Diskussion "Direktdemokratische Elemente" (aus dem Corona-Hauptthread)

  • Es ist ja nicht nur das, man weiss vor allem auch viel zu wenig über die Moral, die in der jeweiligen Gesellschaft dahintersteht. Das wird ja nun gerade sehr offensichtlich, dass man sich doch ständig wundert, warum die Franzosen jetzt so, die Schweden anders und die Deutschen immer ein bisschen meinen, sie hätten auf jeden Fall Recht. Das mit dem Virus, das immer das gleiche ist, ist in Bezug auf den Umgang damit halt dann doch nicht so einfach. Diese ganze Pandemie lässt sich nicht allein auf Biologie herunterbrechen. Ich denke mir die ganze Zeit z. B. schon, dass ich eigentlich gar nichts über die Franzosen weiss und die Grenze nach Frankreich ist keine 5 km von meiner Haustür entfernt. In Spanien waren wir hingegen viele Jahre im Urlaub irgendwo in der Wallapampa, wo man mal ein bisschen mehr von den Leuten mitbekommt, da habe ich eine grobe Vorstellung, was deren Problem ist. Naja und die Österreicher ... Ich bin immer schon ein Grenz-Kind und meine Heimatregion ist seit jeher relativ dicke mit dem Salzburgerland.

  • es gibt ja keine Wahlpflicht

    Es gibt übrigens Länder mit einer Wahlpflicht. In der Schweiz büsst jedoch nur noch der Kanton Schaffhausen für deren Nichtwahrnehmung.



    Wer sind denn wir zu entscheiden, wer die Idioten sind?

    Ach weisst Du, es geht dabei nicht um Idiotie, es gibt schlichtweg Themen, die gar nicht alle betreffen. Das beste Beispiel hierfür ist wirklich die Masseneinwanderungsinitiative, die gesamt zwar angenommen wurde, von allen (!!) Kantonen, in denen überhaupt nennenswert Migranten leben, jedoch abgelehnt wurde. Migranten gibt es in der Schweiz prinzipiell viele, aber sie sind sehr asymmetrisch übers Land verteilt. Und da erlaube ich mir dann schon zu befinden, dass der gemeine Bauer im Appenzell (sorry, die müssen einfach immer fürs Klischee hinhalten) diesbezüglich einfach genau gar keine Meinung zu haben braucht. Es sind die Basler, die Zürcher, die Berner, die Genfer und die Lausanner, die mit den Migranten leben müssen und die haben einfach kein Problem damit. Wir nenne das den "Röstigraben", Zürich und Bern sind so eine Art Swing-States. Die Romandie + Basel befindet bei polarisierenden Themen immer so und der Rest anders.

  • Es ist ja nicht nur das, man weiss vor allem auch viel zu wenig über die Moral, die in der jeweiligen Gesellschaft dahintersteht....

    Ich hörte neulich einen Bericht über Schweden und wie man dort tendenziell zum Individuum steht, es ist wirklich anders als man das in Deutschland kennt und daher schwer, sich reinzuversetzen. Glaube allerdings kaum, dass anderer Nationen Teilnehmer*innen da weltoffene sind oder nicht erst mal denken, Recht zu haben. Es gibt einfach Dinge, die nimmt man mit der Muttermilch auf, das sehe ich täglich am Ost-West-Gedöns.

  • Die Schweden kamen bis anhin noch nicht auf die Idee uns das Skifahren verbieten zu wollen. Die mediale Darstellung der deutschen Corona-Politik ist schon ausgesprochen selbstbeweihräuchernd. Man hält sich immer noch für das grosse Vorbild dem bitte alle folgen sollen obwohl ganz offensichtlich längst nicht mehr alles so geil ist wie noch im Frühjahr. Die Intensivstationen werden genauso voll wie überall sonst, die Übersterblichkeit übers ganze Jahr gesehen ist dann doch nicht unerheblich. Dafür hatten wir es im Sommer wenigstens lustig.

  • Ich fände mehr direktdemokratische Elemente in Deutschland besser. In Deutschland hat man oft das Gefühl, dass die Politik am Bürger vorbeiregiert, was bei einer direkten Demokratie deutlich weniger der Fall wäre.

    Direkte Demokratie erfordert mehr als "ich stimme einem Gesetzesentwurf zu oder lehne ihn ab". Das erfordert eine andere systemische Einbindung, um Kontrollmechanismen zu etablieren, aber meines Erachtens auch ein Maß an politischem Interesse und politischer Bildung, dass ich bei einigen Nutzern dieses Forums nicht erkennen kann. Wer sich politisch einbringen und Gehör verschaffen möchte, soll sich erst einmal schlau machen, wie man das in einer repräsentativen Demokratie höchst erfolgreich machen kann. Wenn du dich ernsthaft mit Politik befasst und einarbeitest in die (politikwissenschaftlichen) Grundlagen unseres politischen Systems, dann könnte dir klar werden, dass deine Mitwirkungsmöglichkeiten in unserer Demokratie nicht geringer sind, nur anders. Diese Mühe- sich ernsthaft mit dem eigenen politischen System auseinanderzusetzen, dieses zu verstehen, seine Möglichkeiten zu kennen und aktiv zu nutzen- sollten wir uns alle prinzipiell machen, umso mehr aber, ehe wir aus reinen Bauchgefühlen heraus Forderungen nach einem grundlegenden systemischen Wechsel aufstellen, denn auch mehr direktdemokratische Elemente könnte man nur dann zielführend zum Wohl der Demokratie einsetzen, wenn man sich die Mühe machen würde zu verstehen, welche Verantwortung mit diesen einhergeht, welcher Kontroll- und Sicherungsmechanismen diese folgerichtig bedürfen etc.

    "Benutzen wir unsere Vernunft, der wir auch diese Medizin verdanken, um das Kostbarste zu erhalten, das wir haben: unser soziales Gewebe, unsere Menschlichkeit. Sollten wir das nicht schaffen, hätte die Pest in der Tat gewonnen. Ich warte auf euch in der Schule." Domenico Squillace

    Einmal editiert, zuletzt von CDL () aus folgendem Grund: Deokratie=Demokratie

  • Man merkt in diesem Beitrag deine politikwissenschaftliche Expertise. Der durchschnittliche Bürger würde das jedoch nicht verstehen. Viele Bürger scheuen aktive politische Beteiligung, da "zu kompliziert". Wären direkte Demokratieelemente nicht eine Möglichkeit, auch diesen Menschen aktive, politische Teilhabe zu bieten?

  • Man merkt in diesem Beitrag deine politikwissenschaftliche Expertise. Der durchschnittliche Bürger würde das jedoch nicht verstehen. Viele Bürger scheuen aktive politische Beteiligung, da "zu kompliziert". Wären direkte Demokratieelemente nicht eine Möglichkeit, auch diesen Menschen aktive, politische Teilhabe zu bieten?

    Erkennst du den Zusammenhang selbst?

  • Man merkt in diesem Beitrag deine politikwissenschaftliche Expertise. Der durchschnittliche Bürger würde das jedoch nicht verstehen. Viele Bürger scheuen aktive politische Beteiligung, da "zu kompliziert". Wären direkte Demokratieelemente nicht eine Möglichkeit, auch diesen Menschen aktive, politische Teilhabe zu bieten?

    Wenn "den Menschen" ein Nachdenken über ihr eigenes politisches System und die damit verbundenen Mitwirkungsmöglichkeiten zu machen, schon zu anstrengend ist, wie sollen diese Menschen dann in einem reflektierten Prozess zu einer mehr als emotionalen Meinung kommen, die sie dann in einem Volksentscheidsprozess einbringen können? Ich möchte nicht in "Shit Storm Nation" leben.

  • Mal kontrovers formuliert: Ist eine emotionale Meinung nicht besser als gar keine Meinung? Ich mache es mal an der Brexit-Thematik fest. Sollte Miss Miller von nebenan nicht auch eine Meinung dazu haben dürfen, auch wenn sie nicht Politikwissenschaften studierte, sondern eine "normale" Schulausbildung hinter sich hat und als Altenpflegerin oder Verkäuferin arbeitet? Sie wird wohl keine wissenschaftliche Analyse der Abwägung von Pro und Contra machen, aber das ist ja die Frage - ist Politik für das Volk oder für die Bildungselite?

  • Mal kontrovers formuliert: Ist eine emotionale Meinung nicht besser als gar keine Meinung? Ich mache es mal an der Brexit-Thematik fest. Sollte Miss Miller von nebenan nicht auch eine Meinung dazu haben dürfen, auch wenn sie nicht Politikwissenschaften studierte, sondern eine "normale" Schulausbildung hinter sich hat und als Altenpflegerin oder Verkäuferin arbeitet? Sie wird wohl keine wissenschaftliche Analyse der Abwägung von Pro und Contra machen, aber das ist ja die Frage - ist Politik für das Volk oder für die Bildungselite?

    Mal ganz einfach zurück gefragt: Möchtest du, dass Miss Miller wichtige Entscheidungen trifft, oder Experten?

  • Miss Miller sollte nicht die Entscheidungen alleine treffen. Als Teil einer größeren Gruppe, warum nicht? Wie gesagt, sie muss ja auch mit den Folgen leben.

  • Mal ganz einfach zurück gefragt: Möchtest du, dass Miss Miller wichtige Entscheidungen trifft, oder Experten?

    Ich dachte ich hätte schon erklärt, dass auch in einer direkten Demokratie Miss Miller keine einsamen Entscheidungen trifft. Auch CDL, die sich ja tatsächlich auskennt, hat schon erklärt, dass es in solchen Systemen bestimmte Steuerelemente braucht und der Volksentscheid einfach nur ein Baustein der direkten Demokratie ist. Das Problem ist gerade, dass die Mehrheit derer, die versuchen dem guten Lehramtsstudenten zu erklären, dass direkte Demokratie doof ist, diese selbst nicht verstanden haben. Ihr werft ihm Unverständnis vor und könnt es selber nicht besser, das ist gerade ein wenig grotesk.

  • Gutes Beispiel: Die emotionale Meinung hat GB drn Brexit eingebrockt.

    Man sollte schon wissen, worüber man abstimmt. Und zwar genau.

    Und wie gut oder schlecht der am Ende rauskommt, das weiss zum jetzigen Zeitpunkt kein Mensch. Johnson wurde wiedergewählt, die Mehrheit der Briten steht offenbar hinter diesem Entscheid. Das gilt es zu akzeptieren, alles andere ist einfach nur Anmassung.

    • Offizieller Beitrag

    Naja, man weiß jetzt schon, dass die Wähler damit falsche Aussagen vorgesetzt bekommen haben und auch deswegen entsprechend gewählt haben. Wenn sie die ganze Sache vernünftig (kritisch) betrachtet hätten, wäre es bestimmt anders ausgegangen.

  • Naja, man weiß jetzt schon, dass die Wähler damit falsche Aussagen vorgesetzt bekommen haben und auch deswegen entsprechend gewählt haben. Wenn sie die ganze Sache vernünftig (kritisch) betrachtet hätten, wäre es bestimmt anders ausgegangen.

    Diese Schlussfolgerung gefällt mir persönlich nicht.

  • Naja, man weiß jetzt schon, dass die Wähler damit falsche Aussagen vorgesetzt bekommen haben und auch deswegen entsprechend gewählt haben. Wenn sie die ganze Sache vernünftig (kritisch) betrachtet hätten, wäre es bestimmt anders ausgegangen.

    Meinst Du? Da bin ich mir nicht so sicher. Wie gesagt, ich halte diese Diagnosen aus der Ferne für ziemlich anmassend. Norwegen und die Schweiz sind auch nicht in der EU und bekanntermassen die reichsten Volkswirtschaften in Europa. Es ist überhaupt nicht gesagt, dass die Briten einen grossartigen Schaden davontragen werden. Schottland kann ja noch mal das Referendum für die Separation anstreben. Aber das ist doch alles deren Sache, unsereins betrifft das sowieso nicht auf der persönlichen Ebene, Passkontrolle gab's z. B. ja immer schon bei Einreise nach Grossbritannien.

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