Erziehungsmaßnahmen nach Gewalthandlung

  • Letzte Woche kamen drei Jungs aus meiner Klasse, zwei davon heulend, zu mir und gestanden, dass sich vor der ersten Stunde unter Zweien von ihnen auf dem Schulhof, von der Aufsicht wohl unbemerkt, eine Auseinandersetzung ereignet habe, bei der die Fäuste geflogen seien.
    Der Dritte ist jedoch nach einiger Zeit dazugekommen und hat beide voneinander getrennt.


    Habe dann alle drei gebeten nach der Stunde noch im Klassenraum zu bleiben, da ich gemerkt habe, dass sich keine weitere Eskaltation unter den Jungs anbahnte, so dass ich beide erst einmal voneinander räumlich hätte trennen müssen.


    Habe dann nach der Stunde den Konflikt mit ihnen aufarbeiten, und den Streit beilegen können mit außerordentlicher Ermahnung, sollte es noch einmal zu einer Prügelei kommen, das diese mit härteren Maßnahmen geahndet wird als nur mit einer Abschrift unserer Klassenregeln mit Unterzeichnung eines Elternteils und einem schriftlichen Bericht über die Abhandlung des Vorfalls.


    Ich habe von weiteren Maßnahmen abgesehen, da beide Kontrahenten äußerst kooperativ bei der Konfliktklärung waren und sich alle nach dem Konflikt bei mir gemeldet und die Schlägerei gemeldet haben (was sie sich ja auch hätten schenken können, durch die Tatsache, dass sie sich darüber im Klaren waren, dass Prügeln zu Konsequenzen für beide führt, wenn ein Lehrer davon Wind bekommt).


    Nun hab ich den Tag darauf in einer der Pausen einen Anruf von einer der Mütter der "Kämpfer" erhalten, darüber, warum sie über den Zwischenfall nicht unterrichtet wurde :telefon2:


    Nun ist meine Frage, wie die Rechtslage bezüglich Erzieherischer Maßnahmen nach Gewalthandlungen seitens der Schüler/innen nach dem Schulgesetz in NRW aussieht.
    Bin ich verpflichtet, die Eltern beider Kontrahenten direkt anzurufen, wenn zwei Schüler bereits nach einer Schlägerei zu mir kommen um den Konflikt aus der Welt zu schaffen? ?(


    Habe dazu im Internet zwar recherchiert, bin aber nur auf das thüringer Schulgesetz gestoßen, was erzieherische Maßnahmen auflistet, welche der Klassenlehrer nach einer Gewalthandlung von Schülern einsetzen kann, und welche auch vor den Ordnungsmaßnahmen der Schule verbindlich sind.


    Nun, hätte ich in diesem Fall, auch wenn ich die körperliche Auseinandersetzung weder gesehen, noch dort eingegriffen habe, die Erziehungsberechtigten umgehend nach dem "Geständnis" meines Schülers sich an einer Prügelei bteiligt zu haben, alamieren müssen, egal wie schwer ich die Lage in dem Moment empfinde?


    An unserer Schule werden die Erziehungsberechtigten in diesem Fall ausschließlich dann kontaktiert, um einen Unterichtsausschluss der Beteiligten am selben Tag des Missverhaltens durchzusetzen, was bei uns meist nur dann eintritt, wenn wir Lehrer gezwungen sind, in eine Schlägerei dazwischenzugehen und sich die Kontrahenten anchließend nicht emotional soweit herunterkühlen lassen, dass ein friedliches Auskommen auf dem Nachauseweg garantiert werden kann, und man die Schüler/innen dann von den Eltern, als Schutz vor weiteren Eskaltationen, vorzeitig abholen lässt, wenn dies denn möglich ist.


    Habe das in diesem Fall nicht als notwendig gesehen zu tun, da sich beide Schüler bereits wieder beruhigt hatten und ich die Eltern mittels eines Schreibens über den Vorfall in nächster Zeit noch unterrichtet hätte.


    Würde daher um Rat eurerseits bitten, ob dies denn tatsächlich meine Pflicht gewesen wäre und vielleicht auch um eigene Erfahrungen bitten, welche schulischen Erziehungsmaßnahmen eine optimale Prävention solcher Vorkommnisse in Zukunft besser vermeidet.


    ;) Danke euch im Voraus!

  • Ohne die genaue Gesetzeslage zu kennen, hast du aus meiner Sicht richtig reagiert.
    Viele Eltern können sich nicht den engmaschigen Tagesablauf eines Lehrers vorstellen.
    Wir haben nicht die Zeit, nach jedem Vorfall den persönlichen Informationsdienst für die Eltern zu spielen.
    Zumal der Streit ja offensichtlich beendet war und keiner sich eine ernsthafte Verletzung zugezogen hatte.
    Den Eltern fehlt oft das Vertrauen zu den Lehrern. Aber auch zu ihren Kindern.
    Die beiden Streithähne sind zu dir gekommen und haben um Hilfe gebeten.
    Das ist doch echt lobenswert, wenn die Schüler selber merken, wir kommen so nicht weiter und brauchen Unterstützung.
    Ich würde der Mutter sagen, dass du nicht die Notwendigkeit gesehen hast sie zu informieren, denn die Schüler waren einsichtig und der Streit war beendet. Lass dich da auf keine Diskussion ein.

    • Offizieller Beitrag

    ich finde es ganz toll und sehr kompetent, wie die Schüler mit ihrem Konflikt umgegangen sind.
    Vieles von dem, was die Kinder untereinander regeln, geht an den Eltern vorbei. Wenn damit der Konflikt für beide befriedigend aus der Welt ist, besteht keine Notwendigkeit, die Eltern im Nachgang zu informieren. So sollte Erwachsenwerden funktionieren.
    Das kann man den Eltern versuchen zu übermitteln.
    So sehe ich das, allerdings ohne Kenntnis von einer evtl. Gesetzeslage zu haben.

  • Natürlich musst du Eltern nicht über jeden Konflikt zwischen zwei Kindern sofort schriftlich informieren, schon gar nicht, wenn das lediglich eine ganz alltägliche Rangelei zwischen zwei Kindern war (und so wie du es schilderst war es ja nicht mehr - keiner war verletzt, kein klarer "Täter" und "Opfer", da beide gleichermaßen beteiligt waren, keine längerfristigen Probleme vorraussehbar, da der Konflikt nach einem Gespräch gelöst erscheint).


    Wenn sich die Eltern trotzdem beschweren, empfielt sich folgender Hinweis:
    Wenn ich Eltern schriftlich über disziplinarische Vorfälle informieren muss, weil sie mir so gravierend erscheinen, dass dies notwendig ist, geht grundsätzlich immer auch eine Kopie in die Schülerakte. Das würde ich jedem Kollegen empfehlen, schon um den Vorgang zu dokumentieren und etwas in der Hand zu haben, wenn das Problem weiter eskaliert und zusätzliche Erziehungs- oder Ordnungsmaßnahmen notwendig werden. (Außerdem macht der Satz im Schreiben "Weiterhin möchte ich Sie darüber informieren, dass eine Kopie dieser Mitteilung in der Schülerakte verbleibt." gerade bei Disziplinarfällen einen gewissen Eindruck.)
    Es ist also durchaus im Interesse der Eltern, wenn nicht jeder Kleinkram immer sofort schriftlich und damit formal registriert wird.

  • Gute Güte, kleine Jungs kloppen sich nun einmal ab und an. Darauf ist vor Ort pädagogisch reagiert worden, das ist auch ganz richtig so, und jetzt ist die Sache geklärt. Was stellen sich die Mütter denn da schon wieder so an?


    Nele

    • Offizieller Beitrag

    Letzte Woche kamen drei Jungs aus meiner Klasse, zwei davon heulend, zu mir und gestanden, dass sich vor der ersten Stunde unter Zweien von ihnen auf dem Schulhof, von der Aufsicht wohl unbemerkt, eine Auseinandersetzung ereignet habe, bei der die Fäuste geflogen seien.


    Was ich nicht verstehe ist, warum die denn dann überhaupt gemeinsam (!!!) zu dir gekommen sind. Wieso haben die das gestanden? Hatten die Angst, sie seien doch beobachtet worden und würden jetzt bestraft? Irgendwie macht das für mich gar keinen Sinn: Erst streiten sie sich bis die Fäuste fliegen, dann sind sie sich aber so einig, zusammen um Sanktionen zu betteln? ?(

  • Was ich nicht verstehe ist, warum die denn dann überhaupt gemeinsam (!!!) zu dir gekommen sind. Wieso haben die das gestanden? Hatten die Angst, sie seien doch beobachtet worden und würden jetzt bestraft? Irgendwie macht das für mich gar keinen Sinn: Erst streiten sie sich bis die Fäuste fliegen, dann sind sie sich aber so einig, zusammen um Sanktionen zu betteln? ?(

    Genau dasselbe habe ich mich auch gefragt!
    Bei uns in der Grundschule war es immer so, dass wir uns eigentlich nur an die Lehrkraft gewandt haben, wenn einer von seinem Kontrahenten verkloppt wurde. (Also beide streiten, der Stärkere wird handgreiflich und vekloppt den Schwächeren). Oder, wenn jemand ersthaft verletzt war. (Ist zum Glück fast nie vorgekommen)


    Wenn beide allerdings sich gleichwertig geprügelt / geschlägert haben, dann hat man sich danach vertragen (oder auch erstmal net mehr miteinander geredet), aber den Vorfall schön für sich behalten.
    Wir haben auch tunlichst darauf geachtet unsere Konflikte auf Teilen des Schulhofs auszutragen, die nicht einsichtig waren, weil beide da kein Interesse daran hatten, dass sich eine Lehrkraft einmischt.


    Auch, dass eine Mutter da nun anruft bedeutet ja, dass das Kind zuhause die Geschichte nochmal erzählt hat. Das habe ich als Kind eigentlich vermieden, es sei denn, man wurde eben von einem Stärkeren bedroht, der einen einfach nicht in Frieden ließ obwohl man ihm aus dem Weg gehen wollte.
    Aber bei einem Streit, der bei eigener Beteiligung eskaliert und man sich dann schlägert, hätte ich zuhause nichts erzählt. Leichte Blessuren habe ich dann als "habe zu doll rumgetobt, Mama" abgetan.
    Ist ihr meistens aber eh nicht aufgefallen, weil man als kleiner Fußballer eh ständig blaue Flecken und kleinere Schürfwunden hatte.


    Interessant, wie unterschiedlich das gehandhabt wird. Ist aber doch auch gar nicht so schlecht gelaufen, die Schüler hatten anscheinend irgendwie ein schlechtes Gewissen, von dem sie sich Luft machen wollten und jetzt ist die Sache geklärt.
    Mit dem Hinweis, dass sie in Zukunft doch bitte nicht mehr handgreiflich werden sollten zur Lösung ihrer Konflikte ist es gut. No big deal.
    Und was die Mutter angeht. Manche Mütter sind eben sehr behütend, da ist so eine kleine Prügelei schon mal bedrohlich. Am besten einfach beruhigen, dass beide sich wieder verstehen und, dass nichts weiter passiert ist. Habe den Eindruck manche Mütter wollen einfach immer beruhigt werden, dass auch alles in Ordnung ist. Das ist bei manchen Müttern der Fußballjugend die ich betreue auch so.

  • Danke für eure Antworten! Dann fühl ich mich jetzt auch mehrfach bestätigt da nicht untertrieben zu haben.
    Hab da mit einem Kollegen mit dem ich mich persönlich ganz gut verstehe, der aber nicht mehr an der Schule arbeitet, auch noch mal drüber gesprochen und der sagte, dass das an den Schulen an denen der bisher unterrichtet hat, auch keine Pflicht war die Eltern zu kontaktieren, wenn es nicht ernsthaft gravierend war.


    Zu Silicium's und Trantor's Frage, die Jungs hatten trotz der Beendigung der Handgreiflichkeit, die ja auch mehr durch den dritten Burschen erfolgt ist, als durch die Beteiliften selbst, immer noch Stress und wollten zusammen mit mir Wege zur Konfliktlösung besprechen, die wir dann ja letztendlich auch gefunden haben und die beiden haben sich nun auch wieder vertragen.


    Ich gebe Silicium aber Recht, in dem Punkt, dass gleichwertige Prügeleien damals zu meiner Grundschulzeit auch eher ohne Klärung mit einer Lehrkraft erfolgt sind, weil man selbst bemüht war, wenn es dann mal zu so einem krassen Streit kam, das möglichst untereinander auszumachen, was aber auch nicht immer klappte :D


    Sehe so Spaßkabbeleien und kleinere Raufereien unter Jungs im Grundschulalter allerdings auch nicht als so dramatisch an wie einige meiner Kollegen. Gehe natürlich auch dazwischen, wenn ich dann mal zwei dabei erwische, wo es schon nicht mehr ganz so nach Spaß aussieht, aber versuche dann auch her durch Vermittlung, als durch Strafen das Ganze zu klären.

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