Wissen von Schülern in der 12 über Begriffe wie "Endlösung"?

  • Eine Frage vor allem wohl an Geschichtslehrer: In meinem LK Stufe 12 ist es nun mehrfach vorgekommen, dass die Schüler keinerlei Ahnung hatten, was mit "Endlösung" oder anderen Begriffen des Nationalsozialismus gemeint ist. Diese Begriffe kamen in einem Text über "lügnerische" Worte vor. Ebenso war es ihnen nicht möglich herauszufinden bzw. anhand von Literatur nachzuvollziehen, weshalb ein Begriff wie "Oder-Neiße" (kam ebenfalls in einem Text zu Sprache vor) nicht bloß denotativ gesehen werden kann - Ist das 'normal'? Ich dachte, dass die Schüler bis zur 12 das Thema "Nationalsozialismus" hin und her behandelt haben. Ist das nicht so?

  • Meine 12er sind auch Geschichtsnieten, neulich fragte jemand, was denn die kuk Monarchie sei, ich erkläre das "kuk" und irgendwann fragte wer anderes: Und was heißt Monarchie? Ich wär fast vom Glauben abgefallen... :neenee:

    There is a difference between knowing the path and walking the path. (Matrix)

  • Ich befürchte, dass das "heutzutage" nicht ungewöhnlich ist. Dabei allerdings nicht weniger beängstigend. Soll man da nun lachen oder weinen? ;(

  • Zitat

    weshalb ein Begriff wie "Oder-Neiße" (kam ebenfalls in einem Text zu Sprache vor) nicht bloß denotativ gesehen werden kann


    Wie soll man den Begriff sonst sehen, als in seiner begrifflichen Bedeutung => Grenze zwischen der DDR und Polen bzw. Deutschland und Polen?


    "In seinen Grundbedeutungen bedeutet der Ausdruck Denotat


    * den begrifflichen Inhalt eines Zeichens..." Wikipedia

    Planung ersetzt Zufall durch Irrtum. :_o_P


    8_o_) Politische Korrektheit ist das scheindemokratische Deckmäntelchen um Selbstzensur und vorauseilenden Gehorsam. :whistling:

  • Zitat

    Original von SteffdA


    Wie soll man den Begriff sonst sehen, als in seiner begrifflichen Bedeutung => Grenze zwischen der DDR und Polen bzw. Deutschland und Polen?


    Konnotativ!?


    Kon|no|tat das; -s, -e <lat.>: (Sprachw.) 1. vom Sprecher bezeichneter Begriffsinhalt (im Gegensatz zu den entsprechenden Gegenständen in der außersprachlichen Wirklichkeit)


  • Es geht auch darum, dass das Kompositum bzw. ein Kompositum manchmal ganz andere bzw. ganz neue Konnotationen weckt als die einzelnen Bestandteile und es eben nicht nur die Summe ihrer Bestandteile ist.

    • Offizieller Beitrag

    Tut mir Leid, dass ich so ungebildet bin, aber könnte mir mal jemand erklräen, worum GENAU es jetzt bei der Frage nach dem Begriff Oder-Neisse geht ? ?(
    Wie sollte man ihn sehen wenn nicht so, wie SteffdA gefragt hat??
    ich stehe grade ganz furchtbar auf dem Schlauch

  • Die Konnotation stirbt offensichtlich aus, man sollte die Generation 65+ befragen, das wäre doch für die Schüler eine schöne Hausaufgabe: Stelle generationsabhängig die Konotationen zum Begiff "Oder-Neiße-Grenze" dar!
    So macht man den Unterschied zwischen Denotation und Konnotation ganz plastisch klar.


    Salopp gesagt: Denotation ist die tatsächliche Bedeutung, Konnotation ist das, was mitschwingt. Wer nun sagt "Grenze zwischen Deutschland und Polen", der bleibt bei der Denotation. Mein Großvater hätte jetzt hinzugefügt: "Und den Rest holen wir uns auch noch zurück." = Konnotation.

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    • Offizieller Beitrag
    Zitat

    Original von Aktenklammer
    Eine Frage vor allem wohl an Geschichtslehrer: In meinem LK Stufe 12 ist es nun mehrfach vorgekommen, dass die Schüler keinerlei Ahnung hatten, was mit "Endlösung" oder anderen Begriffen des Nationalsozialismus gemeint ist. Diese Begriffe kamen in einem Text über "lügnerische" Worte vor. Ebenso war es ihnen nicht möglich herauszufinden bzw. anhand von Literatur nachzuvollziehen, weshalb ein Begriff wie "Oder-Neiße" (kam ebenfalls in einem Text zu Sprache vor) nicht bloß denotativ gesehen werden kann - Ist das 'normal'? Ich dachte, dass die Schüler bis zur 12 das Thema "Nationalsozialismus" hin und her behandelt haben. Ist das nicht so?


    Laut Lehrplan kommt das Thema NS-Zeit im Geschichtsunterricht erstmals in der 10 (G9) bzw. in der 9 (G8) vor. Im Deutschunterricht und im Religionsunterricht kommt das Thema je nach Lehrplan und Lektüre und Themen früher dran.
    "Endlösung" und "Oder-Neiße-Linie" sollten eigentlich bekannte Begriffe sein, zumindest ersterer sollte nach Behandeln der entsprechenden Quelle (Protokoll über die Wannseekonferenz) bekannt sein.
    Es kommt öfters vor, dass man aus welchen Gründen auch immer im GU in der 10 nur bis zum 2. WK kommt und die Nachkriegszeit über Bord geht. Das wäre bei "Oder-Neiße" dann der Fall.


    In der Oberstufe kommt die NS Zeit in 12.2 dran (ich mache das gerade im LK) und die Nachkriegszeit in 13.1. Abhängig davon, ob die Schüler überhaupt Geschichte in der Oberstufe belegt haben und ob sie ggf. unter nachhaltiger Amnesie aus der Mittelstufe leiden, kann es also durchaus sein, dass diese Begriffe nicht bekannt sind.


    Es ist zweifelsohne peinlich, aber erklärlich.


    Gruß
    Bolzbold

  • In Anbetracht dessen, dass von Schülern der Mittelstufe (ca. 10. Klasse) im Fach Deutsch auch nicht erwartet werden darf, dass Deutschland einen Präsidenten hat, kann man wohl ebenso wenig davon ausgehen, dass Schüler in Klasse 12 noch wissen, was sie in Klasse 9 oder 10 gelernt haben...


    (Und noch eine Anekdote aus der 9. Klasse, Fach Deutsch, Schule in Berlin, vor einigen Jahren: Nach einer Einheit zur Analyse von Reden - alle thematisch zum Thema "Teilung Deutschlands" - kam in der Klassenarbeit die (ernstgemeinte) Frage, ob Deutschland denn nun wiedervereinigt sei...)

  • Zitat

    Mein Großvater hätte jetzt hinzugefügt: "Und den Rest holen wir uns auch noch zurück." = Konnotation.


    Also mir persönlich erscheint das aber sehr weit hergeholt.
    Aber generell, eine Konnotation ist also eher eine Interpretetion des Begriffes?
    Woher soll man dann wissen, was der Einzelne da hinein- oder herausinterpretiert?
    Das erscheint mir so, als würde vom Schüler erwartet, er solle erahnen/erraten welche zusätzlichen Begriffsinhalte dem Lehrer noch so vorschweben.... so kristallkugelmäßig...


    ...ist ja schlimmer als ein Lückentext.

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  • Man braucht das jetzt glaube ich nicht an dem Begriff "Oder-Neiße" festzukleben. Mir ging es darum, dass die Schüler mit erstaunt fragen, was denn mit "Endlösung" im Nationalsozialismus gemeint sei bzw. verkündeten, sie hätten "ganz intensiv" recherchiert und nichtS rausgefunden, was mit "Oder-Neiße" zu verbinden sei.

  • Zitat

    Aber generell, eine Konnotation ist also eher eine Interpretetion des Begriffes?


    Viele Konnotationen sind aber ganz klar festgelegt. Zum Beispiel:
    Das ist der Hund meines Nachbarn. - Das ist der Köter meines Nachbarn.
    Bedeutet beides, dass mein Nachbar einen vierbeinigen Mitbewohner hat. Die Denotation ist identisch. Die Konnotation ist es aber nicht - und das versteht (hoffentlich...) jeder.

    • Offizieller Beitrag

    ich begreife es nicht !


    Hund und Köter sind für mich zwei völlig verschiedene Wörter. Und je nachdem, welches ich benutze, gebe ich doch meiner Ausdrucksweise eine gewisse Richtung.
    wenn also "Hund" gesagt wird, denkt manch einer vielleicht "Köter"- soll das gemeint sein ?


    Aber davon kann man doch nicht automatisch ausgehen....


    Oh Mann, wie gut, dass ich Ferien habe :D

  • "Hund" und "Köter" bezeichnen beide ein "zotteliges" Tier mit vier Beinen. Spreche ich von meines Nachbarn Hund als "Hund", so ist dies ein "neutraler" Begriff.
    Ich könnte aber genausogut vom "Köter" meines Nachbarn sprechen. Wenn ich nicht "Hund", sondern "Köter" sage, so ist deutlich, welche Meinung ich gegenüber dem Tier habe.
    Es hängt also davon ab, welches Wort ich verwende. Das "Mitdenken" eines anderen Wortes ist nicht gemeint, sondern nur meine eigene Wortwahl (und was diese ausdrückt).


    Um zur Ausgangsfrage zurückzukommen:
    Es macht genauso einen Unterschied, ob ich von "Endlösung" spreche ("Lösung" hört sich nach Beendigung eines Problems an - ist positiv. "Endlösung" sagt, dass dieses Problem nicht wieder auftreten wird. Also nehme ich das Wort (und damit verbunden die Sache) positiv wahr.
    Verwende ich stattdessen einen Begriff wie "Völkermord", ist die Konnotation bei "Mord" negativ.
    Es geht hier also um den Unterschied zwischen "Lösung" (= etwas "Gutes") und "Mord" (etwas Schlechtes).

    • Offizieller Beitrag

    Ich komme mir hier vor wie in einem SpraWi-Seminar und frage mich, ob die ausführlichen Darstellungen über Konnotationen und weitere Fachtermini etc. nun wirklich etwas mit der Ausgangsfrage zu tun haben.


    Ging es nicht darum, dass die Schüler Begriffe wie Endlösung nicht kannten und den Begriff "Oder-Neiße"-(Linie) in seiner (historischen) Bedeutung - und damit auch mit seinen entsprechenden Konnotationen - nicht verstanden?


    Gruß
    Bolzbold

  • Ja, darum ging es mir eigentlich. Ich war verwundert, dass die Schüler damit nichts anfangen können bzw. mich so unwissend fragen, was das denn sei. Außerdem frage ich mich, ob sie nur zu 'faul' sind, mal vernünftig von mir aus im Internet zu gucken, oder ob sie einfach falsch gucken.

  • Ich bin eigentlich kein Freund von bloßen Internetrecherchen, finde aber, dass man mit dem Internet und anderen Quellen zusammen einiges rausfinden kann. Für die letzte Stunde hatte ich den Schülern den Computerraum reserviert, damit sie auch dort recherchieren können. Sie meinten dann aber, sie bräuchten kein Internet, da stehe nichts Vernünftiges .... Ich werde nun mal eine Stunde zu Internetrecherche machen (nicht dass wir das schon in Zusammenhang z.B. mit dem Facharbeitsseminar gemacht haben ... nein ...)

    • Offizieller Beitrag

    @AK


    Also wenn 12er Schüler einem allen Ernstes erzählen wollen, "da stünde nichts Vernünftiges", dann ist das schon ein Armutszeugnis.
    Das ist eine reine Schutzbehauptung, die Dich als Lehrerin ja in die Verlegenheit bringen soll, den Schülern das Gegenteil zu beweisen.


    Insofern ist die Internetrecherche eine gute Idee, die Schüler selbst herausfinden zu lassen, dass sie selbst zu faul oder zu blöd waren, "vernünftige" Informationen zu finden. Gerade zu den beiden von Dir erwähnten Begriffen sollte sich ja einiges finden lassen.


    Oft sind es aber die Länge des Textes, die Aufmachung der Website und andere Kriterien, die nichts mit der Qualität der Suchergebnisse zu tun haben, die die Schüler zu solchen Aussagen verführen.


    Und natürlich muss man sich die Mühe machen, zwischen relevanten und irrelevanten Informationen zu unterscheiden oder gar einen Text ganz [sic!] zu lesen...


    Hoffen wir also, dass Deine Zöglinge entsprechenden Erkenntnisgewinn haben werden.


    Gruß
    Bolzbold

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