Junge hat Angst zur Schule zu gehen

  • Hallo,


    einer meiner Schüler hat Angst zur Schule zu gehen, weil er von Mitschülern (meist aus anderen Klassen) geärgert wird. Seit Anfang des Schuljahres hat der Junge immer wieder gefehlt und ca. seit Januar wissen wir, dass er Angst hat zur Schule zu gehen. Es gab mehrere Gespräche mit Mutter, SL, Klassenlehrern, Schulsozialarbeiter. Seit ca. 2-3 Monaten ist er in Therapie. Leider wurden die Fehlzeiten immer größer, so dass der vorher gute Schüler jetzt schlechtere Noten schreibt und das die Sache noch verschlimmert. Das Problem ist, dass der Junge außer mit der Mutter mit niemanden in der Schule offen spricht, z.B. keine Schüler anschwärzt. Die Eltern sind hilflos und wir auch.
    Hatte jemand schon so einen Fall? Alle Maßnahmen dem Jungen den Schulbesuch zu erleichtern, nutzen nichts. Vielleicht hat jemand einen Tipp.


    LG M.

  • Hallo MM84,


    Schulmüdigkeit schließe ich aus. Er hat Angst vor Mitschülern. Er hat mit Sicherheit auch noch andere Probleme, ich Denke so Richtung Depressionen. Auffällig ist, das er sich nicht besonders pflegt. Da wird man ja schnell mal Ziel von dummen Bemerkungen. Auf der Klassenfahrt im letzten Schuljahr musste er fasst zum Duschen gezwungen werden. Seine Mutter kommt Dienstag zum Gespräch, da werde ich fragen, wovor er genau Angst hat.


    Danke M.

  • Beim Lesen kam mir der Gedanke: Warum liest sich das so, als ob der Junge das Problem ist? Warum wird nicht auf die Täter eingewirkt?


    "Du bist anders und deshalb musst du dich ändern" liest sich als Grundtenor heraus. Ist das deine Wahrnehmung?


    Ich verstehe, dass es schwierig ist, wenn der Junge selbst niemanden preisgibt. Das Ungepflegtsein lässt auch etwas vermuten, daher ist es sicher eine gute Idee mit der Mutter zu sprechen.

  • Wie ist denn sein Stand innerhalb der Klasse? Gibt es Kinder, die bei ihm in der Nähe wohnen? Kann man da einen Unterstützerkreis bilden, die ihn z.B. auf dem Schulweg begleiten?
    Das wären so die ersten Überlegungen, in die ich denken würde.
    Der Junge muss erfahren, dass die Schule ihm hilft. Und wir können auch auf Dinge, die auf dem Schulweg passieren, einwirken. Aber wenn er euch nicht vertraut, wird er die Namen natürlich nicht nennen.
    Auch ich werfe gerne mal den "No Blame Approach" als eine Herangehensweise ein.
    Die anderen Kinder müssen lernen, dass jeder so zu akzeptieren ist, wie er ist!
    Sie müssen nicht sein bester Freund werden, aber sie müssen ihn respektieren und in Ruhe lassen und Schule muss den anderen Kindern "helfen", das zu lernen! Und nicht noch das Kind, das respektlos behandelt wird, weiter verunsichern - wie soll er euch denn da vertrauen?

    "Et steht übrijens alles im Buch, wat ich saje. ... Nur nit so schön." - Feuerzangenbowle

  • Die Täter, die wir wissen, haben schon Ärger bekommen.


    In der Klasse ist er eher zurückhaltend. In den Pausen will er mit niemanden spielen. Seit Anfang des Schuljahres ist ein neuer Schüler sein Freund in der Schule geworden. Der sitzt auch neben ihm, hat sich aber vor kurzem weggesetzt. Privat hat er wenig Kontakt zu Mitschülern. Wir haben 4 Mal pro Woche Nachmittagsunterricht. Seine Familie sind Aussiedler und er ist das letzte von vielen Kindern.


    Der Junge muss sich nicht ändern, er soll nur regelmäßig zur Schule kommen. Das jeder seine Mitschüler so akzeptieren muss, wie sie sind, ist bei uns eine Standartaussage. Probleme gibt es da eher mit den nicht schüchternen Schülern.


    Seine Mutter würde ihn morgens zur Schule bringen und ihn in der Mittagspause abholen und wiederbringen. Die Idee mit dem Unterstützerkreis werde ich ansprechen.


    Schallund Rauch: Wir hatten schon mehrere Gespräche mit der Mutter.

  • NoBlameApproach? Warum? Weil wir Kuschelpädagogen sind? Ich stelle diese provokanten Fragen jetzt einfach mal, weil ich hier schon öfter als Empfehlung NoBlame gelesen habe und absolut dagegen bin. Täterverhalten muss man auch so benennen und ahnden. Bei allem anderen fühlen sich die Täter nämlich im Recht und können sich rauswinden. Gerade erst in meiner Refschule erlebt und das war in der Oberstufe Gym!


    Mamimama, das mag vielleicht eine StandardAUSSAGE sein, aber wird es auch konsequent umgesetzt von allen Beteiligten? So, wenn ihr schon mehrere Gespräche mit der Mutter hattet, dann sollte vielleicht der Sohnemann auch hinzu kommen oder vielleicht kann man einen Familienhelfer bekommen?

  • Er hat Angst vor Mitschülern. Er hat mit Sicherheit auch noch andere Probleme, ich Denke so Richtung Depressionen. Auffällig ist, das er sich nicht besonders pflegt.

    Mal aus meinem eigenen Schulalltag mit psychisch kranken Jugendlichen geplaudert: Ungepflegtheit ist sehr oft ein Zeichen für Depressionen. Ebenso typisch ist es, dass vor allem die Eltern gern nach einfachen, plausiblen Erklärungen für die Störungen ihrer Kinder greifen. "Der Bub wird von Mitschülern geärgert" ist so eine Erklärung. Wenn er in Therapie ist, sollte sich ja nach einiger Zeit Besserung zeigen. Viel mehr als Abwarten könnt ihr als Schule nicht machen. Es ist für alle Beteiligten mühsam, wenn ihr jetzt einen großen Tanz veranstaltet und versucht, die angeblich belastenden Bedingungen zu verändern, um dann nach kurzer Zeit festzustellen, dass neue Belastungen konstruiert werden, um die Schulangst weiterhin rechtfertigen zu können.



    Viele Grüße
    Fossi


    edit: Eines ist natürlich klar: sollte sich hinter dem "Ärgern" der Mitschüler massives Mobbing verbergen, dann seid Ihr als Schule selbstverständlich wesentlich stärker in der Verantwortung.

  • Das Mobbing geahndet werden muss, keine Frage.
    Ich habe den no blame approach deswegen eingeworfen,weil gesagt wurde, dass der Schüler sich nicht traut, diejenigen zu benennen, die ihn angehen. Viele Schüler haben natürlich erst mal Angst, die Missetäter zu benennen, weil sie Angst haben, dass dann alles schlimmer wird. Dann muss man erst mal das Vertrauen des gemobbten Schülers gewinnen. Da kann der No Blame Approach eine Möglichkeit sein, dass der Schüler sich zunächst mal traut, um Hilfe zu bitten, weil eben die Angst genommen wird, dass er dann als Petze da steht. Eine Möglichkeit. Nicht die Allein-Seligmachende.
    Ich habe auch nur Erfahrungen damit in Klasse 5/6 gemacht, wo es eher viel Ärgern als systematisches Mobbing ist, wie gut das in wirklich verhärteten Fronten funktioniert, weiß ich nicht.
    Die Schwierigkeit beim Mobbing besteht ja auch darin, dass es mitunter schwierig ist, die Mobber wirklich festzunageln - wenn das gegeben ist, dann natürlich mit aller Härte der zur Verfügung stehenden Ordnungsmaßnahmen dagegen vorgehen.

    "Et steht übrijens alles im Buch, wat ich saje. ... Nur nit so schön." - Feuerzangenbowle

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