Spracharbeit (scaffolding) im bilingualen Unterricht

  • Im Rahmen meiner Masterarbeit habe ich mich intensiv mit dem Thema bilingualer Geschichtsunterricht und Spracharbeit beschäftigt. Ich habe mich dabei durch die gängigste Forschungsliteratur gearbeitet und bin dabei schlussendlich bei der Unterstützung der Lernprozesse durch grafische, visuelle und sprachliche Gerüste (scaffolding) gestoßen.


    Der bilinguale Unterricht als Form des Sachunterrichts auf einer Fremdsprache stellt ungemeine Hürden für die Sprachkompetenzen der Schüler dar. Der gängige Fremdsprachenunterricht verhilft den Schülern nur zu einer allgemeinen Sprachfähigkeit. Aber im bilingualen Unterricht geht es vielmehr um Fachsprache und daher müssen sich die Schüler lernen, sich auf akademischem Sprachniveau zu bewegen. Grammatik und Vokabeln des Fremdsprachenunterrichts werden hier zur direkten Anwendung gebracht und haben hier nur eine dienende Funktion für das Textverständnis und die Textproduktion. Wenn die Sprache jedoch nicht verstanden wird, dann kann kein inhaltliches Lernen stattfinden. Darum beschäftigte ich mich mit Spracharbeit. Wie kann man Schülern/Schülerinnen die Rezeption und Produktion fachlichen Wissens zu erleichtern?


    Im praktischen Teil meiner Arbeit habe ich ebenfalls ein Arbeitsblatt entwickelt, mit dem z.B. der Ausdruck von cause and effect, insbesondere von Bedingungen und Konsequenzen, geübt werden kann. Es geht darum, dass die Schüler die Aussagen der Domino Theorie von Dwight D. Eisenhower verstehen und selbst sprachlich adäquat ausdrücken können. Da ich mich bereits in meinen Praktika im bilingualen Unterricht betätigt habe und auch in Zukunft vorhabe, mich darin zu spezialisieren, würde ich gerne euer Feedback dazu hören.


    http://verlag20.de/document/vi…domino-theorie-if-clauses


    Außerdem beschäftigt mich die Frage, wie man das Scaffolding noch umsetzen könnte als nur mit einem schnöden Arbeitsblatt, das nicht nur sehr zeitintensiv in der Vorbereitung, sondern auch nicht gerade sehr umweltfreundlich ist. Welche Möglichkeiten und Medien nutzt ihr im (bilingualen) Unterricht zur Visualisierung bzw. zur Unterstützung der sprachlichen Umsetzung der Fachinhalte?

  • Ich finde es immer wieder verblüffend, was für ein unglaubliches Problembohei um die Didaktik des bilingualen Unterrichts herum betrieben wird. Gute Güte, in der Qualifikationsphase ist die Behandlung von Sachthemen in der Zielsprache ohnehin Alltagsbrot des Fremdsprachenlehrers; auch in der Sek I wüsste ich nicht, warum es mir als Englischlehrer schwieriger fallen sollte, z.B. ein Wortfeld "knights and castles in 1066" einzuführen als das Wortfeld "the Scott family moves houses".


    Übrigens würde ich recht vorsichtig mit Einschätzungen sein, was "ungemeine Hürden" im Unterricht sind oder nicht sind, wenn du keine wirklichen Erfahrungen als Fremdsprachenlehrer hast.


    A propos - ich würde ja gerne etwas zu deinem Arbeitsblatt sagen aber der Link führt zu einer anmeldepflichtigen Seite. Übler Stil, bitte ändere das. Du könntest z.B. das Dokument einfach an deinen Beitrag hier anhängen.


    Nele

    2 Mal editiert, zuletzt von neleabels ()

  • Nunja, wie gesagt, ich habe mich dabei auf die gängige Forschungsliteratur gestützt und wurde von einem Professor meiner Uni, der sehr viel auf diesem Gebiet forscht, angeleitet.


    Dürfte ich fragen, weshalb du der eigenständigen bilingualen Sachfachdidaktik so kritisch gegenüber stehst? Ich finde, die Beschäftigung mit diesem Thema wichtig, da Sprachlernen eben nicht einfach so passiert, nur weil die Schüler in einem Klassenraum sitzen, in dem der Lehrer eine andere Sprache spricht. Es geht eben nicht darum, wie du auch dieses klassische Beispiel angebracht hattest, um VOKABELN. Das ist eben genau der Irrtum. Es geht um Diskursfunktionen (sprachliche Umsetzung kognitiver Operationen), die im bilingualen Unterricht höhere kognitive Leistungen abfordern, als in dem auf allgemeine Sprachfähigkeit angelegten Fremdsprachenunterricht. Diese Diskursfunktionen sind durch sprachliche und grammatische Exponenten markiert und diese herauszuarbeiten und zu trainieren, sollte einen Großteil der Spracharbeit im bilingualen Unterricht ausmachen. Außerdem befinden sich SEK II Schüler auf einem ganz anderen Sprachniveau. Sie verfügen bereits über die sprachlichen Mittel (zumindest sollten sie das bis zur 10. getan haben). Wenn jedoch z.B. Geschichte oder Geographie in der 7. Klasse bilingual einsetzen, sind den Schülern vielleicht nicht einmal alle grammatische Strukturen bekannt und so können sie bestimmte Zusammenhänge im Sachfachunterricht nicht ausdrücken. Spracharbeit ist deshalb auch vorrangig an den beginnenden bilingualen Unterricht gerichtet.
    Ich muss es leider sagen, aber Spracharbeit nur auf Vokabeln und Vokabelgleichungen abzuwälzen, ist sehr ignorant und negiert, dass es eine bestimmte Fachsprache gibt, die sich von der alltäglichen Kommunikation in der Fremdsprache (aber auch Muttersprache) abhebt. Außerdem ist auch die Einführung von Vokabeln nicht ohne. Die Fachbegriffe sind oft kulturspezifisch aufgeladen, womit deren Einführung nicht immer mit einer Übersetzung getan ist, und müssen an das Abstraktionsniveau der Schüler angepasst werden. Dass das alles in der SEK II einfacher ist, will ich hiermit überhaupt nicht bestreiten.


    "Ungemeine Hürden" ist eine Paraphrasierung einer Aussage, die von der KMK 1994 bereits in den ersten Anleitungen zum bilingualen Unterricht gegeben wurde.

  • Zitat

    Dürfte ich fragen, weshalb du der eigenständigen bilingualen Sachfachdidaktik so kritisch gegenüber stehst?


    Was genau macht sie gegenüber der herkömmlichen Fremdsprachendidaktik so einzigartig?


    Zitat

    Es geht um Diskursfunktionen (sprachliche Umsetzung kognitiver Operationen), die im bilingualen Unterricht höhere kognitive Leistungen abfordern, als in dem auf allgemeine Sprachfähigkeit angelegten Fremdsprachenunterricht. Diese Diskursfunktionen sind durch sprachliche und grammatische Exponenten markiert und diese herauszuarbeiten und zu trainieren, sollte einen Großteil der Spracharbeit im bilingualen Unterricht ausmachen.


    Das ist genau das, was ich kritisch sehe. Du erwartest, dass die Fremdsprache die gleichen kognitiven Funktionen leistet wie die Muttersprache, also Denken, Fantasie, Innovation, Kreativität... Dazu ist ein Sprachbeherrschungsgrad erforderlich, den ich beispielsweise Berufsschülern nicht zutrauen würde.
    Ich denke eher, dass eine Fremdsprache in erster Linie Werkzeug zur Verständigung ist. Das gibt mir einen anderen Zugang, nämlich den über berufsspezifische Themen. Mit anderen Worten, sprachlernen erfolgt in der Kommunikation und wenn ich mir nichts zu sagen habe, findet die genau nicht statt. Deshalb sehe ich gute Möglichkeiten des Fremdsprachenerwerbs im bilingualen Unterricht. Allerdings, wie oben ausgeführt, betrachte ich die jeweilige Fremdsprach da ganz klar als Werkzeug zur Kommunikation. Alles andere findet in der Muttersprache statt.


    Zitat

    Welche Möglichkeiten und Medien nutzt ihr im (bilingualen) Unterricht zur Visualisierung bzw. zur Unterstützung der sprachlichen Umsetzung der Fachinhalte?


    Im berufsschulischen Bereich Bedienungsanleitungen, Dokumentationen in englischer Sprache u.ä..

    Planung ersetzt Zufall durch Irrtum. :P

    8) Politische Korrektheit ist das scheindemokratische Deckmäntelchen um Selbstzensur und vorauseilenden Gehorsam. :whistling:

  • Zitat

    Original von andreal
    Nunja, wie gesagt, ich habe mich dabei auf die gängige Forschungsliteratur gestützt und wurde von einem Professor meiner Uni, der sehr viel auf diesem Gebiet forscht, angeleitet.


    Nicht das mich ein argumentum ad auctoritatem sonderlich bewegen würde ;) , aber trotzdem vorweg gefragt: hat dieser Professor eine Ausbildung als Fremdsprachenlehrer oder hat er umfassende praktische Erfahrung im Fremdsprachenunterricht von Schülern? Es ist nämlich ein beklagenswerter Umstand der deutschen wissenschaftlichen Fachdidaktik, dass da sehr oft Leute rumhantieren, die zwar fleißig ihre Publikationslisten verlängern aber bar tatsächlicher handwerklicher Kenntnisse sind. Erst neulich musste ich von einer ehemaligen Kommilitonin lesen, die auf einen Lehrstuhl für Fremdsprachenunterricht berufen worden ist. Die Frau hat weder ein Lehramtsstudium noch ein Referendariat absolviert, hat noch niemals im Leben irgendwelchen Fremdsprachenunterricht erteilt. Von einer Didaktik-Ausschreibung aus Hamburg weiß ich, dass da der bemerkenswerte Zusatz "schulische Lehrerfahrung nicht notwendig" stand. Es gibt sicherlich Didaktiker, die ihr Handwerkszeug verstehen und wichtige Beiträge leisten, z.B. die Ziegesars oder die Grells, was dann ja auch tatsächlich in die schulische Anwendung strahlt, aber in der Regel sind Erträge der Fachwissenschaft aus gutem Grund eher, mhm. folgenfrei...


    Zitat

    Dürfte ich fragen, weshalb du der eigenständigen bilingualen Sachfachdidaktik so kritisch gegenüber stehst? Ich finde, die Beschäftigung mit diesem Thema wichtig, da Sprachlernen eben nicht einfach so passiert, nur weil die Schüler in einem Klassenraum sitzen, in dem der Lehrer eine andere Sprache spricht. Es geht eben nicht darum, wie du auch dieses klassische Beispiel angebracht hattest, um VOKABELN. Das ist eben genau der Irrtum.


    Na, nu mach mal halblang. Auch wenn du noch keine wirklichen Kenntnisse hast, wie Sprachunterricht funktioniert, solltest du ein Beispiel als solches erkennen... Du glaubst doch wohl nicht im Ernst, dass ich davon ausgehe, dass sich Sprachunterricht in Wortfeldarbeit erschöpft! Andererseits, wenn du kein Sprachlehrer bist, tätest du sehr gut daran, an dem Zustand etwas zu ändern, bevor du dich über vermeintliche oder tatsächliche Spezialsituationen im Unterricht auslässt. Warum das wichtig ist, s.u. Meine Kritik misst sich in erster Linie daran, dass ich einfach keine Notwendigkeit für eine besondere bilinguale Sprachdidaktik sehe. Warum, auch dazu s.u.


    Zitat

    Es geht um Diskursfunktionen (sprachliche Umsetzung kognitiver Operationen), die im bilingualen Unterricht höhere kognitive Leistungen abfordern, als in dem auf allgemeine Sprachfähigkeit angelegten Fremdsprachenunterricht. Diese Diskursfunktionen sind durch sprachliche und grammatische Exponenten markiert und diese herauszuarbeiten und zu trainieren, sollte einen Großteil der Spracharbeit im bilingualen Unterricht ausmachen. Außerdem befinden sich SEK II Schüler auf einem ganz anderen Sprachniveau. Sie verfügen bereits über die sprachlichen Mittel (zumindest sollten sie das bis zur 10. getan haben).


    Hier tauchen jetzt bei dir einige Probleme auf. Wenn ich mal aus deinem ersten Beitrag zitieren darf:


    Zitat

    Aber im bilingualen Unterricht geht es vielmehr um Fachsprache und daher müssen sich die Schüler lernen, sich auf akademischem Sprachniveau zu bewegen.


    Das ist zunächst einmal eine unrealistische Zielerwartung, aber der Grund, warum ich überhaupt die Sek II erwähnt habe - die fachlichen Zielsetzungen da sind zwar immer noch allgemein bildend, der Wissenschaftspropädeutik wird dort allerdings schon ein etwas breiterer Raum zugesprochen. Aber ok, Sek I-Unterricht soll es sein, dann machen wir das doch einfach:


    Schüler der Sekundarstufe I können sich nicht auf akademischen Sprachniveau bewegen, weder in der Zielsprache noch in der Muttersprache; das, worum es aber eigentlich geht, und was du in etwas bombastischen Worten umschreibst, ist doch eine ganz einfache Sache. Die Lerner verwenden handlungs- und problemorientiert die Sprache, um Wissen über einen konkreten Sacherhalt zu erarbeiten und sich über dieses Wissen in der Zielsprache auszutauschen. Dazu erwerben sie die notwendigen sprachlichen Mittel der Zielsprache.


    Das ist nichts anderes als moderner Sprachunterricht.


    Du scheinst eine etwas seltsame Vorstellung von Sprachunterricht in dem Sinne zu haben, dass irgendwie abstrakt abgehoben z.B. Vokabellisten bzw. grammatische Formen gepaukt werden, die dann in statischen halboffenen oder geschlossenen Aufgabenformen "abgefragt" werden. So hat man vielleicht in irgendwelchen archaischen Zeiten Sprachunterricht betrieben - aber als Kontrastmodell für eine akademische Abschlussarbeit taugt so ein Strohmann leider nicht; sorry, aber auch allgemein fremdsprachendidaktisch stehen Kommunikationskompetenzen im Vordergrund. (Vielleicht solltest du mal in die allgemeinen Kompetenzanforderungen der KMK schauen?)


    Zitat

    Wenn jedoch z.B. Geschichte oder Geographie in der 7. Klasse bilingual einsetzen, sind den Schülern vielleicht nicht einmal alle grammatische Strukturen bekannt und so können sie bestimmte Zusammenhänge im Sachfachunterricht nicht ausdrücken. Spracharbeit ist deshalb auch vorrangig an den beginnenden bilingualen Unterricht gerichtet.


    Um mal aus meinem Fach Geschichte zu konkretisieren, was ich meine: das sind doch klassische Ansätze, um problemorientiert Sprachunterricht zu erarbeiten. Nur ein paar Ideen aus dem Ärmel - in der Geschichte geht es darum, über die Vergangenheit zu berichten. Nehmen wir z.B. einen mittelalterlichen Bauern, der über seinen Tagesablauf erzählt. Wie Wortschatzarbeit zu betreiben ist, liegt auf der Hand. Grammatisch ließen sich hier sehr schön die verschiedene Aspekte des past tense (simple, perfect, progressive) problemorientiert erarbeiten, wenn es z.B. darum geht, die Erzählung aus dem Präsens in einen Bericht in der Vergangenheit umzuwandeln. (Schau mal bei den Ziegesars nach, wie das geht.) Oder aber man könnte je nach Bedarf die reported speech einführen. Wenn es um Fragen der Sprachproduktion und der Textsortenkompetenz geht, kann man ohne jede Schwierigkeiten eine Bildbeschreibung auch zu einem Geschichtsbild betreiben; ein klassisches Ziel der Geschichtsdidaktik ist eine Perspektivenverschiebung. Kann man ohne Probleme erreichen, indem die Schüler einen Dialog in der Zielsprache erarbeiten und szenisch aufführen. Oder ich kann z.B. den Konflikt zwischen Grundherren und abhängigem Bauern kommunikativ in einem Rollenspiel, z.B. vorentlastet durch Rollenspielkarten bearbeiten lassen und habe dann eine halbfreie Kommunikation.


    Das alles sind völlig normale Standardmethoden der allgemeinen Fremdsprachendidaktik.


    Sorry, aber ich brauche wirklich keinen Didaktikprofessor, der mir da erzählt, wie das Rad neu zu erfinden ist.


    Zitat

    Ich muss es leider sagen, aber Spracharbeit nur auf Vokabeln und Vokabelgleichungen abzuwälzen, ist sehr ignorant und negiert, dass es eine bestimmte Fachsprache gibt, die sich von der alltäglichen Kommunikation in der Fremdsprache (aber auch Muttersprache) abhebt. Außerdem ist auch die Einführung von Vokabeln nicht ohne. Die Fachbegriffe sind oft kulturspezifisch aufgeladen, womit deren Einführung nicht immer mit einer Übersetzung getan ist, und müssen an das Abstraktionsniveau der Schüler angepasst werden.


    Auch das sind alles Scheinprobleme - bei der Frage kultureller Transformationsprozesse und ihrer sprachlichen Umsetzung bitte ich doch einfach mal der fachlichen Expertise von uns Fremdsprachenlehrern zu vertrauen. Das alles sind längst bekannte Probleme der allgemeinen Sprachdidaktik und wird seit Jahrzehnten, z.B. in der Einsprachigkeitsdebatte umgewälzt. Die Reibungspunkte zwischen der Erwartungshaltung der Lerner und der anderen kulturellen Realität kennt jeder Fremdsprachenlehrer aus der Praxis. (Übrigens auch jeder Geschichtslehrer im Umgang mit der historischen Alterität.) Das ist in der Praxis allerdings sehr viel unspektakulärer als es bei deiner Theoretisierung aussieht.


    Ach ja übrigens - ich führe Vokabeln niemals zweisprachig ein; das ist erstens neuropsychologisch unklug, weil es zu ungewollten Erinnerungsverknüpfungen mit dem internen L1-Dictionary kommt. (Lerner, die so Vokabeln gelernt haben, erkennt man daran, dass sie in der L1 denken und dann in Echtzeit in die L2 übersetzen wollen, was i.d.R. nicht klappt.) Bei der Wortfelderarbeitung geht es darum, neue Begriffe im L2-Dictionary zu vernetzen, weswegen ich Bedeutungsdarbietungen einsprachig gestalte, bzw. von den Lernern neue Worte in der Zielsprache erklären lasse. Der zweite Grund, warum ich die Einführung neuer Begriffe einsprachig halte ist, dass zentrale Kommunikationskompetenzen problemorientiert geübt werden: Darstellungsleistungen und Hörverständnisleistung. Wenn ich neue Kurse übernehme ist das pädagogisch zunächst schwierig, den "Übersetz-Reflex" aus den Lernern rauszubekommen, aber langfristig funktioniert das sehr gut.


    Zitat

    Dass das alles in der SEK II einfacher ist, will ich hiermit überhaupt nicht bestreiten.


    Wie gesagt, für die Sek II bietet die bilinguale Ddiaktik scheinbar neue Lösungen für Alltagstätigkeiten, die seit fast dreißig Jahren erfolgreich im allgemeinen Sprachunterricht abgeleistet werden.


    Zitat

    "Ungemeine Hürden" ist eine Paraphrasierung einer Aussage, die von der KMK 1994 bereits in den ersten Anleitungen zum bilingualen Unterricht gegeben wurde.


    Das ist ja nun auch schon satte 16 Jährchen her und beschreibt eine Erwartungshaltung, die ich für meinen Teil nicht so gesehen hätte. Vielleicht solltest du nicht unbedingt so alten Krams zitieren?


    Zusammengefasst: was leistet eine bilinguale Sprachdidaktik neues, was eine allgemeine Sprachdidaktik nicht leisten könnte? Nichts, nicht in ganz normalen, kompetent durchgeführten modernen Sprachunterricht nicht auch zu leisten wäre.


    Ich bin nicht überzeugt.


    Nele

  • Zitat

    Original von Meike.
    Nele:super: !!!


    Ach ich weiß nicht. Ich kann dem nicht viel brauchbares abgewinnen. Das ist ja alles wieder durchaus eloquent und überzeugend vorgetragen, was Nele da schreibt, aber was bringt einen das weiter?


    Wissenschaften spezialisieren sich und bearbeiten auch relativ ausführlich die Randprobleme ihrer Zunft. Warum sollte da nicht auch das Randproblem des bilingualen Unterrichts bearbeitet werden. Zumal es ja schon seine speziellen Probleme aufwirft. Z.B. das der Leistungsbewertung und der Gewichtung bzw. dem Stellenwert von Sprache zu Inhalt.


    Und dann immer dies ewige Argument der fehlenden Praxiserfahrung von Hochschullehrern. Mich nervt das. Aus meiner Sicht dequalifiziert das nur die Praktiker, wenn sie dies fordern, da sie sich selbst so unterstellen, dass sie nicht dazu in der Lage sind, wissenschaftliche Aussagen (oder Forderungen) auf ihre Machbarkeit zu prüfen und selbstbewusst abzuwehren, wenn diese nicht umsetzbar sind. Genau aus diesem Grund haben Lehrer doch eine Hochschulausbildung: Damit sie wissenschaftlich abgesichertes Wissen auf ihre Praxis anwenden können und falls notwendig dies auch kritisch zurückweisen können (dann aber ordentlich begründet bitteschön). Und wissenschaftliche Forderungen / Theorien / etc. enthalten natürlich sehr häufig eine gute Portion Utopie, sie entwerfen ein Ideal, was möglich wäre, wenn die Bedingungen nur dementsprechend wären. Wer sich dazu nicht abgrenzen kann und meint sich ständig unter Druck gesetzt zu fühlen, der sollte daran arbeiten und nicht bloß frustriert die immer gleiche Leier von der fehlenden Praxiserfahrung spielen. Das wirkt auf mich lediglich trotzig.

  • Zitat

    Und wissenschaftliche Forderungen / Theorien / etc. enthalten natürlich sehr häufig eine gute Portion Utopie, sie entwerfen ein Ideal, was möglich wäre, wenn die Bedingungen nur dementsprechend wären.


    Nein, es ist Aufgabe von Wissenschaft Wissen zu schaffen und keine Utopien.


    So wie ich das verstehe ergibt sich das Verhältnis von Theorie und Praxis durch entsprechende Methoden, die einerseits Beobachtungen aus der Praxis "holen" um eine Theorie zu formulieren (Analyse) und andererseits mit Hilfe der Theorie Praxis gestalten (Synthese). Die Theorie wird anhand der Praxis überprüft und gegebenenfalls geändert oder verworfen. Das ist aus meiner Sicht ein iterativer Prozess.


    Auf Unterricht heißt das aus meiner Sicht, dass der Unterricht mit wissenschaftlich abgesicherten Methoden analysiert wird, daraus eine Unterrichtstheorie entworfen wird sowie mit entsprechenden wissenschaftlich abgesicerten Methoden aus dier Theorie Unterricht gestaltet wird um die Unterrichtstheorie zu überprüfen und gegebenenfalls zu ändern. Nach ein paar Iterationen sollte da ein handhabbares Optimum erreicht sein.


    Bei den didaktischen Theorien, mit denen ich mich im Studium und Referendariat auseinandergesetzt habe gab es eine Analyse, die auf den erstennnnBlick auch relativ nachvollziehbar erschien, ob das ganze wissenschaftlich abgesichert war/ist... keine Ahnung.
    Eine relativ geschlossene Unterrichtstheorie war nicht vorhanden. Methoden zur Unterrichtsgestaltung, die sich aus einer Unterrichtstheorie sauber ableiten liesen kenne ich auch nicht. Und ich kenne auch keine didaktische Theorie, die sich tatsächlich einer Überprüfung in der Praxis gestellt hätte.
    Und da liegt, denke ich, das Akzeptanzproblem bei Lehrern.


    Ich bin als Lehrer nicht in der Forschung tätig. Die Wissenschaft hat mir entsprechend abgesicherte Methoden zur Verfügung zu stellen. Und das genau passiert nicht.


    Ergebnis: Jeder arbeitet so, dass es (einigermassen) funktioniert, aber keiner weiß genau, warum....

    Planung ersetzt Zufall durch Irrtum. :P

    8) Politische Korrektheit ist das scheindemokratische Deckmäntelchen um Selbstzensur und vorauseilenden Gehorsam. :whistling:

  • Hallo,


    ich habe vier Jahre lang bilingualen Fachunterricht gehalten. Allerdings nicht auf englisch sondern auf deutsch im Ausland; das heißt dann deutschsprachiger Fachunterricht (DFU).


    Ich selbst bin keine Sprachlehrerin, deswegen kenne ich deren Didaktik und Methoden nicht. Ich weiß aber, dass auch Fremdsprachenlehrer ihre Anfangsschwierigkeiten mit dem DFU hatten. Etwas weniger als wir anderen Kollegen allerdings. Es scheint daher Ähnlichkeiten zu geben.


    Für den DFU gibt es für den Auslandsschuldienst einen DFU-Methodenordner (einfach googeln), in dem verschiedenste Methoden gesammelt sind. Der ist sehr hilfreich. Da sind auch Rollenspiele usw. dabei, die kein Arbeitsblatt verlangen.
    Und unter http://www.dfu-cockpit.de gibt es für spanischsprachige Schüler Themenhefte für die naturwissenschaftlichen Fächer. Die sind im Unterrichtsverlauf verschiedener Lehrer entstanden. Dabei handelt es sich aber um Arbeitsblätter. Allerdings erhalten manche nur eine Arbeitsanweisung und nicht di eüblichen Lückentexte und Satzgeländer.


    DFU ist nicht normaler deutscher Fremdsprachenunterricht (in Sek I), da dabei der Fachunterricht zu kurz kommen würde. Es ist aber auch nicht normaler Fachunterricht. Man muss einen Mittelweg finden, den Schülern die notwendigen sprachlichen Hilfen (Fachwerben, Passiv (kann man aber meist auch vermeiden), wenn-dann- oder je-desto-Sätze,...) zur Verfügung stellen und auch mal gezielt Sprachübungen machen. Dabei sind Kenntnisse des Fremdsprachenlehrplans unheimlich wichtig. Problematisch ist, dass schon sehr früh auch kurze, völlig freie Texte verlangt werden, denn sonst ist ein Unterrichtsgespräch nicht möglich.


    Im naturwissenschaftliche Unterricht sind die verwendeteten Medien natürlich das Experiment, dann aber auch Bilder (auf Folie oder Beamer), Arbeitsblätter zur Spracharbeit und in meinem Fall auch oft Filme (siehe http://www.planet-schule.de). Ein Kollege hat auch Texte selbst aufgenommen und im Unterricht eingesetzt. Je nachdem, wie häufig es gehört werden sollte, entweder per Lautsprecher oder einzelnd per Ipod/Handy (Hausaufgabe war dann das Laden der mp3-Datei.). Wichtig bei Filmen ist immer eine sprachliche Vorbereitung. Die Schüler müssen das grundlegende Vokabular parat haben. Und auch inhaltlich sollte der Film soweit vorbereitet sein, dass er verstanden werden kann. Auch dazu gibt es auf http://www.dfu-cockpit.de Beispiele.


    Das war zwar DFU in naturwissenschaftlichen Fächern, aber es wird irgendwann auf der Cockpit-Seite auch ein Methodenheft für Geschichte geben, in dem die fachspezifischen Methoden (Quellenarbeit, Kartenarbeit, ...) eingeführt und geübt werden. Und viele Methoden (z.B. Filmeinsatz) können in allen Fächern verwendet werden.


    Viele Grüße
    DFU

  • Zitat

    Original von CKR
    Ach ich weiß nicht. Ich kann dem nicht viel brauchbares abgewinnen. Das ist ja alles wieder durchaus eloquent und überzeugend vorgetragen, was Nele da schreibt, aber was bringt einen das weiter?


    Ich weiß ja, dass ich bei dir einen Finger in die Wunde lege, aber du solltest vielleicht den Gedanken zulassen, dass das unter Umständen nicht an meiner vermeintlichen Eloquenz liegt, sondern daran, dass ich mit dem, was ich schreibe, einen Punkt habe. Was das konkret bringt? An dieser Stelle zumindest schon mal einen reality-check für den Ausgangsposter.


    Es ist ja nicht so, dass ich Schwierigkeiten mit einer wissenschaftlichen Didaktik hätte - ganz im Gegenteil bin ich entschieden der Meinung, dass eine empiriegeleitete wissenschaftliche Begleitung die schulische Praxis gut voranbringen könnte. Womit ich Schwierigkeiten habe, ist z.B. das hier:


    Zitat

    Und dann immer dies ewige Argument der fehlenden Praxiserfahrung von Hochschullehrern. Mich nervt das. Aus meiner Sicht dequalifiziert das nur die Praktiker, wenn sie dies fordern, da sie sich selbst so unterstellen, dass sie nicht dazu in der Lage sind, wissenschaftliche Aussagen (oder Forderungen) auf ihre Machbarkeit zu prüfen und selbstbewusst abzuwehren, wenn diese nicht umsetzbar sind. Genau aus diesem Grund haben Lehrer doch eine Hochschulausbildung: Damit sie wissenschaftlich abgesichertes Wissen auf ihre Praxis anwenden können und falls notwendig dies auch kritisch zurückweisen können (dann aber ordentlich begründet bitteschön).


    Erstens:


    Unterrichten ist eine Tätigkeit, die im wirklichen Leben stattfindet und die je nach ihrer Qualität unterschiedliche Resultate im Lernerfolg der Schüler zeitigt. Die wissenschaftliche Didaktik erhebt den Anspruch, diese Tätigkeit in ihrer Funktion zu beschreiben und daraus Schlussfolgerungen zu ihrer Verbesserung abzuleiten, die ihrerseits empirisch in der Praxis überprüfbar sind.


    Tätigkeit. Praktisches Handeln.


    Ich schreibe jetzt mal eine Feststellung hierhin, die von einer derart entwaffnenden Trivialität ist, dass es mir fast schon peinlich ist, aber ich mach das trotzdem mal:


    Eine praktische Tätigkeit kann man nicht nur aus Büchern lernen, sondern nur in praktischer Übung.


    Ich kann nicht ausschließlich aus einem Buch lernen, wie man ein Auto fährt. Nicht, wie man ein Musikinstrument spielt, nicht wie man einen Schrank tischlert, wie man einen Blinddarm operiert, ein Segelboot steuert. Ich kann nicht ausschließlich aus Büchern lernen, wie man eine Sprache spricht, wie man einen Computer programmiert, wie man einen archäologischen Grabungshorizont anlegt, wie man ein Steak brät, wie man mit einem Jugendlichen umgeht, der einen Wutanfall hat - und ganz bestimmt nicht, wie ich sinnoll und effizient unterrichte.


    Bei all diesen Tätigkeiten ist vollkommen klar, dass ich sie nicht beherrschen kann, wenn ich sie nicht ausführlich, eventuell jahrelang geübt habe. Und jetzt soll es ausgerechnet bei der Didaktik, also der Tätigkeit es Unterrichtens, statthaft sein, ohne praktische Kenntnisse nicht nur genaue Aussagen darüber zu machen, was das Unterrichten genau ist, wie es genau funktioniert und worauf es dabei ankommt, sondern sich auch noch anzumaßen, Studenten darin auszubilden, wie sie das Unterrichten am besten anzupacken haben? Und sie dann darin zu prüfen? Diese Vorstellung nimmt die reductio ad absurdum schon an sich selbst vor und braucht nicht wirklich diskutiert werden - wenn man mit einem solchen Anspruch in Wissensgebieten ankäme, wo es tatsächlich auf das Knowhow ankommt, z.B. bei einem Lehrstuhl der praktischen Archäologie oder bei Meisterkursen in der Kochausbildung, würde man völlig zu Recht vom Hof gelacht.


    Zweitens:


    Wie kommst du eigentlich zu dem völlig verqueren Wissenschaftsbild, dass der Wissenschaftler nicht für die Frage verantwortlich sei, ob seine Theorie belastbar ist oder nicht? Das ist heuristischer Unfug, wenn ich mal so deutlich werden darf! Selbstverständlich ist derjenige, der eine Theorie aufstellt in der ersten Belegpflicht und diese hat selbstverständlich in einem realitätsbezogenen Wissenschaftsgebiet empirisch zu sein. Wenn der wissenschaftliche Didaktiker die Belegpflicht vorsätzlich missachtet, begeht er einen schweren methodologischen Fehler, tut er dies mangels praktischer Kenntnisse nicht, belegt er seine fachliche Inkompetenz; ist eine empirische Kritik nicht möglich, z.B. weil eine These gegen das Falsifizierbarkeitsgebot im Sinne Poppers verstößt, dann taugt die These aus wissenschaftstheoretischen Gründen ohnehin nichts und hätte als Beitrag zur Forschung niemals von der Redaktion einer Fachzeitschrift akzeptiert werden dürfen.


    Mit deiner seltsamen Forderung, dass die Wissenschaft munter Spekulatius aus Treibsand mahlen solle und die Praxis dürfe dann sehen, was davon verdaulich ist, missachtest du außerdem völlig die Natur des akademischen Diskurses, der nuneinmal nicht die Unmutsäußerungen des WBK-Lehrers Nele im Gespräch mit Kollegen oder in einem Lehrerforum zur Kenntnis nimmt, sondern nur die im institutionellen Rahmen von Peers gemachten Fachäußerungen, die dann in den Anmerkungsapparaten und Forschungsstanddiskussionen ihren Niederschlag finden. Für den hermeneutischen Erkenntnisprozess ist die gegenseitige Überprüfung von Thesen und Methoden notwendig - deshalb ja überhaupt z.B. das Falsifizierbarkeitsgebot. Es geht darum, über die kritische Methode intersubjektiv nachvollziehbar in einem Diskurs Untaugliches von Tauglichem zu scheiden, wofür klar definierte Nachweise und Belege unverzichtbar sind. Das, was du hier vorschlägst, kann dagegen nur zu einem Gruppenmonolog gerinnen, in dem man sich dann per Kreiszitat darauf einigt, welche Narratio die schönste ist, Realität hin oder her.


    Zitat

    Und wissenschaftliche Forderungen / Theorien / etc. enthalten natürlich sehr häufig eine gute Portion Utopie, sie entwerfen ein Ideal, was möglich wäre, wenn die Bedingungen nur dementsprechend wären.


    Nein. Ganz entschieden nein! Das, was du hier anreißt, ist das Terrain jenseits der Grenzen der Wissenschaft, das im guten Sinne vielleicht als Essai ins Feuilleton gehört, im schlechten Sinne zu bloßer Kaffeesatzleserei verfällt.


    Mit Wissenschaft hat das NICHTS zu tun. Gute Wissenschaft fordert nicht, erst recht nicht ideologiegeleitet, sie beschreibt. Sie ist eine Herangehensweise zur Erforschung der Realität, die sich bestimmter Methoden bedient und streng-rationale Kriterien erfüllt, mit der über den Weg der Theoriebildung möglichst verlässliche Vorhersagen gemacht, bzw. Methoden sinnvoll entwickelt und begründet werden können. Bildet die Theorie die Realität nicht verlässlich ab oder führt sie zu untauglichen Methoden, ist sie wertlos und muss entweder modifiziert oder gänzlich aufgegeben werden. Entzieht sich eine Theorie dem empirischen Zugang muss sie als irrelevant ignoriert werden. Mehr ist dazu nicht zu sagen.


    Zitat

    Wer sich dazu nicht abgrenzen kann und meint sich ständig unter Druck gesetzt zu fühlen, der sollte daran arbeiten und nicht bloß frustriert die immer gleiche Leier von der fehlenden Praxiserfahrung spielen. Das wirkt auf mich lediglich trotzig.


    Wenn das auf mich gemünzt ist, kann ich mir den Schuh nicht so recht anziehen. Der einzige, der hier frustriert und trotzig wirkt, scheinst du zu sein. Ich fühle mich auch unter keinem nennenswerten Druck seitens der Fachdidaktik (um ehrlich zu sein, sind die einzigen Menschen, die von didaktischen Theorien und Terminologiegebäuden unter einen nennenswerten Druck gesetzt werden, arme Studenten und Referendare im Examen...)


    Aber vielleicht liegt das auch einfach daran, dass ich mich einfach zu lange mit Wissenschaftstheorie und -handwerk beschäftigt habe, um da nicht sehr klar Position zu beziehen.


    Nele

    2 Mal editiert, zuletzt von neleabels ()

  • DFU


    Um nicht falsch verstanden zu werden - ich habe überhaupt nichts gegen den Prozess, wenn in der Praxis ein didaktisches Defizit oder eine Notwendigkeit erkannt wird, und daraus dann eine Fragestellung einer wissenschaftlichen Betrachtung unterworfen wird. Also genau die Denkrichtung, die du hier anreisst. So eine Didaktik brauchen wir sehr wohl.


    Was ich kritisiere, ist der umgekehrte Weg, der offenbar vom Ausgangsposter eingeschlagen wurde.


    Nele

  • Dass der Thread offenbar nicht mehr aktiv ist, verweist übrigens auf ein weiteres Problem mangelnder Praxiskompetenz an Hochschulen: Dass den Lehrern, wie CRK meint, die "Souveränität" fehlt, Vorschläge der Hochschulen zurückzuweisen, gilt auch umgekehrt. Wenn man nicht weiß, was realer (Schul-)Unterricht ist, kann man auch nicht wirklich mit Menschen diskutieren, die dies wissen. Die Folge ist eine eigentümlich reservierte Haltung der Hochschulen den Schulen gegenüber, für die Studenten die idealen Opfer sind.


    Sie endet im schlimmsten Fall in jener seltsamen Einigkeit, in der Professoren und Studenten sich treffen, die in ihren didaktischen Seminaren die "Defizite" und "Selbsttäuschungen" der unterrichtenden Lehrer durchschauen. Diese Haltung befähigt die Didaktik, komplette erprobte Unterrichtsverfahren und Sozialformen, aber auch Schulformen, Korrekturverfahren, Klassenrituale usw. usf. als verfehlt zu verwerfen. Dabei mag dies im Einzelfall zutreffend sein. Dennoch ist interessant, wie es der Didaktik immer wieder gelingt, tausenden von Praktikern zu unterstellen, verblendete Irrationalisten zu sein - bzw., um ein Wort des Threadstarters zu verwenden, täglich "Irrtümern" zu unterliegen.

  • Hallo zusammen,


    ich finde es interessant, dass der größte Teil des Threads sich um die Frage Verhältnis Praxis/Theorie dreht, zur eigentlichen Fragestellung des OP aber sehr wenig gepostet wurde. Ich muss - bei aller Kritik an der Praxisferne der Fachdidaktik an der Universität - doch noch mal darauf hinweisen, dass andreal schon Recht damit hat, dass der bilinguale Unterricht in den Sachfächern Schüler vor größere Herausforderungen stellt als der muttersprachliche Unterricht.


    Damit meine ich ausdrücklich NICHT den Erwerb eines Fachvokabulars oder den Erwerb von den berühmten "Phrasen" zur kommunikativen Kompetenz- die kann man einführen wie im herkömmlichen Fremdsprachenunterricht - sondern die Aneignung der fachspezifischen Methoden und Fertigkeiten des SACHFACHES in der Fremdsprache. Ich unterrichte selber seit vielen Jahren Geschichte und Gemeinschaftskunde auf Englisch und habe ein paar Jahre auch deutschsprachigen Fachunterricht in Politik und Wirtschaft im Ausland gegeben.


    Die eigentliche Schwierigkeit besteht z.B. in Geschichte nicht darin, historische Fachbegriffe auf Englisch zu lernen, sondern häufig sprachlich und inhaltlich komplexe Quellen in der Fremdsprache zu analysieren. Zudem handelt es sich - wie jedem Geschichtslehrer bekannt sein dürfte - in den Jahren, in denen Geschichte auf Englisch eingeführt wird, meistens 7. - 9. Klasse, um Themen, die schon auf Deutsch von den Schülern eine ziemliche Identifikationsleistung erfordern (Mittelalter, Renaissance, Napoleon....). Diese gehören nicht gerade zu den zugänglichsten Epochen und Schüler schreien selten laut "Hurrah". Reduziert man dann die Quellen sprachlich auf ein Niveau, mit dem die Schüler in diesem Alter klarkommen, bleibt von der Analyse und dem fachlichen Anspruch nicht mehr sehr viel übrig. Belässt man die Quellen im Originalzustand, erzeugt man leicht Frust.


    Bei Politik sieht es ähnlich aus - politisch argumentieren lernen ist schon auf Deutsch schwierig, auf Englisch stellt es die Schüler vor sehr große Hürden.


    Bilingualer Unterricht ist für mich insgesamt ein "mixed blessing": Manchmal finde ich es besorgniserregend zu sehen, dass bilinguale Schüler wenig deutsches FAchvokabular beherrschen, weil sie einige Themen ausschließlich auf Englisch behandelt haben und sich dann kaum angemessen in ihrer Muttersprache über diese Themen unterhalten können. Meine Anregungen im Kollegium, doch deutsche und englische Unterrichtseinheiten abzuwechseln, um die Ausbildung in der Muttersprache sicherzustellen, trifft leider auf wenig Gegenliebe. Dennoch überzeugt mich das Niveau, das bilinguale Schüler in der Oberstufe im Englischen haben, weil es im Allgemeinen weit über das "normale" Englisch in der Sek II hinausgeht.


    Gruß
    The Rani

  • Zitat

    dass der bilinguale Unterricht in den Sachfächern Schüler vor größere Herausforderungen stellt als der muttersprachliche Unterricht.


    Ich denke, das hat niemand bestritten. Die Frage war nicht die nach dem Verhältnis von Fachunterricht in Mutter- und Fremdsprache, sondern nach dem Verhältnis von "allgemeinem" und fachgebundenem Fremdsprachen(!)unterricht.


    Zitat

    Reduziert man dann die Quellen sprachlich auf ein Niveau, mit dem die Schüler in diesem Alter klarkommen, bleibt von der Analyse und dem fachlichen Anspruch nicht mehr sehr viel übrig. Belässt man die Quellen im Originalzustand, erzeugt man leicht Frust.


    Wird fremdsprachlicher Fachunterricht tatsächlich auf demselben Niveau betrieben wie muttersprachlicher? Das würde mich doch erstaunen. Niveauunterschiede gibt es aber bereits zwischen dem "normalen" Fremdsprachenunterricht und Fächern auf Deutsch, und insofern sehe ich das Argument noch nicht ganz. Ein Gedicht - um ein klassisches Beispiel zu geben - lässt sich im Deutschunterricht immer differenzierter analysieren als im Englischunterricht, eine (Oberstufen)diskussion zu Minderheiten wird im Fach "Politik" immer eloquenter und weit differenzierter ablaufen als im Englischunterricht.

  • @ Nele,
    ich hatte kein Problem mit deinen Kommentaren. Aus der Praxis die Theorie zu entwickeln, um damit dann die Praxis zu verbessern, halte ich auch für den richtigen Ansatz. Ich wollte dem Threaderöffner trotzdem direkt auf seine Frage nach den Methoden und Medien antworten.


    @ Unter uns,
    an meinen Schulen haben wir immer ein an Baden-Württemberg angelehnten Lehrplan gehabt, aber es war natürlich nicht möglich in den Klassen in gleicher Breite und Tiefe wie in Deutschland zu unterrichten. Die Spracharbeit, die während der Vermittlung der Fachinhalte immer notwendig ist, benötigt eben auch Zeit. Man muss also immer überlegen, welche Fachinhalte man vereinfachen kann ohne unkorrekt zu werden und auf welche Fachinhalte man vielleicht doch zu Gunsten von Spracharbeit verzichten kann oder auf Grund der sprachlichen Schwierigkeit verzichten muss.
    Nach einigen Jahren bilingualen Unterrichts sollten die Schüler dann aber tatsächlichauf annähernd muttersprachlichem Niveau kommunizieren können.


    Viele Grüße
    DFU

  • Hallo zurück!


    Ich kann mich mit meiner Zurückhaltung in dem Thread nur the_rani anschließen: Ich wollte hier keine Grundsatzdiskussion über das Verhältnis von Theorie und Praxis aus der Taufe heben. Ich denke, dort lässt sich auch schwierig eine Einigkeit herstellen, da jeder seinen eigenen Bezug zu den beiden Herangehensweisen hat. Keiner wird es schaffen, den anderen schlussendlich von seiner Meinung 100%ig überzeugen zu können. Ein Angriff auf die ein oder andere Position, wie es vielleicht einige aufgenommen haben, war nicht impliziert.


    Wie ich jedoch eingangs erklärte, bin ich in der Praxis des bilingualen Unterrichts noch nicht so bewandert, daher war es meine Frage (an euch Praktiker), inwieweit einige meiner Ergebnisse der Masterarbeit überhaupt relevant sind bzw. ob die vorgeschlagene Form der Spracharbeit sich nicht nur in der Theorie gut anhört, sondern auch tatsächlich im Unterricht eingesetzt wird und mit welchem Erfolg.


    Ich danke the_rani für die Bestätigung, dass sich einige der theoretisch beschriebenen Probleme auch in der Praxis widerspiegeln und ernsthaft Handlungsbedarf für Spracharbeit außerhalb von Vokabeleinheiten besteht. Ich merke jetzt als Vertretungslehrer selbst, welche teilweise elementaren Sprachformulierungen den Schülern nicht gegeben sind, um sich deutlich auszudrücken - selbst in der 12. Klasse. Abgesehen davon, dass ihnen ein gewisses Sprachgefühl fehlt, welches erst kommt, wenn man real in Kontakt mit Muttersprachlern tritt, frage ich mich, wie man ihnen helfen kann, Inhalte zu verstehen aber auch so auszudrücken, wie sie und ihre Intelligenz es eigentlich in der Lage sind. Mich würde daher interessieren, wie ihr (the_rani, DFU & all the others) das Problem gelöst habt. Von der Themenauswahl angefangen: Besprecht ihr prinzipiell die gleichen Inhalte wie der muttersprachliche Fachunterricht nur auf einer anderen Sprache oder handelt ihr z.B. nach dem Bilingual Triangle von Hallet (1999)? Nutzt ihr die Chancen des BiliU zur Erweiterung des Fremdverstehens, Mulitperspektivität, Einblick in die fremdsprachliche kulturellen Traditionen? Wie brecht ihr den Inhalt herunter? Wie viel Zeit geht für den sprachlichen Support drauf? Wo hakt es am meisten? Welche Formen der Spracharbeit helfen den Schülern wirklich? Welche vielleicht auch nicht?


    unter uns: Ich wollte nur noch mal kurz darauf hinweisen, dass es mehrere Modelle des bilingualen Unterrichts gibt, dennoch sind sich diese Modelle (CLIL, BiliU, biling. Module etc.) einig, dass es kein fachbezogener Fremdsprachenunterricht ist, sondern Sachfachunterricht auf einer Fremdsprache/mit Arbeitssprache ***. Es ist und bleibt Fachunterricht. Und wir müssten uns nun fragen, warum ist Unterricht in der Muttersprache so viel differenzierter? Ich denke doch auch, weil die Schüler an die wissenschaftlichen Diskurse/Diskursmuster in der Muttersprache gewöhnt sind und es ihnen deshalb leichter fällt sich sprachlich adäquat auszudrücken. Das Ziel des Lehrers kann es nicht sein, eine absolute Gleichwertigkeit herzustellen, aber doch eine Annäherung. Mit Hilfe der Spracharbeit und natürlich der inhaltlichen Schwerpunktsetzung soll dies erreicht werden.


    Viele Grüße

  • Zitat

    ...warum ist Unterricht in der Muttersprache so viel differenzierter?


    Sprache hat nicht nur eine Verständnisfunktion, sondern ist an vielen kognitiven Prozessen beteiligt (versuch mal etwas zu denken, ohne Sprache bzw. Begriffe zu nutzen).
    Diese kognitiven Funktionen erfüllt m.E. wesentlich die Muttersprache (sofern in ihr die Gegenstände des Denkens entsprechend abgebildet werden).
    Wenn ich eine Fremdsprache also nicht ähnlich gut beherrsche wie die Muttersprache, dann erfüllt sie eben diese kognitiven Funktionen nicht genügend. Ich denke, da liegt das Problem.

    Planung ersetzt Zufall durch Irrtum. :P

    8) Politische Korrektheit ist das scheindemokratische Deckmäntelchen um Selbstzensur und vorauseilenden Gehorsam. :whistling:

    Einmal editiert, zuletzt von SteffdA ()

  • Zitat

    Original von andreal


    Ich merke jetzt als Vertretungslehrer selbst, welche teilweise elementaren Sprachformulierungen den Schülern nicht gegeben sind, um sich deutlich auszudrücken - selbst in der 12. Klasse. Abgesehen davon, dass ihnen ein gewisses Sprachgefühl fehlt, welches erst kommt, wenn man real in Kontakt mit Muttersprachlern tritt, frage ich mich, wie man ihnen helfen kann, Inhalte zu verstehen aber auch so auszudrücken, wie sie und ihre Intelligenz es eigentlich in der Lage sind. Mich würde daher interessieren, wie ihr (the_rani, DFU & all the others) das Problem gelöst habt. Von der Themenauswahl angefangen: Besprecht ihr prinzipiell die gleichen Inhalte wie der muttersprachliche Fachunterricht nur auf einer anderen Sprache oder handelt ihr z.B. nach dem Bilingual Triangle von Hallet (1999)? Nutzt ihr die Chancen des BiliU zur Erweiterung des Fremdverstehens, Mulitperspektivität, Einblick in die fremdsprachliche kulturellen Traditionen? Wie brecht ihr den Inhalt herunter? Wie viel Zeit geht für den sprachlichen Support drauf? Wo hakt es am meisten? Welche Formen der Spracharbeit helfen den Schülern wirklich? Welche vielleicht auch nicht?


    Es reicht nicht, im Bili-Unterricht einfach alle Materialien auf Englisch einzusetzen und alles genau wie im deutschsprachigen Unterricht zu machen. Viele Quellen / Fachtexte findet man ja sowieso nicht in einer englischen Übersetzung, und es ist ja auch das erklärte Ziel des englischsprachigen FACHunterrichts (kein fachlich orientierter FREMDsprachenunterricht, andreal, da stimme ich Dir absolut zu), Originaltexte zugänglich zu machen.


    Multiperspektivisch sollte Geschichts- und Politikunterricht ja sowieso sein, und im Bili-Unterricht hat man dann eben die Möglichkeit, auch die Perspektive der Zielsprachenländer verstärkt mit einzubeziehen. Häufig ergibt sich auch anhand von Gegenüberstellungen von englischen und deutschen Texten oder Begriffen Diskussionsstoff über interkulturelle Themen (Bsp: englische Entsprechung zu Begriffen wie "Gleichschaltung", "Föderalismus").


    Den Stoff muss man ingesamt gegenüber dem deutschsprachigen Unterricht etwas einschränken. Häufig erhalten Bili-Fächer aber eine oder zwei Stunden wöchentlich mehr, so dass sich das auch in Grenzen hält.


    Spracharbeit im Bili-Unterricht muss in gewissem Umfang sein, ist aber sicherlich nicht Priorität gegenüber den fachlichen Fertigkeiten. Ich selber setze in der Unter- und Mittelstufe noch häufig auf Vokabeltests und mache auch mal Übungen auf der Grundlage von Fachtexten (Lückentexte, Grammatik etc.)


    In der Oberstufe stellen wir nur noch gemeinsam Glossare zusammen und üben Textstrategien (essay-writing, text analysis). Spracharbeit mache ich nur, wenn ich z.B. Klausuren bespreche und häufige Fehler analysieren lasse. Dann gebe ich den Schülern eben Aufgaben für zuhause - in der Stunde machen wir Fachunterricht.


    In der Oberstufe können meiner Erfahrung nach bilinguale Schüler auf einem DEUTLICH besseren Niveau Englisch als Nicht-bili-Schüler. Manche erreichen sogar C2-Niveau, jedenfalls auf der passiven Ebene. Hier sind dann auch Diskussionen auf einem ähnlich hohen Niveau wie in der Muttersprache möglich und machbar.


    Dennoch bin ich, wie oben schon beschrieben, nicht immer ganz glücklich mit den Deutschkenntnissen dieser Schüler. Deshalb gebe ich auch ab und zu mal deutsche Texte rein oder bitte die Schüler, die Stundenergebnisse auf Deutsch zusammenzufassen, damit sie auch in ihrer Muttersprache über das Thema sprechen können. Heißt ja nicht umsonst ZWEIsprachiger Unterricht.


    Grüße von the rani

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