Wiederholung des ersten Schuljahres - rechtliche Absicherung

    • Offizieller Beitrag

    Ich hoffe, es kann mir jemand spontan weiter helfen.
    Das Problem: mehrere Kinder im ersten Schuljahr, die bereits jetzt überhaupt nicht mehr mitarbeiten können. Sie kennen/erkennen die Zahlen/Ziffern/Mengen bis 10 und die eingeführten Buchstaben/Laute kaum bzw. gar nicht. Hinzu kommen erhebliche Wahrnehmungsschwierigkeiten und eine absolut mangelnde Schreibmotorik. Vom emotionalen/sozialen Entwicklungsstand mag ich gar nicht sprechen. Natürlich haben fast alle Eltern, die sich so gut wie gar nicht kümmern oder aber selbst nicht in der Lage sind, ihre Kinder zu unterstützen. Das Jugendamt ist in einigen Familien schon tätig.
    Es macht nun überhaupt keinen Sinn, diesen Kindern weiterhin, das (differenzierte) Material zu den aktuellen Mathe-/Deutsch-Inhalten zu geben. Der Frust ist sehr sehr groß. Vom Schulamt gab es die Anweisung, im ersten Schuljahr noch keinen Antrag auf sonderpädagogische Förderung zu stellen. In der letzten Änderung zur AO-GS lese ich nun erschreckenderweise:


    "VV 7.3 zu Absatz 3
    Der Beschluss, dass eine Schülerin oder ein Schüler ein drittes Jahr in der Schuleingangsphase verbleibt, soll nicht vor
    dem zweiten Halbjahr des zweiten Schulbesuchsjahrs getroffen werden."


    Selbst wenn ich diese Kinder bis ins zweite Schuljahr 'schleppe', kann ich doch dann frühestens im ersten Halbjahr die Eltern um einen freiwilligen Rücktritt bitten bzw. dann ein AO-SF einleiten. Das ist Wahnsinn! Was mache ich jetzt mit den armen Würmchen?
    Die Vernunft sagt mir, dass ich diese Kinder aus dem normalen Programm herausnehmen und ihnen Vorschulmaterial geben muss. Dann könnten sie im nächsten Sommer mit den dann hoffentlich vorhandenen Basiskompetenzen neu ins erste Schuljahr starten. Aber: darf ich das - mit oder ohne Elternwille?


    Edit: In NRW gibt es keinen Schulkindergarten mehr!

  • Wir haben 4 Kinder in der jetzigen 2, bei denen es ähnlich ist. Rücktritt ist noch nicht möglich. Wir haben das Glück, dass eine Sozialpädagogin (die, die früher den Schulkindergarten gemacht hat) diese Kinder in einer Basisgruppe in den Fächern Deutsch und Mathe fördert. Das heißt die Stundenpläne unserer 2er sind so organisiert, dass alle in den gleichen Stunden Deutsch und Mathe haben und in diesen Stunden werden die Kinder dann rausgezogen und in der Kleingruppe gefördert. Diese Maßnahme läuft seit Beginn des Schuljahres und man merkt bei den Kindern schon tolle Erfolge.


    AO-GS sagt eigentlich ganz klar, dass ein Rücktritt nach dem 1. Schuljahr nicht möglich ist. Es gibt aber Schulen, die handhaben das etwas freizügiger...

  • An unserer Schule wird es ähnlich gehandhabt wie bei Katja. Wir haben eine Sozialpädagogin, vormals im Schulkindergarten tätig. Sie nimmt Kinder raus und fördert individuell, quasi wie beim Lernstudio.


    Selbst wenn es offiziell so ist, dass der Beschluss für die dreijährige Schuleingangsphase erst im zweiten Schuljahr getroffen werden soll, habe ich bei glasklaren Fällen die Eltern schon über diese Möglichkeit informiert.


    Und ja: du darfst die Kinder aus dem normalen Programm rausnehmen. Du musst es sogar, weil du individuell fördern sollst. (individueller Förderplan) Es bringt nämlich für diese Kinder gar nichts, Dinge machen zu müssen, die sie nicht leisten können.

  • Ich habe wegen eines ähnlichen Falls mit dem Rechtsexperten unseres Schulamtes gesprochen,
    Da es mir auch nicht sinnvoll erschien, ein Kind wider besseres Wissen mitzuschleifen, bis dann endlich der rechtlich richtige Zeitpunkt zum Rücktritt da ist.
    Er war sehr hilfsbereit und und meinte, dass der ausdrückliche Elternwille über allem stehe. Sollten also die Eltern vorzeitig einen Antrag auf Rücksetzung stellen und ausreichend schriftlich begründen, müsse das dann in Ordnung sein.

  • Zunächst mal würde ich sagen: höre auf dein Vernunft! Ich kenne zwar die Gesetzestexte von NRW nicht, aber ich vermute doch mal ganz stark, dass auch da irgendwo steht, dass du als Lehrer verpflichtet bist, die Kinder entsprechend ihren Lernvoraussetzungen individuell zu fördern. Und wenn das für deine Schüler bedeutet, dass sie Vorschulübungen brauchen, dann ist das halt so. In Berlin mussten wir ja bis vor kurzem alle jahrgangsgemischt unterrichten und da war es ganz selbstverständlich so: bei Kindern, die dem Stoff der ersten Klasse noch nicht gewachsen waren, haben wir von Anfang an den Druck rausgenommen und sie in ihrem Tempo weiterlernen lassen, im zweiten Lernjahr konnten sie dann mit den neuen Ersties meist gut mithalten,bzw. waren teilweise schon etwas weiter. Jetzt haben wir dieses Jahr erstmals wieder jahrgangshomogene Gruppen und stehen genau vor demselben Problem wie du jetzt: was machen mit den ganz Schwachen, bei denen schon im ersten Jahr klar ist, dass sie drei Jahre brauchen werden? Die Gesetzelage ist in Berlin da genau wie in NRW: Entscheidung über ein drittes Jahr SaPh erst im zweiten Jahr, also auch keine Rückstellung nach Klasse 1. Ich persönlich finde das ehrlich gesagt gar nicht so problematisch. Nach drei Jahren Jahrgangsmischung bin ich es jetzt so gewohnt, dass die Kinder auf unterschiedlichen Leveln sind, dass ich keinerlei "Skrupel" habe, die Schwachen auch weiterhin langsamer lernen zu lassen. Sie müssen dann zwar nach Klasse zwei in eine andere Lerngruppe (wir versuchen das mit Partnerklassen"schonend" hinzukriegen) aber sie haben ein Anrecht auf drei Jahre! Das bedeutet, dass sie für den Stoff von zwei jahren drei Jahre zur Verfügung haben und natürlich langsamer lernen dürfen! Es kann nicht der Sinn der Sache sein, die Kinder ein Jahr lang heillos zu überfordern um dann nach einem Jahr zu sagen: so und jetzt machst du alles nochmal von vorne...Was sollen sie denn an Aufgaben lernen, die sie gar nicht lösen können, außer dass sie offenbar "zu dumm" sind ???? Da tötet man doch jegliches Selbstvertrauen und jegliche Lernmotivation ab. Und gerade die schwachen Kinder brauchen davon so viel wie irgend möglich! Im Zweifel ist für mich eigentlich auch immer klar: ich fühle mich den Kindern verpflichtet und nicht irgendwelchen abstrakten Gesetzestexten (die man in diesm Fall ohnehin so und so auslegen kann).
    Ach, und zu den Eltern: wir sagen den Eltern in eindeutigen Fällen natürlich auch schon im ersten Schuljahr, dass sie sich "seelisch" schon mal auf drei Jahre einstellen sollen, legen uns aber noch nicht fest und treffen also auch noch keine Entscheidung.

    "Die Wahrheit ist ein Zitronenbaiser!" Freitag O'Leary

  • Hallo,
    Bei uns ist es kein Problem, dass die Kinder das 1. Schuljahr noch einmal machen. Die Eltern müssen nur informiert werden und zustimmen. Die meisten tun das. mt.
    Du darfst ein AOSF auch für Schulanfänger stellen, allerdings ist dann die Zustimmung der Eltern zwingend erforderlich (habe ich gerade gemacht, es geht).
    Du MUSST diesen Kindern vorschulische Aufgaben geben, da du ja individuell fördern musst (Förderplan vorlegen etc.)
    Ich arbeite inzwischen sehr, sehr differenziert und individuell, da die Schere so weit auseinanderklafft. Jedes Kind hat eine Förder-/Fordermappe. Darin sind zusammengestellte Hefte mit entsprechenden Übungsmaterialien. Zum Teil lege ich auch nur einen Zettel herein "Nutze Freiarbeitsmaterial so und so." Außerdem lasse ich die Buchstaben mit einem Buchstabenweg a la zaubereinmaleins arbeiten. Diesen differenziere ich nocheinmal in 3 Stufen mit verschiedenen Aufgabentypen. In Mathe gelingt mir das nicht so gut so differenziert. Ich bemühe mich aber auch hier.
    Informiere die Eltern über Probleme, erkundige dich bei den Kindergärten nach Vorarbeit, vermittler an Logopäden, Ergotherapeuten etc., beauftrage Eltern , zu Hause konkret zu üben (Halli Galli spielen, Würfelspiele, Bilderbücher lesen...). Hole dir selbst Unterstützung durch den schulpsychologischen Dienst zum Umgang und zur Förderung von speziellen Kindern!!! (ist auch ohne Zustimmung der Eltern möglich).
    Ich finde das alles ist unglaublich viel Arbeit und bin teilweise wirklich ausgelaugt. Wie können solche notwendigen Basiskompetenzen fehlen? Leider habe ich festgestellt, dass viele Erzieherinnen (nicht alle) wegschauen und selbst gar nicht genug ausgebildet sind, um Eltern zu beraten und Kinder zu fördern.
    Alema

    • Offizieller Beitrag

    Danke für die vielen Antworten und Tipps! Ich bin im Moment so überarbeitet, dass ich den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr sehe. Als wir noch die jahrgangsgemischte Eingangsstufe hatten, habe ich natürlich ohne Probleme sehr differenziert gearbeitet. Nun fällt mir das in der jahrgangsbezogenen Klasse wieder sehr schwer. Diese Kinder müssen ja nächstes Jahr raus aus der Klasse, wenn sie das 1. Sj wiederholen und das alleine finde ich schon heftig.
    Die vergangene Woche habe ich mit Elterngesprächen bzw. den Versuchen zu solchen verbracht. Die für uns zuständige Sozialpädagogin aus dem aufgelösten Schulkindergarten ist im Ruhestand und es wurde keine Nachfolgerin eingestellt ... Ich werde diesbezüglich eine Anfrage ans Schulamt stellen. Ich habe noch nie eine Sozialpädagogin an einer Grundschule erlebt.
    Nun bin ich auf der Suche nach Vorschulmaterial. Ich habe definitiv während des Unterrichts nicht mehr Zeit als normal, mich neben eines dieser schwachen Kinder zu setzen. Deshalb bin ich auf Material angewiesen, das überwiegend selbständig bearbeitet werden kann. Es gab mal für Vorschulkinder eine Mappe mit Aufgaben zum Ausschneiden, Bilder ordnen etc. Kennt die jemand? Ich bin schon alle Verlagsseiten durchgegangen und kann sie nicht finden. Also: nächster Termin - Materialaustausch mit der KiTa meines Vertrauens. Ich sollte vielleicht doch nicht die sonderpäd. Zusatzquali machen, sondern noch ne Ausbildung als Erzieherin ...

  • Hallo,
    ich habe mir solche Mappen auch selbst zusammengestellt und bin dort fündig geworden:
    http://vs-material.wegerer.at/inhalt01.html (Bereich Förderschule und Vorschule).
    Außerdem gibt es eigentlich zu fast allen Lehrwerken (Mathe und Deutsch) inzwischen Vorkurse. Ich habe den Eltern empfohlen, diese für die Schule anzuschaffen. Das haben auch alle gemacht. Diese Heftchen sind eigentlich auch ganz gut verständlich und zum selbstständigen Durcharbeiten geeignet.
    LG Alema

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