Automatisch nachsitzen - Listenregelung

  • Hallo,
    man verzeihe die merkwürdige Überschrift. Situation:
    Unsere Schule hat ein System von Arbeitshaltungs- und Verhaltenseinträgen, die nach einer gewissen Anzahl von Einträgen automatisch Nachsitzen am Freitag Nachmittag ergeben. Dabei muss jeweils ein Lehrer nach GLK-Beschluss die Aufsicht führen. Mit diesem System kommen wir in manchen Monaten auf die gigantische Arrestantenanzahl von ca. 20% unserer Schülerschaft. Ich habe folgende Probleme damit:


    - Die Einträge kommen in eine Liste, die im Tagebuch für jeden Lehrer und Schüler einsehbar ist, jeder weiß also vom Mitschüler, wieviele Einträge er schon hat und wie weit er vom nächsten Arrest noch entfernt ist. Ein klassenfremder Lehrer/Schüler kann sofort die Hitliste der Problemkinder einsehen.
    - Das Nachsitzen wird durch eine mathematische Automatik ausgelöst, eine Einzelfallprüfung findet nicht statt.


    Im Kollegium gibt es nun die Diskussion, ob dieses System mit den Anforderungen des Datenschutzes vereinbar ist - immerhin wird ja eine von jedem einsehbare Erhebung bzw. ein Profil erstellt, und ob das pädagogisch zu verantworten ist (Einzelfallprüfung).
    Zu diesen zwei Problemfeldern habe ich in den einschlägigen Veröffentlichungen im Netz nichts gefunden, die grundsätzlichen Regelungen zu Ordnungsmaßnahmen in BW sind mir natürlich bekannt.
    Eure Meinung?
    Ciao

  • Ich hätte mit dieser Methode auch so meine Probleme.


    Was sagen die Eltern dazu?
    Ist Nachsitzen nicht generell verboten?
    Was bringt es, wenn ein Schüler bei einem völlig "fremden " Lehrer sein Fehlverhalten abarbeiten muss?
    Spricht die Zahl von 20 % eher für den Erfolge dieser Maßnahme oder dagegen?

  • Hallo,
    die Eltern sind damit bisher einverstanden, sage statt Nachsitzen Nacharbeiten (der Kollege, der den arrestauslösenden Eintrag gibt, sorgt für Materialien), bringen tuts offensichtlich nichts.
    Ciao

  • Die Einsichtnahme durch Schüler finde ich problematisch, die durch Lehrer sogar sinnvoll.


    Früher™ war es durch Klassenbucheinträge sehr schnell erkennbar ob es an dem jeweiligen Schultag schon Vorfälle mit einem Schüler gegeben hat. Dementsprechend konnte man seine Reaktionen auf ein erneutes Fehlverhalten entsprechend anpassen. Ich stelle jetzt immer wieder fest, dass es SuS gibt, die in jeder Stunde, bei jedem neuen Lehrer erneut bis an die Grenze gehen ohne, dass die notwendigen deutlichen Maßnahmen ergriffen werden.


    Gegen den Automatismus ist meines Erachtens nichts einzuwenden. Mir fehlt allenfalls eine Differenzierung zwischen: "Gerade mal den Grenzwert geknackt" und "weit darüber" (+evtl. weitere Stufen). Sonst hat man nämlich nur noch Scherereien mit denjenigen, die bereits am Anfang der Woche die Marke geknackt haben.

  • die Eltern sind damit bisher einverstanden, sage statt Nachsitzen Nacharbeiten (der Kollege, der den arrestauslösenden Eintrag gibt, sorgt für Materialien), bringen tuts offensichtlich nichts.


    Wenn es moeglicherweise einige Wochen dauert, bis fuer mehrere Dinge gleichzeit bestraft wird, dann bringt das natuerlich nichts. Was ist denn der Sinn dahinter?
    Wir haben ein aehnliches System, bei dem Schueler am Ende der Woche eben Spielzeit verlieren,...aber sie koennen diese durch gute Leistungen und Verhalten zurueck bekommen. Selbst das nutze ich nicht bei allen Schuelern, denn einige meiner Kinder brauchen eben "gleich was auf den Deckel". :aufgepasst: Bei denen macht es mehr Sinn am gleichen Tag eine Konsequenz zu haben,...und diese dann auch dem Fehlverhalten entsprechend anzupassen. Einige wuessten am Freitag nicht mal mehr, was sie denn am Montag falsch gemacht haben.... :autsch:


    Mit der Liste: Laesst sich das bei euch nicht anders regeln? Sowas muss man ja nun nicht oeffentlich machen. Zur Not traegt man das im Lehrerzimmer ein und behaelt die Liste dort. (Bei uns laeuft sowas ueber's schulinterne Netzwerk.) Unsere Sekundarlehrer hatten etwas aehnliches an meiner alten Schule. Bei uns lief das aber so, dass nach dem dritten Vorfall (innerhalb einer Stunde) der Unterrichtsausschluss fuer den Rest des Tages kam und der Schueler den Rest des Schultages beim Stufenleiter verbrachte. Wenn das passierte, ging ein Brief an die Eltern. Ein weiterer Vorfall dieser Art innerhalb von sechs Wochen fuehrte zu weiteren Massnahmen. Einige haben das dann schoen ausgenutzt und es 'nur' bis zur 2. Verwarnung getrieben...in jeder Stunde. Aus diesem Grund gab es dann eine Liste auf dem Computer, in der saemtliche Vorfaelle gesammelt wurden und Schueler wurden dann eher ueberwacht, wenn dieses Muster offensichtlich wurde.


    Wir hatten kein Nachsitzen, da es eine sehr laendliche Schule war und die Mehrheit unserer Schueler per Schulbus kam.

  • bringen tuts offensichtlich nichts.


    Das solltest du als Anlass für eine Diskussion nehmen.
    Das zeitliche Versetzen von Strafe und das "Abgeben" an unbeteiligte Lehrer macht diese Maßnahme aus meiner Sicht völlig sinnfrei.

  • Hallo,
    bei der Diskussion wird da eben viel mit Gefühl und Glauben argumentiert, es wird einfach behauptet, dass dieses System die Schüler zum Besseren beeindrucke, viele KollegInnen machen sich auch nicht wirklich klar, dass das schiere Ausmaß der Arreststunden keine pädagogische Empfehlung für die Schule ist.
    Ich frage mich aber vor allem, ob das Ganze datenschutzrechtlich vertretbar ist.
    Ciao

  • Du versuchst also Gefühl und Glauben sachlichen Argumenten gegenüber zustellen, weil du meinst, es seien die stärkeren Argumente?
    Nun ja!
    Selbst wenn es datenschutzrechtlich bedenklich ist, so werden dich persönlich die Folgen wohl kaum treffen. Das sollte dann eher Aufgabe der SL sein sich Gedanken zu machen.


    Vielleicht geht es dir ja um etwas anderes.


    Zitat

    viele KollegInnen machen sich auch nicht wirklich klar, dass das schiere Ausmaß der Arreststunden keine pädagogische Empfehlung für die Schule ist.


    Sammle doch eher weiter solche "weichen" Argumente gegen diese Maßnahme. Ich bin mir sicher, du findest dann mehr Gehör.

    Einmal editiert, zuletzt von MarlenH ()

  • Hallo,

    Zitat

    Du versuchst also Gefühl und Glauben sachlichen Argumenten gegenüber zustellen, weil du meinst, es eine die stärkeren Argumente?
    Nun ja!


    Versteh ich nicht, ich will wissen, ob das System besser ist, bekomme aber nur zur Antwort, dass es dies gefühlt sein soll, Zahlen werden nicht genannt, da auch konkret nicht verfügbar. Das Gefühl kommt also nicht von mir.

    Zitat

    Selbst wenn es datenschutzrechtlich bedenklich ist, so werden dich persönlich die Folgen wohl kaum treffen.


    Doch, ich muss meinen Freitagnachmittag opfern, nicht oft, aber immerhin.

    Zitat

    Vielleicht geht es dir ja um etwas anderes.


    ???
    Ciao

  • Hallo Bonzo21,


    unter Bezugnahme auf die Veröffentlichung Datenschutz an öffentlichen Schulen Abschnitt II 3.1 (dort sind sowohl "Erziehungs- und Ordnungsmaßnahmen" als auch "Noten" genannt) halt ich das Vorgehen ("öffentlich" einsehbare Liste) für nicht zulässig.


    Begründung: Für "Noten" wird die öffentliche Bekanntgabe explizit z.B in der FAQ zum Datenschutz unter Frage 18 verboten.
    Aufgrund der Aufzählung im gleichen Abschnitt der Veröffentlichung "Datenschutz an Schulen" halte es auch für Erziehungs- und Ordnungsmaßnahmen für unzulässig.


    Gruß
    Nitram

  • Hallo Bonzo,


    ich denke, ich habe dich schon richtig verstanden. Doch um gegen diese Übermacht der gefühlten Verbesserung anzukommen, musst du:


    - deine eigenen Motive klar formulieren, (für dich)
    - weiche Argumente gegen diese Maßnahme finden, (Also, welche Verschlechterungen dies für die anderen hat)
    und
    - Verbündete suchen.


    Das von Nitram angeführte Argument könnte "nur" dazu führen, dass man die Strichliste der Vergehen dann heimlicher macht. Das ist doch aber gar nicht der Punkt, oder?


    Also, sammle Argumente! Das Argument mit dem Freitag würde ich nicht anbringen. Aber die Sache mit dem Ansehen der Schule ist schon mal die richtige Richtung.

  • Zitat Bonzo21 :

    Zitat

    Doch, ich muss meinen Freitagnachmittag opfern, nicht oft, aber immerhin.

    Jaja, immer diese Opfer für das pädagogisch Gute, besonders zu Lasten der Lehrer ! D.h. Ihr beommt diese zusätzliche Zeit weder vergütet noch zeitlich angerechnet ? D.h., die eigentlich Bestraften seid dann Ihr ? Wenn ja, warum lasst Ihr Euch bestrafen ? 8_o_)

    Ihr kommuniziert mit dem künftigen Bildungsminister !

  • viele KollegInnen machen sich auch nicht wirklich klar, dass das schiere Ausmaß der Arreststunden keine pädagogische Empfehlung für die Schule ist.

    Die Anzahl der Arreststunden sind nur ein Symptom, nicht die Ursache. Seid ihr einfach so niederschwellig oder habt ihr einfach eine hohe Zahl an SuS die das verdient haben?


    Doch, ich muss meinen Freitagnachmittag opfern, nicht oft, aber immerhin.

    Dürfte wohl kaum mehr als zwei Mal pro Schuljahr sein.

    D.h., die eigentlich Bestraften seid dann Ihr ?

    Ist immer eine Frage der Betrachtung. Wenn die Form der Bestrafung wirklich funktioniert und man so ruhigere Stunden hat, kann diese geringfügige Mehrarbeit an 2(?) Tagen pro Schuljahr unter dem Strich eine Erleichterung sein. Was mich jedoch am Ganzen wundert ist die Tatsache, dass es nicht zu fruchten scheint.



    @Bonzo21
    Wie lange habt ihr dieses System schon? Ist vorher/nachher eine (wenn auch wohl geringe) Verhaltensänderung feststellbar? Könnte es andere Gründe geben wieso das Nachsitzen nicht als (ausreichende) Strafe gesehen wird?

  • Mich wundert das nicht, aus den in post 6 genannten Gründen.

    Ich wäre ja auch dafür das Nachsitzen gleich am selben Tag durchzuführen. Setzt aber zwei Sachen voraus:


    1. Kollegen, die (evtl. sogar nach dem Sachmittagsunterricht) da bleiben und die SuS beaufsichtigen.
    2. Die rechtliche Möglichkeit so kurzfristig zu handeln.

  • Ich wäre ja auch dafür das Nachsitzen gleich am selben Tag durchzuführen. Setzt aber zwei Sachen voraus:


    1. Kollegen, die (evtl. sogar nach dem Sachmittagsunterricht) da bleiben und die SuS beaufsichtigen.
    2. Die rechtliche Möglichkeit so kurzfristig zu handeln.



    Außer Nachsitzen sollte es doch andere Maßnahmen geben.


    Nachsitzen oder Nacharbeiten einen Tag später wäre übrigens auch noch zeitnah, aber dann beim betreffenden Lehrer.

  • Außer Nachsitzen sollte es doch andere Maßnahmen geben.

    Es gibt eine Reihe von Maßnahmen. Aber meines Erachtens ist diese durchaus eine "der Untersten", die merklichen Eindruck auf viele Schüler macht.


    Nachsitzen oder Nacharbeiten einen Tag später wäre übrigens auch noch zeitnah, aber dann beim betreffenden Lehrer.

    Würde aber voraussetzen, dass dieser an besagtem Tag länger Unterricht hat als der Schüler. Oder aber die Bereitschaft für diese Maßnahme Überstunden zu machen.

  • Bei uns gibt es eine (halb-)vergütete Hausaufgabenbetreuung in der Mittagspause. Wenn Kids während des Unterrichts nichts machen, werden sie von uns zwangsverpflichtet. Vielleicht wäre das eine Alternative?

  • Hallo,
    Beitrag 10 von Nitram trifft wohl am ehesten den Problemkern, ist in etwa auch meine Argumentationslinie.
    Der Freitagnachmittag wurde deswegen gewählt, weil das mehr schmerzt als eine irgendwo angeklebte 6. Stunde. Die Diskussion um den Erfolg dieses Systems leidet darunter, dass es eben keine verlässlichen Zahlen zu den Arreststunden vor der Einführung gibt, wie soll man da vergleichen? Da kommen dann die Sentenzen wie: "Ich habe das Gefühl, dass...".
    Das System war zunächst freiwillig, als es dann aber immer schwieriger wurde, für diesen ausgesprochenen Königstermin Aufsichten zu finden, wurde es per GLK eben beschlossen. Das Phänomen kennt man sicher auch an anderen Schulen: Wenn etwas irgendwie pädagogisch begründet wird, schießen die Hände freudig zum Ja in den Himmel, die Praxis ist dann eine andere Sache.
    Noch eins zum Argument, dass einen das nicht so häufig trifft:
    Man sollte die Einzelphänomene nicht immer segmentieren, Kleinigkeiten häufen sich, die Gesamtbelastung steigt an. Will man diese senken, muss man eben auch bei Kleinigkeiten ansetzen.


    Die Frage, welche Alternativen es gäbe, ist schwierig. Ich glaube aber, dass es manchen Kollegen doch recht einfach gemacht wird, die Auseinandersetzung mit problematischen Schülern von sich weg auf einen andern Kollegen, der jetzt grad mal mit Aufsicht dran ist oder der den auslösenden Eintrag gemacht hat (Materialien!), zu schieben. Das führt dann zur oben erwähnten Inflation dieser Maßnahme.
    Ich werde aber weiterhin weich und hart argumentieren.
    Ciao

  • alternativen statt nachsitzen: frühsitzen? es kommt doch sicherlich ein vertretungsplaner oder schulleitung früher als die meisten lehrkräfte in die schule. in diese vorstunde so gegen 7.15 uhr bestellt ihr dann die ehemaligen nachsitzer. das wirkt recht zuverlässig plus die nervige suche nach extra-aufsichten entfällt. und es ist wunderbar begründbar, nacharbeiten des im unterricht durch störung etc. verpassten zwecks individueller förderung. voila.

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