Bewerbung für Stelle an Realschule trotz Grundschulausbildung

  • An für sich ja keine Seltenheit, dass ausgebildete Grundschullehrer ihr Glück an Realschulen versuchen, besonders wenn man Mathe und Physik wie ich studiert hat...
    Die Frage, die ich mir hierbei allerdings stelle: Wie kann ich da in einem Auswahlgespräch überzeugen? Säße ich in der Auswahlkommission, würde ich die Einstellung einer Grundschullehrerin äußerst kritisch hinterfragen, schließlich sind die Konzepte und auch viele Schwerpunkte in den Prinzipien einer zeitgemäßen Schularbeit ja völlig anders.
    Ich würde jetzt auch nicht behaupten, den Lehrplan wie meine Westentasche zu kennen...


    Gitb es hier Lehrer, die da Erfahrungen gemacht haben? Wie bereitet man sich für einen solchen Systemwechsel vor? Ich könnte es mir schon vorstellen, bin aber ziemlich verunsichert, weil mir die darauf abgestimmte zweijährige didaktische Ausbildung fehlt...


    Danke im Voraus,
    Lg*

  • Liebe Cheryl,


    bei uns in Ba-Wü sind wir (noch) Grund-und Hauptschullehrer. Da stört es eine Realschule nicht, dass du eine andere Ausbildung hast. Ich hatte mal ein Vorstellungsgespräch an einer Realschule und wäre auch genommen worden.
    Wieso willst Du die GS-Lehrer hinterfragen? Überlege dir doch wie du deine Qualitäten aus der GS in der Realschule sinnvoll einsetzen kannst. Dann weiß die Schule warum sie einen GS-Lehrer einsetzen sollte!

  • Hallo,


    ich bin auch ausgebildete Grundschullehrerin und jetzt seit 4 Jahren an einer Hauptschule. Ich habe nicht die Erfahrung gemacht, dass ich deshalb "schlechter" angesehen war oder bin als andere Kollegen. Am Anfang war es eine echte Umstellung, aber so sehr unterscheiden sich die Methoden und Anforderungen an den Unterricht m. E. auch nicht. Fachlich muss man sich am Anfang extrem einarbeiten - aber das empfand ich auch als ein Vorteil. Da ich selber viele Dinge erst wieder "lernen" musste fiel es mir leichter, etwaige Probleme auf Schülerseite zu erkennen. Und so geht es vielen meiner Kollegen, die eigentlich GS-Lehrer sind und nun an der weiterführenden Schule arbeiten. Und wer verlangt, dass du den Lehrplan jetzt schon kennen musst? Man kann sich dort einlesen wenn es soweit ist!


    Im Auswahlgespräch habe ich auch die Dinge erwähnt, die mir an der GS wichtig waren: individuelle Förderung, Anleitung zum selbstständigen Lernen etc. Und die Frage, weshalb ich jetzt an einer HS arbeiten möchte, habe ich ehrlich beantwortet: ich wollte selber Sicherheit und außerdem habe ich schon in der GS gemerkt, dass mit dort die höheren Jahrgänge mehr liegen.


    Viel Glück!

  • Hallo,
    ich glaube bei deinen Fächern sind die Schule froh überhaupt ausgebildete Lehrer zu bekommen. Ich sehe das auch wie flecki, du machst dir zu viele unnötige Sorgen. Die GS Ausbildung ist gut. Ich war 2 Jahre an einer Gesamtschule, da waren GS Lehrer als Fachlehrer und als Sonderpädagogen tätig. Man kann sich einarbeiten! Den Lehrplan kannst du dir im Internet anschauen, wenn du dich dann sicherer fühlst.
    Viel Glück M.

  • Jaja, das Ganze man immer schön einfach und mit rosaroter Brille betrachten, genauso als wenn man dem Allgemeinmediziner die Fähigkeit unterstellen würde, dass er auch als Zahnarzt tätig sein könnte, wenn er es nur wollte !


    Ich würde das nicht so einfach und locker sehen wollen. Mal vom fachlichen abgesehen (Die Schüler müssen am Ende der 10 erfolgreich die ZAP bestehen und in den Jahren davor leistungsmäßig hingebracht werden) ist es nicht jedermanns Sache, mit pubertierenden Jugendlichen zu arbeiten. Da muss man als Lehrer ab und zu hart und rauh zupacken können, wenn die Rotzlöffel und Gören nicht spuren.


    Ich sag das nur, weil bei uns einige ausgebildete Grundschullehrerinnen die Segel nach ca. 1 Jahr gestrichen haben, weil sie bei den Schülern ab der 8. Klasse nicht mehr so richtig zum Zug kamen und Durchsetzungsprobleme hatten. Ist eben halt was anderes, ob man Grundschulkinder oder Jugendliche unterrichtet.


    Im Sinne der Professionalisierung bin ich einfach nur der Meinung, dass man als Lehrer nicht alles und jeden unterrichten kann und auch gar nicht muss. Der eine eignet sich mehr für die Arbeit mit Grundschulkindern, der andere fühlt sich erst im Oberstufenleistungskurs wohl, ein weiterer wiederum arbeitet am liebsten in der Sonderschule. :thumbup:

    Ihr kommuniziert mit dem künftigen Bildungsminister !

  • Lass dir mal keine Angst machen... Bei unserem Grundschulseminar gab es einige, die sich auf eine Stelle an der weiterführenden Schule beworben haben und erfolgreich waren. Als ich fertig wurde, wurden keine Grundschulstellen ausgeschrieben. Ich persönlich wollte auf jeden Fall in eine Grundschule, obwohl meine Qualifikation auch für eine HS, RS oder GES gereicht hätte. Deswegen habe ich erst als angestellte Lehrerin gearbeitet, bis wieder ausgeschrieben wurde.


    Fazit: Wenn du Lust hast mit dieser Altersgruppe zu arbeiten und dich fachlich noch ein bisschen einzuarbeiten, tu es.

  • Es geht mir nicht um Angstmache sondern um die Überprüfung der persönlichen Geeignetheit und Professionalität für eine bestimmte Schulform und Schüleraltersgruppe, die sorgsam bedacht werden muss.


    Ich warne auch davor, so zu tun, dass man überall (!) unterrichten könne, wenn man für irgendein Lehramt studiert hat, was für mich einer schleichenden Entprofessionalisierung unseres Berufes gleichkommt. Und genau diese von einigen Lehrern selbstgemachte Entprofessionalisierung kommt unseren lieben Bildungspolitikern entgegen, denen es nur darum geht, Tarife/Personalkosten zu senken.


    Der Grundschullehrer kann mal so locker im Sek1 unterrichten, der ausschließlich zum Sek1 ausgebildete Lehrer übernimmt mal so eben Leistungskurse am Gymnasium, der Sonderschullehrer fühlt sich für alles berufen und ist überall in jeder Schulform zu Hause und gleichermaßen qualifiziert ? Muss man eigentlich überhaupt studieren, um an Schulen unterrichten zu können ?


    Zur Erinnerung : In NRW werden künftige Förderschullehrer in 18 Monaten ausgebildet, daher gut geeignet für ehemalige Schlecker-Mitarbeiterinnen. Ich könnte mir in Zukunft auch vorstellen, wenn schon in der Lehrerschaft selbst der Entprofessionalisierungsdenke Vorschub geleistet wird, dass künftig frustrierte und unausgelastete Hausfrauen, deren Männer Karriere machen, in ein paar Wochenendkursen zur Grundschullehrerin ausgebildet werden können. Mit 2 zusätzlichen Wochendkursen ließe sich bestimmt noch eine Zusatzqualifikation für Sek1/Sek2 erwerben.


    Willkommen im (kostengünstigen) Schulsystem der Herunternivellierung und Gleichmacherei ! 8_o_)

    Ihr kommuniziert mit dem künftigen Bildungsminister !

  • Zunächst einmal freue ihc mich über den Trost und den Mut, der mir hier zugesprochen wird. Vielen Dank!


    Aber ich muss Elternschreck (lol) schon Recht geben. Ich sehe im Wechsel des Systems auch viele Herausforderungen auf mich zukommen. Die fachliche, inhaltsbezogene Umstellung stellt für mich hierbei das kleinere Problem dar. Wenn es darum ginge, könnte wirklich jeder Absolvent einer Schulform in der selbigen Unterricht erteilen, schließlich gäbe man ja das weiter, was man gelernt hat.


    Unterrichten ist aber weitaus mehr als nur das. Mit der Didaktik kenne ich mich nun mal nicht aus.
    Klar, ich werde auch dort kooperative Lernformen einsetzen können und die Schüler durch Methodentraining zum eigenständigen Lernen befähigen können, aber das ist nun mal nicht alles. Mit einer zweijährigen Ausbildung und den damit verbundenen Erfahrungen, gerade im Umgang mit Jugendlichen, würde ich mich weitaus sicherer fühlen.
    Das Ref hat da schon seine Berechtigung.

  • Ich würde mir keine Sorgen machen. Gerade mit deinen Fächern sollte das kein großes Problem sein.
    Natürlich wird geschaut, ob du mutmaßlich mit pubertierenden 14-16jährigen umgehen kannst.
    Dafür hast du als GS-Lehrer aber auch Vorteile auf deiner Seite, z.B. die in der Regel methodisch modernere Arbeitsweise und größere Kompetenzen im Bereich der Übergangsproblematik in Klasse 5. Wir haben mehrere GS-Lehrer eingestellt und sehr gute Erfahrungen gemacht.

  • Neben den genannten Punkten gibt es aber noch eine Sache, die bisher noch nicht angesprochen wurde. Ich schriebe hier mal meine Realschuleerfahrungen:


    In der Sek1 ist man mitunter auch jahrelang "nur" Fachlehrer, d.h. man hat keine eigene Klasse. Mit den Fächern Mathe udn Physik ist die Wahrscheinlichkeit fachfremd zu unterrichten geringer als in der Grundschule. Man wird in diesen Fächern in vielen KLassen eingesetzt, da es in vielen Kollegien nicht viele Physiklehrer haben und ein Unterrichtsbedarf abgedekt werden muss. Man unterrichtet in vielen verschiedenen Klassen nur seine Fächer. So kann es passieren, dass man bei voller Stelle (Bsp: NRW 28 Stunden) wie ich im Moment 2 Matheklassen hat und die anderen 20 Stunden im anderen Fach hat. Das macht 12 unterschiedliche Lerngruppen (2 mal Mathe und 10 mal Physik; bei durchschnittlichen 25 Schülern pro Klasse sind das 300 verschiedene Schüler) pro Woche.


    Wenn man Klassenlehrerin ist, wie ich, kann es passieren, dass man z.B. nur Mathe in der Klasse hat. Ich sehe meine Klasse (bei 4 Std. Mathe die Woche) genau eine Stunde pro Tag und einen Tag pro Woche gar nicht.


    Ich erwähne das nur, weil ich von befreundeten Grundschullehrern und auch hier im Forum immer wieder mitbekomme wie wichtig Grundschullehrern die eigene Klasse mit möglichst viele Stunden darin ist.

    Freundlichkeit ist kostenlos, aber niemals umsonst.

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