Wie gehen Lehrer damit um, wenn ihnen ein Kind unsympatisch ist?

  • Hallo Lehrerinnen und Lehrer,


    ich habe jetzt schon öfters in diesem Forum mitgelesen, und hätte jetzt mal eine Frage an euch.


    Wie geht ihr damit um, wenn ihr spürt, dass euch ein Kind einfach unsympatisch ist? Lasst ihr diese Gefühle überhaupt zu? Bekämpft ihr sie oder haben solche Kinder, die vielleicht die falsche Nase oder die falsche Mutter haben (gibt's ja wohl auch ;) ) einfach Pech gehabt?


    Nimmt mich wunder, wie ihr darüber denkt und was ihr für Tipps habt.


    freundliche Grüsse,


    füchsle

  • Ich kann jetzt nur für mich antworten: Mit den Kindern in meiner Klasse ist es ein bissl so, wie mit den eigenen Kindern: jedes ist anders, jedes hat gute und schlechte Eigenschaften. Manche sind 'handlicher', andere schwieriger zu führen.


    Aber: JEDES ist irgendwie liebenswert - ich habe noch KEIN Kind gehabt, dass mir völlig egal gewesen wäre, oder wo ich das Gefühl hatt, örgs, wie bringe ich dieses Kind und mich durch unsere gemeinsame Zeit.


    Was ich durchaus habe: Kinder, die mich immer wieder nerven, mich REIZEN, bei denen ich grad nach längerer Schulzeit froh bin, wenn ich sie mal zwei Wochen nicht sehen muss.
    Mit ausreichendem Abstand fallen mir dann aber auch wieder alle guten Seiten dieser Kinder ein, denn so für sich alleine sind sie ja meistens ganz liebe - jedenfalls mit Schulbeginn habe ich dann auch wieder Kraft getankt und kann an das Generve lockerer rangehen ;) .


    und ganz ehrlich: auch MEINE drei Kinder habe ich ganz gerne mal bei Oma, um mich dann umso mehr auf sie zu freuen.

  • Hallo,


    gottlob passiert mir das selten. "Falsche Nase" oder so habe ich gottlob noch nicht erlebt - manche Kinder sind einem besonders sympathisch, bei anderen muss man eben Profi sein, finde ich.
    Einen Schüler fand ich mal wirklich ekelhaft, er hat dazu aber wirklich seinen Teil beigetragen - andere Schüler beschimpft, bedroht, geprügelt. Besonders einen Jungen, der von der Förderschule kam, sich aber furchtbar bemüht hat und letztendlich sogar einen guten Quali gemacht hat. Den zu unterrichten und noch fair zu sein fand ich qualvoll, ehrlich gesagt.


    LG
    Tina

    Ein Hund denkt: "Sie kümmern sich um mich, sie versorgen mich, sie müssen Götter sein!" Eine Katze denkt: "Sie kümmern sich um mich, sie versorgen mich, ich muss ein Gott sein!"

  • Ich kann Tina hier nur zustimmen. Es wäre gelogen, wenn ich sage, dass ich alle Schüler gleich nett finde. Es ist da bei den Kindern nicht anders als bei Erwachsenen auch.
    Allerdings sollte man als Lehrer Profi genug sein, um solche Aversionen nicht nach außen zu zeigen und Gott sei Dank kommt das ja nicht allzu häufig vor.

  • Ich versuche mir mal aufzuschreiben, was an dem Kind sympathisch ist (und gute Seiten hat jeder Mensch). Dann versuche ich mir vorzunehmen, dieses Kind mindestens ein Mal am Tag zu loben - hat den Effekt, dass ich mehr auf die positiven Seiten schaue, anstatt immer nur das wahrzunehmen, was mich nervt.
    flip

  • Aaalso, "einfach so" unsymphatisch aus dem Blauen heraus, das kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen, da müssen wirklich ganz gravierende Dinge passieren, bevor ich jemanden menschlich unten durch finde. Bei den jüngeren Schülern, die wirklich noch Kind sind, passiert mir das höchstens eine Minute lang, nämlich dann, wenn ich mich sehr über eine Schote von ihnen ärgere.
    Bei älteren Schülern, denen ich schon viel selbstverantwortliches Tun zutraue, kann es passieren, dass ich das Gefühl habe, ich möchte diese nur noch "verwalten" wollen. Und bin auch ehrlich froh, wenn sie die Schule irgendwann mal verlassen. Sowas tritt meist dann ein, wenn mehrerer dieser Faktoren zusammenkommen: Andere Mitschüler bestehlen, belügen, erpressen, mobben, schlagen verunsichern. Unterricht permanent durch Störungen derart unmöglich machen, dass anderen Schülern dauerhaft das Recht auf störungsfreien Unterricht genommen wird. Ständiges Lügen. Unaufhörliche Provokationen gegen mich oder Kollegen.
    Außerdem distanziere ich mich schneller, wenn ich in einer Klasse nur ein- oder zweistündig unterrichte. Schüler, die ich sehr gut kenne, weil ich dort viel Zeit verbringe, kann ich differenzierter betrachten.
    Auf die Leistungsmessung hat das für mich keinen Einfluss.Es gibt auch Schüler, die ein ganz schlechtes Sozialverhalten an den Tag legen, bei denen ich allerdings neidlos anerkennen muss, dass sie den Stoff gut bewältigen, das kann ich guten Gewissens honorieren.
    Und die Eltern: die treten für mich so oder so erst dann auf den Plan, wenn ihr Sprössling


    edit: Fisimatenten ( na gut hab´s körigierd. Aber die Geschichte dazu, die kenn ich schon ganz schön lang, bin ja Geschi-Lehrerin , gell Schwob ...)


    macht.
    Meist ist es so: Sohnemann oder Tochter machen Ärger, Eltern werden einbestellt oder angerufen. Dann entscheidet sich für mich: Stützen die Eltern das schwierige Verhalten ihres Kindes in der Schule oder wollen sie eine Zusammenarbeit mit allen Beteiligten und damit auch erreichen, dass ´ne Integration ihres Kindes in die Schule besser gelingt oder nicht? Und natürlich finde ich das Verhalten der zuletzt genannten Gruppe im Härtefall wünschenswerter und damit sympathischer. Im Normalfall denke ich schon mal beim ein oder anderen Elternteil am Elternsprechtag "Gott, was´n ätzender Typ", aber das setze ich nicht in Beziehung zum Schüler, im Gegenteil, eher denke ich: "Arme Socke, (Schüler)".
    Zum guten Schluss:
    Letztlich denke ich mir, dass man in diesem Job den Querschnitt durch die Gesellschaft kennenlernt . Jeder Mensch, egal ob Serienkiller oder Altruist hat eine Schule besucht. Dass man da als Lehrer auch im einen oder anderen Fall den "pädagogischen Eros" an den Nagel hängen möchte, finde ich nur menschlich.
    Aber "raushängen lassen" das ist in jedem Fall das, um deine Frage zu beantworten, was ich überhaupt nicht (bewußt) tun würde.
    Gruß
    Laempel

  • Zitat

    Laempel schrieb am 12.01.2005 21:42:


    Und die Eltern: die treten für mich so oder so erst dann auf den Plan, wenn ihr Sprössling Fiesematenten macht.


    Nur so nebenbei als süddeutscher Sprachpurist:


    Bitte Fisimatenten; eigentlich gehört vorne ein "v" hin.
    Denn die dazugehörige Geschichte:
    In der napoelonischen Besatzungszeit baten die französischen Soldaten die süddeutschen Mädchen mit
    "Visitez ma tente" in ihr Zelt, was die Mütter zu dem Ausspruch führte: "Mach mir keine Fisimatenten" :D

    Erziehung ist die organisierte Verteidigung der Erwachsenen gegen die Jugend.

  • Nana, die Franzosen waren ja nicht nur im Süden, sondern auch an Rhein und Ruhr... ;)


    Gib mal "Fiesematenten" bei Google ein, da staunt man.



  • Es gibt aber noch andere Alterntiven:



    Petra

  • Zitat

    philosophus schrieb am 12.01.2005 22:13:
    Nana, die Franzosen waren ja nicht nur im Süden, sondern auch an Rhein und Ruhr... ;)


    Gib mal "Fiesematenten" bei Google ein, da staunt man.


    Jau, aber deswegen ist es nicht richtiger: Duden sagt "Fisimatenten"; hat ja nun wirklich nichts mit fies zu tun! Warum der Duden das aber allein aufs Lateinische zurückführt, bleibt mir schleierhaft...


    Im Übrigen sprechen das viele Süddeutsche auch mit einem [v], so dass ich denke, dass es dann schon eher im Süddeutschen seinen Weg ins Deutsche gefunden hat, wie andere Ausdrücke (Billett, Trottoir,...)

    Erziehung ist die organisierte Verteidigung der Erwachsenen gegen die Jugend.

    Einmal editiert, zuletzt von Timm ()

  • Meiner Auffassung nach ist "Fiesematenten" genauso richtig oder falsch wie "Fisimatenten". Schließlich handelt es sich um einen Begriff, der volksetymologisch von einer französischen Formulierung abgeleitet ist. Und mundartlich kann der Ausdruck da durchaus variieren. Da wird ja auch gar nichts von "fies" abgeleitet, die Vokale im Ruhrgebiet - vor allem das "i" - sind schlicht länger.


    Bin ja Romanist und kein Germanist, aber ich kann mich noch mit Grausen an die frz. Sprachatlanten erinnern, in denen die unterschiedliche Aussprache simpelster Wörter dokumentiert war, die sich, wenn sie denn auch mundartlich niedergeschrieben wurden, natürlich auch in der Graphie unterschieden. Wer entscheidet in einer nicht strikt normierten Sprachvarietät wie der Mundart welche Schreibweise die akkurate ist?

    Einmal editiert, zuletzt von philosophus ()

  • Leute, jetzt ma ährlich! Wir diskutieren hier doch über so schwere Dinge wie "unsympathische SchülerInnen". Bleibt bei der Sache. toc, toc! (das war mein Klangstab)
    Laempel

  • Zitat

    philosophus schrieb am 12.01.2005 22:31:
    Bin ja Romanist und kein Germanist, aber ich kann mich noch mit Grausen an die frz. Sprachatlanten erinnern, in denen die unterschiedliche Aussprache simpelster Wörter dokumentiert war, die sich, wenn sie denn auch mundartlich niedergeschrieben wurden, natürlich auch in der Graphie unterschieden. Wer entscheidet in einer nicht strikt normierten Sprachvarietät wie der Mundart welche Schreibweise die akkurate ist?


    Laempel wollte ja keine Mundart schreiben, sondern einen umgangssprachlichen Begriff in ihrem Text verwenden. Damit ist die Frage beantwortet: Hier gilt der Duden.
    Und ich habe mich ja auch in diesem Sinne allgemein als "Sprachpurist" geoutet, d.h. so weit wie möglich bei der Übertragung in die hochdeutsche Schriftsprache die fremdsprachige Wurzel erkennbar lassen...
    Aber Laempel ist im Recht; zurück zum Thema!

    Erziehung ist die organisierte Verteidigung der Erwachsenen gegen die Jugend.

    Einmal editiert, zuletzt von Timm ()

  • Hallo,


    :D:D:D


    besten Dank für die Antworten. Das Wort "Fisimatenten" hätte ich schon verstanden. Das kennt man übrigens auch in der Schweiz. Aber dass es von "visitez ma tente" stammt, ist jetzt echt eine Bereicherung.


    Ich muss sagen, es ist wohl schon richtig, dass ICH NICHT Lehrerin bin; weil ich genau damit grosse Probleme hätte.
    Die meisten Kinder sind mir natürlich auch sympatisch. Aber gerade unter den älteren (7./8. Klässler) hätte ich manchmal schon etwas Mühe, JEDEN oder JEDE ins Herz zu schliessen.



    füchsle

  • Nach meiner Kenntnis hieß es ursprünglich:


    Faisez ma tente, darum mit F !



    Kinder, mit denen ich Probleme habe, führe ich mir abends vor dem Einschlafen mit allen positvien Eigenschaften vor´s Bewusstsein. Das hilft mir, eine positive Einstellung zu gewinnen, und wirkt sich auch allein schon positiv auf das Kind aus. Weiter lobe ich so oft wie möglich für positives Verhalten, blende das negative vorübergehend ganz aus oder spreche mit dem Kind darüber, an welchem Verhalten es arbeiten will - zu diesem vereinbaren wir ein geheimes Erinnerungszeichen, z. B., dass ich mir ans Ohrläppchen fasse (mit einem freundlichen Blick zum Kind).


    Unser beider Einstellung verändert sich dadurch zum Positiven ...


    Bablin

    Wer hohe Türme bauen will,
    muss lange beim Fundament verweilen.
    Anton Bruckner

    • Offizieller Beitrag

    Zurück zum Ausgangsthema:
    Ich habe lange darüber nachgedacht, da ich finde, dass Füchsles Frage sehr, sehr gut ist.
    Aber: Es gibt keine Kinder, die mir grundsätzlich unsympathisch sind- nicht, weil ich eine so tolle Lehrerin bin- sondern, weil ich immer im Blick habe, dass ich sie nie richtig kenne und sie mich auch nicht- dazu reicht die Unterrichtszeit einfach nicht aus. Und selbst wenn mich mal ein "pubsitäres Monster" nervt (und ich bekomme wirklich jedes Jahr die Mittelstufe- ich mach es inzwischen aber auch richtig gerne), nach 45 Minuten verlasse ich den Klassenraum und am nächsten Tag bin ich anders drauf oder der Schüler ist anders drauf- und dass man nicht jeden oder jede ins Herz schließen kann, das ist ja wohl klar- schließlich sind wir ja Menschen und keine vollkommenen Maschinen- aber ich kann höchstens sagen, den einen mag ich, den anderen ein bisschen weniger- selbst das kann sich innerhalb einer Woche bei mir ins Gegenteil verkehren.
    Liebe Grüße,
    Hermine

    "Ein Mann, der noch keinen Fehler begangen hat, hat noch nie etwas getan."
    Sir Robert Baden-Powell, Earl of Gilwell

  • Paulchen


    Danke, du hast natürlich Recht.


    "Udos Wörterbuch" sagt folgendes zu "Fisimatenten":


    "umgangssprachlich, salopp; zur Herkunft gibt es mehrere Erklärungsversuche:
    1. Aus dem 15. Jahrhundert von visae patentes literae, kurz visepatentes, ein umständlich zu erlangendes Patent.
    2. Aus dem mittelhochdeutschen Wort visamente, das Zierrat oder Ornament bedeutet
    3. Volkstümliche Deutung: Von "Visitez ma tente" ("Besuchen Sie mein Zelt") als Einladung napoleonischer Offiziere an deutsche Mädchen. 4. Volkstümliche Deutung: Von der Ausrede verspäteter Passanten gegenüber napoleonischen Straßenkontrollen "Je viens de visiter ma tante." ("Ich habe gerade meine Tante besucht.") 5. Aus dem frühneuhochdeutschen Wort "fisiment" (= bedeutungsloser Zierrat)"

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    muss lange beim Fundament verweilen.
    Anton Bruckner

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