Wie schaltet ihr ab?/ Wann ist der Unterricht genug vorbereitet?!

  • Hallo!


    Die erste Stelle gerade angetreten, soweit ist alles ok. Hab aber eine Klasse, die sehr leistungsschwach ist und die gerade in einer fast auswegslosen Situation steht... (näheres möchte ich dazu nicht schreiben, nur soviel: die Lage ist ernst, aber noch nicht hoffnungslos)
    Über diese Klasse habe ich mir nun schon das ganze Wochenende den Kopf zermartere im Hinblick auf die Frage: wie stelle ich es an, dass (fast jeder) in dieser Klasse noch etwas lernen kann (und will).
    Ich sehe das auch als meinen "Beruf" an, genau das zu gewährleisten. Hab jetzt auch schon ein paar gute Ideen, mit Rücksprache zu Kollegen und befreundeten Lehrern.


    Trotzdem hat das "sehr lange" gedauert und ich bin immer noch ziemlich geschafft, zum Einen, von der Erfahrung, dass es tatsächlich auch "richtig" verdorbene Schüler gibt, zum anderen, weil es einfach lange gedauert hat, bis ich - für diese Klasse - eine Lösung erdacht hatte.


    Daher meine Frage:
    Wie schafft ihr es, euch von den Gedanken an die Schule abzulenken? Wann sagt ihr: bis hierhin konnte ich was tun, den Rest müssen die schon selber schaffen?
    Oder anders: wie schafft man es, mit sich zufrieden zu sein und zu bleiben, selbst wenn die Umstände denkbar unglücklich sind?!


    Bitte um Rat, gerne Beispiele und Erlebnisberichte! - Gerne auch per PN!


    Danke euch!!!

    • Offizieller Beitrag

    ich finde es nicht ganz einfach, Tipps zu geben, ohne dass du konkret angibst, wo die Probleme bei deiner Klasse liegen. Es bleibt bei kryptischen Andeutungen wie

    Zitat

    nur soviel: die Lage ist ernst, aber noch nicht hoffnungslos


    Zitat

    zum Einen, von der Erfahrung, dass es tatsächlich auch "richtig" verdorbene Schüler gibt,


    verdorben inwiefern?


    Aber du fragtest ja auch nach Erfahrungswerten von uns ;)


    Ich selbst merke immer ziemlich zeitnah, wann ich zu schnell oder zu viel von den Schülern erwartet habe. Die Übungsphasen können eigentlich gar nicht lang genug sein. meine frühere SL vertrat die durch irgendeine Studie untermauerte Überzeugung, dass neuer Stoff etwa 6 Wochen braucht, um im Kopf verankert zu sein; heißt: 6 Wochen nach Einführung z.B. einer neuen Grammatik haben sie die Schüler verinnerlicht, "sitz" der Stoff. Dann erst sollte man den Stoff auch in einer Überprüfung abfragen. Das macht man sich viel zu selten klar, ich jedenfalls :daumenrunter:


    Andererseits sind auch die Schüler für ihren Lernerfolg selbst verantwortlich. Du als Lehrer bist nicht derjenige, der dafür sorgen muss oder auch nur kann, dass durch deine Anstrengungen alle Schüler alles zum gleichen Zeitpunkt gleich gut beherrschen. Da sind auch die Schüler gefragt:
    durch Vokabellernen, durch Formenlernen, durch Aufpassen und Mitmachen im Unterricht, durch Fragenstellen, durch Erledigen der Übungen wie z.B. Hausaufgaben (falls du schriftliche HA gibst).
    Das kannst du anregen, Tipps dazu geben, du kannst es überprüfen, aber TUN müssen es die Schüler selbst.
    Und ja, Lernen ist oftmals mit Anstrengung und Ausdauer verbunden, auch das ist etwas, das viele Schüler lernen müssen.


    So kann ich nicht sagen: abends um xy Uhr ist bei mir Feierabend. Das hängt ja auch von meinen sonstigen Aktivitäten ab, von meiner sonstigen Tagesplanung.


    Allerdings fühle ich mich nicht allein für den Lernfortschritt meiner Schüler verantwortlich. Du wirst nie jemanden mitnehmen können, der pubertätsbedingt einfach nicht wirklich will oder der intellektuell überfordert ist.


    Ob dir das jetzt weiterhilft? grübel*

  • Mal ein Beispiel:


    Es ist so, als ob ich eine 10. Klasse in Latein übernommen hätte, die ein ganzes Schuljahr nichts gemacht hat (weil sie einen Kollegen hatten, der ihnen nichts beigebracht hat, aber für´s Nichtstun trotzdem gute Noten gegeben hat) und die nun alle kurz davor sind, das Latinum zu schreiben.



    ---- Das heißt, dass ich den Unterricht kaum so gestalten kann, wie ich es möchte: d.h. kleinschrittig, niemanden unter/überfordern... eine ganz schwierige Situation. ---- :tot:


    Daher da die Frage: wann ist es genug "ausgedacht"?


    Ich habe mir jetzt überlegt, den Unterricht so reduziert wie möglich und so kleinschrittig wie nötig vorzubereiten, damit wenigstens die, die wollen, was mitnehmen können und eine Chance auf ihr "Latinum" haben.


    Trotzdem mache ich mir noch viele Gedanken. --- Einfach weil ich in dieser Situation nicht so unterrichten kann, wie ich es normalerweise machen würde... aber gleichzeitig auch weiß, dass ich nicht die Macht habe, den Karren aus dem Dreck zu ziehen.


    Vielleicht fehlt mir auch das Vertrauen in die Leistungswilligkeit der Schüler. ?

    • Offizieller Beitrag

    du willst also gerne kleinschrittig unterrichten und fühlst dich gleichzeitig daran gehindert? :ka:


    Ab und zu eine Wiederholiungssequenz einschieben, je nachdem, was der Stoff gerade erfordert. Das dann in Form einer Ex/ Tests überprüfen. So bekommst du ,mehrere Noten, und die Fleißigen unter den Schülern haben die reelle Chance auf gute Noten.


    Wegen der Anforderungen würde ich mich dringend mit Fachkollegen absprechen: Oft neigt man nämlich anfangs dazu, zu viel zu erwarten :gruebel:

  • An meiner neuen Schule lernen die Schüler vorwiegend in SOL-Phasen - ich habe eine 40h Präsenz an der Schule, weshalb alle Arbeit auch dort verrichtet wird. Dadurch, dass die Arbeit an der Schule erledigt wird und es in diesem Lernarrangement zu wesentlich geringeren U-Störungen kommt, kann ich recht gut abschalten.


    Generell fand ich es aber unabhängig von der Art des Unterrichtens wichtig, dass man beim Verlassen des Schulgebäudes alle Gedanken zum Thema Schule möglichst auch dort lässt. Ansonsten: Sport, Kultur, nette Gespräche mit Freunden die keinen Berufsbezug haben etc. :)

    • Offizieller Beitrag

    Generell fand ich es aber unabhängig von der Art des Unterrichtens wichtig, dass man beim Verlassen des Schulgebäudes alle Gedanken zum Thema Schule möglichst auch dort lässt.


    nun ja, wie soll das gehen, wenn du noch Unterricht vorbereiten musst??

  • Indem ich den Unterricht der kommenden Tage zügig und mit konsequentem Zeitmanagement geplant hatte. Die Vorbereitung verband ich jedoch weniger mit Stress als andere Dinge auf zwischenmenschlicher Ebene. Auch früher habe ich bereits versucht, möglichst viel am Arbeitsplatz zu erledigen, sodass die Heimfahrt, wenn auch oft nach 16.00 Uhr, dann auch wirklich meist mit Freizeit verbunden war.

  • ich habe eine 40h Präsenz an der Schule, weshalb alle Arbeit auch dort verrichtet wird. Dadurch, dass die Arbeit an der Schule erledigt wird und es in diesem Lernarrangement zu wesentlich geringeren U-Störungen kommt, kann ich recht gut abschalten.


    Generell fand ich es aber unabhängig von der Art des Unterrichtens wichtig, dass man beim Verlassen des Schulgebäudes alle Gedanken zum Thema Schule möglichst auch dort lässt. Ansonsten: Sport, Kultur, nette Gespräche mit Freunden die keinen Berufsbezug haben etc. :)


    Chrisy,
    klär mich doch mal ein bissl auf.
    (In deinem Profil steht ja leider nichts)


    Ich nehme an du unterrichtest an einer Privatschule.
    Welche Klasse?


    Lese ich das richtig:
    Du bist 40 Stunden an deiner Schule und machst dort alles?


    Wie viele Stunden (45 oder 60 min?) unterrichtest du dort?
    Wie viele Stunden (45 oder 60 min?) bleibt dir für die Vorbereitung?

  • Abschalten kann cih am besten bei Waldspaziergängen, beim Malen, beim Schwimmen und beim Lesen.
    Musik machen hilft mir auch ganz gut, allerdings wird das schwierig, wenn der Kopf zu voll sit.

  • Ich kann am besten mit Sport abschalten. Jogge täglich, bin in einem Tanzkurs angemeldet und ich habe einen festen "Kinotag" in der Woche.
    Und wenn ich mal den Unterricht nicht sooo gut vorbereiten kann, wie ich es mir eigentlich vorgenommen hatte, dann ist es halt so und dafür mache ich dann nächstes mal alles viel besser.

  • indidi:


    Ich arbeite 40x60min an der Schule (staatl. Gemeinschaftsschule in BW).
    Klassen gibt es so im herkömmlichen Sinne nicht, jeweils zwei, drei Lehrer arbeiten in einem Zimmer mit ca. jeweils 15 altersgemischten
    Schülern (5er+6er, 7er+8er).
    In dieser Zeit erledige ich alle schulische Tätigkeiten (Materialerstellung, Elterngespräche, Konferenzen etc.).
    Die Fächer D, M. E werden individualisiert anhand eines Kompetenzrasters bearbeitet. Von daher, steht anstelle der
    Unterrichtsvorbereitung nun die Materialerstellung im Vordergrund, welche ich an der Schule erledige.
    Dazu hat jeder Lehrer auch einen richtig ausgestatteten Arbeitsplatz mit Schreibtisch und PC.


    Das Konzept ist an das Institut Beatenberg angelehnt, wer mehr über dieses arbeiten erfahren will, kann sich
    deren Homepage ansehen: http://www.institut-beatenberg.ch/


    So, nun aber zurück zum Ursprungsthema. ;)

  • Hallo!

    hallo :)




    Trotzdem hat das "sehr lange" gedauert und ich bin immer noch ziemlich geschafft, zum Einen, von der Erfahrung, dass es tatsächlich auch "richtig" verdorbene Schüler gibt, zum anderen, weil es einfach lange gedauert hat, bis ich - für diese Klasse - eine Lösung erdacht hatte.

    Das finde ich normal für einen Berufsanfänger. Diese Entscheidungen kosten viel Zeit, wenn man keine Erfahrung hat!

    Daher meine Frage:
    Wie schafft ihr es, euch von den Gedanken an die Schule abzulenken? Wann sagt ihr: bis hierhin konnte ich was tun, den Rest müssen die schon selber schaffen?
    Oder anders: wie schafft man es, mit sich zufrieden zu sein und zu bleiben, selbst wenn die Umstände denkbar unglücklich sind?!

    Ich habe mir am Anfang Zeitlimits gesetzt. Bis soundsoviel Uhr muss ich fertig sein- unter Zeitdruck konnte ich besser entscheiden, was eher nebensächlich ist, was wichtiger. Konnte meinen Perfektionismus etwas besser ausbremsen.


    Hast du schonmal überlegt: warum bist du so perfektionistisch? Wie kommst du z.B. dazu, zu beurteilen, dass der Kollege vorher alles falsch gemacht hat? wieso hältst du einige Schüler für hoffnungslose Fälle? vielleicht legst du an andere denselben überdurchschnittlichen Anspruch, wie an dich selbst? Und warum? ist nur der, der Perfektes leistet als Mensch okay? Perfektionismus ist eine interessante Sache und nicht mit einem Tip wegzudiskutieren.


    Vielleicht hilft es dir auch, längerfristig zu planen- Welche Schrittchen sind unbedingt nötig, das Latinum zu schaffen? wie teilst du die Zeit bis dahin ein? wieviel Vokabeln müssen sie bis dahin können oder so ähnlich (ich bin kein Fremdsprachenlehrer), so dass du nicht unter Zeitdruck gerätst, weil du das Nötigste anbietest und selber weißt, wann du weiter gehen musst im Stoff. Jeder in der Klasse muss wissen, was von ihm erwartet wird und wie das bis dahin zu schaffen ist. Wer das nicht mehr schaffen kann oder nicht willens ist, zu meistern, muss mit der Konsequenz leben. Du bist nicht für das Lebensglück dieser Kinder verantwortlich.


    Ich finde auch die Tips hier zum Abschalten sehr wichtig- Zeit für Musik und Sport- und dafür in Kauf nehmen, dass man seinen eigenen Ansprüchen an seine Arbeit nicht gerecht wird. Wo da die Grenze zu ziehen ist, ist sicher sehr individuell- was hältst du aus, wieviel Zeit brauchst du für Hobbies und Familie, wieviel Spaß macht dir die Vorbereiterei...

  • Ich würde die Schüler fragen: Wer von euch hat Interesse am Latinum? Also wer will das schaffen? Inhalt des Latinums ist ...z.B. das und das und das, die Themenliste gebe ich gleich herum. Wir haben nur noch ... Wochen Zeit. Was könnt ihr von den zu bearbeitenden Themen schon? Was wollt ihr kurz wiederholen? Oder wer kann wem helfen? Wer übernimmt welches Thema, bereitet es vor? Ich helfe. Gerne auch in kleinen Gruppen? Zu wann? Hier ist eine Liste, tragt euch ein. Tragt euch auch bitte unten ein, wenn ihr am Projekt "Latinum" nicht teilnehmen wollt, dann weiß ich Bescheid und lasse euch in Ruhe. - Wer keine Lust hat aufs Latinum, der nehme sich bitte für die Stunden ein Buch mit oder mache Hausaufgaben für andere Fächer, ist mir egal, aber lenke uns nicht ab. Anwesenheitspflicht gibt es nunmal versicherungstechnisch (haha) und seine Note auf dem Zeugnis ist dann pauschal eine fünf. Aber gut, mit einer fünf kann man ja leben. Hier ist für jeden der Themenüberblick, die Liste zum Eintragen hänge ich an die Wand.


    Vorteil dieser Methode ist, die Schüler werden nicht berieselt, sondern entscheiden selbst. Und wer sich dafür entscheidet, ist motiviert und wird Teil eines leistungsorientierten Teams. Wer sich dagegen entscheidet, weiß um die Konsequenz, kann in Ruhe sein Ding machen und muss die anderen nicht aus Langeweile stören. Ich Lehrer bin Lernbegleiter, Berater, Moderator und habe deutlich weniger Stress.


    ach so,
    @ Friesin: SOL = Selbstorganisiertes Lernen (systemisch-konstruktivistisch)

  • Hallo!


    Lieben Dank für eure Antworten!


    Tatsächlich habe ich es jetzt genau so gemacht: die Schüler gefragt, was kann ich tun? Und dann denen, die "mehr" wissen wollen meine Hilfe angeboten.


    War vor allem ein Kampf mit mir selbst, am liebsten hätte ich die alle an den Stühlen festgebunden und ihnen mein Wissen eingetrichtert. :)


    Was ganz bestimmt mit meinem Perfektionismus-Anspruch zu tun hat. Ich will "perfekte" Lehrkraft sein, d.h. meine Schüler sollen "richtig viel" können. Leistungsgrenzen ausloten, die Devise.


    Hab nun aber gelernt, dass das nicht immer möglich ist. Und auch durchaus seine Berechtigung hat.


    War selber ein eher fauler Schüler, der nur das gemacht hat, was ihn interessierte, --- ansonsten Mininmalprinzip. Ich habe jetzt verstanden, dass das auch in Ordnung ist und ich die Schüler nicht "zwingen" kann.


    Zum Glück habe ich viele, viele Schüler, die auf meine Anforderungen sehr positiv und interessiert reagieren. Insofern besteht für "mein Prinzip" durchaus Hoffnung, allerdings im eingangs geschilderten Fall kann ich nichts erzwingen, nur Hilfe anbieten, für die, die wollen.


    Auch die Frage danach, warum ich denke, dass der Kollege den Schülern nichts beigebracht hat, ist durchaus berechtigt.
    (Das liegt vor allem an kritischen Aussagen anderer Kollegen. ---- Dabei würde und werde ich mir lieber ein eigenes Bild machen. Und: Ich bin auf die tatsächlichen Leistungen der Schüler schon sehr gespannt!)



    Danke für eure Hilfe! Ich glaube, ich habe meine "Mitte", wiedergefunden.


    Und das Pareto Prinzip geisterte mir in den letzten Tagen auch im Kopf herum. 8_o_)

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