Was ist Chancengleichheit?

  • Hallo ihr Lieben!


    "Chancengleichheit" ist eines meiner allerliebsten bildungspolitischen Themen. Ich habe so meine eigene Theorien, wie das alles besser sein könnte. Und wie das Leben so spielt, stellt die Praxis meine Theorien ein wenig in Frage. Was mich z.B. am allermeisten stört, ist, dass die Eltern eine sehr große Rolle spielen, wenn es um schulischen Erfolg geht. Ich erlebe täglich bei meinen eigenen Kindern, dass Dinge eingefordert werden, die sie zu leisten einfach nicht in der Lage sind. Sei es eine Buchvorstellung in der 2. Klasse bei meinem Sohn - der zum fraglichen Zeitpunkt noch gar nicht sinnerfassend lesen konnte - oder das Gestalten eines Plaktes oder das Einüben von Diktaten. Ich habe diese selbstverständliche Vereinnahmung seitens der Lehrer immer als unmöglich empfunden!
    So. Nun hat mein Sohn eine sowohl fachlich als auch menschlich patente Klassenlehrerin bekommen. Sie ist ein Engel! Noch mehr habe ich diese Frau geliebt, als mein Sohn vor 3 Wochen ankam und meinte: "Wir schreiben bald ein Diktat. Frau "Engel" hat aber gesagt, wir müssen nicht zu Hause üben, das machen wir in der Schule". Ich:" Danke Gott, meine Gebete wurden endlich erhört!" 1 Woche später musste ich das Diktat unterschreiben: Eine glatte 4. Na ja, halb so wild...es gibt Schlimmeres...z.B. den Aufschlag eines Meteroiten auf der Erde.... Ein paar Tage später meinte mein Sohn wieder: "Wir schreiben einen Test über die Hexe Lakritze (Lektüre), aber Frau Engel hat gesagt, wir müssen nicht...(den REst kannte ich bereits)!" Ich jetzt ein wenig zaghafter: "Ooookaaay....!" NAch 1 Woche musste ich den Test unterschreiben: wieder eine glatte 4 und der Kommentar von Frau Engel: L. du hast dich aber schlecht vorbereitet.
    Okay. Chancengleichheitsexperiment wieder abgebrochen, ab jetzt schwinge ich hier wieder das Zepter, bzw. Peitsche und Keule!!! Ich sehe das Thema jetzt von einer anderen SEite. Ich meine auch bei so einem Vorgehen, wie ich es bisher als Ideal eingestuft hätte, nämlich dass die Kinder die zu lernenden Inhalte tatsächlich in der Schule lernen und nicht im privaten Nachhilfeinstitut zu Hause, gibt es keine Chancengleichheit: benachteiligt werden die Schüler, die sich zum Einen leicht ablenken lassen und zum Anderen nicht in der Lage sind, anhand weniger Übungsdurchläufe, einen Inhalt zu erfassen und zu memorieren. Oder ist das DOCH Chancengleichheit, weil tatsächlich alle die gleichen Chancen hatten und es endlich DIE faire Bewertung gibt: die naturgemäß Intelligenten bekommen ihre 1er und die Fraktion "ich-bin-gar-nicht-so-gescheit-dafür-meine-Mama-manchmal-auch-Papa" endlich die 5er?


    Nachdenkliche Grüße
    Mara

    "Die beste Methode das Gute im Menschen zu wecken ist, ihn so zu behandeln, als wäre er schon gut." (Gustav Radbruch) :troest:

    2 Mal editiert, zuletzt von mara77 ()

  • Ein Schritt wäre sicher eine Ganztagsschule. An den Grundschulen in GB, die ich so kenne, gibts überhaupt keine Hausaufgaben, da wird oft vormittags was gelernt und nachmittags geübt. Außerdem kommen die pro Tag auf 6-7 Unterrichtsstunden, haben also ab der Vorschule 30-35 Unterrichtsstunden die Woche, meine Gymnasiasten hatten dann 45 (allerdings à 35 min). Da entfällt gerade auf Mathe etc. häufig ein größerer Zeitanteil.
    Solange die Hausaufgaben/das Üben auf zu Hause entfallen, wird immer wichtig sein, was die Eltern können bzw. ob die Eltern drauf achten. Und bei deinem Beispiel ist es eben doch nicht die gerechte Bewertung, außer man verbietet das zu-Hause-Üben per Gesetz und kontrolliert jeden Nachmittag in jedem Elternhaus, dass wirklich nicht geübt wird....

  • Es wird immer Eltern geben, die für ihre Kinder die Hausaufgaben machen oder sie für Tests drillen, auch an Ganztagsschulen ohne Hausaufgaben, habe ich selbst erlebt. Die wirkliche Intelligenz eines Kindes merkt man eben nicht an Wissensüberprüfungen, sondern an Transferaufgaben, ich mache immer wieder die Erfahrung, dass diese Kinder ihr Wissen nur abspulen, aber nicht anwenden können, selbst wenn das Lernen dafür im Unterricht vorgesehen ist. Und da habe ich dann auch Argumente, die Kinder entsprechend zu benoten.
    Leider gehören ja auch die Faktoren "faul sein" und "abgelenkt sein" zur Chancengleichheit, die im Grunde unmöglich ist.

  • Dass Eltern mit ihren Kindern zu Hause üben, ist doch nur ein ganz kleiner Teil an der Ungerechtigkeit. Ich übe nicht viel mit meinen Kindern, aber sie haben trotzdem bessere Chancen als manch andere: Sie haben ein eigenes Zimmer, einen Schreibtisch, einen Computer, sie werden gut ernährt und gekleidet, sie leben in einer intakten Familie und sind nicht ständig sich selbst überlassen etc. etc.


    Schule ist immer nur so ein Reparaturbetrieb. Wir können tumbe Eltern nicht austauschen gegen kluge, arme nicht gegen wohlhabende, faule nicht gegen engagierte. Das steht nicht in unserer Macht. Mich ärgert es auch, wenn Elternleistungen bewertet werden, weil eben Eltern eine Laminiergerät, einen Farbdrucker und einen Spiralhefter besitzen und mit diesen Mitteln hergestellte Mappen natürlich mehr hermachen. Aber dass nun häusliches Üben "verboten" oder verhindert wird, ist doch Unsinn und auch nicht im Interesse der Kinder. Gerade Kinder, deren Eltern nicht helfen können, müssen lernen, selbstständig zu werden.


    Die anderen auch, deshalb, Peitsche und Zepter finde ich ohnehin ungeeignete Mittel ...

  • Man muss sich mal fragen, ob bei uns nicht grundsätzlich etwas schief läuft, wenn der - in meinen Augen - Normalfall, dass Eltern in vernünftigem Umfang mit ihren Kindern üben und sie - je nach Alter in geringer werdendem Maße - bei den Hausarbeiten unterstützen schon als problematisch gesehen wird, weil diese Kinder ja einen Vorteil gegenüber den Kindern haben, deren Eltern die Hausarbeiten ihrer Kinder komplett am Arsch vorbei gehen und die nicht auf die Idee kommen für das nächste Diktat zu üben, weil sich auch Schwierigkeiten haben die Buchstaben im Buch durch den nachmittäglichen Vodka-Schleier zu erkennen.
    Letztere sind das Problem, nicht die ersten, aber leider wird das Herstellen von Chancengleichheit in unserer Gesellschaft zunehmend mit dem Sammeln aller auf dem niedrigsten gemeinsamen Niveau verwechselt.
    Es gibt übrigens so etwas wie Schulgesetze, in denen auch geregelt ist, welche Aufgaben Eltern wahrnehmen sollen, dazu gehören zB auch Übungen und Hausarbeiten in moderatem Umfang. Wenn man nun feststellt, dass einige Eltern diesen Pflichten nicht nachkommen, wäre es vielleicht sinnvoll zu überlegen, wie man diese dazu bekommen kann, statt zu überlegen, wie wir alle anderen auch noch davon abhalten. Überlegungen der Form "wie können wir ganz ohne Hausarbeiten und Übung auskommen" sind ungefähr so sinnvoll, wie die Abschaffung von Steuern zu fordern, weil es ja immer welche gibt, die selbige hinterziehen.

  • Man muss sich mal fragen, ob bei uns nicht grundsätzlich etwas schief läuft, wenn der - in meinen Augen - Normalfall, dass Eltern in vernünftigem Umfang mit ihren Kindern üben und sie - je nach Alter in geringer werdendem Maße - bei den Hausarbeiten unterstützen schon als problematisch gesehen wird, weil diese Kinder ja einen Vorteil gegenüber den Kindern haben, deren Eltern die Hausarbeiten ihrer Kinder komplett am Arsch vorbei gehen und die nicht auf die Idee kommen für das nächste Diktat zu üben, weil sich auch Schwierigkeiten haben die Buchstaben im Buch durch den nachmittäglichen Vodka-Schleier zu erkennen.
    Letztere sind das Problem, nicht die ersten, aber leider wird das Herstellen von Chancengleichheit in unserer Gesellschaft zunehmend mit dem Sammeln aller auf dem niedrigsten gemeinsamen Niveau verwechselt.
    Es gibt übrigens so etwas wie Schulgesetze, in denen auch geregelt ist, welche Aufgaben Eltern wahrnehmen sollen, dazu gehören zB auch Übungen und Hausarbeiten in moderatem Umfang. Wenn man nun feststellt, dass einige Eltern diesen Pflichten nicht nachkommen, wäre es vielleicht sinnvoll zu überlegen, wie man diese dazu bekommen kann, statt zu überlegen, wie wir alle anderen auch noch davon abhalten. Überlegungen der Form "wie können wir ganz ohne Hausarbeiten und Übung auskommen" sind ungefähr so sinnvoll, wie die Abschaffung von Steuern zu fordern, weil es ja immer welche gibt, die selbige hinterziehen.

    Wenn an meiner Schule Hausaufgaben-Briefe verschickt werden, wird in der Tat auf einen Paragraphen hingewiesen (den ich jetzt nicht parat habe), der auf die Mitwirkungspflicht der Eltern verweist.


    Haben nicht einige Schüler AUCH deshalb nicht die gleichen Chancen, weil sich bestimmte Eltern zusammengefunden haben? Ich habe ehrlich gesagt keine großartigen Aussagen zur Vererblichkeit von Intelligenz zur Verfügung, aber der 'mitgebrachte' Teil ist ja neben den Umwelteinflüssen auch nicht zu vernachlässigen und wenn du es so nimmst, hat vielleicht tatsächlich das eine Kind von Anfang an mehr "Chancen".

  • Schule ist immer nur so ein Reparaturbetrieb. Wir können tumbe Eltern nicht austauschen gegen kluge, arme nicht gegen wohlhabende, faule nicht gegen engagierte. Das steht nicht in unserer Macht. Mich ärgert es auch, wenn Elternleistungen bewertet werden, weil eben Eltern eine Laminiergerät, einen Farbdrucker und einen Spiralhefter besitzen und mit diesen Mitteln hergestellte Mappen natürlich mehr hermachen. Aber dass nun häusliches Üben "verboten" oder verhindert wird, ist doch Unsinn und auch nicht im Interesse der Kinder. Gerade Kinder, deren Eltern nicht helfen können, müssen lernen, selbstständig zu werden.

    Was mir aber auch manchmal auffällt ist, dass Eltern eine unterschiedliche Wichtigkeit von Schule vermitteln, die einen suggerieren, dass man auch ohne gute Schulleistungen was Großes werden kann und die anderen messen der Schule eine größere Bedeutung bei. Im weiteren Rahmen gesehen nehmen hier vielleicht auch Eltern eine "Chance"

  • Ich glaube, hier gehen zwei Dinge durcheinander. Das eine ist "Chancengleichheit", das andere die Frage, was Aufgabe der Schule und was Aufgabe der Eltern ist. Eigentlich ist die Antwort ja klar: Die Schule soll den Kindern etwas beibringen, die Eltern sollen vielleicht hier und da unterstützen, den Kindern Frühstück einpacken und ihnen ein positives Schulbild vermitteln - aber nicht selbst die Arbeit der Schule übernehmen. Das aber scheint in der Realität wohl nicht ganz zu funktionieren. Wenn ich Mara richtig verstehe, ging es doch zuerst mal um den zweiten Aspekt:


    Zitat

    Was mich z.B. am allermeisten stört, ist, dass die Eltern eine sehr große Rolle spielen, wenn es um schulischen Erfolg geht. Ich erlebe täglich bei meinen eigenen Kindern, dass Dinge eingefordert werden, die sie zu leisten einfach nicht in der Lage sind.

    Was ich lustig finde, ist, dass JEDE Diskussion über die Aufgaben der Schule hier sofort kippt und in eine Diskussion über das Versagen der Eltern übersetzt wird. Das ist natürlich bequem, aber es ist wahrscheinlich eher Teil des Problems als der Lösung. Vor allem entlastet es davon, über den eigenen Unterricht und seine Folgen nachdenken zu müssen. Egal ob der Tafelanschrieb chaotisch ist, die Hausaufgaben nicht richtig erklärt werden, nicht genug Übungsphasen existieren, über die Köpfe der Schüler hinweg oder vielleicht überhaupt nicht unterrichtet wird - dass die Kinder nichts lernen, MUSS an ihrem Zuhause liegen. Die Eltern üben eben zuwenig/zuviel/das Falsche, sie packen die Schulranzen nicht, können das Schulbuch nicht auswendig, erklären ihren Kindern die Hausaufgaben nicht, malen für sie keine Plakate oder malen die Plakate falsch/ zu gut - und dann ist da auch immer noch die Wodkaflasche in der Nähe.


    Natürlich gibt es Eltern, die den Schulerfolg ihrer Kinder behindern, aber wenn selbst gut situierte und ausgebildete Eltern wie Mara (unterstell ich jetzt mal) mit ihren Kindern intensiv üben müssen, damit es in der Schule klappt, und wenn das als völlig selbstverständlich (!) gilt, ist das imho schon ein Problem.

  • Haben nicht einige Schüler AUCH deshalb nicht die gleichen Chancen, weil sich bestimmte Eltern zusammengefunden haben? Ich habe ehrlich gesagt keine großartigen Aussagen zur Vererblichkeit von Intelligenz zur Verfügung, aber der 'mitgebrachte' Teil ist ja neben den Umwelteinflüssen auch nicht zu vernachlässigen und wenn du es so nimmst, hat vielleicht tatsächlich das eine Kind von Anfang an mehr "Chancen".

    Natürlich spielt die Genetik auch eine große Rolle, dazu gibt es Studien wie Sand am Meer. Es steht doch wohl auch irgendwie ausser Frage, dass Chancengleichheit im gesamten Leben nur in ganz groben Zügen existiert, oder?


    Ich verstehe auch immer nicht, warum da so ein extremer Aufwand getrieben wird in nur manchen Bereichen dann eine vermeintliche Chancengleichheit zu erreichen.
    Wenn ein Kind in der Schule Vorteile hat durch reiche Eltern oder durch eine intensive häusliche Förderung, dann wird das als unfair erachtet, weil das Kind ja nichts für sein Glück kann. Es werden dann also Bewertungen reduziert, die durch so etwas beeinflusst werden.
    (Sprich: Keine besonders gute Note, weil die Mappe mit hochwertigen Materialien hergestellt wurde und damit automatisch mehr her macht.
    Sprich: Keine Aufgaben stellen, die viel häusliche Zeit in Anspruch nehmen, weil es Schüler geben könnte, die zuhause kein adäquates Umfeld haben um konzentriert arbeiten zu können)


    Was ist denn aber mit einem besonders intelligenten Kind, das einfach nur Glück bei der Vererbung hatte und(oder von den kirchenmaus armen Eltern früh gefördert wurde? Ist dieses Kind selbstverantwortlich für seinen Vorteil gegenüber anderen Kindern? Eigentlich doch auch nicht!
    Aber diese Form von (genetischem oder Frühförderungs-)Vorteil gegenüber anderen wird gemeinhin akzeptiert.


    Genauso: Man beobachtet immer wieder, wie attraktive Menschen im Leben viel mehr Chancen haben als weniger attraktive.In fast allen Bereichen, sogar Bildung! So werden sogar höheres Leistungsvermögen und positive Charaktereigenschaften in attraktivere Menschen hineinprojiziert, dazu gibt es einige Studien. Das spiegelt sich natürlich auch in Schulnoten wieder, bei der Auswahl für Stipendien, und auch wenn jetzt vermutlich die "Fairness" Fraktion behauptet da penibel darauf zu achten es nicht zu tun, es kommt täglich vor. Interessant ist, dass es eben gar keine bewusste Entscheidung ist sondern quasi subconsciously abläuft.


    Was mir aber auch manchmal auffällt ist, dass Eltern eine unterschiedliche Wichtigkeit von Schule vermitteln, die einen suggerieren, dass man auch ohne gute Schulleistungen was Großes werden kann und die anderen messen der Schule eine größere Bedeutung bei. Im weiteren Rahmen gesehen nehmen hier vielleicht auch Eltern eine "Chance"

    Man muss auch ganz ehrlich feststellen, dass sich zum Beispiel heutzutage das Studieren finanziell in den meisten Studiengängen kaum noch lohnt. Dazu habe ich Studien gelesen, die mal Lebensbilanzen durchgerechnet haben und da "rentiert" sich kaum ein Studiengang. Ist ja auch eines meiner Liebslingsthemen :D
    Weiterhin korreliert Bildung und Erfolg im Leben auch viel weniger, als man sich vielleicht idealerweise erhofft. Da spielen ganz andere Faktoren (bis hin zu Kontakten usw.) eine viel entscheidendere Rolle als Bildung.
    Wenn man auch mal ehrlich ist, ist es doch auch in unserem Beruf so. Was macht es für einen Unterschied, ob ich mit einem 1,x Abitur Physik-Lehrer werde, oder mit einem 3,x Abitur?
    Sicherlich erhöht ein guter Abschluss gewisse Chancen und Wahrscheinlichkeiten, ist bei NC Fächern Voraussetzung, aber in ganz vielen Biographien einfach unnötig. Wer fragt mich später noch nach meinem Abitur?
    Klar, ein abgeschlossenes Hochschulstudium benötige ich für diesen Beruf schon, aber ist der Beruf wirklich so viel besser als mit demselben Schulabschluss in der Bank Karriere zu machen?
    Ganz ohne Bildung geht es natürlich nicht, aber Karriere kann man locker auch mit dem Realschulabschluss und entsprechendem Einsatz im Beruf machen. Es gibt so viele Menschen mit geringerer Bildung, die uns alle karrieremässig in die Tasche stecken.
    Insofern kann ich Eltern verstehen, die ihren Kindern sagen, dass ein Abschluss schon wichtig ist, aber die Güte dessen nicht so zentral. Allein schon ein zweiwöchiges Berufspraktikum mit entsprechendem Einblick in einen Beruf, ob er einem gefällt und den daraus eventuell resultierenden Kontakten, kann viel entscheidender sein für die Karriere als während der selben Zeit Lateinvokabeln zu pauken und dann eine 1 zu schreiben.

  • Natürlich gibt es Eltern, die den Schulerfolg ihrer Kinder behindern, aber wenn selbst gut situierte und ausgebildete Eltern wie Mara (unterstell ich jetzt mal) mit ihren Kindern intensiv üben müssen, damit es in der Schule klappt, und wenn das als völlig selbstverständlich (!) gilt, ist das imho schon ein Problem.

    Ich möchte da jetzt nicht persönlich werden und auf Maras Kinder schließen.
    Deshalb mal generell: Es muss doch ein Kind gut situierter und ausgebildeter Eltern nicht automatisch mit der Schule klar kommen, intelligent sein, oder motiviert aufs Lernen sein?
    Wieviele Ärztesöhne sind Schulabbrecher, weil sie in der Pubertät gegenüber dem Elternhaus rebellieren und erstmal ein paar Jahre als Punks durch die Gegend ziehen? So etwas gibt es.
    Ich meine das ist ein Extrembeispiel, aber zu schließen, dass die Schule was falsch macht, nur weil ein Kind aus gut situiertem Haus nicht ohne intensives häusliches Üben in der Schule klar kommt, ist imho falsch.

  • @silicium - Dass sich Leistungen nicht lohnen, kann ich nicht ganz bekräftigen. Im Grundstudium hieß es, dass wir in Deutsch die Prüfungen nur bestehen müssten, es werde keine Note dafür geben; ich habe aber irgendwie doch recht viel dafür getan und in der Tat zunächst keine Note bekommen. Als ich mich dann für ein Stipendium bewerben wollte, hieß es, dass wir Noten einreichen müssten. Ich habe also um eine Note für meine Prüfung gebeten; zum Glück waren sie gut und ich habe glücklicherweise das Stipendium auch bekommen. Auch bei meinen folgenden Stipendien brauchte ich gute Noten. Diese Stipendien haben mir auch wieder neue Tore und Wege geöffnet, insofern haben die Noten schon eine Bedeutung gehabt.

  • Aktenklammer


    Dann haben in deinem speziellen Fall, diese Noten in eben dieser Situation etwas gebracht. Aber wieviele Geisteswissenschaftler mit sehr gutem Abschluss gibt es denn, die mit ihren Noten so rein gar nichts anfangen können. Denen auch eine Promotion mit gleicher sehr guter Note wenig bis gar nicht hilft. Es ist natürlich fraglich wie man jetzt Erfolg definiert. Aber wenn man dies auf rein finanziellen Erfolg reduziert, wären sie sicher erfolgreicher gewesen mit einer Lehre statt eines Studiums. Ich würde auch nicht unterschreiben, dass schulischer Erfolg notwendigerweise mit Intelligenz, wie immer man diese definieren mag, korreliert.


    Ausserdem ist jede Verallgemeinerung gefährlich, auch diese. ;)

  • Aktenklammer:


    Glückwunsch ;)
    Man kann natürlich nicht sagen, dass sich Leistungen gar nicht lohnen. Manchmal tun sie es sogar extrem, manchmal eben aber auch fast gar nicht. Gibt halt eine enorme Schwankung.
    Ich sehe eben nur so oft beispiele, dass schulischer Erfolg und ein Studium oftmals überbewertet sind.
    Nicht nur bei der Jobsuche, sondern selbst bei Stipendien ist die Leistung oft nur ein Faktor, das richtige Parteibuch, das richtige Geschlecht, oder das richtige (oder zumindest angegebene) soziale Engagement ist oftmals mindestens gleich wichtig.

  • Aber wieviele Geisteswissenschaftler mit sehr gutem Abschluss gibt es denn, die mit ihren Noten so rein gar nichts anfangen können. Denen auch eine Promotion mit gleicher sehr guter Note wenig bis gar nicht hilft. Es ist natürlich fraglich wie man jetzt Erfolg definiert. Aber wenn man dies auf rein finanziellen Erfolg reduziert, wären sie sicher erfolgreicher gewesen mit einer Lehre statt eines Studiums.

    Das stimmt, gerade in vielen Geisteswissenschaften ist es leider so, dass die Lehrerlaufbahn die mehr oder minder finanziell einzig sinnvolle Möglichkeit ist eine Familie zu ernähren. Klar gibt Ausnahmen, aber der Arbeitsmarkt ist da echt nicht rosig. Das gilt auch für Geographen, selbst Biologen und Architekten sind nach dem, was man so hört, nicht gerade leicht vermittelbar. Finanziell hat sich deren Studium in der Regel nicht gelohnt, aber vielleicht mögen sie ihren Job? Aber wenn man das so merkt, dann fragt man sich auch, ob man wirklich so viel Spaß an der Arbeit hat? Es gibt ganz viele die sagen:"Studieren würde ich nicht noch einmal"


    Eben aus diesen Problemen kann ich verstehen, wenn Eltern eben zufrieden sind, wenn das fleissige, patente Kind mit einem soliden Hauptschulabschluss Handwerksmeister wird, früh selbstständig ist und auf eigenen Beinen steht, das erste eigene Auto fährt während die Studentin nachts kellnert, als wenn dasselbe Kind mit 3,x durchs Abitur getrieben wird, danach wohlmöglich Theaterwissenschaft, Französisch, Germanistik oder Philosophie auf Bachelor/Master studiert, weil "Bildung für das Kind ja so wichtig ist für die Karriere" um dann als Dolmetscher sechs einkommenslose Jahre später genauso zu verdienen wie der Handwerksmeister, eher weniger.

    2 Mal editiert, zuletzt von Silicium ()

  • Mal wieder ein wenig zurück zum Thema (auch wenn die Abschweifung interessant ist): Chancengleichheit bedeutet für mich, dass jeder von der Schule möglichst angemessene Unterstützung bekommt. Aber wir Lehrer sind nur Menschen. Ergo ist es ein Ideal.


    Auch den Faktor Elternhaus wird man nie herausbekommen. Außer man sackt alle Kinder ein und steckt sie in gleichgeschaltete Kinderheime, wo jeder seine zugeteilte genormte Aufmerksamkeit bekommt. Und auch dann bleiben die Gene.


    Es ist zwar eine nette Idee, aber (Verzeihung für den Spruch) man kann einen Ackergaul nicht das Kentucky-Derby gewinnen lassen. So sehr ich für meine Schüler hoffe, dass sie alles verstehen, und so sehr ich mich bemühe, manchmal kann ich mich auf den Kopf stellen und mit den Ohren schlackern, es bringt einfach nichts.


    Was deinen Sohn angeht, Mara: Wer weiß denn, ob die Übung in der Schule unter für ihn optimalen Bedingungen stattfinden konnte. Vielleicht gab es Kinder die noch viel dringender Aufmerksamkeit gebraucht haben und es ist nur ein Lehrer da... Dann gab's halt ne 4. Die anderen waren vielleicht 5er oder 6er Kandidaten. Wem hilft man da?

    Quiet brain, or I'll stab you with a Q-Tip!

  • Zitat

    Ich möchte da jetzt nicht persönlich werden und auf Maras Kinder schließen.
    Deshalb mal generell: Es muss doch ein Kind gut situierter und ausgebildeter Eltern nicht automatisch mit der Schule klar kommen, intelligent sein, oder motiviert aufs Lernen sein?
    Wieviele Ärztesöhne sind Schulabbrecher, weil sie in der Pubertät gegenüber dem Elternhaus rebellieren und erstmal ein paar Jahre als Punks durch die Gegend ziehen? So etwas gibt es.
    Ich meine das ist ein Extrembeispiel, aber zu schließen, dass die Schule was falsch macht, nur weil ein Kind aus gut situiertem Haus nicht ohne intensives häusliches Üben in der Schule klar kommt, ist imho falsch.

    Danke für dieses Zitat, das noch einmal gut zeigt, wie die Argumentation funktioniert. Egal an welchem Punkt angesetzt wird, ist das Ergebnis immer gleich: Probleme IN der Schule sind keine Probleme DER Schule, sondern Probleme der Eltern bzw. - wenn es denn die Eltern nicht sind - ihrer Kinder. Hat jemand einen anderen Eindruck - und Maras Eindruck ist sicherlich nicht singulär - hat derjenige eine verfehlte Perspektive, weil er die Schule nicht einschätzen kann/befangen/übermäßig ehrgeizig/antriebsschwach/intellektuell beschränkt/Alkoholiker etc. ist oder weil er sich nicht um die eigenen Kinder kümmert/den Wert von Bildung nicht kennt etc.


    Dabei werden je nach Bedarf munter die Positionen gewechselt. Solange die Kinder aus den "guten" Elternhäusern in der Schule mithalten, die anderen aber abfallen, liegt es natürlich an der genetisch bedingten Leistungsfähigkeit dieser Kinder und am guten häuslichen Umfeld. Haben diese Kinder Probleme, erklärt man sie einfach zu statistischen Ausreißern oder greift auf die Pubertät (in der Grundschule?) zurück.


    Wenn festgestellt wird, dass in einer (Grundschul!)Klasse Aufgaben gestellt werden, die viele oder wenigstens manche Kinder nur mit massiver Hilfe der Eltern erledigen könne, ist dies m. E. aber kein Elternproblem. Und wenn dies regelmäßig geschieht, läuft doch etwas falsch. Es ist aber schon interessant, wieviele Kollegen es offenbar normal finden, dass Eltern die Aufgaben der Kinder erledigen - während man sich an anderer Stelle gerne über "überehrgeizige Eltern" oder "Eltern, die ihr Kind auf der falschen Schulform halten" aufregt.


    Zitat

    Es ist zwar eine nette Idee, aber (Verzeihung für den Spruch) man kann einen Ackergaul nicht das Kentucky-Derby gewinnen lassen.

    Stimmt. Aber man würde doch sicher stutzig werden, wenn Farmer X Geld dafür kassiert, mit dem Ackergaul auch die Felder der Nachbarn zu pflügen, und dann zu den Nachbarn sagt, er könne mit dem Tier nicht umgehen, das sollten sie doch selbst machen. Oder wenn der Besitzer eine Ackergauls verpflichtet wird, den Ackergaul zu einem staatlichen Ackergaul-Kurs zu schicken, wo das Tier das Pflügen lernen soll, und der Trainer jeden Tag zum Besitzer sagt, das mit dem Pflügen müsste er dem Tier aber gefälligst selbst beibringen.

  • Wenn festgestellt wird, dass in einer (Grundschul!)Klasse Aufgaben gestellt werden, die viele oder wenigstens manche Kinder nur mit massiver Hilfe der Eltern erledigen könne, ist dies m. E. aber kein Elternproblem. Und wenn dies regelmäßig geschieht, läuft doch etwas falsch. Es ist aber schon interessant, wieviele Kollegen es offenbar normal finden, dass Eltern die Aufgaben der Kinder erledigen - während man sich an anderer Stelle gerne über "überehrgeizige Eltern" oder "Eltern, die ihr Kind auf der falschen Schulform halten" aufregt.

    So heterogen wie Grundschulklassen sind würde es mich im Gegenteil arg verwundern, wenn die Aufgaben so gestellt sind, dass jeder Schüler die ohne Hilfe der Eltern schafft. Wenn das Kind mit IQ 80 alle Aufgaben alleine meistern kann, dann sind die Aufgaben für das IQ 120 Kind in der Klasse zu unterfordernd. Treffe ich mit dem Schwierigkeitsgrad das IQ 120 Kind, sind zu viele Kinder überfordert, das ist richtig. Treffe ich das Niveau dazwischen, wird es Schüler geben, die die Aufgaben leicht lösen, welche die es unter Schwierigkeiten schaffen und welche, die elterliche Hilfe benötigen.


    Jetzt kommt das Lieblingsstichwort der Primarstufenlehrer: Binnendifferenzierung


    Wenn es möglich ist jedem Schüler eine entsprechende Hausaufgabe zu geben, könnte man das umgehen. Man könnte natürlich, so habe ich das vor, einfach 3 Aufgaben geben, wovon die erste eben einfach ist, die zweite normal und die dritte schwierig. Dann wäre es imho vertretbar, wenn schwache Schüler ohne elterliche Hilfe eben nur 1 Aufgabe schaffen zuhause.
    Es kann nicht das Ziel sein das Niveau so weit abzusenken, dass alle Schüler ohne Hilfe in der Lage sind die Aufgaben zu lösen.

  • Dabei werden je nach Bedarf munter die Positionen gewechselt. Solange die Kinder aus den "guten" Elternhäusern in der Schule mithalten, die anderen aber abfallen, liegt es natürlich an der genetisch bedingten Leistungsfähigkeit dieser Kinder und am guten häuslichen Umfeld. Haben diese Kinder Probleme, erklärt man sie einfach zu statistischen Ausreißern oder greift auf die Pubertät (in der Grundschule?) zurück.

    Naja, ich wollte halt vermeiden zu schreiben, dass es eben auch dumme Kinder aus gut situierten Elternhäusern gibt. So etwas, das ist mein Eindruck, liest man hier nämlich nicht gerne.
    Deshalb habe ich eben andere Gründe angeführt, warum ein Kind aus gutem Haus eben nicht zwangsläufig gut sein muss in der Schule.


    Edit: sorry, man ersetze "dumm" mit intellektuell ein wenig schwächer begabt


  • Was ich lustig finde, ist, dass JEDE Diskussion über die Aufgaben der Schule hier sofort kippt und in eine Diskussion über das Versagen der Eltern übersetzt wird. Das ist natürlich bequem, aber es ist wahrscheinlich eher Teil des Problems als der Lösung. Vor allem entlastet es davon, über den eigenen Unterricht und seine Folgen nachdenken zu müssen. Egal ob der Tafelanschrieb chaotisch ist, die Hausaufgaben nicht richtig erklärt werden, nicht genug Übungsphasen existieren, über die Köpfe der Schüler hinweg oder vielleicht überhaupt nicht unterrichtet wird - dass die Kinder nichts lernen, MUSS an ihrem Zuhause liegen.


    Das Ausgangsproblem war, dass Mara die Situation ihrer Tochter aufgeworfen hat, bei der offensichtlich vermittelt worden ist, die Eltern müssten zuhause überhaupt nicht mehr üben und die Vorbereitung auf eine Arbeit würde komplett in den Unterricht verlagert. Verbunden mit der Frage, ob dieses nicht grundsätzlich sinnvoll wäre, weil ein Verlangen häuslicher Arbeit automatisch immer zur Benachteiligung der Schüler führt, bei denen die häuslichen Voraussetzungen nicht stimmen.


    Das hat nix mit chaotischem Tafelanschrieb, schlechtern Phasierung des Unterrichts oder schlecht unterrichtenden Lehrern zu tun (was es zweifellos alles gibt). Was ich so langsam nicht mehr lustig finde ist der Reflex vieler Bildungspolitiker und inzwischen auch Lehrer, die bei allen gesellschaftlichen Problemen mit Schlagworten wie Binnendifferenzierung um sich zu werfen und zu glauben, die Schule könnte alles reparieren, was gesellschaftlich schief geht. Sich damit ernsthaft auseinander zu setzen ist im übrigen alles andere als bequem, denn das heißt, dass man im Erstfall Erartungen und Mängel gegenüber Eltern klar ausdrücken und auch mal einen Konflikt aushalten muss. Ganz nebenbei: bei den Problemfällen handelt es sich um eine ganz verschwindend geringe Minderheit von Eltern, die Mehrheit der Eltern hat durchaus ein gutes Maß dafür, wo und wieviel Unterstützung angemessen ist. Um so weniger ist es gerechtfertigt, dass man die alle mit ausbremsen soll, nur weil es 5% nicht auf die Kette kriegen.


    die Eltern sollen vielleicht hier und da unterstützen, den Kindern Frühstück einpacken und ihnen ein positives Schulbild vermitteln - aber nicht selbst die Arbeit der Schule übernehmen.


    .....


    wenn selbst gut situierte und ausgebildete Eltern wie Mara mit ihren Kindern intensiv üben müssen, damit es in der Schule klappt, und wenn das als völlig selbstverständlich (!) gilt, ist das imho schon ein Problem


    Von "intensiv" war nie die Rede, sondern von "gar nicht mehr". Und ja, dass Eltern bei einem Grundschulkind mal einen Blick auf die Hausarbeiten werfen oder sich am Wochenende 15 Minuten Zeit für ein Übungsdiktat nehmen ist eine Selbstverständlichkeit, Elternarbeit ist nicht mit dem Mitgeben des Frühstücks erledigt. Und wer im wohlmeinendem Harmoniebedürfnis als Lehrer anderes erzählt macht es sich selbst erst mal ganz bequem, weil die Eltern natürlich gerne hören werden, dass die Schule in zukunft ein Rundum-Sorglos-Paket anbietet, er betreibt damit aber letztlich Augenwischerei, den die Kinder spätestens beim Wechsel an die weiterführende Schule ausbaden müssen.

  • Das Ausgangsproblem war:


    Zitat

    Ich erlebe täglich bei meinen eigenen Kindern, dass Dinge eingefordert werden, die sie zu leisten einfach nicht in der Lage sind. Sei es eine Buchvorstellung in der 2. Klasse bei meinem Sohn - der zum fraglichen Zeitpunkt noch gar nicht sinnerfassend lesen konnte - oder das Gestalten eines Plaktes oder das Einüben von Diktaten. Ich habe diese selbstverständliche Vereinnahmung seitens der Lehrer immer als unmöglich empfunden!

    Ich hebe noch einmal hervor:


    Zitat

    Ich habe diese selbstverständliche Vereinnahmung seitens der Lehrer immer als unmöglich empfunden!

    Ich hebe auch hervor: Es wurde das Wort "täglich" verwendet.


    Ja, es ist unbequem, Eltern mitteilen zu müssen, dass ihre Kinder auf der falschen Schulform sind. Andererseits weiß ich nicht, ob es Sinn macht, die Eltern zuhause die Plakate ihrer Kinder basteln zu lassen und dann zu ihnen zu sagen: Blöd, wenn Ihnen


    Zitat

    die Hausarbeiten ihrer Kinder komplett am Arsch vorbei gehen und sie nicht auf die Idee kommen für das nächste Diktat zu üben, weil sich auch Schwierigkeiten haben die Buchstaben im Buch durch den nachmittäglichen Vodka-Schleier zu erkennen.


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