Unsicherheit: Wirklich Lehrer werden?

  • Liebe Forumsnutzer,


    ich bin schon seit einer ganzen Weile im Forum unterwegs und
    lese vieles gespannt mit. Nun bräuchte ich euren Rat. Leider sind die
    Beratungsmöglichkeiten an Uni und im Freundes-/Bekanntenkreis eher selten. Ich
    hoffe, dass ich von einigen Antwort bekomme.


    Zu mir: Ich bin 22 Jahre alt und stehe mit dem Studium nun kurz
    vor dem Bachelor-Abschluss und damit vor der wichtigen Entscheidung, ob ich
    einen Master of Education oder einen fachwissenschaftlichen Master anstrebe. Ich
    habe in den letzten Monaten immer wieder Zweifel daran. Ich habe mir nach dem
    Abitur und zum Beginn des Studiums eines geschworen: Du wirst nur Lehrer, wenn
    du ein wirklich guter Lehrer wirst. Ansonsten ist deine Energie anderenorts
    besser aufgehoben.



    Wie viel kann man dazu lernen?
    Die Praxisphasen sind – nennen wir es
    vorsichtig – bescheiden. Deshalb habe ich direkt nach dem Abitur mein 1.
    Praktikum gemacht, im Studium dann ein kurzes, zweites (Pflicht)Praktikum sowie
    an einem Projekt teilgenommen, bei dem ich einmal in der Woche in einer
    Schulklasse mit einer Kommilitonin war. Das Feedback fiel bisher immer recht
    gut aus: Ich habe eine ruhige, nette, angenehme Art, wurde mir gesagt. Und mir
    hat all das auch immer Spaß bereitet. Schon jetzt im Studium kann ich irrsinnig
    viel Zeit damit verbringen, Dinge zu recherchieren, aufzubereiten, zu sammeln
    und zu lernen, die sehr konkret wichtig sind für das Lehrerleben (leider völlig
    abweichend von dem Stoff, den die Uni abverlangt). Ich hatte allerdings noch
    nie das Gefühl, ehrliches Feedback zu bekommen. Was mich besonders bewegt: Wie
    viel kann man dazu lernen, und was muss einfach da sein, um ein guter Lehrer zu
    sein?



    2. Wie stark beeinflussen körperliche … „Einschränkungen“?
    Ich kann mich noch sehr gut an meine resp.
    unsere Referendare erinnern. Jede(r) musste so einiges mit uns mitmachen,
    besonders Referendare werden sehr genau unter die Lupe genommen und bis zum
    Äußersten getrieben (heute erkenn ich das, als Fünftklässler war einem das so
    nicht bewusst). Wir hatten bspw. eine Referendarin, deren einer Finger zu kurz
    war (Unfall oder dergleichen) – das wurde Mittelpunkt von Witzen, die sie
    teilweise wohl auch mitbekam.



    Ich selbst habe ein ähnliches Problem: Ich
    schiele seit meiner Kindheit und trotz etlicher Operationen mit einem Auge. Ich
    versuche zwar, es weiterhin operieren zu lassen, aber ich glaube, dass die
    Chancen auf völlige Richtigstellung gering sind. Wie hoch ist die
    Wahrscheinlichkeit, dass das zum Witz aller Klassen wird? Ich habe bisher immer
    nur gute Erfahrungen gemacht – Fünftklässler fragten, warum das so sei, und ich
    antwortete. Allerdings muss ich zugeben, dass ich bei dem Thema auch sehr empfindlich
    bin, weil es mich sehr stört und ich es eben nicht ändern kann. In einer BBS
    Klasse in diesem Jahr kam es zu der Situation, dass zwei Schülerinnen
    wiederholt so laut gequatscht haben, dass sie alle störten und das über mehrere
    Stunden hinweg. Daraufhin habe ich – damit schließe ich an Punkt 1 an: Kann man
    lernen, mit Störungen adäquat umzugehen? – aus einer impulsiven Handlung
    heraus, beide, nicht zur Schnecke gemacht, aber mehr als deutlich auf das
    Fehlverhalten hingewiesen, was zur Folge hatte, dass die beiden – zum 1. Mal –
    Witze machten, u. a. eben über mein Schielen.



    Das macht mir deshalb so Sorge, weil ich wirklich
    glaube Spaß an dem Beruf haben zu können, aber dieser Punkt alles „vermiesen“
    könnte. Kurz gefasst: Wie gehen Schüler jeglichen Alters mit
    so etwas um? Kann es soweit kommen, dass man dauerhaft zum Witz in der Klasse
    oder sogar in den Klassen wird?


    Das sind die zwei Punkte, die mir am wichtigsten sind. Dass
    ich ein Problem habe, Dinge umzusetzen, die andere (namentlich: Seminarleiter
    und Prüfer) mir aufzwängen, hinter denen ich aber nicht stehe und, dass ich
    Rollenspiele und sonstige, meines Erachtens unnötige Arbeitsformen etc nicht
    mag (Ref!), könnte ich wohl 1,5 Jahre überstehen. Auch die große Angst, mit
    meiner Fächkombo in die Arbeitslosigkeit verabschiedet zu werden, kann ich
    ertragen, wenn ich mir sonst sicher bin.


    Puh, das war eine Menge. Ich hoffe, dass ihr einige
    Erfahrungsberichte habt, die mir bei der Entscheidung helfen. Ich weiß, dass
    das eine Menge verlangt ist – ich verlange nichts Endgültiges oder Eindeutiges,
    aber vielleicht die ein oder andere Erfahrung hilft vielleicht schon weiter.


    Schon jetzt ein Danke für's Lesen!


    Viele Grüße

  • Wenn du jetzt schon unsicher bist, dann solltest du es nicht tun. Über Schülerwitze über dich musst du drüber stehen und mit Disziplinproblemen hast du immer zu tun.

  • Mit Informatik wirst Du eher nicht arbeitslos sein. Damit könntest Du bei uns sofort nach den Ferien anfangen.
    Schüler machen Witze über Lehrer. Über die allermeisten. Irgendetwas finden sie. Logisch: Wenn sie sich in frontalen Phasen langweilen, gucken sie die Person, die da vortanzt, sehr genau an.
    Wer damit nicht leben oder mit einem geistreichen Spruch kontern kann, wird es sehr, sehr schwer haben.


    Was dasein muss:
    Ein Draht zu Jugendlichen. Überzeugung, das Richtige zu tun. Ein dickes Fell. Selbstbewusstsein. Durchsetzungsvermögen. Fachwissen. Den Rest kann man lernen.

    Dödudeldö ist das 2. Futur bei Sonnenaufgang.

  • In Baden-Württemberg ist dieser Selbsteinschätzungstest seit 2011 eine Zugangsvoraussetzung zum Lehramtsstudium:
    http://www.bw-cct.de/


    Zitat

    Rund um den Selbst-Test zur Studienorientierung finden Sie auf der Website CCT weitere interessante Informationen und Reportagen zum Lehrerberuf und zum Lehramtsstudium. Auch stehen Ihnen weitere Selbsterkundungs-Verfahren zur Verfügung, z. B. zur Fächerwahl.
    Hineinschauen lohnt sich auf jeden Fall, um eine bessere Berufswahlentscheidung zu treffen und sich auf das Lehramtsstudium vorzubereiten.


    Informationen, die bei der Berufsentscheidung helfen können, findest du auch hier:
    http://www.autenrieths.de/links/linkfort.htm#Lehrer

    Vorurteilsfrei zu sein bedeutet nicht "urteilsfrei" zu sein.
    Heinrich Böll

  • Wie
    viel kann man dazu lernen, und was muss einfach da sein, um ein guter Lehrer zu
    sein?


    Es gibt sicher Leute, die lieber nicht Lehrer werden sollten, schon im eigenen Interesse. Ansonsten kann man fast alles lernen. Das heißt nicht notwendigerweise, dass es einem beigebracht wird - die meisten Sachen lernt man ja eher anders, in der Praxis, im Selbststudium, wie auch immer. Auch den Umgang mit Disziplinproblemen lernt man, nur eben gibt es da keine Abkürzung und keine Zauberformel, es dauert und bleibt ein ständiger Prozess.


    Ein bisschen sonderbar klingt es, dass du schon jetzt darüber nachdenkst, ob du im Referendariat vielleicht Dinge tun musst, die dir nicht so behagen. Das kann passieren, aber was ist schon dabei? Für's Abi musstest du sicher auch Dinge lernen, die dich gerade nicht so interessiert haben, und dich Lehrern unterordnen, die du nicht so toll fandest. So ist das nun mal.


    Was jetzt deine persönlichen Eigenheiten angeht, so finde ich das schwierig. Einerseits finde ich natürlich, dass niemand sich verstecken sollte und einen auch ein körperlicher Makel nicht den Berufswunsch verderben sollte. Aber ehrlicherweise muss man schon sagen: Schüler können sehr gemein sein, und es genügt auch nicht, mit einer Klasse zurechtzukommen, es kommen immer wieder neue, die sich vielleicht neue Gemeinheiten ausdenken. Sicher findet man irgendeinen Weg. Aber jetzt einfach so zu sagen: Ach mach doch einfach, das fände ich ein bisschen fahrlässig. Letztlich kannst du das nur selbst entscheiden. Übrigens lernt man auch in Sachen Selbstbewusstsein hinzu.

  • Zitat Pieksieben :

    Zitat

    Was jetzt deine persönlichen Eigenheiten angeht, so finde ich das schwierig. Einerseits finde ich natürlich, dass niemand sich verstecken sollte und einen auch ein körperlicher Makel nicht den Berufswunsch verderben sollte. Aber ehrlicherweise muss man schon sagen: Schüler können sehr gemein sein, und es genügt auch nicht, mit einer Klasse zurechtzukommen, es kommen immer wieder neue, die sich vielleicht neue Gemeinheiten ausdenken.

    Passiert nicht oft, aber hier muss ich unserem geehrten Pieksieben an dieser Stelle Recht geben, geehrter HerrKoch !


    Schüler können da nicht nur gemein sondern auch grausam und rücksichtslos sein. Und dazu noch in Zeiten des bei Schülern immer mehr grassierenden Cybermobbings. Würdest Du Dir das antun wollen ?


    Aufgrund meiner jahrzehntelangen Erfahrung würde ich darüberhinaus behaupten, dass man im Schuldienst über Jahrzehnte es auch schaffen sollte, physisch absolut gesund und kraftstrotzend vor der Klasse dastehen zu können. Unsere heutigen Schüler verlangen einem sehr viel (physische) Kraft ab. Der körperlich-physische Gesichtspunkt wird leider von vielen KollegInnen zu wenig berücksichtigt. Zu viele meinen, dass psychische Stabilität, positive Motivation und solide Fach- und pädagogische Kompetenz für das Durchhalten im Lehrerberuf genügen würde. -Und viele sonst vorbildliche KollegInnen habe ich da im Schuldienst stranden sehen, wenn sie körperöich nicht mehr voll fit
    waren. 8_o_)

    Ihr kommuniziert mit dem künftigen Bildungsminister !

  • Herzlichen Dank für eure offenen Antworten.


    Ich habe es immer so gehalten, dass ich nicht in Selbstzweifel versinke, aber eine gewisse Offenheit für andere Berufe und ein gewisses Nachdenken über sich selbst wichtig ist. Leute, die sich schon jetzt zu 100% sicher sind und nicht über sich selbst nachdenken und nach links und rechts schauen, sind mir sehr suspekt. Ich denke, ich war etwas in Panik - warum auch immer. Den Selbsteinschätzungstest habe ich jetzt zum x-ten Mal gemacht, außerdem noch mit vielen Freunden gesprochen und nochmal genau überlegt, was von meinen Befürchtungen real geworden sind. Zum Winter werde ich das Masterstudium aufnehmen. Danach kann ich mir immer noch selbst sagen: Hey, mach lieber was anderes. Aber bisher gibt es wenig Anzeichen dafür, dass es nicht der richtige Beruf ist.


    Nochmals vielen Dank. Genießt - soweit möglich - den letzten Osterfeiertag. Viele Grüße

  • Am Ende ist die eigene Einstellung und ein souveräner Umgang entscheidend. Ich erinnere mich noch an die Grundschule an eine ähnliche Sache mit einer Lehrerin - die war aber recht extrovertiert und nicht auf den Mund gefallen und dann den Spieß umgedreht. Sie hat sich, in einer sehr lockeren und scherzhaften Art, 2 Schüler die "mitmachten" mit Auffälligkeiten (keine Behinderungen) rausgegriffen und dort dann demonstriert dass es Blödsinn ist auf solchen Auffälligkeiten rumzureiten (ungefähr "soll ich dann sagen dass X sich jeden morgen eine Flasche Ketschup in die Haar gießt?"). Sie hatte dann die Lacher auf ihrer Seite und das Thema erledigte sich. Allerdings bei noch beeinflußbaren Grundschülern die noch keine Opfer der aktuellen Nicht-Erziehung waren.



    Vielleicht bietet sich aber auch der Unterricht an einer Berufsschule an? Die Schüler dort sind älter und oft auch reifer. Gerade im Informatikbereich.

  • mit einer Lehrerin - die war aber recht extrovertiert und nicht auf den Mund gefallen und dann den Spieß umgedreht. Sie hat sich, in einer sehr lockeren und scherzhaften Art, 2 Schüler die "mitmachten" mit Auffälligkeiten (keine Behinderungen) rausgegriffen und dort dann demonstriert dass es Blödsinn ist auf solchen Auffälligkeiten rumzureiten (ungefähr "soll ich dann sagen dass X sich jeden morgen eine Flasche Ketschup in die Haar gießt?"). Sie hatte dann die Lacher auf ihrer Seite und das Thema erledigte sich. Allerdings bei noch beeinflußbaren Grundschülern die noch keine Opfer der aktuellen Nicht-Erziehung waren


    Wie pädagogisch! Beispielhaft! Dieses Verhalten sollte unbedingt in allen Lehrbüchern als Grundverfahren angepriesen werden!
    Zu bedenken bleibt, dass dieses Verfahren ausschließlich bei kleinen Grundschülern verwendet werden kann und nur Schüler ausgewählt werden dürfen, deren Eltern pflegeleicht sind und nich sofort beim Schulrat intervenieren.


    Ansonsten - nettes Beispiel eine gelungenen Handlungsanweisung für Junglehrer, die sich nach Alternativen zum Lehrerberuf sehnen! Respekt!

    Vorurteilsfrei zu sein bedeutet nicht "urteilsfrei" zu sein.
    Heinrich Böll

    • Offizieller Beitrag


    Vielleicht bietet sich aber auch der Unterricht an einer Berufsschule an? Die Schüler dort sind älter und oft auch reifer. Gerade im Informatikbereich.


    Ich weiss ja nicht, wie es in Berlin ist, aber in beruflichen Schulen sind doch Berufschulen sehr häufig zusammen mit den beruflichen Vollzeitschulformen, und dass die Schüler dort reifer sind kann man doch sehr bezweifeln.

  • Das ist wahrscheinlich wirklich ein Berliner Spezifikum. Die Berufsschulen sind hier sehr spezialisiert, d.h. es gibt z.B. Schulen in denen praktisch nur Bankkaufleute (diese i.d.R. haben bereits Abitur) und Wirtschaftsabiturienten sitzen mit max. 1-2 oder auch gar keinen Klassen im Berufsvorbereitungsjahr - die sind auch reif genug. Auf der anderen Seite aber auch Schulen in denen sich ein jüngeres und sozial anspruchsvolleres Klientel konzentriert - da vermute ich muss man dann schon sehr souverän auftreten um mit Auffälligkeiten umzugehen.

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