sehr auffälliger Schüler - was tun?

  • Hallo!


    Ich unterrichte an einer Förderschule (L) seit drei Wochen in einer sechsten Klasse die Fächer Erdkunde, Geschichte und Werte und Normen. Die Schüler sind durchschnittlich 14 Jahre alt.


    Einer der Schüler ist sehr auffällig. Ohne dass vorher etwas vorgefallen sein muss, wird er laut und wirft mit Beschimpfungen (mir gegenüber und z.T. auch den Mitschülern gegenüber) um sich.


    Ich schicke ihn dann zur Sozialpädagogin, aber das habe ich diese Woche in zwei von drei Stunden getan. Die Sozialpädagogin erzählte mir später, dass der Schüler nun schon dreimal


    in dieser Woche zu ihr geschickt worden ist (auch einmal von der Klassenlehrerin) und er sich ihr gegenüber auch nicht besonders zugänglich gezeigt habe.


    Beim Schulleiter war er auch schon, aber das hat keinen besonders nachhaltigen Eindruck hinterlassen.


    Die Familienverhältnisse sind zwar recht schwierig, aber so geht es auch nicht weiter, zumal er mit seinem Verhalten die ganze Klasse "aufmischt" , so dass auch nach M.s "Abordnung" zur


    Sozialpädagogin nur schwer Unterricht möglich ist.


    Was ratet Ihr mir?


    Vielen Dank


    Sinaneele

  • Was macht denn die Sozialpädagogin?


    Ich halte das Verhalten von dem Jungen für ein eindeutiges Alarmsignal.

  • Notfalls auch mal eine schriftliche Missbilligung nach hause. Auch wenn sie noch so sehr Probleme haben, irgendwann ist mal gut, als Lehrer muss man sich nicht immer wieder beleidigen lassen und ein klares Statement setzen. Vorher mündlich verwarnen und das auch aktenkundig machen (Klassenbuch o.ä.). So werden dann auch im Falle weiterer Maßnahmen (schriftliche Missbilligung bis hin zum Verweis bis hin zum Unterrichtsausschluss) alle Schritte nachweislich eingehalten.
    Tut mir leid dass du da so einen Ömmel sitzen hast. :(

  • Ich würde die Sozialpädagogin bitten, mit den Eltern des Schülers Kontakt aufzunehmen und Hilfsmöglichkeiten aufzeigen (Erziehungshilfe, Psychologe). Daneben kann man die schulischen Maßnahmen durchziehen - um Druck auf die Eltern aufzubauen - da stimmt ja dann in der Regel etwas nicht.

  • Hallo Sommerblüte!


    Ja, genau das habe ich mir auch für nächste Woche vorgenommen. Natürlich tut mir der Junge auf der einen Seite Leid, andererseits sehe ich das genauso wie Du: Irgendwann muss auch mal gut sein
    und man muss sich nicht alles gefallen lassen (zumal sich die anderen gerne "mitreißen" lassen).


    Vielen Dank und einen schönen Rest-Abend


    Sinanneele

  • Oder du startest einen Verstärkerplan:
    Für jede 15 Minuten, die du nicht beleidigst, bekommst du einen Stempel nach der Unterrichtsstunde. Bei xy Stempeln kannst du diese gegen abc umtauschen. Wenn er noch weitere Unterstützung braucht, kannst du ihm ikonische Hilfen auf den Tisch kleben (Leisezeichen, etc.) ... Das ist der positive Weg, wenn du denkst, dass er noch Hilfe annehmen kann.


    Wie lange ist er denn schon an der Schule? Wenn er erst zu diesem Schuljahr kam, würde ich obrigen Plan versuchen. Wenn er schon lange da ist, dann musst du entsprechende Konsequenzen ziehen.

  • der kerl ist 14. wenn du dem stempel auf den tisch klebst, dann ist er bei seinen mitschülern für immer als schwul und weichei verschrien. lebendige 14jährige stehen eher wenig auf stempel...


    verstärken ist freilich eine gute idee, aber das geht eher mit nettem plaudern während der aufsicht, interesse für den jungen zeigen während des unterrichts, tatsächlich gute beiträge loben, wertschätzung zeigen, ihn als mensch annehmen. beziehungsarbeit eben. beziehung ist grundlage erfolgreicher interventionen.

  • der kerl ist 14. wenn du dem stempel auf den tisch klebst, dann ist er bei seinen mitschülern für immer als schwul und weichei verschrien.


    Da besteht dann aber in der gesamten Klasse erheblicher Handlungsbedarf.

    Planung ersetzt Zufall durch Irrtum. :_o_P


    8_o_) Politische Korrektheit ist das scheindemokratische Deckmäntelchen um Selbstzensur und vorauseilenden Gehorsam. :whistling:

  • du findest es besteht "erheblicher handlungsbedarf", weil 14-jährige jungsgruppen gleichaltrige, die stempel toll finden, als weichei betrachten? na dann. welcome to wirklichkeit?! das ist nicht eben das alter für humanitäre anwandlungen und taktvolle, sensible umgangsweise bei männlichen pubiertenden eher bildungsfernerer herkunft (wovon in der förderschule meistens doch auszugehen ist, leider?!). freilich wär's schön, wenn sie das nicht mit homphobischen begriffen zum ausdruck bringen oder gleich generell ihre einstellung zueinander ändern würden (von 'obergorilla is boss' hin zu 'wir arbeiten zusammen und schätzen uns gegenseitig als individuen'), aber meiner erfahrung nach ist eine wenig sensible wortwahl durchaus nicht immer indikator für tatsächlich schwulenfeindliche einstellungen oder ein schlechtes klassenklima. die bellen nur.

  • Finde, dass es eindeutig der falsche Weg ist, wenn man ihn einfach vom Unterricht ausschließen würde, so schwierig er auch sein mag, denn letztendlich hat man damit vielleicht das Problem aus den Augen geschafft, aber für den Jungen ändert sich nichts und das sollte das Ziel der Hilfe sein, auch wenn das nicht primär Aufgabe einer Lehrperson ist.


    In meinen Augen kannst du folgendes tun:


    - Konferenz über den Schüler abhalten und weitere Schritt einleiten
    - Die Sozialpädagogin bitten, Kontakt zu den Eltern aufzunehmen und eventuell ein gemeinsames Gespräch führen
    - Mit dem Schüler nach dem Unterricht, d.h. fernab der Atmosphäre, in der er andere aufstacheln kann, ein Gespräch suchen

  • der kerl ist 14. wenn du dem stempel auf den tisch klebst, dann ist er bei seinen mitschülern für immer als schwul und weichei verschrien. lebendige 14jährige stehen eher wenig auf stempel...


    verstärken ist freilich eine gute idee, aber das geht eher mit nettem plaudern während der aufsicht, interesse für den jungen zeigen während des unterrichts, tatsächlich gute beiträge loben, wertschätzung zeigen, ihn als mensch annehmen. beziehungsarbeit eben. beziehung ist grundlage erfolgreicher interventionen.


    Wer schreibt denn, dass im Stempel auf den Tisch geklebt werden sollen? Das hast du fehlinterpretiert oder falsch gelesen. Wie oft warst du schon in einer Förderschule? Ikonische Erinnerungen an positives Verhalten können durchaus auch im Mäppchen sein.
    Das von mir angesprochene Verstärkersystem (in diesem Fall nannte ich Stempel, richtig, das könnten aber auch Bewertungen auf einer Skala sein, oder, oder, oder - einfach direkte Verhaltensrückmeldungen) können doch durchaus zwischen Lehrer und Schüler abgesprochen werden und auf dem Pult (oder auch unter diesem) stattfinden. Dafür wird sinaneele doch das notwendige Gespür haben!!


    Meine Schüler, auch in dieser Altersstufe, brauchen den engen Kontakt zur Lehrkraft und die direkte Rückmeldung - und ja, sie freuen sich, wenn sie welche erhalten. Das ist auf anderen Schulformen deutlich anders.


    Sinaneele muss entsprechend entscheiden, ob sie positiv verstärken kann und so möglicherweise etwas erreicht, oder ob das Sanktionieren der richtige Weg ist. Sie kennt den Schüler.

  • Zitat Sinanneele :

    Zitat

    Ich unterrichte an einer Förderschule (L)

    Am besten wäre der o.g. Schüler in NRW aufgehoben. Wir sind so gut, auch wenn wir keine Förderschullehrer sind, dass wir ihn inkludieren könnten/müssten, wie Frau Löhrmann das so sagt. Deswegen gibt es in NRW bald keine Förderschulen mehr. 8_o_)

    Ihr kommuniziert mit dem künftigen Bildungsminister !

  • wenn er spontan wirkend auffallend wird, wäre vielleicht auch eine auszeit-karte eine idee. hatte damit ganz gute erfolge bei einem von meinen (damals auch 14.) er hatte eine einlaminierte karte, da war eine bombe drauf, so als symbol, dass er gleich explodiert. wir hatten vereinbart, dass wenn er mir die auf den tisch legt im unterricht, er den raum verlassen darf (sich aber zumindest weiterin auf dem schulgelände aufhalten musste). wir hatten uns auch darauf geeinigt, dass ich ihm nicht gleich in feinster lehrer-manier hinterher renne, sondern ihn wortlos gehen lasse. relativ schnell wurden diese auszeiten, die er sich selbst genommen hat, weniger und kürzer. war ein guter erolg. :)


    und ich finde es nicht schlimm, schüler vorübergehend vom unterricht auszuschließen (also ohne solche karten), wenn einfach mal unterricht nicht möglich ist, da sie grad einen ganz gewaltig schlechten tag haben. warum sollen lehrer und mitschüler permanent darunter leiden? ich versuche es immer, solange es geht, aber ich hab nur dieses eine nervenkostüm, und das will gepflegt werden. ;)

  • du findest es besteht "erheblicher handlungsbedarf", weil 14-jährige jungsgruppen gleichaltrige, die stempel toll finden, als weichei betrachten?


    Nein, sondern als schwul.

    Planung ersetzt Zufall durch Irrtum. :_o_P


    8_o_) Politische Korrektheit ist das scheindemokratische Deckmäntelchen um Selbstzensur und vorauseilenden Gehorsam. :whistling:

  • ja gut, wie gesagt, sicherlich sehr unschön, aber wirklich ein standard im sprachgebrauch der allerallerallermeisten jugendlichen in diesem land, quer durch alle schularten.

  • ...sicherlich sehr unschön, aber wirklich ein standard im sprachgebrauch der allerallerallermeisten jugendlichen in diesem land...


    Eben deshalb besteht Handlungsbedarf.

    Planung ersetzt Zufall durch Irrtum. :_o_P


    8_o_) Politische Korrektheit ist das scheindemokratische Deckmäntelchen um Selbstzensur und vorauseilenden Gehorsam. :whistling:

  • Hallo!


    Vielen Dank für Eure Antworten!


    Am Montag habe ich nach Absprache mit der Klassenlehrerin statt Werte und Normen eine Übungsstunde in Mathe gemacht, die auch gut ankam - und zwar bei allen!


    Heute fiel der Unterricht in dieser Klasse aus organisatorischen Gründen aus. Mal sehen, wie es morgen ist.

  • Ich finde es eine Unsitte, dass Berufsanfängern immer die dämlichen
    Randstunden zugeteilt werden (wieso machst du nicht Mathe und Deutsch in
    der 1. und 2. Stunde?). Aber das können wir nicht ändern.

    Ja, genau das habe ich mir auch für nächste Woche vorgenommen. Natürlich tut mir der Junge auf der einen Seite Leid, andererseits sehe ich das genauso wie Du: Irgendwann muss auch mal gut sein

    Abgesehen davon gibt es kein "irgendwann muss mal gut sein". Was erwartest du denn? dass nach einer Stunde beim Sozialpädagogen die Misshandlungserfahrungen und/ oder Beziehungsstörungen und Erziehungsdefizite, daraus resultierende Ängste und Aggressionen sich in Luft auflösen? Seit 14 Jahren läuft bei dem Kind was falsch. Spätestens seit "Supernanny" weiß man doch annähernd, wie es in Familien zugehen kann.


    Da brauchts v.a. kein Mitleid sondern -wie oben schon geschrieben- Zeit für Beziehungsaufbau, klare Konsequenzen (Verhaltensplan/ Stempel sammeln und gegen Belohnungen eintauschen/ nachmittags Unterricht nachholen/ rauswerfen mit oder ohne "Auszeitkarte"...) und Elternarbeit. Lade die Eltern ein, frag sie, wie sie sich die Zukunft für ihren Sohn vorstellen, wie es ihnen zu Hause mit ihm geht, dass du dir Sorgen machst und ihr gemeinsam einen Weg finden müsst, dass der Schultag wieder wie ein Schultag laufen kann.
    Vielleicht sind sie bereit, Verstärkerpläne mit zu tragen (und klar geht sowas auch mit 14-Jährigen! wenn sie sich dafür einen Döner/ Ohrlochstechen/ PC-Spiele/ selbstgewählten Teenie-Klimbim eintauschen dürfen zieht sowas auch. Selbstreflexion in Verhaltenstherapie machen auch Erwachsene.


    Ich drück dir jedenfalls die Daumen, ich weiß wie anstrengend diese ständigen Konflikte sind :autsch:

  • Hallo Pausenbrot!


    Der Junge wohnt in einer betreuten WG, und dort habe ich letzte Woche angerufen und mit dem Betreuer gesprochen. Die Problematik, die in der Schule auftritt, besteht dort auch und zwar in etwa


    so lange wie bei uns in der Schule. Es wird also schwierig für mich als Fachlehrerin sein, eine Änderung zu bewirken. Dennoch klappte es am Freitag recht gut.


    Ich kann nur bestätigen: Ich beneide manchmal die Klassenlehrer, die die Schüler in Mathe und Deutsch unterrichten können.



    Grüße von Sinaneele

  • Das ist auch nicht Deine Aufgabe, Änderungen zu bewirken, setz da für Dich klare Grenzen für Deine Zuständigkeiten. Ich finde es gut, dass Du in der WG angerufen hast (das hätte aber auch die Schulsozialpädagogin tun können). Voraussichtlich hat Dein Schüler heftige Vorerfahrungen in seinem Elternhaus gemacht, sonst wäre er nicht in der WG. Aber wie gesagt: Das ist nicht Dein Thema, hier sind ja auch bereits Experten dran, die hoffentlich passende pädagogische und ggf. therapeutische Angebote für Deinen Schüler machen/finden. Ich halte es für wichtig, dass Du um die Situation Deines Schülers weißt, um sein Verhalten einschätzen zu können. Aber dennoch: Desolates Elternhaus hin oder her - und er wird hoffentlich Unterstützung bekommen, um dies für sich aufzuarbeiten -, es gibt Regeln, an die sich jeder halten muss. Das zu lernen, ist sicherlich auch Teil des sozialen Lernens in Schulen. Deswegen finde ich ein zugewandtes, aber klares und deutliches Verhalten ihm gegenüber wichtig, das die Grenzen deutlich macht. Wenn dies wertfrei geschieht ("Es geht um die Grenzen und nicht um dich als Person"), bietest Du Deinem Schüler möglicherweise sogar eine Form von Orientierung, die er vielleicht in seinem Elternhaus dringend gebraucht hätte.

    Don’t ask yourself what the world needs; ask yourself what makes you come alive. And then go and do that. Because what the world needs is people who have come alive.



    - Harold Whitman -

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