1. Ist Legasthenie eine Behinderung oder eine Krankheit? Im Wikipedia-Artikel steht, dass man das ein Leben lang hat, auch wenn die Behandlungen erfolgreich sind und sich die Lage verbessert. Man kann es also nicht ganz "abschütteln".


    2. Auf der Förderschule wird doch auch Englisch unterrichtet, oder? Dann könnt ihr mir doch vielleicht Tips geben, wie das Mädchen besser Vok lernen kann, und was sonst noch so geregelt werden muss (Abspachen mit Elten, Ärzten...?)


    Danke im Voraus. Hamilkar

  • Ich unterricht zwar nicht an der Förderschule, gebe aber mal trotzdem meinen Senf dazu:


    Zitat

    Sowas stellt man doch schon eher fest, oder?


    Nicht zwangsweise. Intelligente Kinder können viel kompensieren. Eine Legasthenie kann dann auch erst bei der ersten oder zweiten Fremdsprache ersichtlich werden.



    Zitat

    Zwar ist die Frage, ob das Mädchen dann am Gymn noch richtig ist, ...


    Eine Legasthenie sollte kein Hinderungsgrund sein, wenn der Rest passt. In Bayern wird die RS-Leistung in der Grundschule bei attestierter Legasthenie nicht in die Zeugnisnote gerechnet. Begabte Legastheniker haben damit gute Chancen auf das Gymnasium zu kommen. Meiner Meinung nach ist das auch gut so. Legasthenie hat nichts mit mangelnder Begabung zu tun. In Bayern gibt es einen Legasthenieerlass, der beschreibt was man mit diesen Kindern tun soll (Hilfen bei Proben/Schulaufgaben, Benotung). Gibt es sowas bei euch nicht?


    Soweit ich weiß, hat man eine Legasthenie wirklich ein Leben lang. Da wächst sich nichts aus. Das heißt aber nicht, dass die betreffende Schülerin keine Fortschritte machen kann. Der Weg ist aber (wahrscheinlich) mühsam.


    Von einem Gymnasiallehrer habe ich mal gehört, dass es helfen kann, Vokabeln sich in kleinen Portionen zu erarbeiten. D.h. maximal 3-5 Vokabeln am Tag, falls sich die Eltern darauf einlassen, kann auch ein Vorarbeiten in den Ferien hilfreich sein. Mehr kann ich dir aber dazu leider nicht sagen.



    Bibo

  • Rückfrage: Ist beim Mädchen Legasthenie von einem Arzt disgnostiziert worden oder fällt sie "nur" unter den Legasthenie-Erlass (http://cdl.niedersachsen.de/blob/images/C13890368_L20.pdf )? Oder sagt die Mutter, ihre Tochter habe Legasthenie? (Manche wissen das... *pfeif*)


    Sie scheint schriftlich gut zu sein (Note 3), beim Vokabellernen hat sie Schwierigkeiten. Hat sie Probleme beim lesen?


    Ohne das Mädchen genauer zu kennen, aber rein aus deiner Beurteilung ihrer Fähigkeiten würde ich sagen, dass das Mädchen auf einer Förderschule völlig falsch aufgehoben ist. Sie ist ja schließlich nicht unintelligent. Was sie benötigt, sind Strukturen, Merkregeln für die Rechtschreibung, z.B. durch eine Liste von Wörtern mit gleicher Endung oder mit der gleichen Konjugation. Farbiges Kennzeichnen, Bilder dazu malen, also andere Kanäle zum lernen nutzen hilft.


    À+

  • ... nein, Förderschule nicht für dieses Mädchen. Ich hätte eher an Realschule gedacht, aber wie gesagt: Da sie jetzt bei uns ist, müssen wir das Beste geben. Denn auch Schulwechsel sind ja nicht gut für Kinder, und dieses Mädchen wäre dann wohl noch unsicherer.


    Also, welche Qualität dieser Fall von Legasthenie hat, weiß ich nicht. Ich habe mit der Mutter gar nicht gesprochen, es war nur auf einem Zettel notiert. Sollte ich mir von der Mutter ein ärtzliches Gutachten vorlegen lassen? Überhaupt frage ich mich, warum die Mutter nicht schon mal den direkten Kontakt gesucht hatte. Aber ich könnte mir schon vorstellen, dass das nicht nur so dahergesagt ist, sondern dass da was dran ist, denn so erklärt sich auch Einiges, z.B. die Unsicherheit des Kindes.


    Eigentlich laufen solche Sachen ja eher über den Klassenlehrer, aber diese Klassenlehrerin gibt in der Klasse Mathe und Naturwissenschaften. Da sollten Informationen, die speziell mit Fremdsprachen zu tun haben, wohl lieber direkt ausgetauscht werden.


    Aber danke auf jeden Fall schon mal für eure Tips. Werde mich da wohl ein bisschen -nach meinen Möglichkeiten- einarbeiten. Bin im Moment ein bisschen perplex ob dieser Situation - habe ja noch kein bisschen Erfahrung mit sowas.
    Nach Lit-Tips brauche ich euch nicht zu fragen, was? Denn das scheint bei jedem betroffenen Schüler recht speziell zu sein.


    Hamilkar

  • ... noch ein Nachtrag. Avastasia wollte ja wissen, ob sie Probs im Lesen hat. Naja, schon ein bisschen stockend, aber das kennt man ja auch von anderen Schülern.

    • Offizieller Beitrag

    in Bayern müssen Legastheniker ein Attest vom Arzt, einem speziell für die Legasthenie ausgebildeten, bringen. Das kommt dann in die Personalakte, und jeder Lehrer wird inpormiert. Es gibt für die Benotung(mündliche/schriftliche Note, was zählt überhaupt bei Legasthenikern zum Schriftliche usw) besondere Vorgaben, ebenmso für zeitzugaben während Klassenarbeiten.
    Und es wird unterschieden zwischen Legasthenie und Lese-Rechtschreibschwäche.
    Beides wird vom Arzt (nicht Hausarzt!) attestiert.
    Nach 2 Jahren, soweit ich weiß, muss dann dieses Attest erneuert werden.

  • Zitat

    Original von HamilkarEigentlich laufen solche Sachen ja eher über den Klassenlehrer, aber diese Klassenlehrerin gibt in der Klasse Mathe und Naturwissenschaften. Da sollten Informationen, die speziell mit Fremdsprachen zu tun haben, wohl lieber direkt ausgetauscht werden.


    Naja, Legasthenie betrifft nicht nur die Fremdsprachen. Auch in Mathe kann es für zu viele Rechtschreibfehler Punktabzug geben... Der Klassenlehrer sollte darüber bescheid wissen. An meiner alten Schule hing im Lehrerzimmer sogar eine Liste mit den Schülern aus, die unter den LRS-Erlass fielen. So wusste jeder Fachlehrer, bei welchem Schüler die Rechtschreibung nicht in die Bewertung gehen durfte. Sprich auf jeden Fall erstmal mit dem Klassenlehrer und erkundige dich dann, ob die Mutter etwas zur Legasthenie vorweisen kann. Eine dahingeschriebene Notiz ist noch kein hinreichender Beleg!


    À+

  • Zitat

    Original von Friesin:
    Beides wird vom Arzt (nicht Hausarzt!) attestiert.


    Bei uns in der Grundschule muss der Schulpsychologe das auch noch attestieren. Ist das bei euch auch so?



    Bibo

  • In NRW wird unterschieden zwischen diagnostizierter LRS (nach ICD 10 - anerkannte Diagnose) und "Schwierigkeiten beim Erlernen von Lesen und Schreiben (über längere Zeit).


    Wir haben für beide Gruppen den Nachteilsausgleich initiiert, dazu gehören:
    - Rechtschreibleistungen werden bei Deutscharbeiten nicht bewertet (Ausnahme: geübte Diktate, bzw. geübte - isolierte Rechtschreibübungen)
    - Zeitzugabe bei Arbeiten
    - Korrektur der RS-Fehler mit Bleistift
    - Vorlesen der Aufgaben (z. B. auch in Mathe)
    - Nutzung von Duden o. ä.


    Es gibt wohl noch mehr Möglichkeiten.
    Diese Schüler haben - wenn die Förderung in der Schule auch durchgehend durchgeführt wird, auch die Möglichkeit des Nachteilsausgleiches bei den in NRW üblichen Zentralen Prüfungen im 10. Schuljahr (muss aber beantragt werden).


    Das Vokabellernen ist meiner Meinung nach nicht typisch für LRS, sondern "nur" das fehlerfreie Aufschreiben. Unsere Englischlehrer tun sich zur Zeit auch noch schwer mit der Umsetzung des Erlasses, in Deutsch scheint es einfacher zu sein. Auch die Benotung der Deutsch-Rechtschreibleistungen in "Nebenfächern" im Rahmen von "Deutsch in allen Fächern" wird bei diesen Schülern ausgesetzt.


    Wer kommt in den Genuss?
    Entweder haben die Schüler eine Bescheinigung nach ICD 10 oder sie fallen bei uns bei der Hamburger Schreibprobe (HSP) auf, die wir in jedem Schuljahr durchführen. In meiner 9. Klasse sind es jetzt nur noch zwei Schüler (einer ohnehin diagnostiziert, der andere "nur" auffällig).


    Ein Schulwechsel ist aufgrund einer Legasthenie nicht erforderlich. Im Lehrerforum gab es einen Themenstarter, der sich mit Legasthenie darüber Gedanken machte, Lehrer zu werden. Für mich eine schwierige Vorstellung, aber immerhin scheint eine Legasthenie nicht ein Studium unmöglich zu machen, warum also das Abitur?


    Zu deiner Ausgangsfrage, ob Krankheit oder Behinderung...
    Es liegt die Möglichkeit einer Behinderung vor, noch keine Behinderung - so die Formulierungen der ICD 10.


    Ich habe hier jetzt nicht zwischen LRS und Legasthenie unterschieden, normalerweise macht "man" das wohl.


    Habt ihr kein entsprechendes Konzept an der Schule? Das dürfte ja nicht die erste oder einzige Schülerin mit LRS sein.


    Man verliert nicht die LRS, aber die Auswirkungen können zurückgehen, sprich die Rechtschreib- und Leseleistung kann sich deutlich verbessern.
    Ich wünsche dir und der Schülerin eine gute Zusammenarbeit.


    Die Schülerin sollte (wenn noch nicht geschehen) eine außerschulische Förderung erhalten (übers Jugendamt/Schulamt zu beantragen, § 35a - oder so), denn Schule kann die Förderung nicht ausreichend übernehmen, es sei denn ihr habt darauf spezialisierte Kollegen. Ich arbeite viel in der Sprachförderung bei uns - wir haben ein umfangreiches Konzept entwickelt, aber auch ich kenne meine Grenzen.

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