Frage an die Gymnasiallehrkräfte in BaWü: Wie geht es Kindern mit ADHS oder ADS bei euch?

  • Wie ergeht es Kindern im Gymnasium, die ADS haben, aber super intelligent sind? Gewährt ihr irgendeinen Nachteilsausgleich und wenn, wie sieht er aus? Wie müssen SchülerInnen das belegen, was brauchen sie für schriftliche Diagnosen und von wem?

  • [Stealth-mode #Oberstudienschrat Dr. Müllerschön] Wie meinen Sie das, Frau Kollegin Grundschullehrerin? Ich kenne nur faule und fleißige Kinder. [Stealth-mode off]


    Ernsthaft: Meiner Erfahrung nach hängt das von etlichen Faktoren ab: Konkretes Verhalten des Kindes im Unterricht, Bereitschaft der Kollegen zum Sich-Einlassen auf das Thema, generelle Haltung der Schule zum Thema Inklusion und einiges mehr. Da hat sich mittlerweile auch am Gymnasium viel getan.

    Die "Dr. Müllerschön"s gibt's aber durchaus noch.

    Die Mutter der Dummen ist immer schwanger.

  • Gewährt ihr irgendeinen Nachteilsausgleich und wenn, wie sieht er aus? Wie müssen SchülerInnen das belegen, was brauchen sie für schriftliche Diagnosen und von wem?

    Unabhängig von der Art der Beeinträchtigung richtet sich die Förderung aber auch insbesondere der Gewähr von Nachteilsausgleichen nach der Verwaltungsvorschrift für Kinder und Jugendliche mit besonderem Förderbedarf und Behinderungen.


    Eine externe Diagnose oder Bescheinigung ist für den Prozess zwar hilfreich und kann einer Entscheidung der Klassenkonferenz zugrunde gelegt werden, ist formal aber weder notwendig noch bindend.

  • Ist ADS/ADHS überhaupt nachteilsausgleichsfähig?

    Ich meine nein. Und das haben auch schon höhere Instanzen der Verwaltungsgerichtsbarkeit so entschieden.

    In BW sind Schwierigkeiten mit der Aufmerksamkeit explizit als Beispiel für die besondere Förderung in der Verwaltungsvorschrift benannt.
    Die Gewährung eines Nachteilsausgleich senkt (zumindest theoretisch) das Anforderungsniveau nicht.

    Die konkrete Ausgestaltung eines durch die Klassenkonferenz beschlossenen Nachteilsausgleichs obliegt dann der konkreten Fachlehrkraft.

    P.S.: Konkrete Diagnosen wie AD(H)S, Dyskalkulie, Legasthenie, ... finden sich in der Vorschrift nicht, da es auf diese nicht ankommt (und Lehrkräfte diese in der Regel auch nicht diagnostizieren können).

  • Da nach den konkreten Umsetzungsmöglichkeiten eines Nachteilsausgleichs gefragt wurde:


    Die Umsetzung verantwortet die Fachlehrkraft und soll natürlich für den konkreten Fall geeignet sein. Es ist aber sicherlich sinnvoll, sich darüber in der Klassenkonferenz auszutauschen.
    Möglichkeiten:
    - Anpassung der Arbeitszeit (fände ich bei Aufmerksamkeitsschwierigkeiten zunächst ungeeignet, wenn nicht zwischendrin Pausen tatsächlich genutzt werden).

    - Anpassung der Gewichtung

    - Technische Hilfsmittel (wüsste jetzt keine bei Aufmerksamkeitsschwierigkeiten außer vielleicht Schallschutz)

    - Abweichung von den äußeren Rahmenbedingungen der Prüfung

    - Schreiben in einem separaten Raum (natürlich auch unter Aufsicht)

    - ...


    Das hängt alles sehr vom konkreten Einzelfall und auch von der Fachkonstellation ab.

    • Offizieller Beitrag

    In BW sind Schwierigkeiten mit der Aufmerksamkeit explizit als Beispiel für die besondere Förderung in der Verwaltungsvorschrift benannt.
    Die Gewährung eines Nachteilsausgleich senkt (zumindest theoretisch) das Anforderungsniveau nicht.

    Zwischen Förderung und NTA besteht aber ein klarer Unterschied.

  • Das ist zwar richtig, aber so ist halt hier die Systematik.

    Kinder mit Förderbedarf (darunter sind als Beispiel Aufmerksamkeitsdefizite) können einen Nachteilsausgleich erhalten. Es gibt in der Verwaltungsvorschrift keine Einschränkung der Nachteilsausgleiche auf bestimmte Förderbedürfnisse.

  • Die Umsetzung verantwortet die Fachlehrkraft und soll natürlich für den konkreten Fall geeignet sein. Es ist aber sicherlich sinnvoll, sich darüber in der Klassenkonferenz auszutauschen.

    Ich verstehe nicht ganz, wie du das meinst. Über die Gewährung eines Nachteilsausgleichs entscheidet die Klassenkonferenz unter Vorsitz der Schulleitung; dabei wird doch auch festgelegt, welche konkreten Maßnahmen Anwendung finden?!

  • Wenn die Fachlehrer Lösungen für ihr Fach finden, gibt es ja keinen Antrag auf Nachteilsausgleich, also auch keine Konferenz.


    Wenn es Schwierigkeiten gibt kommt der Antrag auf Nachteilsausgleich, dann kommt auch die Klassenkonferenz.

  • Ich verstehe nicht ganz, wie du das meinst. Über die Gewährung eines Nachteilsausgleichs entscheidet die Klassenkonferenz unter Vorsitz der Schulleitung; dabei wird doch auch festgelegt, welche konkreten Maßnahmen Anwendung finden?!

    Nein.
    Die Fachkonferenz beschließt, dass ein Nachteilsausgleich gegeben wird. Die Umsetzung passiert dann aber nicht zwangsläufig einheitlich, sondern jeder Kollege setzt eigenverantwortlich um.
    Die Art des Nachteilsausgleichs kann in Französisch eine Arbeitszeitverlängerung und in Biologie die Nutzung eines Computers sein, auf dem ein Text geschrieben wird.
    Dass es sinnvoll ist, in der Klassenkonferenz über die konkreten Maßnahmen zu sprechen und diese möglichst passend auszuwählen, ist unzweifelhaft.

  • Wenn die Fachlehrer Lösungen für ihr Fach finden, gibt es ja keinen Antrag auf Nachteilsausgleich, also auch keine Konferenz.


    Wenn es Schwierigkeiten gibt kommt der Antrag auf Nachteilsausgleich, dann kommt auch die Klassenkonferenz.

    Das ist aber nicht im Sinne der Verordnung. Die Basis für die Gewährung eines Nachteilsausgleichs ist immer ein Konferenzbeschluss

  • Den Antrag auf Nachteilsausgleich stellt aber der Schüler bzw. die Eltern und das ist oft nicht notwendig, da die Fachlehrer eigene Lösungen finden, um die "besonderen Schüler" zu integrieren.

    Für einen offiziellen Nachteilsausgleich braucht man eine Konferenz.

    Im Rahmen der individuellen Förderung, die in Baden-Württemberg ja in den letzten Jahren mit mehreren Kongressen und Fortbildungen gestärkt wurde, gibt es aber eben auch individuelle Lösungen ohne offiziellen Nachteilsausgleich.

    Ich war auf 2 Kongressen in Stuttgart/Leinfelden und da war genau das auch ein Thema.

    Ist zwar auch wieder einige Jahre her (2013, gerade nachgeschaut), sollte aber noch gelten.

  • Den Antrag auf Nachteilsausgleich stellt aber der Schüler bzw. die Eltern und das ist oft nicht notwendig, da die Fachlehrer eigene Lösungen finden, um die "besonderen Schüler" zu integrieren.

    Für einen offiziellen Nachteilsausgleich braucht man eine Konferenz.

    Im Rahmen der individuellen Förderung, die in Baden-Württemberg ja in den letzten Jahren mit mehreren Kongressen und Fortbildungen gestärkt wurde, gibt es aber eben auch individuelle Lösungen ohne offiziellen Nachteilsausgleich.

    Ich war auf 2 Kongressen in Stuttgart/Leinfelden und da war genau das auch ein Thema.

    Ist zwar auch wieder einige Jahre her (2013, gerade nachgeschaut), sollte aber noch gelten.

    Der tatsächliche Antrag auf einen offiziellen Nachteilsausgleich wird von Kollegen (in der Regel der Klassenlehrkraft) oder der Schulleitung in der Konferenz gestellt. Jemand anderes ist in Klassenkonferenz auch gar nicht antragsberechtigt. Dass Eltern oder Schüler den Prozess in Gang setzen, ist natürlich dennoch häufig der Fall.

    Inoffizielle Nachteilsausgleiche sind wie du schreibst individuelle Lösungen, mit denen man als Lehrkraft besonders auf ein Kind eingeht.

    Dass man ein Kind auf Elternwunsch näher an die Tafel setzt, weil es nicht gut gucken kann und dann die Klassenarbeit eine Schriftgröße größer druckt, braucht z. B. sicherlich keinen Konferenzbeschluss. Dass man ein Kind länger als andere eine Leistungsüberprüfung schreiben lässt, hingegen schon.

    Die Übergänge bei bestimmten Nachteilsausgleichen können aber bestimmt fließend sein.

    Edit: Und zur Vervollständigung - in BW ist die Endjahresnote nicht das zementierte Ergebnis einer Berechnung, sondern eine pädagogische Gesamtwürdigung. Es liegt also insgesamt viel Ermessen in der individuellen Würdigung der Leistung.

  • Bei uns werden mehrere Schüler vom sonderpädagogischen Beratungszentrum Winnenden beraten, wie diese den Antrag auf Nachteilsausgleich formulieren und was ein sinnvoller Nachteilsausgleich sein kann.

    Da wäre der Klassenlehrer ja komplett überfordert. Dieser hat ja keine Ahnung von den Erkrankungen bzw. von einem individuellen sinnvollen Nachteilsausgleich.

    Der Klassenlehrer stellt den Antrag dann vor bzw. bringt ihn zur Abstimmung. Die Sonderpädagogen dürfen in der Konferenz anwesend sein. Macht auch meist Sinn.

  • Ja, steht ja auch in der oben verlinkten Verwaltungsvorschrift:

    Zitat

    ggf. unter Hinzuziehung eines Beratungs- oder Sonderschullehrers, schulischer Ansprechpartner, LRS-Fachberater oder in Ausnahmefällen der örtlich zuständigen schulpsychologischen Beratungsstelle

    Ich war auch schon in entsprechenden Konferenzen in Regelschulen dabei.

  • Bei uns besteht der Nachteilsausgleich darin, mehr Zeit und einen besonders ruhigen Arbeitsplatz zu gewähren bei den Klassenarbeiten, die aber die gleichen sind wie der Rest der Klasse schreibt. Bei einem Kind verteile ich die Aufgaben auf mehrere Blätter. Würde ich die Arbeiten bei diesen Kindern (2 Kinder in der Klasse) nach der geplanten Zeit einsammeln, würden sie wesentlich schlechter ausfallen. Besonders bei meinem kleinen Genie..., bei dem gleichzeitig wohl mehrere Filme im Hirn ablaufen, der aber der Intelligenteste von allen ist.


    Ich habe Angst, dass er gleich vom Gymnasium fliegt, weil er nicht ist, wie die anderen :( Aber alle anderen Schulen sind zu leicht und da hat er sein ADS auch. Was ihn bei der Stange hält, sind Herausforderungen. Er muss aber kein Thema 14 Tage üben, sondern die Einführung reicht eigentlich. Die Übungsphasen langweilen ihn und er fällt negativ auf. Trotzdem ist er bei den Arbeiten langsam, weil er das kaum zu Papier bringt, da er nebenbei immer so chemische Themen im Kopf hat. Ich hoffe nur, dass das Gymnasium ihn sieht. Er und ich sind ein eingespieltes Team und da klappt das, aber ich fürchte, er kommt woanders seehr anders rüber und das geht nicht lange gut.


    Aber nach Flupps Beiträgen besteht Hoffnung. Ich habe mit der Beratungslehrerin zusammengearbeitet, die auch gleichzeitig zufällig der schulpsychologische Dienst an unserer Schule ist und das war sehr hilfreich.

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