Angebot und Nachfrage und Bezahlung von Lehrkräften

  • Hintergrund: Morse schreibt, dass die Bezahlung nur oder vor allem durch Angebot und Nachfrage geregelt wird, ich reagiere ab und zu darauf mit einem Hinweise, dass das nicht stimmt. Eigener Thread, weil nicht wichtig, und vielleicht Worklauberei, eher so eine Rechthabensache.


    Wenn "Angebot und Nachfrage" nur metonymisch gebraucht wird für "der Arbeitgeber zahlt so wenig, wie möglich, um die erwartete Leistung zu kriegen", dann stimme ich zu, und der Rest hier ist unnötig. Wenn damit gemeint ist, dass Angebot und Nachfrage die Bezahlung regeln, dann nicht.


    Mein aktuelles Gegenbeispiel war: In Bayern ist das Angebot an Grundschullehrkräften gerade gering; die Nachfrage sehr hoch (wenn auch die eines mehr oder weniger Monopol-Arbeitgebers). Diese Änderung an Angebot und Nachfrage wirkt sich aber nicht auf die Bezahlung aus. Stattdessen müssen Grundschullehrkräfte eine Wochenstunde mehr arbeiten und auf einem Arbeitszeitkonto parken, bis sie diese Stunde später wieder zurückkriegen. (War bei Gymnasium vor einigen Jahren auch so. 5 Jahre lang Mehrarbeite, die danach auch 5 Jahre lang zurückbezahlt wurde. Schummelmöglichkeit nur bei wissenschaftlich/nicht wissenschaftlichen Fächern; anderes Thema.)


    >Kannst Du Deine Einwände nochmals vorbringen oder den/die Beiträge verlinken? Vielleicht können wir das ja der Reihe nach mal durchgehen.


    Ich denke nicht.


    >Dass Löhne/Gehälter nicht von einer Moral oder Gerechtigkeit etc. bestimmt werden, scheint bisher gebilligt zu werden.
    >Ebenso, dass Qualifikation, "Verantwortung" und ähnliches nur
    >mittelbare, aber keine unmittelbaren Gründe für die Lohnhöhe sind.
    >Dann würde ich schon gerne mal die Gegenfrage stellen: woran solls denn
    >dann liegen, wenn nicht daran und auch nicht am Arbeitsmarkt (Angebot
    >und Nachfrage)?


    Die Lohnhöhe ist in Gesetzen (oder Verordnungen? festgehalten, die letztlich von Volksvertretern festgelegt werden. Die müssen zum Beispiel auf Wählerwillen oder Wiederwahlwillen schauen und Haushalt. Angebot und Nachfrage ist ja sicher, oder zumindest vielleicht, ein Faktor, aber beileibe nicht der einzige. Tradition ist ein weiterer wichtiger. Und vor allem: womit man halt durchkommt. Manche Berufe sind gesellschaftlich weniger respektiert und kriegen weniger bezahlt - traditionell Berufe mit hohem Frauenanteil. Das ändert sich nur langsam.

    Seit 2004 unter dem gleichen Namen im Forum, weitgehend ohne ad hominem.

  • Ich glaube, dass Morse das mit dem Angebot und Nachfrage ironisch meint und eben gerade zum Widerspruch damit aufrufen will.


    Selbstverständlich wird der Lohn von Lehrern nicht per Angebot und Nachfrage geregelt. Das Monopol des Staates (oder: Monopson) besteht ja nicht nur in dem Berufsangebot, sondern auch in der Ausbildung. Hinzu kommt, dass er das Ganze durch das Beamtentum absichert.


    Zwei Beispiele


    Ausbildung
    Ich plädiere in solchen Diskussionen seit Jahren dafür, dass die Lehramtsausbildung (zumindest fürs Gymnasium) in Deutschland ähnlich wie in der Schweiz gehandhabt werden sollte. Fachmaster, evtl. Nebenfach Didaktik. Dann ggf. ein Aufbaustudium oder nur das Ref.


    Mein Grund: Die meisten Lehrer sehen sich relativ alternativlos auf dem Arbeitsmarkt. Die Folge: Viele empfinden eine Abhängigkeit vom Staat. Wenn sich aber deine ganzen Lehrer auch realistisch woanders bewerben könnten (bzw. in ihrem Studium schon Alternativen kennengelernt hätten), würde eine Konkurrenzsituation entstehen, auf die der Staat reagieren müsste.



    Abschaffung des Beamtentums


    Das geht faktisch nicht, weil es für die Übergangszeit immer noch zu viele Altbeamte gäbe, welche die Preise verderben (und daher wäre es für Jahrzehnte ein totaler Nachteil, nicht verbeamtet zu sein). Aber faktisch würde ein Streikrecht die Preise massiv in die Höhe treiben und die Arbeitsbedingungen verbessern können. Lehrkräfte sind hochspezialisierte Fachleute, die eine ewig lange Ausbildung hinter sich haben. Das kann man nicht mal eben ersetzen. Wenn zur Abiturprüfung alle Lehrer konsequent streiken (und eben nicht eine Masse von Altbeamten das auffangen würde), hätte man ein starkes Mittel. (Ähnliches gilt für jüngere Kinder hinsichtlich der Betreuungssituation.


  • Wenn zur Abiturprüfung alle Lehrer konsequent streiken (und eben nicht eine Masse von Altbeamten das auffangen würde), hätte man ein starkes Mittel. (Ähnliches gilt für jüngere Kinder hinsichtlich der Betreuungssituation.

    Muhaha. Du wirst selbst unter den klugen Leuten hier im Forum genügend Kollegen finden, die ernsthaft der Meinung sind, dass das ja gar nicht in Frage komme, weil die armen Schüler ja nichts dafür könnten und so ein Streik deshalb die falschen treffe.

  • Angebot und Nachfrage regeln auch in der Wirtschaft nur auf dem idealen Markt die Preise. Auf realen Märkten spielen halt immer eine Menge weiterer Faktoren eine Rolle, die dieses Prinzip durchaus auch außer Kraft setzen oder zumindest entkräften können. Der Arbeitsmarkt ist am Ende ein realer Markt und der Teilbereich "Schule& Bildung" dabei durchaus auffällig, weil es ungeachtet des Privatschulbereichs faktisch 16 große Monopsome als Hauptarbeitgeber des jeweiligen Bundeslandes im Bereich Schule gibt. Auch wenn es noch private Anbieter daneben gibt, sind diese offenkundig nicht imstande eine ausreichende Konkurrenz darzustellen, nicht zuletzt auch, da sie oftmals zumindest pekuniär betrachtet schlechtere Bedingungen anbieten (Rente statt Pension, keine Verbeamtung,..).
    Rein marktwirtschaftlich betrachtet ist das also einfach nur die reale Umsetzung von Angebot und Nachfrage mit all den Mängeln, die sich daraus am realen Markt ergeben können. In anderen Arbeitsmarktbereichen werden solche Mängel durchaus auch zu reduzieren versucht mittels Gesetzen und Verordnungen- den Mindestlohn könnte man als solchen Ansatz zur Mängelreduktion ansehen. Als Lehrkräfte hat unser Arbeitgeber dummerweise auch legislative Gewalt und schneidet sich nur ungern ins eigene Fleisch. "Womit man halt durchkommt" passt denke ich ganz gut als Umschreibung gerade wenn es um bestehende Lohnungleichheiten zwischen den verschiedenen Schulformen geht.

    "Benutzen wir unsere Vernunft, der wir auch diese Medizin verdanken, um das Kostbarste zu erhalten, das wir haben: unser soziales Gewebe, unsere Menschlichkeit. Sollten wir das nicht schaffen, hätte die Pest in der Tat gewonnen. Ich warte auf euch in der Schule." Domenico Squillace

    Einmal editiert, zuletzt von CDL () aus folgendem Grund: +p

  • Wenn "Angebot und Nachfrage" nur metonymisch gebraucht wird für "der Arbeitgeber zahlt so wenig, wie möglich, um die erwartete Leistung zu kriegen"

    Beim Lehrerberuf spielt auch ganz stark mit rein, dass der Dienstherr sich ins Fäustchen lachend so wenig zahlen kann, weil die KuK untereinander einen pseudomoralischen Druck aufbauen.
    Da würde man aus einer vermeintlich moralisch höheren Position als moralisch nicht integer gebrandmarkt, wenn man aufgrund der Arbeitsbedingungen nur minimalsten Einsatz zeigte.
    Es ginge um "das Wohl" der Kinder und, so zwischen den Zeilen, dafür müsse man auch bereit sein für wenig Geld, besser noch ganz umsonst, arbeiten zu wollen.
    Deshalb ist es für KuK sogar akzeptiert fürs Arbeiten noch Geld draufzulegen und Fortbildungen, Arbeitsmaterialen usw. aus eigener Tasche bezahlen.

  • @Rets, das klingt gut, ich möchte aber bei Punkt 2, Streikrecht, darauf hinweisen, dass Sachsen bisher nicht verbeamtet hat und es trotzdem keine bahnbrechenden, alles stilllegenden Streiks gab. Die Horterzieher haben etwas Unmut erregt, weil Eltern ihre Kinder früher holen mussten. Aber sonst... Aufsichtspflicht hat Schule so oder so und ernsthafte Einbußen haben wir halt nicht zu verzeichnen, wenn Kinder mal nix lernen.


    ...
    Das ist der Punkt an dem man mal prüfen sollte, ob der Arbeitgeber tatsächlich diese unterstellten Interessen ("gute Schule") hat, oder ob es tatsächlich nicht ganz andere sind.


    Nö, die hat er nicht, wer behauptet denn sowas? dass der Freistaat, der mich bezahlt, kein Firmenchef ist, dessen Wohl und Wehe direkt von mir abhängt ist ja klar. Natürlich schlafen meine Landesminister*innen nicht schlechter, wenn Unterricht ausfällt oder schlecht gemacht ist, sondern eher, wenn mehr Lehrer eingestellt und bezahlt werden müssen...


    Aber das ist ja genau der Punkt: wir sind kein Betrieb, keine Aktiengesellschaft, wir erwirtschaften nichts, deswegen regelt der Lehrermangel auch nicht die Bezahlung. Zur Not stellt man halt Pensionäre und Seiteneinsteiger ein. Also nein, unserem AG dürfte es wurscht sein, wie super wir ausgebildet sind, oder ob der Klassenteiler bei 22 liegt. Den Eltern ist es aber nicht wurscht, wenn überhaupt muss man es denen recht machen, die wählen nämlich.



    ...
    Wenn die Personaldecke seit Ewigkeiten dünn ist, ist das schon Absicht und kein Versehen.
    Die Personalkosten werden so gering wie möglich gehalten.

    eben. Wo siehst du dann den regulierenden Markt?

  • Da würde man aus einer vermeintlich moralisch höheren Position als moralisch nicht integer gebrandmarkt, wenn man aufgrund der Arbeitsbedingungen nur minimalsten Einsatz zeigte.

    Ich bin in der Regel ganz bei dir. Das Problem ist bei unserem Beruf nur leider, dass nicht wie bei vielen anderen Jobs ein Stapel Arbeit liegenbleibt oder halt länger dauert, sondern dass andere die Arbeit übernehmen müssen. Und das macht dann eben wütend auf entsprechende Kollegen.
    Ein Beispiel: Ein Kollege hatte eine Klassenlehrerschaft, vieles lief schief, die Konsequenz: er bekommt keine Klassenlehrerschaft mehr vom SL zugewiesen, dafür haben aber andere nun zwei oder drei :(

  • Ich bin in der Regel ganz bei dir. Das Problem ist bei unserem Beruf nur leider, dass nicht wie bei vielen anderen Jobs ein Stapel Arbeit liegenbleibt oder halt länger dauert, sondern dass andere die Arbeit übernehmen müssen. Und das macht dann eben wütend auf entsprechende Kollegen.Ein Beispiel: Ein Kollege hatte eine Klassenlehrerschaft, vieles lief schief, die Konsequenz: er bekommt keine Klassenlehrerschaft mehr vom SL zugewiesen, dafür haben aber andere nun zwei oder drei :(

    Und wer ist da für was genau verantwortlich? Der, bei dem "vieles schief lief"? Der Chef, der sich nicht durchsetzen kann und anstatt die Pflichten bei einem einzufordern anderen, die weniger meckern, das Doppelte aufzubürden? Oder diejenigen, die das Doppelte machen, ohne zu meckern?


    Seine Arbeit sinnvoll einzuteilen ("minimaler Einsatz") ist ja die eine Sache. Sie einfach nicht zu machen ("schieflaufen") eine andere.

  • Im Grunde kann man uns doch am besten mit der Polizei vergleichen: Wenn's dort zu wenige sind, beschweren sich irgendwann Wählergruppen, dann wird aufgestockt. Es interessiert doch keinen wirklich, ob Polizisten überarbeitet sind, angespuckt werden, in ausreichender Zahl auf Demos erscheinen und ob sie gut ausgebildet sind.


    So gesehen ergäbe auch nur das Beamtentum Sinn und A13 für alle Kolleg*innen, weil alle studiert haben...

    Einmal editiert, zuletzt von UrlaubVomUrlaub ()

  • Das Problem ist bei unserem Beruf nur leider, dass nicht wie bei vielen anderen Jobs ein Stapel Arbeit liegenbleibt oder halt länger dauert, sondern dass andere die Arbeit übernehmen müssen. Und das macht dann eben wütend auf entsprechende Kollegen.
    Ein Beispiel: Ein Kollege hatte eine Klassenlehrerschaft, vieles lief schief, die Konsequenz: er bekommt keine Klassenlehrerschaft mehr vom SL zugewiesen, dafür haben aber andere nun zwei oder drei

    Ist bei uns auch so, diejenigen, die z.B. ständig in Konflikt mit Eltern geraten werden in der Regel um die Klassenleitung drumherum kommen.
    Merkste selber wie perfide das System ist, oder? Mega geschickt für den Dienstherren.


    Genauso das Problem bei Krankheit: Ist der Chirurg oder die Bäckereifachverkäuferin krank, so kommt er / sie nächste Woche wieder und arbeitet mit normalen Wochenstunden (!) weiter, weil ein Großteil oder zu leistenden Arbeitsstunden entfallen und nicht nachgeholt werden.
    Ist die Lehrkraft krank, entfallen nur die Unterrichtsstunden, aber dies ist ja nur ein Teil der Arbeit. Die durch Krankheit verpassten Arbeitsstunden beim Korrigieren der Stapel von Klausuren, die durch Krankheit in der Woche entfallenen zwei Stunden, in denen man die Klassenfahrt weiter organisiert hätte, die fallen nicht weg. Die müssen nachgearbeitet werden? Ja wann denn? Na, als Überstunden in der nächsten Woche (oder am Wochenende) oder wie auch immer. Es fällt bei Krankheit bei Lehrern nur ein kleiner Teil der Arbeit weg, der Rest muss in der Freizeit nachgeholt werden.


    Angenommen man braucht für die Korrektur eines Klausurenstapels in der Oberstufe 15 Stunden und würde die auf drei Wochen verteilen. Eine Woche krank heißt dann nicht, dass die 5 Stunden Korrekturen wegfallen, sondern es bedeutet 5 weitere Stunden, die man in die anderen Wochen reinquetschen muss.
    Zusätzlich gilt das für die entfallenen Elterngespräche und tausend anderen Dinge. Mit anderen Worten, ein Großteil der Arbeit muss nachgeholt werden bei Krankheit.
    Das ist so, als würde man zu einer Bäckereifachverkäuferin sagen: Sie haben 15 Arbeitsstunden durch Krankheit verpasst? Sie bleiben in nächster Zeit erstmal 30 Minuten länger in ihrer Schicht, bis sie die Zeit wieder reingeholt haben.
    Achja, am besten sollte man für die "wegfallenden" Unterrichtsstunden bei uns auch Arbeitsaufträge schicken xD Als das dann endlich mal gekippt wurde nach dem Motto "krank ist krank" (hat laaaange gedauert!), heißt es halt: Sie halten bitte für jeden Kurs im VORAUS Material bereit für den Fall einer Krankheit xD

  • Ich plädiere in solchen Diskussionen seit Jahren dafür, dass die Lehramtsausbildung (zumindest fürs Gymnasium) in Deutschland ähnlich wie in der Schweiz gehandhabt werden sollte. Fachmaster, evtl. Nebenfach Didaktik. Dann ggf. ein Aufbaustudium oder nur das Ref.

    Du weisst, dass bei uns das Lehramt Primar und Sek I *gar kein* universitäres Fachstudium beinhaltet? Für die Primarstufe ist noch nicht mal die allgemeine Hochschulreife erforderlich. Das ist natürlich auch der Grund, warum wir als Lehrpersonen an der Sek II erheblich besser verdienen. Wobei erwähnt werden muss, dass Lehrpersonen an den berufsbildenden Schulen auch bei *exakt* gleicher Ausbildung deutlich weniger verdienen als wir am Gymnasium.



    Wenn sich aber deine ganzen Lehrer auch realistisch woanders bewerben könnten (bzw. in ihrem Studium schon Alternativen kennengelernt hätten), würde eine Konkurrenzsituation entstehen, auf die der Staat reagieren müsste.

    Nein, das ist definitiv nicht so denn gerade im Lehramt Sek II haben wir einen deutlichen Überschuss an Bewerbern. Grossen Mangel an Bewerbern haben wir hingegen an den Primarschulen. In den MINT-Fächern, hier in letzter Zeit vor allem in der Chemie, gibt es auch nicht wenige an Bewerbern die an der Industrie schlicht gescheitert sind. Ich kann Dir ein Lied von arbeitslosen Biologen singen, die sich plötzlich einbilden am Gymnasium Chemie unterrichten zu wollen (Bio ist ja völlig überlaufen). Die brauchen und wollen wir aber nicht.



    Aber faktisch würde ein Streikrecht die Preise massiv in die Höhe treiben und die Arbeitsbedingungen verbessern können.

    Auch das ist definitiv nicht so. Du stellst Dir das mit dem Streiken vermutlich viel einfacher vor, als es in der Realität ist, denn man darf ja nun nicht einfach mal so streiken wenn einem gerade danach ist. Bei uns muss die Gewerkschaft zunächst alle Mitglieder dazu auffordern über einen allfälligen Streik abzustimmen. Die Rücklaufquote muss dabei bei mindestens 80 % liegen, ansonsten gilt der Aufruf als ungültig. Dann muss die Mehrheit der 80 % natürlich für den Streik stimmen. Zuletzt sind wir bei uns im Baselland am Quorum gescheitert, nur ca. 60 % der Mitglieder haben ihren Stimmzettel überhaupt abgegeben. Protestieren (nach Dienstschluss) dürfen wir aber wie's uns passt (das dürft ihr natürlich auch) und zumindest das hat zuletzt auch Wirkung gezeigt. Bemerkenswert fand ich dabei, dass auf allen Protestveranstaltungen mehrheitlich Gymnasiallehrer anzutreffen waren und die KuK der Primar und Sek I - die die deutlich schlechteren Arbeitsbedingungen haben! - sich vornehm zurückhielten.



    Du wirst selbst unter den klugen Leuten hier im Forum genügend Kollegen finden, die ernsthaft der Meinung sind, dass das ja gar nicht in Frage komme, weil die armen Schüler ja nichts dafür könnten und so ein Streik deshalb die falschen treffe.

    Nein, das ist nicht der Grund dafür, warum Leute nicht streiken wollen. Man müsste während des Streiks ja aufs Gehalt verzichten denn der Kanton zahlt nicht für nicht geleistete Arbeit. Die Streikkasse der Gewerkschaft ist auch nicht beliebig gut gefüllt, also lässt man's mal lieber bleiben sonst ist der nächste Urlaub in Fernost in Gefahr.


    Das Angestelltenverhältnis bringt aber ganz andere Vorteile (und eben auch Nachteile ...) mit sich. Ich kann z. B. genau wie jeder andere Arbeitnehmer in diesem Land mit 3 Monaten Kündigungsfrist hinschmeissen und mir was Neues suchen. Leider ist es aber auch so, dass bei uns sehr viele junge KuK zunächst mit Jahresverträgen angestellt werden um sie im Zweifelsfall schneller wieder loszuwerden. Ohne Beamtenstatus wird's definitiv gleich sehr viel ungemütlicher.



    Ist die Lehrkraft krank, entfallen nur die Unterrichtsstunden, aber dies ist ja nur ein Teil der Arbeit. Die durch Krankheit verpassten Arbeitsstunden beim Korrigieren der Stapel von Klausuren, die durch Krankheit in der Woche entfallenen zwei Stunden, in denen man die Klassenfahrt weiter organisiert hätte, die fallen nicht weg. Die müssen nachgearbeitet werden? Ja wann denn? Na, als Überstunden in der nächsten Woche (oder am Wochenende) oder wie auch immer. Es fällt bei Krankheit bei Lehrern nur ein kleiner Teil der Arbeit weg, der Rest muss in der Freizeit nachgeholt werden.

    Das kommt bei uns drauf an, wie lange man krank ist. Fällt ein einzelner Krankheitstag auf einen Prüfungstermin, dann verschiebe ich eben die Prüfung. Das ist keine Mehrarbeit in der Freizeit, es spielt ja keine Rolle ob ich die Prüfung an diesem oder an einem anderen Tag korrigiere. Ich habe nun mal eine gesetzliche Vorgabe wie viele Leistungsnachweise ich beibringen muss genau wie auch ein Angestellter in der Industrie nicht beliebig Aufgaben liegen lassen kann. Einzelne Lektionen die ausfallen sind bei uns dann einfach ausgefallen und fertig. Bei längerer Abwesenheit wird eine bezahlte Stellvertretung engagiert die dann auch alle Aufgaben übernimmt, die in der Zeit anfallen.



    Zusätzlich gilt das für die entfallenen Elterngespräche

    Ja ... Kundengespräche kann meine Lebensgefährtin als Geschäftsführerin im Krankheitsfall auch nicht ausfallen lassen, die werden dann halt verschoben. Wir sind keine Bäckereifachverkäufer, der Vergleich ist halt einfach falsch.



    Das Problem ist bei unserem Beruf nur leider, dass nicht wie bei vielen anderen Jobs ein Stapel Arbeit liegenbleibt oder halt länger dauert, sondern dass andere die Arbeit übernehmen müssen.

    Wieso *muss* ich das? Ich übernehme sicher keine Arbeit, die ein anderer liegen lässt. Darum kann sich gerne meine Chefin kümmern und entsprechende Disziplinarmassnahmen veranlassen. Wenn solche Dinge an einer Schule systematisch nicht nach meinen Vorstellungen laufen, dann kann ich wie bereits erwähnt mit 3 Monaten Kündigungsfrist hinschmeissen. Ich bin ja nicht verbeamtet. ;)


    Zum Thema "wer oder was bestimmt die Löhne?" ... Bei uns ist es so, dass die Landkantone tendenziell besser zahlen weil halt keine Sau z. B. im Appenzell arbeiten will (sofern man nicht dort irgendwie verwurzelt ist). Im Baselland ist die Politik einfach bildungsfeindlich unsere gute Frau Gschwind findet wir hätten mi 22 % Übertrittsquote ans Gymnasium immer noch zu viele Maturanden. Sollen doch alle Jugendlichen in die Berufslehre und Geld verdienen, das faule Pack. Dementsprechend werden wir eher durchschnittlich bezahlt. Die Stadt ist rot-grün regiert und zahlt deutlich besser. Politik ist damit der zweite grosse Faktor, der's Gehalt bestimmt. Angebot und Nachfrage irgendwie nicht.

    Einmal editiert, zuletzt von Wollsocken80 ()

  • @Wollsocken80


    a) Deshalb schrieb ich "fürs Gymnasium"


    b) Ich sprach von der Freiheit, weil man weiß, dass es noch andere Möglichkeiten gibt. Theoretisch widersprichst du mir zwar, weiter unten legst du aber genau diese Freiheit an den Tag ("Wenn solche Dinge an einer Schule systematisch nicht nach meinen Vorstellungen laufen, dann kann ich wie bereits erwähnt mit 3 Monaten Kündigungsfrist hinschmeissen. Ich bin ja nicht verbeamtet.") Genau diese Haltung meine ich, die täte dem Lehrerberuf in Deutschland gut. Die kann es aber in Deutschland nicht geben, wegen der Verbeamtung UND der Ausbildung der Lehrkräfte.


    c) Ich denke nicht, dass Streiken die Eierlegende Wollmilchsau ist und bin mir bewusst, dass es derartige Auflagen für Streiks auch in deutschen Gewerkschaften gibt. Aber z.B. die Lokführer zeigen, wohin es gehen kann. Das erfordert ein Umdenken. Außerdem: Ich würde den von dir beschrieben Sachverhalt eher so deuten: Es zeigt deutlich, dass offenbar - so wie du ja auch in deinem Beitrag hast persönlich durchscheinen lassen -, dass Lehrer in der Schweiz im Wesentlichen zufriedener sind, mithin keinen zwingenden Grund zu Streiken sehen. Wenn in Deutschland die Lehrer streiken dürften, würde es z.B. für A13 für GS (in der GS) sicherlich nicht an einem Quorum scheitern.


    Mir geht es bei diesem Aspekt vor allem um eine Vision: Was wäre wenn. Streiken hat oft in der Geschichte Gutes für Arbeitnehmer gebracht und war nie leicht. Warum sollte beides nicht auch - in einem andere Deutschland - für Lehrkräfte gelten?

  • Ich wäre grundsätzlich schon auch für eine Abschaffung des Beamtenstatus (auch wenn es mir natürlich wurscht sein kann aber hier geht's ja ums Prinzip). Es ist nur so, dass bei uns diejenigen, die am wenigsten zufrieden sind auch am wenigsten den Arsch hochbekommen. Ich bezweifle daher, dass ein Streikrecht speziell unter Lehrern für wirklich *massive* Verbesserungen sorgt. Lehrer sind diesbezüglich einfach eher träge glaube ich.


    Und ich schrieb zwar ich könnte morgen kündigen wenn ich wollte, das heisst aber nicht, dass ich übermorgen einen Job bei der Novartis hätte. Der Zug ist für mich abgefahren. Für unsere Phil I er gilt auch in der Sek II noch viel mehr "einmal Lehrer, immer Lehrer". Ich hab schon mal den Arbeitgeber gewechselt weil's mir gestunken hat, ja. So gross ist der Bedarf an Gymnasiallehrpersonen aber nicht, dass das für jeden in jedem Fachbereich beliebig möglich ist.

    Einmal editiert, zuletzt von Wollsocken80 ()

  • Und ich schrieb zwar ich könnte morgen kündigen wenn ich wollte, das heisst aber nicht, fass ich übermorgen einen Job bei der Novartis hätte.

    Das nicht, aber vielleicht...



    im Appenzell

    Warum will da eigentlich keiner hin? Die Schweiz ist doch überall schön!


    Nein, das ist nicht der Grund dafür, warum Leute nicht streiken wollen. Man müsste während des Streiks ja aufs Gehalt verzichten denn der Kanton zahlt nicht für nicht geleistete Arbeit. Die Streikkasse der Gewerkschaft ist auch nicht beliebig gut gefüllt, also lässt man's mal lieber bleiben sonst ist der nächste Urlaub in Fernost in Gefahr.

    Ja, das natürlich auch!

    Die Mutter der Dummen ist immer schwanger.

  • ... Wobei erwähnt werden muss, dass Lehrpersonen an den berufsbildenden Schulen auch bei *exakt* gleicher Ausbildung deutlich weniger verdienen als wir am Gymnasium.

    was auch wieder nicht "gerecht" ist (sorry Morse)




    ... Ich kann Dir ein Lied von arbeitslosen Biologen singen, die sich plötzlich einbilden am Gymnasium Chemie unterrichten zu wollen (Bio ist ja völlig überlaufen). Die brauchen und wollen wir aber nicht.

    wer ist "wir" und wen interessiert, was ihr wollt? Wenn Bedarf ist, wird wohl auch in der Schweiz fachfremd unterrichtet werden.


    Und @einmal in der Schule, immer in der Schule- ist denn deiner Meinung das System bei euch besser oder einfach nur anders?

  • ...Wenn in Deutschland die Lehrer streiken dürften, ...

    wie bereits ausgeführt, konnten sachsens Lehrer*innen 30 Jahre lang streiken, systemlähmend war das nie.



    Streiken hat oft in der Geschichte Gutes für Arbeitnehmer gebracht und war nie leicht. Warum sollte beides nicht auch - in einem andere Deutschland - für Lehrkräfte gelten?

    Lehrkräfte sind weder Grubenkumpel noch Piloten, wenn sie streiken juckt das keinen :/

  • @samu Das Bewerbungsverfahren läuft bei uns anders als bei euch, ich habe als Fachvorstand durchaus Einfluss darauf, wer überhaupt eingeladen wird. Wenn kein geeigneter Bewerber dabei ist, gibt es notfalls auch keine Festanstellung und man stopft kurzfristig Löcher mit Jahresverträgen. Chemie ist kein Mangelfach mehr, da muss man keine Biologen nehmen.

  • Ah okay und wer entscheidet in der CH über Einstellungen? Also nicht nur wer, sondern offenbar auch ob...

  • Warum will da eigentlich keiner hin? Die Schweiz ist doch überall schön!

    Veraltetes Denken... Früher, als die ländlichen Gegenden noch sehr landwirtschaftlich geprägt waren, konnten Jugendliche nicht so lange in der Schule bleiben, da sie in der Landwirtschaft helfen mussten. Da hatte man schnell das Image weg, rückständig (und ein bisschen dümmlich) zu sein. Inzwischen ist es aber so, dass viele ländliche Gegenden Mitteleuropas stark aufgeholt haben und es eher so ist, dass sich in den früher als fortschrittlich bekannten Großstädten diverse soziale Probleme etabliert haben. Gerade in Entwicklungsländern und Schwellenländern (z.B. Türkei) ist es aber durchaus noch anders herum...

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