Deutschland zwischen Drill und Kuschelpädagogik

  • Ja, die glücklichen Kinder, die auf die Hauptschule gehen dürfen, und die armen, die das Gymnasium besuchen müssen :autsch:
    Also nicht, dass Kritik am bayerischen Schulsystem oder an überehrgeizigen Eltern nicht erlaubt sei, aber dieser Beitrag ist wirklich sowas von schlecht gemacht. Jeder antwortet nur das, was ihm der Journalist ihm im Mund legt...

  • Zitat

    Ja, die glücklichen Kinder, die auf die Hauptschule gehen dürfen, und die armen, die das Gymnasium besuchen müssen

    Darum geht es doch gar nicht.


    Zitat

    Jeder antwortet nur das, was ihm der Journalist ihm im Mund legt...

    Und das Kind musste antworten, was ihm die Mutter in den Mund gelegt hat.
    "Ich will aufs Gymnasium!"

  • Die Eltern und die Schüler müssen das System eben so nehmen wie es ist. Und es ist eben auf Selektion ausgelegt. Und jeder vernünftige Elternteil würde sich wünschen, dass das Kind eher Arzt oder Unternehmensberaterin (Beispiel aus dem Film) wird als Lastwagenfahrer oder Zeitarbeiter. Wie es letztlich kommt is eine andere Sache, aber auch ich wünsche mir für meine Kinder, dass sie aufs Gymnasium kommen. Mit Abi hat man mehr Chancen im Leben als mit mittlerer reife oder Hauptschulabschluss. Und so ne Karriere wie Joschka Fischer hingelegt hat, ist eben leider nicht realitätsnah.

  • Trotz alledem würde mir auch für NRW so ein System wünschen !


    Mag sein, dass der Impetus der o.g. Eltern, ihre Kinder auf das Gymnasium schicken zu wollen, ein wenig übertrieben war. Auf der anderen Seite, finde ich es positiv, dass in Bayern die Eltern (!) viel mehr in die Pflicht genommen werden, für den Erfolg ihrer Kinder auch etwas zu tun.


    In NRW kann leider jeder machen was er will, und zu viele Leistungsverweigerer und Luschen besuchen, auf Kosten der Lehrer und geeigneten, leistungsorientierten Schüler, Schulformen, bes. das Gymnasium, die sie intellektuell nicht schaffen können und den ganzen Betrieb egoistisch und rücksichtslos ausbremsen. Und dann kommt noch unsere liebe Schulministerin, Frau Löhrmann, mit der bedeutungsschwangeren, für mich auch sozialträumerischen, Gutmenschfloskel "Wir lassen niemanden zurück !" 8_o_)

    Ihr kommuniziert mit dem künftigen Bildungsminister !

  • Tja, eine Scheibe Drill würde ich mir für NRW tatsächlich auch wünschen.


    Oder wie kommt es, dass sich Schüler in der Sek II noch zurücklehnen und warten, bis ihnen alles häppchenweise serviert wird?


    Nein, es sind nicht alle. Es ist ja überall so: Die von Haus aus privilegierten Schüler nehmen keinen Schaden. Aber wer unter dem Deckmäntelchen der individuellen Förderung immerzu durchgezogen wird, bekommt ein völlig falsches Bild der Realität.

    • Offizieller Beitrag

    Gibt's eigentlich noch irgendwas zwischen Drill und Kuschelpädagogik?


    Also, es ist schon komisch. Wenn ich hier manchmal so lese, scheint es in manchen threads nur diese zwei Lager bzw Lehrertypen zu geben.


    In der Realität habe ich überwiegend Kollegen, die nicht drillen und nicht kuscheln, sondern vernünftigen, soliden Unterricht - durchaus reich an passenden Methoden und mit einer balancierten Auswahl an modernen Medien - machen. Respektvoll und konsequent mit den Schülern und Kollegen umgehen und ideologisch unverstellt mit Kollegen aller Colour konstruktiv zusammenarbeiten können.


    Vielleicht ist ja das internet irgendwie ein Ort, wo man zum Lagerkoller neigt.


    Klar verstehe ich Eltern, die ihre Kinder auf dem Gymnasium haben wollen. Warum auch nicht? Studium = in der Regel besser bezahlter Job. Wer wünscht sich das nicht für sein Kind? So zu tun, als seien die nächsten 40 Berufsjahre gegenüber ein paar Jahren Schule, in denen das Kind dann stressfrei in seinem Tempo weitermachen kann, unbedeutend, halte ich für eher seltsam.


    Deswegen muss moch lange nicht gedrillt werden und dswegen muss es noch lange nicht verboten sein, darüber nachzudenken, was außer Drill denn noch zum Ziel führen kann.


    Was ich mir wünsche ist eine etwas unverkrampftere Diskussion und eine sehr vielfältige und durchlässige Schullandschaft.

    WE are the music-makers, and we are the dreamers of dreams,
    World-losers and world-forsakers on whom the pale moon gleams
    yet we are the movers and shakers of the world for ever, it seems.

    Einmal editiert, zuletzt von Meike. ()

  • @Meike


    Ich persönlich fand im o.g. Filmbeispiel nichts drillhaftes, wenngleich die Eltern ein wenig überspannt waren.

    Zitat

    Was ich mir wünsche, ist eine etwas unverkrampftere Diskussionund eine sehr vielfältige und durchlässige Schullandschaft.

    Im Gegensatz zu den pädagogischen Mainstream-Dogmatikern bleibe ich da mental voll locker aber unbeirrbar, wenn andere KollegInnen nicht meinen klaren Standpunkt vertreten und leben.

    Zitat

    ...eine sehr vielfältige und durchlässige Schullandschaft.

    Das wünsche ich mir auch, aber NRW marschiert zur Zeit bildungspolitisch in Richtung Gleichmacherei und Einheitsschule. 8_o_)

    Ihr kommuniziert mit dem künftigen Bildungsminister !

    Einmal editiert, zuletzt von Meike. ()

  • Versteh ich nicht, Meike, der Titel ist doch: Deutschland zwischen Drill und Kuschelpädagogik. Klar gibt es was dazwischen. Das meiste sogar!


    Ich sehe mich in keinem Lager, weder hier noch in der Realität. Wenn ich von "einer Scheibe Drill" schreibe, dann meine ich genau das: Ich will nicht bayerische Verhältnisse an meiner Schule oder in meinem Bundesland. Aber ein bisschen mehr Zug könnte schon drin sein, um manches tragische Schülerschicksal zu vermeiden. Das sind nämlich reale Probleme.


    Nele Danke für das Poster - kannte ich noch nicht!

  • Warum wird eigentlich bei Diskussionen über Hauptschule, Realschule oder Gymnasium so häufig vergessen, dass das System (in Bayern) ja nicht undurchlässig ist. Man ist mitnichten festgelegt, wenn das Kind in der 4. Klasse die gymnasiale Eignung nicht schafft. Dann geht es halt auf die Realschule ... wenn sich dann nach 5 Jahren rausstellt, dass es doch Abitur machen könnte, kann es in eine Übergangsklasse ans Gymnasium oder macht das (Fach)Abitur an der FOS. Ja sogar nach der Hauptschule geht die Übergangsklasse (dürfte aber schwer sein) oder die BOS nach abgeschlossener Berufsausbildung ...

  • Danke für deinen Beitrag DeadPoet. Ich habe aktuell auch einen Schüler, den ich aus der Förderschule, (nicht lern- oder geistigbehinderten Zweig!) nach deren langjährigen Besuch, auf eine Mittelschule (also M-Zweig) oder gar Realschule empfehlen werde, da das Leistungsniveau mehr als passt.


    Ich habe mir die Filme angesehen und hatte enormes Mitleid mit dem Mädchen. Höchst unwahrscheinlich, dass sie mit de, aufgrund von Probeunterricht erkämpften Gymnasialübertrittsbescheinigung, Fuß fasst. All die Lernstunden zeigten sich in dem Film als aufgesetzt und als purer Elternwille. Und ich denke, dass das Mädchen auf der Strecke bleibt. Wenn nicht schulisch, dann in der Persönlichkeitsentwicklung.


    Ernste Frage: Liege ich falsch in der Annahme, dass Gymnasialschüler eher problemlos durch die Grundschule kommen sollten? D.h. eher beiläufig, ohne INTENSIVES Lernen oder gar Nachhilfe? Ich frage auch aus eigenem Interesse, um das Leistungsvermögen meines Kindes besser einzuschätzen. Denn lieber schicke ich sie auf die Realschule, bevor ich uns beiden so einen Stress antue, wie er im Film gezeigt wurde.
    Ich bin der festen Meinung, dass das Bildungssystem wesentlich durchlässiger wurde, also von unten nach oben, als zu meiner Schulzeit.


    Und auch kenne ich einige Bekannte, die es auf anderen Wegen nach der Hauptschule weiter geschafft haben. Zwei tragen heute einen Dr.-Titel. Das Wissen darüber entspannt mich.

  • Ganz "privat": Mein Tochter wurde - auf eigenem Wunsch - frühzeitig eingeschult (jetzt ist es ganz normal, in dem Alter mit der Schule anzufangen). Sie hatte nie Probleme in der Grundschule und geht jetzt recht erfolgreich auf ein Gymnasium.
    Mein Sohn ist einfach (im Moment) noch nicht der Schüler, der konzentriert lernt, sich mit "Schule beschäftigen" will ... er hätte den Übertritt ans Gymnasium rein von den Noten her geschafft, wir haben uns aber ganz bewusst für die Realschule entschieden. Nach zwei Jahren dort denken wir, dass es die richtige Entscheidung war. Sollte es uns sinnvoll erscheinen (oder dann auch ihm), kann er immer noch auf die FOS (oder Übergangsklasse Gymnasium).


    Ich selbst bin Gymnasiallehrer, habe aber 3 Jahre an der FOS/BOS unterrichtet und gerade in diesem Schuljahr sitzen in meiner 10. Klasse Englisch fast 20 Schülerinnen und SChüler, die von der Realschule kommen (Übergangsklasse).

  • So zustimmenswert diese Aussagen auch sind, aber dass Bill Gates es gesagt hat, ist wohl ein Hoax (bevor sich jemand damit blamiert...)


    :weissnicht: ups ... ein bisschen gewundert habe ich mich ja schon, aber...


    Wie schnell sowas rum ist ...


    Dabei war das doch so hübsch ... "Deine Eltern waren früher nicht so langweilig wie jetzt ... sie wurden es, weil sie jahrelang für dich geputzt und gewaschen und all diese Rechnungen bezahlt haben ..."


    Oh ja, seufz, Kinderaufzucht ist nicht zu jeder Zeit aufregend, und ich habe meine Eltern und Lehrer früher auch als ziemlich öde wahrgenommen.

  • Warum wird eigentlich bei Diskussionen über Hauptschule, Realschule oder Gymnasium so häufig vergessen, dass das System (in Bayern) ja nicht undurchlässig ist. Man ist mitnichten festgelegt, wenn das Kind in der 4. Klasse die gymnasiale Eignung nicht schafft. Dann geht es halt auf die Realschule ... wenn sich dann nach 5 Jahren rausstellt, dass es doch Abitur machen könnte, kann es in eine Übergangsklasse ans Gymnasium oder macht das (Fach)Abitur an der FOS. Ja sogar nach der Hauptschule geht die Übergangsklasse (dürfte aber schwer sein) oder die BOS nach abgeschlossener Berufsausbildung ...

    Ich musste dazu während meines PH-Studiums mal einen Vortrag vorbereiten und habe irgendwo Statistiken dazu gefunden, wonach die tatsächlichen Übertrittsquoten z. B. von der Realschule aufs Gymnasium erschreckend klein sind. Leider finde ich die Unterlagen dazu nicht mehr. Ich kann mich aber aus meiner eigenen Schulzeit im Bundesland Bayern an keinen einzigen Schüler erinnern, den wir in meine Gymnasialklasse von der Realschule dazu bekommen haben. Nach der 7. Klasse wurde aber eine von drei Parallelklassen komplett aufgelöst, weil die Schüler auf die Realschule oder noch tiefer gewechselt sind. Mag sein, dass sich das heute (ist ja auch schon ne Weile her ...) verbessert hat, aber sicher nicht in dem Masse, wie es sollte.


    Ich möchte mal grob definieren, wie ich mir persönlich "Durchlässigkeit" vorstelle: Es gibt bei uns in der Schweiz im Kanton Aargau beispielsweise die Möglichkeit, nach einem entsprechend guten Abschluss der Fachmittelschule oder Wirtschaftsmittelschule (etwa vergleichbar mit einer deutschen Realschule) direkt in die 3. Klasse Gymnasium zu wechseln und dann nach 2 Jahren die reguläre Matura zu erwerben. Wir führen allein an meiner Schule derzeit pro Jahrgang (also 3. und 4. Klasse) 2 von 11 Klassen nur mit solchen "Übertretern". Ich unterrichte eine solche Klasse in Chemie und muss wirklich sagen, denen wird absolut gar nichts geschenkt. Die Anforderungen sind haargenau die gleichen, wie in einer "regulären" Gymnasialklasse. Dadurch haben sie es im Gegenteil sogar noch schwerer, weil die fachlichen Anforderungen an der FMS oder WMS geringer sind und sie daher in den ersten Schulwochen selbständig einiges nachlernen müssen. In der Regel sind die SuS aber sehr motiviert und machen das dann auch. Das Thema "Durchlässigkeit" können die Schweizer meiner Ansicht nach deutlich besser, als die Deutschen.


    Man muss auf der anderen Seite aber auch ganz ehrlich zugeben, dass es nicht von ungefähr kommt, dass so viele SuS bei uns diesen Weg gehen. Die Anforderungen für den Übertritt auf Gymnasium sind hier je nach Kanton teilweise wirklich pervers. Im Kanton Aargau gilt die Lehrerempfehlung, dazu muss der Gesamtschnitt im Jahreszeugnis 4.7 sein und zum Schluss der Bezirksschule gibt es in den Fächern Deutsch, Französisch und Mathe noch eine extra Abschlussprüfung, die im Schnitt ebenfalls mit 4.7 bestanden werden muss. Letzteres benachteiligt z. B. ganz klar die Jungen, die häufig in Französisch nicht besonders gut sind. Immerhin sind die SuS bis dahin aber schon mal etwa 15 - 16 Jahre alt, da sie erst zum 10. Schuljahr ans Gymnasium wechseln und es gibt die Möglichkeit einer provisorischen Aufnahme, wenn der Schnitt zumindest im Halbjahreszeugnis noch 4.7 war.


    Im Kanton Zürich werden die 12 - 13jährigen in einen wahren Prüfungsmarathon geschickt, der bis dato noch eine mündliche Prüfung einschliesst, in der auch Fragen zur aktuellen Tagespolitik gestellt werden. Zeigt mir bitte einen 12jährigen, der sich ernsthaft und freiwillig abends die Tagesschau reinzieht ... Im Endeffekt läuft es dann so, dass die SuS dort ihre letzten Sommerferien vor dem Gymnasium mit sündhaft teurem Nachhilfeunterricht verbringen und somit oft allein der Ehrgeiz und das Einkommen der Eltern über den Übertritt ans Gymnasium entscheiden. Also genau das, was zu Beginn im Film gezeigt wird.


    Fakt ist darüberhinaus auch, dass die Suizidrate unter Jugendlichen in der Schweiz etwa 30 % höher liegt, als in Deutschland. Ich habe jetzt aus der Lehrerperspektive keinen Vergleich zwischen den aktuellen Verhältnissen in Deutschland und in der Schweiz, aber ich finde es schon bedenklich, wie viele depressive Jugendliche mir hier sowohl am Gymnasium als auch an der Berufsschule schon begegnet sind. Das ist dann eben das andere Extremum, das sich für Deutschland sicherlich auch keiner wünschen kann.


    Dazu kommt am Ende noch, dass die Maturitätsquote in der Schweiz so tief liegt, dass das Land praktisch gezwungen ist, ausländische Akademiker zu importieren - vorzugsweise Deutsche ;) Also ist das deutsche Bildungssystem so wie es ist am Ende doch nicht so schlecht bzw. hat die deutsche Hoschulausbildung vielleicht eine Art nivellierenden Effekt, so dass das vermeintlich schlechte Bildungsniveau der deutschen Abiturienten auf dieser Stufe nicht mehr ins Gewicht fällt? Ich verstehe euren Unmut über das häufig angesprochene "Durchheben" von eigentlich viel zu leistungsschwachen Schülern. Aber ich möchte mich schlussendlich doch denen anschliessen, die sich für die berühmt-berüchtigten Mittelwege aussprechen.

  • Ich denke, da hat sich in den letzten paar Jahren etwas getan. Wie gesagt - die "Übergangsklassen" sind verstärkt im Kommen (Realschüler KÖNNEN - nicht müssen - die 10. Klasse wiederholen um dann ohne Probleme in die Q-Stufe einzusteigen) ... in meiner 10. Klasse sind von 28 SuS über die Hälfte Real- oder Wirtschaftschüler(innen). Die Möglichkeit, von der 10. Klasse Realschule bei entsprechend guten Noten direkt in die Q11 zu wechseln und dann nach zwei Jahren sein Abitur zu haben, gibt es auch. Das ist aber gerade wegen den Problemen, die Du ansprichst, sehr, sehr selten. Andere Hürden als das Stoffniveau und andere Lehrpläne an Realschule / Gymnasium in manchen Fächern gibt es nicht (die reichen aber, um dem Großteil der Realschüler ein solches Unterfangen als zu schwierig / zu anstrengend erscheinen zu lassen) ...


    Der "traditionellere" Weg von der Realschule zum Abitur ist aber die FOS/BOS (und von daher würde ich auch zugeben, dass von der Realschule aufs Gymnasium nicht so weit verbreitet ist) ... und da hat es auch vor 15 Jahren schon nicht schlecht ausgeschaut (wie gesagt, ich habe 3 Jahre an dieser Schulform unterrichtet).

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