Familienklassen

  • Hallo zusammen,


    mich treibt seit einiger Zeit das Thema "jahrgangsübergreifend ja oder nein" um. Vielleicht geht es ja jemandem auch so oder ich finde hier im Forum überzeugende Argumente, die mich klarer sehen lassen?

    Ich fand die Vorstellung immer toll, in einer Familienklasse zu unterrichten, weil ich die Atmosphäre aus Beobachtungen immer sehr schön fand und mir das Lernen für die Kinder in der Selbstbestimmtheit und mit geringerem Druck gefiel. Seit 8 Jahren unterrichte ich nun selbst in einer Familienklasse, in der Kinder aus den Stufen 1-4 sind. Und es gibt viele Vorteile, klar. Es gibt aber auch Nachteile und ich frage mich, ob man gerade in Zeiten von Lehrermangel und damit verbundener Achtung der Ressourcen den Lehrkräften und Kindern noch gerecht wird. Für mich sind klare Vorteile im sozialen Bereich. Aber ich frage mich, ob die Kinder in der Summe besser lernen und ob die Vorteile im Sozialen sich mit etwas Anstrengung nicht auch auf eine Jahrgangsklasse übertragen lassen.

    Mich stört an der Familienklasse, dass ich ständig das Gefühl habe, ich komme nicht hinterher - ich schaffe es nicht, genügend Themen adäquat einzuführen (ganz zu schweigen davon, dass eine "schöne Stunde" gehalten wird), ich bekomme zu wenig mit, wenn Kinder einfach nur "abarbeiten" und dabei einen fragwürdigen Lernzuwachs haben, altersentsprechender Unterricht (z.B. Sachunterricht, Musik) ist eingeschränkt im Klassenverband möglich, ich habe das Gefühl, die Älteren kommen in ihren Bedürfnissen zu kurz, wenn die Älteren Tests schreiben während 45-60 min Stille zu haben,...


    Ich habe schon nach Studien gesucht und nur sehr dürftiges Material gefunden. Die meisten Untersuchungen schauen sich Jahrgangsmischungen von 1/2 oder 3/4 an oder maximal 1-3, aber nicht 1-4. Die Vorteile, die in den meisten Studien zu finden sind bescheinigen vor allem stärkeren und selbstständigen Kindern die Möglichkeit, schneller voranzuschreiten. Nicht aber den Ältesten - die bleiben wieder eher zurück, da ihnen die Vorbilder fehlen. Außerdem wird dem sozialen Bereich Positives zugeschrieben, sowie Vorteile für diejenigen Kinder, die "verweilen".


    Das deckt sich schon weitgehend mit meinen Erfahrungen. Auch, dass es sehr abhängig davon ist, wie die Kinder lernen, wie sie sich konzentrieren können und wie viel Unterstützung sie brauchen. Das System funktioniert gut, wenn es viele Kinder gibt, die eigenständig und konzentriert arbeiten können. Mittlerweile vermisse ich auch diese Stunden, in denen man mit der gesamten Klasse Dinge erarbeitet - das geht auch in der F-Klasse, aber eben eingeschränkt. Dennoch bin ich eine absolute Verfechterin des kindgerechten und an den individuellen Potentialen und Entwicklungsbedarfen orientierten Unterrichts. Aber ich frage mich: ist das nicht auch in der Jahrgangsklasse möglich?

    Wenn das ressourcenschonender möglich ist und das soziale sowie das kognitive Lernen dabei vergleichbar funktioniert und unter Berücksichtigung der wichtigsten Vor- und Nachteile, ist es dann vielleicht doch die bessere Variante? Manchmal kommt es mir so vor, als ginge es nur darum, etwas besonderes zu machen - die Schulen die den Schulpreis bekommen, arbeiten ja auch meistens (oder immer?) so. Aber fragt hier auch mal jemand nach den Arbeitsstunden??


    Ich würde mich sehr über eure Einstellungen und Gedanken dazu freuen!


    Liebe Grüße :wink_1:

  • wenn die Älteren Tests schreiben während 45-60 min Stille zu haben,.

    Wir haben nur 1-3 und dort haben wir auch Teilungsstunden, wo dann 1/2 z.B. alleine Sport haben und 3 Schwimmen ist und dann noch eine weitere Teilungsstunde nur für 2 abfällt während 1 schon Schluss hat oder aber, Stunden, wo z.B. eine Gruppe in der Märchenstunde ist, eine bei mir PC-Kurs hat und die 3. im Klassenraum den neuen Buchstaben einführt usw.


    Klar war der Stundenplanbau anstrengend, aber nun kommen alle irgendwie zu ihren dringend benötigten Teilungsstunden und somit schreiben wir dann Tests der 3er auch nur in Teilungsstunden, da sind natürlich keine anderen Schüler mit im Raum. Das geht hervorragend und die Gruppen sind dann eben in den Teilungsstunden auch wirklich klein. 6-10 Kinder je Gruppe.

  • Ich glaube, dass jahrgangsgebundene Klassen mittlerweile so heterogen sind (je nach Einzugsgebiet mehr oder weniger), dass man da auch nicht den homogenen Unterricht hat, wie man es sich idealtypisch vorstellt. Das Ganze ist mit dem Nachteil verbunden, dass man am Ende des Jahres schauen muss, ob das Kind das Klassenziel erreicht hat. Bei dir haben die Kinder 4 Jahre Zeit sich zu entwickeln- mal sind sie etwas schneller, mal etwas langsamer, was auch mit den einzelnen Fächern oder aktuellen Themen zusammenhängen kann. Ich glaube, dass das die natürlichere Form des Lernens ist und mehr den Bedürfnissen der Kinder entgegenkommt.


    Weißt du, wie sich die Kinder, die du abgegeben hast, danach weiterentwickelt haben? Vielleicht gibt dir das Anhaltspunkte für eine Antwort auf deine Fragen.

    Wer Fehler findet darf sie behalten und sich freuen! :victory:

  • Ich habe jahrelang in einer gemischten Eingangsstufe gearbeitet. Letztlich waren es in Klasse 1/2 9 Differenzierungsstufen.

    Bei jedem Konzept gibt es Verlierer und Gewinner - nicht jedes Konzept ist für jedes Kind geeignet. Wichtig ist, wenn man mischt, dass es auch genug Kursstunden gibt.

    Schwierig bei der Jahrgangsmischung fand ich, dass man schnell ins Ungleichgewicht kam - zu viele Jungen, zu viele Mädchen in einer Klasse, Erstklassüberhang/zu viele Zweitklässler...... Daraus resultiert auch das Problem einer ungünstigen sozialen Zusammensetzung, ich hatte mal nur 4 Zweitklässlerinnen, die so verschieden waren, dass sie sich nicht anfreundeten. Auch zu den Erstklässlern hatten sie nicht wirklich Kontakt gefunden. ,,,,


    Das Für- und Wieder wurde schon oft diskutiert - vielleicht magst du mal in der Suchfunktion schauen.

  • Hi,

    danke für eure Antworten!

    Ich habe zwei Stunden pro Woche, an denen ich mit einer Kollegin zusammen bin, also Doppelbesetzung. Das reicht mir hinten und vorne nicht, um Einführungen zu machen oder Tests zu schreiben. Eine Stunde gibt es noch, da haben die Viertklässler mit Vierern von anderen Klassen eine Jahrgangsstunde. Eher unbefriedigend:daumenrunter: und es gibt eine, bei der meine 1/2er mit den 1/2ern der Parallelklasse gemeinsam Unterricht haben (sind dann 24 Kinder). Die Kinder werden auch für Sport in jahrgangshomogene Gruppen zusammengefasst, mit anderen Klassen gemischt. Also kleine Gruppen kann ich mir in zwei Stunden pro Woche bilden. Wie geht das Lehrerstundenmäßig denn? Diese Stunden haben wir gar nicht, mehr zu machen…

    Das geht hervorragend und die Gruppen sind dann eben in den Teilungsstunden auch wirklich klein. 6-10 Kinder je Gruppe.

  • Wie geht das Lehrerstundenmäßig denn? Diese Stunden haben wir gar nicht, mehr zu machen…

    Die 1er und 2 er haben ja laut Stundentafel weniger Stunden als die 3er, das sind also z.B. solche Stunden. In vielen Schulen werden die nur am Anfang oder am Ende liegen können, so dass die Kinder früher gehen oder später kommen (so ist es an der Schule wo meine Kinder im Flex-System in 1/2 waren), wir haben das Glück ja eine verlässliche Halbtagsschule zu sein und somit diese weniger Stunden auch mitten rein legen zu können und die Kinder dann zu der Bezugserzieherin zu schicken, genauso wie sie eben eigentlich auch Stunden in der Klasse drin ist und Unterrichtsbegleitung macht, da schicken wir die Kinder dann auch eher mit Aufgaben zu ihr o.ä.


    Ansonsten eben Englisch und Sachunterricht immer mit der Parallelklasse zusammen, da kommen wir dann aktuell auf 14 3. Klässler.

  • Ich kenne eine freie Schule, die so arbeitet, bei denen es richtig gut funktioniert. Denen rennen Eltern auch die Bude ein. Allerdings sind sie unheimlich durchstrukturiert und ja, die Lehrpersonen arbeiten sich den Arsch ab.


    Es hat halt Vor- und Nachteile und du siehst durch deine langjährige Erfahrungen beides.

  • Die Betreuung war ein Grund, warum die Mischung gekippt wurde - wir müssen eine verbindliche Betreuung von 8 bis 11.30 Uhr anbieten- damit fällt Kursunterricht in der ersten Stunde weg.....

  • Die Betreuung war ein Grund, warum die Mischung gekippt wurde - wir müssen eine verbindliche Betreuung von 8 bis 11.30 Uhr anbieten- damit fällt Kursunterricht in der ersten Stunde weg.....

    Wir haben eine verbindliche Betreuung für alle Kinder der Klassen 1-6 von 7.30 Uhr bis 13.30 Uhr und trotzdem hat natürlich nicht jedes Kind deshalb 30 Unterrichtsstunden ;)

  • Nach euren Antworten habe ich das dringende Gefühl, dass es dann funktioniert, wenn es entweder genug Differenzierungsstunden oder genug Kursunterricht (verstehe ich richtig als Jahrgangsstufen-Unterricht?) und/oder wenn man bereit ist, sich über die Maßen da reinzuhängen und Mehrarbeit zu leisten. Vielleicht ist man dann zufrieden mit dem, was dabei rumkommt?

    Kursstufenunterricht bedeutet ja aber auch, dass nicht jeder komplett in seinem Tempo voranschreiten kann, weil es ja gemeinsame Phasen gibt, die sich mit bestimmten Themen beschäftigen, oder?

  • Kursstufenunterricht bedeutet ja aber auch, dass nicht jeder komplett in seinem Tempo voranschreiten kann, weil es ja gemeinsame Phasen gibt, die sich mit bestimmten Themen beschäftigen, oder?

    Ja, schon, aber da müssen ja auch nicht alle dran teilnehmen, manche sind schon weiter, manche machen das noch nicht, geht alles.

  • Was ich dann nicht verstehe: wo sind dann die anderen Schüler, wenn nicht alle dran teilnehmen? Sind Kursstufen Kleingruppen? Das sind bei uns Differenzierungsstunden, aber davon haben wir zwei und das reicht nicht, wie ich finde.

  • Hab gerade nochmal oben gelesen was du geschrieben hast. Hört sich paradiesisch an! Wie viele Teilungsstunden entstehen denn durch schlaue Stundenplanung?

  • Aktuell haben wir leider nur pro Jahrgang eine "Einführungsstunde" pro Jahrgangsstufe, aber z.B. bei den Drittklässlern noch 5 Stunden, wo sie nur mit der Parallelklasse zusammen sind (14 Kinder) und auch mal eben einige Stunden nur 1/2 dadurch bzw. durchs Schwimmen (3 Stunden).

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