Mein Kind ist anders

  • Mein Beitrag gehört jetzt schon in diesen Bereich, ich frage aber besonders die Sonderschulpädagogen:
    Meine kleine Tochter (fast 6) wurde neulich im Sozialpädiatrischen Zentrum auf ihre Schuleignung getestet, weil sie einfach schon immer und überhaupt massiv hintendran und anders als andere war. Nun haben wir mündlich und "halbschriftlich" die Diagnose F70 (leichte Intelligenzverminderung), für Nichtsonderschullehrer: das heißt zunächst: Geistige Behinderung der "milden" Art.
    Jetzt haben und hatten wir natürlich eine Rennerei wegen der Einschulung und eins ist für mich sonnenklar: Das Kind kommt nicht in eine irgendwie auch immer geartete Sondereinrichtung sondern ich möchte eine integrative Einrichtung für sie finden. Ich frage jetzt insbesondere die Beratungs-und Sonderschulllehrer. Wie sicher kann ich nach einem solchen Intelligenztest, der insgesamt zwei Sitzungen dauerte und schon seriös war mit totalen Profis am Werk, dass das wirklich alles auch so stimmt, oder können noch irgendwelche "Knoten platzen". Auf was muß ich mich als Mutter einstellen? An wen kann ich mich wenden, wenn ich eine "nichtaussondernde Förderung" für mein Kind möchte?
    Ich bin schrecklich ratlos. Zunächst aber interessiert mich schon wie sicher diese Intelligenztests sind? (Wobei ich aus meiner kleinen "Schwachsinnigen" bestimmt keinen Einstein machen möchte)
    Laempel


    P.S.
    Würde um die halbe Welt laufen, um mein Kind "normal" zu machen.

  • Liebe Laempel!


    Einige Erfahrungen mit IQ Tests habe ich aus Sicht einer GS-Lehrerin gemacht, im Bekanntenkreis sind zwei behinderte Kinder, deswegen antworte ich.
    Du schreibst nichts Genaues, was dir selbst an deinem Kind aufgefallen ist.
    Was hast du genau an deinem Kind beobachtet? War es in einer Frühförderung? Von wem wurden die Tests veranlasst?


    IQ-Tests sagen zwar einiges aus, aber heute ist man soweit, sie nicht als einziges Kriterium zu nehmen. Wichtig sind Beobachtungen, möglichst auch von anderen Personen als die Eltern (denn wer sieht sein Kind nicht durch die rosa-rote Brille?). Wo liegen die Stärken/Schwächen? Was macht das Kind gerne/nicht gerne? Was vermeidet es? Solche Fragen geben m.E. dann richtige Hinweise auf den idealen Förderort.


    Generell würde ich nie die Schule für Geistigbehinderte ablehnen. Ich habe mehrere Freundinnen, die dort arbeiten, sie sind personell und mit Sachmitteln viel besser ausgestattet als viele integrative Beschulungsmodelle.Leidet dein Kind an irgendeiner Behinderung(Seh-, Körperbehinderung), so sind auch diese Schulen miteinzubeziehen.
    Auf alle Fälle: Schaue dir die Einrichtungen genau an, vorbehaltslos, sprich mit anderen Eltern, deren Kinder die Einrichtungen besuchen.
    Eine bekannte Familie, mit einem monoloiden Sohn entschied sich dann doch für die GB-Schule, obwohl sie eigentlich für die integrative Beschulung waren (in NRW ist das im GU sogar an einer normalen Grundschule möglich), nachdem sie gemerkt hatten, wie (wenig) ihr Kind dann an Grundförderung erhalten hätte. Ich selbst hospitierte in meinem Studium 1/2 Jahr an einer integrativen Grundschule, d.h., dass 5 Behinderte mit 15 Nicht-Behinderten zusammen unterrichtet wurden. Da aber alle der 5 Behinderte aus versch. Bereichen kamen, hatte ich den Eindruck, dass das GB Kind etwas vernachlässigt wurde, weil es leicht zu händeln war. Es lief herum, machte da und da etwas mit, bekam vielleicht mal 10 Minuten Einzelförderung. Was mir meine Freundin erzählte, was sie mit "ihren " Kindern so anstellt, fand ich das eine Farce, Pseudo-Integration, für weltoffene Eltern, die ihren Kindern Kontakt zu "Randgruppen" ermöglichen wollten bzw. Eltern, die ihre Kinder nicht abgestempelt sehen wollten. Aber ordentliche Förderung????

    Will damit sagen, schaue dir alles genau an, um den besten Förderort zu finden. Von daher können dir Leute, die nicht dein spezielles Schulumfeld kennen, eigentlich nichts Genaues raten. Vielleicht gibt es auch Elterngruppen am Ort???? Vielleicht kennst du einige Lehrer????Klar, dass man sich für sein Kind immer wünscht, dass es überall gut klar kommt. Welches Kind ist normal? Wenn ich versuche, die Stärken eines jeden Kindes zu sehen und nicht die Schwächen, kann ich es viel besser unterstützen - klar, als nicht Betroffene kann ich das gut sagen.
    Alles Gute und eine für euch geeignete Schulwahl!!!
    wünscht
    flip

  • Hallo Laempel,


    sicherlich ist diese Prognose erst einmal ein großer Schock, der Zeit braucht, um verarbeitet zu werden. Leider kann ich Dir auch nicht die Frage beantworten, welche Aussagekraft diese Tests haben. Ich möchte mich nur meiner Vorrednerin anschließen und Dir raten, mehrgleisig zu fahren:


    1. Mehr über die Aussagekraft dieser Tests herauszufinden.


    2. Sich auch Sonderschulen anzuschauen und zwar immer unter dem Blickwinkel, welche besondere Förderung kann hier mein Kind bekommen, die es in einer integrativen Schule nicht bekommen kann. Du solltest bedenken, Sonderschulen haben eine andere Ausstattung und einen anderen Personalschlüssel, können wirklich individuell fördern.


    3. Versuche Kontakt zu Eltern zu bekommen, die für ihr Kind dieselbe Prognose haben. Erfahrungsaustausch kann viele Vorteile haben.


    Sieh nicht zu schwarz für die Zukunft. Liebe Grüße von der Sonne

  • Hallo Laempel.


    Eigentlich gibt es zu flip und sonne gar nicht mehr viel hinzuzufügen.


    Noch eines zu den Tests: Kein Test hat eine 100% Aussagekraft. Bei einer zweiten Testdurchführung würde mit Sicherheit ein anderes (Zahlen)Ergebnis herauskommen. Und dieses wäre genausowenig hieb- und stichfest. Ein Intelligenztest gibt jedoch Auskunft über den Bereich, in dem sich die Intelligenz befindet, insofern ist davon auszugehen, dass der IQ deines Kindes tatsächlich im unterdurchschnittlichen Bereich liegt: Ob es allerdings eher Lernhilfebedarf hat oder eher praktisch bildbar ist, kann nur durch Förderung und Beobachtung festgestellt werden.
    Allerdings werden Gutachten in der Regel nicht allein auf Grundlage eines Intelligenztest erstellt, sondern es werden viele verschiedene Tests eingesetzt. Sicherlich ist bei deinem Kind auch die auditive und visuelle Wahrnehmung sowie der motorische Bereich überprüft worden. Gerade im Vorschulbereich spielt außerdem die Anamnese (z.dt. Gespräche über die Vorgeschichte mit Eltern und Erziehern) eine ganz wichtige Rolle. Vielleicht wurde auch ein Schuleingangstest gemacht, in dem Fähigkeiten überprüft werden, die für einen erfolgreichen Besuch der Regelschule nötig sind.


    Leider ist es so, dass den Sonderschullehrern für die Überprüfungen zu wenig Zeit eingeräumt wird. In der Regel muss innerhalb von 2-3 Tagen ein Urteil gefällt werden, ohne dass der Lehrer das Kind vorher jemals zu Gesicht bekommen hat. Irrtümer sind daher nicht ganz auszuschließen, wobei du dennoch davon ausgehen kannst, dass die meisten Lehrer die sonderpädagogischen Überprüfungsverfahren sehr, sehr ernst nehmen und keine leichtfertigen Urteile fällen.
    Versuche dieses "Urteil" für dich selbst zu relativieren: Es geht bei der sonderpädagogischen Überprüfung nicht um eine Zuordnung in eine Schublade, sondern um den besten Förderort für dein Kind.


    Wie auch immer, für dein Kind muss es keinen Nachteil bedeuten, wenn es zunächst auf eine Schule für praktisch Bildbare eingeschult wird, insbesondere wenn es im Grenzbereich liegt. Lernhilfeschulen werden in der Regel überwiegend von Kindern aus sozial schwierigen Familien besucht, so dass es für Kinder aus anderen Verhältnissen oft nicht einfach ist, dort zurecht zu kommen.
    Allerdings kommt das mit Sicherheit auch immer konkret auf die Schule an.
    Integration ist noch immer sehr umstritten: der Erfolg fällt mit den Mitschülern, den Lehrern, den vorhandenen schulischen Bedingungen. Pauschal kann man weder zu dem einen noch dem anderen raten.


    Auch hier kann ich mich nur meinen Vorrednern anschließen: Erkundige dich am Besten, welche Schulen für dein Kind an deinem Wohnort in Frage kommen und mach dir vor Ort ein Bild dieser Schulen.
    Erkundige dich an Grundschulen, an denen integrative Beschulung in Frage kommt, unbedingt nach den speziellen Förderangeboten und vor allem der personellen, räumlichen und sächlichen Ausstattung. Hakt es dort, ist gemeinsamer Unterricht unter Umständen nicht zu empfehlen.
    Versuche Kontakte mit anderen Eltern zu bekommen, die bereits Erfahrungen in diesen Bereichen haben. Insiderwissen bringt am Meisten!
    Jede Schule, egal ob Regel- oder Sonderschule ist anders und welche am Besten zu dir und deinem Kind passt, kannst nur du allein herausfinden.


    Es ist übrigens häufig der Fall, dass Eltern die Sonderschule für ihr Kind ablehnen. Verständlich, weil dieser Begriff extrem negativ besetzt ist. Allerdings ist es auffällig, dass andererseits viele Eltern ihre Meinung ändern, wenn sie ihr Kind dann doch auf einer Sonderschule haben.
    Ich hatte sogar vor zwei Jahren den Fall, dass ein Mädchen auf die Sonderschule (an der ich damals noch war) eingeschult wurde, zurück auf eine Haupt- und Realschule geführt wurden, nach einem Jahr aber auf Drängen der Eltern wieder zu uns an die Schule zurückkam. Begründung: Wir arbeiteten sehr berufsorientiert, was zur Folge hatte, dass die Quote der Vermittlung in Ausbildungsverhältnisse deutlich höher war als die Quote dieser Haupt- und Realschule. Dieses Mädchen macht dieses Jahr an der (zielgleich unterrichtenden) Sonderschule ihren Realschulabschluss und hat gute Voraussetzungen einen Ausbildungsplatz zu bekommen.
    Du siehst: Sonderschule heißt nicht automatisch Endstation.


    Was die "Knoten" anbelangt: Klar, kann es sein, warum nicht - allerdings in den meisten Fällen nur bei entsprechender Förderung.
    Abraten würde ich davon, dass Kind in der Regelschule nur mitlaufen zu lassen und auf das Platzen des Knoten einfach so zu warten. Insbesondere, da dein Kind sich offensichtlich im Grenzbereich praktisch bildbar/lernbehindert befindet, muss ich dir die Hoffnung leider nehmen, dass es einfach so "normal" wird.


    Alles Gute für dich und deine Tochter, die vermutlich auch überhaupt nicht schwachsinnig ist, sondern so knuffig wie alle anderen Sechsjährigen auch und die sich auch genau wie alle anderen zu einer einzigartigen Persönlichkeit entwickeln wird. Gib ihr nur die Chance, ihren eigenen Weg zu gehen und auf diesem glücklich zu werden.


    Lieben Gruß,
    Mia

    Man soll denken lehren, nicht Gedachtes.
    (Cornelius Gustav Gurlitt)

  • Danke für eure Beiträge. Diese Tests wurden im Sozialpädiatrischen Zentrum gemacht von einer Psychologin. Es handelte sich um den HawikTest und den Snijders Omen Non-verbalen Intelligenztest. Zuvor erfolgte eine neurologische Untersuchung bei der auch eine grobmotorische Entwicklungsverzögerung festgestellt wurde. Meine Tochter geht in einen integrativen Montessorikindergarten und ich hätte mir auch sehr gewünscht, dass sie anschließend dort in die sehr kleine integrative Montessorischule gehen kann. Ich denke, so wie ich sie kenne, würde ihr das sehr gut tun. nun ist es nicht sicher, ob sie dort einen Platz bekommen kann im nächsten Jahr.
    Das Problem bei uns ist, dass in der für meine Tochter zuständigen staatlichen Förderschule fast nur schwer verhaltensauffällige Kinder sind und das ist meine Tochter definitiv gar nicht, eher viel zu angepasst. Und für eine GB Schule ist sie einfach zu fit- finde ich. Sie kann jetzt schon alle Zahlen lesen, kennt das Alphabet (groß und klein) und ist noch nicht sechs.
    @ Mia: Ich sehe das schon realistisch, dass ein "normaler" Grundschulbesuch nicht drin ist, aber es gibt bei uns ein gutes Integrationsmodell an einer ausgezeichneten Staatlichen Schule und daran bin ich schon seit langem interessiert und dort hätte ich es - abgesehen von der integrativen Montessorischule sowieso versucht, unabhängig vom Ergebnis des Tests.


    Mich hat jetzt vor allem die Zuverlässigkeit der Tests interessiert. Ich glaube ehrlich gesagt nicht so ganz an das Ergebnis.
    Natürlich weiß ich schon längst, dass mein Kind anders ist und besonderen Förderbedarf hat, deswegen geht sie schon seit frühester Kindheit in die Ergotherapie und besucht den integrativen Kindergarten. Bisher war ich immer der Meinung, dass sie ihre Defiztite (sehr starke Gleichgewichtsstörungen, grob und feinmotorischer Entwicklungsrückstand in erheblichem Maß) irgendwann mal annähernd aufgeholt hat. Dieses Ergebnis hat mich und alle in der Bekannt- und Verwandtschaft überrascht und ich habe- weil selber Lehrerin- auch einige Grundschullehrerinnen im Bekanntenkreis, die das anzweifeln.
    Wir sind jetzt klar auf der Suche nach möglichen Ursachen, Ohren/Augen stehen an und eine Untersuchung der Halswirbelsäule.
    Ich meine: ich finde es einfach nach 2 Stunden Tests und einer Beurteilung aus dem Kindergarten ein bisschen schnell ein solches Urteil zu fällen, das stellt mich nicht richtig zufrieden zumal ich beim ersten Test dabei war und bei einigen Testsequenzen wußte, dass sie die Aufgabe normalerweise lösen kann.

  • Hej!


    Leider auch kein fachlicher Rat - aber ganz viel Mit-Gefühl!!!


    Aus eigener Erfahrung weiß ich, wie schnell Kinder in eine Schublade geraten. Völlig bedenkenlos und ohne lange über die Konsequenzen nachzudenken werden da nach Kurztests Urteile gefällt, die nicht angezweifelt werden dürfen! X(


    Als Ergebnis meiner eigenen Erfahrungen einige Hinweise:


    - Hab Vertrauen zu deinem Kind, es zeigt dir sehr deutlich was gut für es ist und was nicht.


    - Such dir Fachleute, die nicht nur an ihre "little boxes"-Tests glauben. Glaubwürdig sind nur Spezialisten, die auf ruhige Langzeitbeobachtung setzen, die mit deinem Kind zusammen sein und es kennenlernen wollen.


    - Schau dich in Ruhe bei euch um - wie ist das Schulangebot, welche Ergänzungsangebote gibt es, wo wird integriert und nicht ausgesondert!


    - Vor allem - wehr dich, lass nicht zu, dass die Zukunft deines Kindes auf eine Schiene gesetzt wird, von der es nicht mehr runterkommt.


    Ich weiß, dass das ganz viel Kraft kostet - aber es lohnt sich!



    Alles Gute! :D


    Ciao,
    Kaspar

  • Stelle deine Frage mal unter
    [URL=http://www.schulpsychologie.de,]http://www.schulpsychologie.de,[/URL] ein Schulpsychologe antwortet dir (es ist kein Forum).


    Was für mich nicht überein passt, ist, dass deine Tochter die Buchstaben und Zahlen schon so gut kennt. Mein Sohn im gleichen Alter kann das nicht, und ich würde ihn als Durchschnittskind ansehen. Ich werde dein Post noch einmal an eine Freundin, die GB als Fach hat weiterleiten.
    flip

    • Offizieller Beitrag

    Hallo Laempel,


    ich habe auch ein gespaltenes Verhältnis zu diesen IQ-Tests. Zwei meiner Schüler haben aufgrund dieses Tests die Grundlage für eine sonderpädagogische Förderung nicht erreicht, obwohl sie - nach gesundem Menschenverstand und eingehender Beobachtung - dringend eine solche benötigen. Es kann also auch andersherum laufen! Da auch noch ein Mangel an SO-Lehrern (NRW) herrscht, ist nicht jedes Verfahren erfolgreich.
    Einen der beiden habe ich trotzdem in den GU bekommen und durch zahlreiche Untersuchungen, die die Eltern inzwischen organisiert haben, kam nun heraus, dass seine Gehirnhälften nur bedingt korrespondieren, d.h. im Bereich 'Sprechen' und 'Lesen' kommt es zu gravierenden Ausfällen. Die abgetesteten Leistungen in Bezug auf Konzentration und Orientierung sind aber normal!


    Ein anderer Schüler, der auf ADHS untersucht wurde, hat das sog. Kiss-Syndrom, das vielen Kinderärzten noch nicht genauer bekannt ist.
    http://www.kiss-kid.de
    http://www.finderboerse.de/kiss_syndrom.html


    Vielleicht helfen dir die Links zumindest dabei, einige Möglichkeiten auszuschließen.
    http://www.asperger-online.de
    http://www2.uibk.ac.at/bidok


    An meiner Schule gibt es eine integrative Klasse, aus der bestimmt einige Kinder besser an einer Sonderschule gefördert werden könnten. Eine integrative Montessorischule wäre natürlich ideal. Gibt es in deiner Umgebung keinen Verein, der sich um die integrative Beschulung kümmert? Wir haben so eine Einrichtung, die Gespräche mit den Schulen führt, so dass die Kinder auch den gewünschten Platz bekommen.


    Viel Kraft und Glück für die Schulwahl
    strucki

    Ein Niederrheiner ist einer, der nix weiß und alles erklären kann.
    Hanns Dieter Hüsch

  • Oh, tschuldige Laempel, das hab ich überlesen - du hattest ja schon im 1. Beitrag geschrieben, dass es ein Test im Soz.päd. Zentrum war. Irgendwie hatte ich jetzt trotzdem im Kopf, dass es schon eine sonderpäd. Überprüfung war.


    Wenn das Urteil nur aufgrund dieser 2 Intelligenztests zustande kam, sieht die Sache natürlich schon anders aus.
    Allerdings finde ich persönlich den SON m.E. ganz in Ordnung und habe bei diesem Test eigentlich immer Ergebnisse erhalten, die gut ins Gesamtbild passten.
    Der Hawik ist dagegen etwas umstritten. Viel kann ich allerdings nicht dazu sagen, weil ich ihn selbst nur einmal im Studium ausprobiert habe und mich nicht mehr erinnern kann. Aus irgendwelchen Gründen habe ich ihn damals wohl für mich verworfen...


    Da ja tatsächlich noch nicht alle Bereiche überprüft worden sind, wäre das der nächste Schritt.
    Ich persönlich verstehe übrigens nicht, warum die Psychologin gleich mit Intelligenztests einsteigt. Heute benutzt man die eigentlich nur zur Absicherung der übrigen Testergebnisse. Andersrum macht es keinen Sinn. Und ich dachte eigentlich auch, dass die Zeiten vorbei sind, in denen Menschen entsprechend ihres IQ in Schubladen gesteckt wurden. :rolleyes:
    Allein ein IQ bringt euch förderdiagnostisch betrachtet nicht weiter, weil ihr nicht wisst, ob es nicht vielleicht andere Gründe für die Defizite gibt.


    Vielleicht hilft dir auch das Wissen, dass der IQ nicht die Grundintelligenz eines Menschen ist. Die kann nicht gemessen werden. Und der IQ kann wie auch andere Defizite durch Förderung verbessert werden, wird aber natürlich auch immer durch Defizite in anderen Bereichen beeinträchtigt.


    lg,
    Mia

    Man soll denken lehren, nicht Gedachtes.
    (Cornelius Gustav Gurlitt)

    Einmal editiert, zuletzt von Mia ()

  • danke,
    eure letzten postings bringen mir entscheidende hinweise, die mir auch psychisch weiterhelfen.
    Es ist tatsächlich so, dass die Psychologin nach einer kurzen Begrüßung gleich mit dem Hawik eingestiegen ist. Das fand ich auch ziemlich seltsam. Ich denke ich hätte eine Sitzung lang erst mal mit dem Kind gespielt um sich besser kennenzulernen. Zumal ich vorher hundert mal mindestens gesagt habe, dass meine Tochter ein sehr ängstlicher Typ ist und sehr lange braucht, um sich in neuen Situationen einzufinden. Was die Psychologin im Abschlußgespräch übrigens als weiteres Indiz für die Intelligenzminderung deutete.
    Kaspar: Das ist genau das wovor ich jetzt Angst habe. Dass mein Kind jetzt auf eine Schiene gerät, von der wir nicht mehr runterkommen und ich möchte jetzt schon daran glauben wollen, dass wir mit der r i c h t i g e n Förderung ein Stück weiterkommen, als es die Psychologin sagte. Die meinte nämlich, dass die Schere zwischen meiner Tochter und den anderen Kindern immer weiter auseinandergehen wird und das hat sie übrigens schon gesagt, als sie mein Kind noch gar nicht kannte.
    @strucki An das Kiss Syndrom habe ich auch schon gedacht, weil meine Tochter in den ersten Monaten einen extremen Schiefhals hatte. Ich habe jetzt einen Termin deswegen ausgemacht, würde zur Not auch noch zu einem Spezialisten nach Dortmund fahren.
    Mia Es beruhigt mich ein bisschen zu hören, dass der IQ nichts Statisches ist, sondern auch da Entwicklung stattfinden kann.
    Ich habe jetzt einen Termin mit der Frühförderstelle ausgemacht und ich glaube, die können uns gut helfen
    Danke für eure Antworten

  • Hier die Antwort meiner Freundin, sie ist Sonderschullehrerin mit Fachrichtung GB. Vielleicht hilft es ein bisschen weiter.
    So, jetzt will ich mal versuchen, was zu dem Text aus dem Lehrerforum zu schreiben.
    Natürlich kann die Diagnose einer Behinderung nie nur aufgrund eines IQ-Wertes getroffen werden, das steht auch in allen Anweisungen zum VO-SF und Fachbüchern, sondern es wird immer der gesamte Entwicklungsstand, das Lernverhalten usw. berücksichtigt. Bei Kindern, wo es schwierig ist, eine Zuordnung zu treffen ist der IQ-Wert aber ein wichtiges Indiz.
    IQ 70 würde ich eher als Lernbehinderung als als geistige Behinderung einstufen. Bei schlechten Umfeldbedingungen und zu wenig Förderung könnte daraus zwar eine geistige Behinderung werden, aber das ist bei dem Mädchen, um das es hier geht ja wohl nicht der Fall.
    Dass das Kind schon Buchstaben und Zahlen kennt ist zwar erstaunlich, sagt aber nicht sehr viel aus. Es ist ja zunächst einfach eine Gedächtnisleistung, es bedeutet ja nicht, dass sie die Zahlen z.B. auch mit Mengenvorstellungen verbinden kann. Es kann ja sein, dass sie im Intelligenzbereich "Gedächtnis" sehr stark ist, während sie z.B. bei logischen Schlussfolgerungen ganz schwach ist. Solche ungleichmäßigen Entwicklungen kommen öfter vor.
    Den Snijders-Oomen-Nonverbalen Intelligenztest habe ich selbst ein paar Mal durchgeführt; ich weiß nicht, ob du ihn kennst. Ich finde ihn ziemlich gut, weil "kinderfreundlich". Das Kind hat immer erst einen Versuch zur Aufgabenlösung, der nicht gezählt wird, um festzustellen, ob die Aufgabenstellung verstanden wurde, kann den jeweiligen Aufgabentyp ein paar Mal probieren, bevor abgebrochen wird, weil es die Aufgabe nicht schafft. Also, wenn das Kind an dem Tag nicht total schlecht drauf ist, hat es auf jeden Fall die Chance zu zeigen, was es kann. Man kann auch zwischendurch Pausen machen, wenn man merkt, dass die Konzentration nachlässt oder an einem anderen Tag weiter machen.
    Ich finde, mit so einem Testergebnis macht man ja auch keine Aussage über die gesamte Zukunft des Kindes und sagt auch nicht, dass es keine Entwicklungsmöglichkeiten hätte. Die Vorstellung der Mutter einer integrativen Beschulung für ihr Kind finde ich sehr gut, zumal ich ihre Bedenken wegen einer Förderschule sehr gut verstehe. Da werden erziehungsschwierige, lernbehinderte und sprachbehinderte Schüler/innen gemeinsam unterrichtet, was eigentlich totaler Quatsch ist, weil die Erziehungsschwierigen die anderen niedermachen. Ist mal wieder so'n blödes Sparmodell.

  • Da waren wir Sonderschullehrer uns ja ziemlich einig. ;)


    Doch bevor es zu Missverständnissen kommt, möchte ich etwas ergänzen. Meiner Erfahrung nach sind die Kenntnisse über das Sonderschulsystem in Deutschland bei Regelschullehrern mäßig ausgeprägt und daher kommt es oft zu falschen Empfehlungen.


    Förderschule ist in vielen Bundesländern das Synonym für Sonderschule. Sonderschulen gibt es für veschiedene Fachrichtungen, z.B. Schulen für Erziehungshilfe, Lernhilfeschulen, Sprachheilschulen, Schulen für Praktisch Bildbare, usw. (Auch hier variieren die Bezeichnungen je nach Bundesland.)
    Das eben angesprochene Sparmodell gibt es auch, aber nicht ausschließlich, in Hessen glücklicherweise noch recht selten. Bei diesem Modell werden verschiedene Fachrichtungen zusammengelegt, allerdings nur, wenn nach den gleichen Rahmenrichtlinien unterrichtet wird. So findet man z.B. häufig kombinierte Sprachheil- und Erziehungshilfeschulen, weil an beiden Sonderschulformen lernzielgleich unterrichtet wird. Mit Lernhilfe wird meines Wissens nie kombiniert, weil diese Schulform eigene Lehrpläne hat. Von einer Integration in eine andere Sonderschule hab ich bislang glücklicherweise noch nix gehört. Eine Absurdität, mit der wir aber bei der derzeitigen Landespolitik bestimmt auch irgendwann konfrontiert werden. :rolleyes:


    Was meine Kollegin vermutlich meinte, ist weniger das oben angesprochene Sparmodell, sondern die Klientel der Lernhilfeschule. Die Ursachen für den Besuch einer Lernhilfeschule liegen zumeist im psychosozialen Umfeld. Lernhilfeschüler kommen in der Regel aus Unterschichtsfamilien und haben mit extremen sozialen Problemen zu kämpfen, so dass Verhaltensauffälligkeiten an Lernhilfeschulen sehr ausgeprägt sind. Förderung haben diese Schüler im allgemeinen in keiner Form erhalten, was zu vielen sekundären Defiziten führt.
    Zudem ist der Anteil ausländischer Schüler auffällig hoch, was wiederum einhergeht mit Sprachproblemen, die durch die kognitiven Schwierigkeiten häufig noch weniger kompensiert werden können als das bei Hauptschülern der Fall ist.
    Dadurch ist die Lehrkraft in einer Lernhilfeschule in der Regel mit diesen drei Bereichen konfrontiert: Lernschwierigkeiten, Verhaltensauffälligkeiten und Sprachschwierigkeiten.


    Die Klientel an Schulen für Praktisch Bildbare unterscheidet sich in der Regel von der LH-Klientel grundlegend.
    Die Schüler kommen aus allen Schichten, der Ausländeranteil ist durchschnittlich, häufig sind die Eltern sehr engagiert und die Kinder werden entsprechend gefördert. Bedingt durch die geistige Behinderung sind zwar auch Schwierigkeiten in den drei oben genannten Bereichen vorzufinden, doch werden von den Eltern meist Therapieangebote in Anspruch genommen, so dass die Lehrer viel außerschulische Unterstützung bekommen. (An einer guten PB-Schule geht das mit Kooperation einher.)


    Mit diesem Vorwissen muss man abwägen, wohin das Kind besser passt. Zwar spricht ein IQ von 70 eher für die LH-Schule, doch muss man damit rechnen, dass deine Tochter mit schwierigen sozialen Verhältnissen rechnen muss. Da du schreibst, dass sie eher zurückhaltend ist und vermutlich bislang weniger in Selbstbehauptung trainiert wurde als dies in der Regel bei Unterschichtskindern der Fall ist, wird sie es an einer LH-Schule evtl. schwieriger haben. Da hat sie von einer Förderung an einer PB-Schule möglicherweise mehr, obwohl sie dort von Kindern umgeben sein wird, die größtenteils weniger begabt sind als sie selbst.


    An diesem Punkt kann ich wiederum nur den Tipp geben, sich die in Frage kommenden Schulen genau anzuschauen. An manchen PB-Schulen gibt es Klassen oder Kurse für die begabteren Kinder. Es gibt allerdings auch LH-Schulen, gerade in ländlichen Gebieten, die eine relativ unproblematische Schülerklientel haben. Dann bietet sich vielleicht doch der Besuch der LH-Schule an.


    lg,
    Mia

    Man soll denken lehren, nicht Gedachtes.
    (Cornelius Gustav Gurlitt)

    Einmal editiert, zuletzt von Mia ()

  • Zitat

    An diesem Punkt kann ich wiederum nur den Tipp geben, sich die in Frage kommenden Schulen genau anzuschauen.


    Das kann ich auch nur empfehlen. Mir sind 2 nah beieinander liegende Schulen für Lernhilfe bekannt, die sich im sozialen Klima sehr voneinander unterscheiden, wenn ich auch Mias Ausführungen grundsätzlich zustimme. Und übrigens gibt es auch noch erhebliche Unterschiede von Klasse zu Klasse - wobei eine zum Zeitpunkt der Entscheidung ruhige Klasse natürlich auch von heute auf morgen Zuwachs bekommen kann, der dann (zunächst) erhebliche Unruhe in die Klasse bringt.


    Auch zwischen den beiden mir bekannten GB-Schulen gibt es erhebliche Unterschiede - je mehr schwerstmehrfachbehinderte Kinder in einer Klasse sind, desto geringer ist das Angebot zum Erlernen der Kulturtechniken ...


    Bablin

    Wer hohe Türme bauen will,
    muss lange beim Fundament verweilen.
    Anton Bruckner

  • Ich danke euch allen sehr für eure Antworten. Inzwischen haben wir auch das schriftliche Gutachten vom SPZ in der Hand. Ich denke, bevor ich das glauben möchte , dass meine Tochter "intelligenzvermindert im Sinne F70 ist", möchte ich schon noch einiges abwarten: Einmal die ärztlichen Besuche und dann auch das was nachher in der Schule passieren wird, bis jetzt ist sie ja noch Kindergartenkind. Höchstwahrscheinlich kann sie nun auch auf die kleine, feine integrierte Montessorigrundschule gehen, und das war etwas, was ich mir von Anfang an gewünscht habe: ich habe ziemlich Angst vor der (schulischen) Zukunft meiner Tochter. Für mich ist sie ein sehr lernmotiviertes Kind, dass sich bereits jetzt auf allerlei schulische Inhalte einlässt und bei vielem mithält. Wenn wir richtig entscheiden, sie optimal gefördert wird, und sie auch weiterhin einen Lernwillen zeigt und ihren ungebrochenen Optimismus zum Leben beibehält, glaube ich daran, dass wir als Eltern und sie als "beinträchtiger Mensch" einmal jeder von uns in Zunkunft (wieder) selbständig sein können. Das ist mir das wichtigste "Lernziel" in unserem Familiensystem.


    Laempel

  • Hallo Laempel,


    es trifft nicht ganz das Thema, aber ich wollte zum Thema IQ-Test etwas erzählen:
    Mein Sohn wurde von einer Beratungslehrerin getestet und ist nach dem Test gut unter dem Durchschnitt. Er ist in der ersten Klasse und in allen Bereichen seiner Klasse weit voraus. Wir denken, es gab ein Problem mit der testenden Person + ein non-verbaler Test trifft sich nicht gut mit einer psychischen Schwäche, die sich unter anderem darin äussert, daß er Bilder nicht (oder nur sehr verzögert und mit Anstrengung) in die Realität umsetzen kann.


    Gäber es vielleicht die Möglichkeit Deine Tochter noch von einem Psychologen mit mehr Zeit testen zu lassen?
    Mein Sohn wurde beim psychologen gestestet, aber eben nicht auf IQ. Aber diese Tests fanden nach einer erfolgreichen 'Aufwärmphase' statt, d.h. er kannte den Tester und hatte sich gut eingewöhnt und den Tester 'angenommen'.


    Gruss
    Lissi

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