Schule quo vadis - Beyond Medienkompetenz

  • Felix Schaumburg (Gesamtschullehrer: Sozialwissenschaften + Chemie), Andre J. Spang (Gymnasiallehrer: Musik + Religion), Lisa Rosa (Lehramtsausbilderin) und Gunter Dueck (ehemal. IBM-Manager und Philosoph) in einer Diskussion darüber, wie Schule und Bildung in der digitalen Schule wird aussehen können. Die Diskussion fand auf der re:publica 2011 in Berlin statt.


    Erwähnt wird in der Diskussion die XY-Theorie. Bei Google fand ich hier eine zusammenfassende Erläuterung: Schlechte Menschen – gute Menschen: die X-Y-Theorie


    Und hier die Diskussion: http://www.youtube.com/watch?v=BfP3iDL-Vyw

  • Ich habe jetzt nur den letzen Link gelesen, weil ich nicht so gerne lange Youtube-Filme mit Diskussionen ansehe. Meine Meinung dazu: ich bin Dichotomien gegenüber grundsätzlich sehr skeptisch. Aller Erfahrung nach sind sie holzschnittartige Vereinfachungen, die weder den Subtilitäten einer Sache gerecht werden noch ihrer Dynamik. Bei einer so komplexen Frage wie der nach dem Selbstbild von Individuen in einer sich verändernden wirtschaftlichen und kulturellen Situation ist eine solche Reduktion auf "Grundtypen" mit Sicherheit übervereinfachend.


    Nur als ein kurzer Einwurf um das zu verdeutlichen: Personalführungsstrategien, die das Wohlbefinden und die Individualität der Mitarbeiter in die Betrachtung miteinbeziehen, sind erst seit Ende der 80er Jahre aufgekommen - zu einer Zeit als der Abbau der Propsperität nicht mehr zu übersehen war!


    Nele

  • Nur zur Info: Dueck erklärt an anderer Stelle, dass es mit Sicherheit Zwischenstufen zwischen X und Y gibt.


    Um X und Y geht es aber in der Diskussion auch nur am Rande!

  • In den ersten 15 Minuten fallen folgende Begriffe, die beschreiben sollen, was (und wie) ein moderner Lehrer zu sein hat: Coach, Facilitator, Navigator, Manager...


    Soll man das wirklich ernst nehmen?

  • Nur zur Info: Dueck erklärt an anderer Stelle, dass es mit Sicherheit Zwischenstufen zwischen X und Y gibt.

    Und damit ist der empirische Gehalt dieser Theorie gleich null. Dass es unterschiedliche Menschen gibt, war mir auch vorher bekannt...

  • Zitat

    In den ersten 15 Minuten fallen folgende Begriffe, die beschreiben sollen, was (und wie) ein moderner Lehrer zu sein hat: Coach, Facilitator, Navigator, Manager...


    Natürlich nicht. Wie können die 4 so etwas auch nur denken! Sie sollten sich was schämen! :autsch::autsch:
    Da bist du natürlich schon viel weiter.

  • Nein, ich mache schlichtweg meinen Job.


    Wann war Hr. Dueck eigentlich das letzte Mal in einem Klassenraum (also vom Elternabend seiner Kinder abgesehen)? Er beschreibt Schule so, wie selbst ich sie nicht mehr als Schüler erlebt habe...

  • Zitat

    Nein, ich mache schlichtweg meinen Job.


    Dann bist du aber auch nicht die Zielgruppe der Diskussion. Hier geht es vielmehr darum, wie in einer digital vernetzten Schule, dein Job aussehen könnte.

    • Offizieller Beitrag
    Zitat

    Wann war Hr. Dueck eigentlich das letzte Mal in einem Klassenraum (also vom Elternabend seiner Kinder abgesehen)? Er beschreibt Schule so, wie selbst ich sie nicht mehr als Schüler erlebt habe...

    Wie die meisten Bildungs"experten"...


    Ganz interessant: ein paar PoWi und Ethiklehrer bei uns haben eine Gruppe von etwa 60 Schülern Duecks Vorträge dazu gucken und bewerten lassen - frei von Vorbewertung und/oder Vorgesprächen. Über 90% kamen zu dem Ergebnis, seine Vorstellung von Schule habe mit dem, was sie erleben, kaum was zu tun und dewegen seien seine Ideen zwar "nett, aber am Thema vorbei", die anderen 8 % gaben an, sie könnten das nicht beurteilen, da es nicht ihre Erfahrungen spiegelt, 2% gaben ihm recht. Und dann stiegen sie in eine sehr differenzierte Diskussion über Bildung und was Bidung soll, über Sinn und Unsinn von bestimmten Inhalten, über Kompetenzen und Scheinkompetenzen, über den Grad wünschenswerter Orientierung von Schule an Wirtschaft usw ein, die sie in einem Thesenpapier in unserem internen newsletter veröffentlichen. Ich würde zu jedem Zeitpunkt unsere Schüler gegen den Herrn austauschen, wenn es um Bildungsexpertise geht.


    Wobei bei der oben verlinkten Diskussion auch viel Richtiges gesagt wurde - zum Beispiel, dass bei wachsendem Verständnis von Schule als Verwaltungsapparat die Pädagogik zu kurz kommt und nur stört. Was ja nun aktiv von den KuMis betrieben wird - und bei Ausbildung von angehenden Schulleitern in rein betriebswirtschaftlich ausgerichteten Assessment Centern (oft von Unternehmensberatern geleitet) - wird die Pädagogik in der Tat zum Störfaktor. Zentrale Verwaltung, zentral gesteuerte software, Inspektionen mit nicht auf einzelne Schulen passenden Kriterien, Messungen von Vergleichsprüfungen, Abirankings werden den Schulen aufgedrückt, die Klassen werden größer ... und dazwischen scheint plötzlich das Stichwort "individualisierter Unterricht" auf. Ein Witz.


    NAtürlich ist es auch richtig, dass die Idee von Lernen heutzutage nicht mehr nur noch auf "(Papier)Texte lesen und kapieren" und (auf Papier) schreiben liegen kann. Und natürlich ist es richtig, dass lernpsychologische, neurobiologische Erkenntnisse einbezogen und Kulturtechniken des 21.JHdt (kritisch) erlernt werden müssen.
    Und ja, das muss auch in und mit digitalen Medien geschehen.


    Nur: den Schulen vorzuwerfen, sie hätten "die Haltung", dieses alles zu ignorieren und würden auf prä-Jahrhundertwende-Bildungsidealen bestehen, ist eine Frechheit. Man möge doch bitte erstmal den Schulen Klassenräume so ausstatten, dass die oben genannten Erkenntnisse rein technisch überhaupt erstmal zur Kenntnis genommen werden können !!


    Das Internet als Allheilmittel aller Krankheiten der Gesellschaft und der Schule zu sehen ist naiv. Aber Schule als rückständig zu kritisieren und gleichzeitig dermaßen unterirdisch schlecht auszustatten ist eine echte Unverschämtheit. Derzeit dürfen wir ja noch nicht mal Unterrichtsmaterialien in ausreichendem Umfang in online-Lernplattformen einstellen ohne uns strafbar zu machen!! Da lass ich mir echt nicht von einem Herrn Dueck erzählen, ich würde das internet "als böse" deklarieren und mich nur mit Papierformaten (am besten Matritzenvorlagen aus den 70igern) wohl fühlen. So als typischer Steinzeitpädagoge.


    Wo sind meine 25 laptops pro Kurs - wo ist die Schule, die nicht zwangsweise am unzuverlässigen und restriktiven pädagogischen Netz der Stadt hängt (statt eigenes Wlan zu haben) und zentral gewartet wird (also 3-8 Wochen später als gewünscht)? Wenn man uns Lehrer und Schüler medienmündig haben will, stelle man uns doch bitte zunächst die Hardware. Das pädagogische machen wir dann schon, da sind wir nämlich Profis.

    WE are the music-makers, and we are the dreamers of dreams,
    World-losers and world-forsakers on whom the pale moon gleams
    yet we are the movers and shakers of the world for ever, it seems.

    3 Mal editiert, zuletzt von Meike. ()

  • Zitat

    und dazwischen scheint plötzlich das Stichwort "individualisierter Unterricht" auf. Ein Witz.


    Das ist an den weiterführenden Schulen solange nicht möglich, wie es noch die 45-Minuten-Stunden gibt. Das Klassenlehrerprinzip in der Grundschule und die längeren Stunden (in mir bekannten Schulen bis zu 120 Minuten!) ermöglichen erst, dass man sich vertiefend mit einzelnen Schülern bzw. Schülergruppen lehrergesteuert beschäftigt.


  • Das ist an den weiterführenden Schulen solange nicht möglich, wie es noch die 45-Minuten-Stunden gibt.


    Hier stimme ich zu. An unserer Schule haben wir Blöcke von 90min, ich finde, das ist ein guter Rhythmus. Mir wäre eine 45min Stunde zu hektisch.


    Nele

    • Offizieller Beitrag

    ICh arbeite an einer reinen Oberstufe, wo alles auf Leisten liegt - da gibt es auch keien Einzelstunden. Ich finde das zwar besser als 45 Minuten, wo man keine einzigen Gedanken zuende bringen kann, es ändert aber auch nix an einer Gesamtmisere, die zunächst mit miserabler Ausstattung zusammenhängt.


    Ich kann mich auch immer diesen ganzen "Gesamtschule/dreigliedrig/sonstwas - ist die heilige Lösung"-Debatten/Ideologien nicht anschließen. Ich glaube, eine gut ausgestattete Schule mit gut bezahltem Personal und breitem internen und externemn Unterstützungsnetzwerk, solidem Budget, pädagogisch und organisatorisch gut geschulter Leitung, flachen Hierarchien, demokratischen Strukturen und 110-115% Personaldecke ist eine gute Schule oder kann eine werden, und zwar egal in welchem Gesamtsystem oder welcher Schulform. Alle Billiglösungen aller Regierungen unter allen pädagogischen Billigtiteln misstraue ich. Davon hatten wir schon so viele, dass mittlerweile empirisch nachgewisen ist, dass man guter Bildung halt gutes Geld nachwerfen muss, sonst wird das nix.


    Und eine der vielen Billiglösungsansätze ist: wir müssen den Unterricht nur digitalisieren und dann können wir auch in Klassen mit 40 alles erreichen, wovon wir bisher nur träumen, sollen sich die Lehrer/Schulen halt mal was ausdenken. Ich bin weiß Gott kein Technikfeind - eher ein Fan und intensiver Nutzer, auch im Unterricht :) - aber ich weiß auch um den Wert eines ein-zwei-Stündigen Beratungsgesprächs mit einem Schüler, um die große Wirkung guter, intensiver Tutorenarbeit mit echtem zwischenmenschlichen Kontakt (und damit meine ich ruhige Gespräche am Tisch, nicht emails oder instant messages ...). Und ich weiß um die hohe Wirkung von guter kollegialer Zusamenarbeit und Koordination, zu welchem Zwecke man vor allem Zeit und Ruhe für echte Gespräche haben muss - und nicht noch einen Materialpool (wobei ich NIX gegen Materialpools habe!). Vieles lässt sich einfach nicht wirklich digitalisieren.

  • Abgesehen davon wird an den Entscheidungsstellen - aufgrund mangelnden Technikverständnisses? - immer davon ausgegangen, dass sich digitale Unterrichtsmaterialien so einfach aus dem Handgelenk erstellen lassen und in Wartung und Pflege dann nichts mehr kosten. Wieviele Arbeitsstunden da hineingehen müssen bis etwas brauchbares dasteht, und wieviel technisches Expertenwissen dazu tatsächlich notwendig ist, wird in der Regel völlig unterschätzt. "Kosten - keine".


    Nele

  • Zitat

    Und eine der vielen Billiglösungsansätze ist: wir müssen den Unterricht nur digitalisieren und dann können wir auch in Klassen mit 40 alles erreichen, wovon wir bisher nur träumen,


    Das hat in dem verlinkten Video niemand behauptet - zumal es alles andere als billig wäre, eine Schule vollständig "auf digital" umzustellen.

    • Offizieller Beitrag


    Das ist an den weiterführenden Schulen solange nicht möglich, wie es noch die 45-Minuten-Stunden gibt. Das Klassenlehrerprinzip in der Grundschule und die längeren Stunden (in mir bekannten Schulen bis zu 120 Minuten!) ermöglichen erst, dass man sich vertiefend mit einzelnen Schülern bzw. Schülergruppen lehrergesteuert beschäftigt.

    In den meisten weiterführenden Schulen, die ich kenne, wurden die 45-Minuten-Stunden abgeschafft und auf ca. 60 oder 90 Minuten verlängert (was übrigens in den meisten Fällen eine prima Sache ist, für den Anfangsunterricht in den Fremdsprachen aber äußerst ungünstig, da man so die Fremdsprachen nicht regelmäßig genug hat).


    Wie kommst du eigentlich in so vielen Threads zu dieser Schwarz-Weiß-Malerei?

    • Offizieller Beitrag


    Das hat in dem verlinkten Video niemand behauptet - zumal es alles andere als billig wäre, eine Schule vollständig "auf digital" umzustellen.


    U.a. wird in dem video behauptet, es käme nicht auf die Klassengröße an - bei kleinen Klassen sei man halt coach und bei großen Klassen müsse man dann halt zum facilitator werden. Whatever the hell that is supposed to be! Hohles Geschwätz!! Sowas regt mich auf. Hauptsache mal'n Begriff in den Raum geworfen. Und das war nicht die einzige Stelle, wo irgendwelcher unternehmensberaterischer Anglizismen-Zinnober über Schule gestülpt werden soll. Meist funktioniert der Scheiß auch in Unternehmen nicht.

    • Offizieller Beitrag

    Perhaps something like a facility manager?


    Nele


    Die sollte man aber nicht unterschätzen...
    [Blockierte Grafik: http://www.sims3forum.de/members/scrubs_forever-albums-scrubs-picture4280-hausmeister.jpg]

  • Zitat

    U.a. wird in dem video behauptet, es käme nicht auf die Klassengröße an - bei kleinen Klassen sei man halt coach und bei großen Klassen müsse man dann halt zum facilitator werden. Whatever the hell that is supposed to be! Hohles Geschwätz!! Sowas regt mich auf.


    Von 40 Personen spricht Dueck im Zusammenhang von Unternehmen. Vom Facilitator spricht er an keiner Stelle. Und trotzdem hat Dueck recht: In kleineren Klassen kannst du dich anders den Schülern widmen als in größeren. Das sollte doch eigentlich selbsterklärend sein.
    Du scheinst aber ohnehin auf Dueck eingeschossen zu sein. Ich bin hingegen immer dankbar, wenn kompetente Personen aus anderen Lebensbereichen ihre alternative Perspektive auf Schule werfen. Es bleibt immer noch mir überlassen, inwieweit ich vorgebrachte Beschreibungen oder Argumente als Denkanstoß annehme oder es als "hohles Geschwätz" abtue. Ich fühle mich im Gegensatz zu dir auch nicht angegriffen. Ich glaube nämlich nicht mehr daran, dass sich Schule ohne Impulse von außen ausschließlich von innen weiterentwickeln wird. Da muss ich nur auf meinen bekannten Lehrerinnen- und Lehrerkreis werfen. Viele sind einfach nur frustriert und sehnen sich dem Wochenende, den Ferien oder der Rente entgegen. Ein ähnliches Gefühl macht sich hier ja auch bei manchem breit.

    • Offizieller Beitrag
    Zitat

    Es bleibt immer noch mir überlassen, inwieweit ich vorgebrachte Beschreibungen oder Argumente als Denkanstoß annehme oder es als "hohles Geschwätz" abtue.


    Dann ist es doch gut. Wenn es immer noch dir (also auch mir, also auch Meike) überlassen bleibt, was du / ich / sie als hohler Geschwätz abtust / abtue / abtut, warum kritisiert du Meike dann dafür, dass sie es als "hohles Geschwätz" abtut?


    *kopfkratz*


    kl. gr. frosch

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