Klassenarbeiten, die schlecht ausfallen....

  • Hallo ins Forum,


    dies ist mein erster Beitrag, deshalb will ich mich mal kurz vorstellen. Ich unterrichte Wirtschaft und Recht an einem Berufskolleg im Ruhrgebiet, zum Teil also Berufsschüler (Rechtsanwalts- und Notarfachangestellte), aber auch Vollzeitschüler in der Sek II (Höhere Handelsschule und gymnasiale Oberstufe).


    Obwohl ich schon ein bisschen länger dabei bin, kriege ich jedesmal, wenn ich Klassenarbeiten korrigiere Zweifel an meiner Berufswahl, da gehen (mein) Anspruch und Wirklichkeit manchmal weit auseinander und ich frage mich, was ich bei der Vermittlung des Stoffs falsch gemacht habe.
    Anlass für dieses Posting ist eine Klassenarbeit bei meinen ReNo´s, die sehr schlecht ausgefallen ist, so dass ich sie mir eigentlich genehmigen lassen müsste. Hier wird mein Anspruch aber zumindest von der anstehenden Prüfung festgelegt.


    Wie geht ihr damit um? Lasst ihr noch mal schreiben, lasst ihr euch die Arbeiten genehmigen oder kommt sowas bei euch gar nicht vor? Gibt es noch mehr in diesem Forum, die manchmal Selbstzweifel haben?


    Leicht genervte, aber liebe Grüße
    Ramapas

    • Offizieller Beitrag

    Hallo Ramapas,
    ich denke, solche Selbstzweifel gehören einfach zum Beruf dazu. In solchen Fällen versuche ich, als erstes, zu ergründen, warum die Arbeit so schlecht ausgefallen ist.


    - Haben die Schüler den Stoff nicht verstanden? Dann ist die Arbeit durchgängig (bis auf wirklich ganz wenige Lichtblicke) schlecht ausgefallen und du solltest überlegen, ob du sie nicht wiederholen willst.
    -Haben die Schüler einfach keine Lust auf Arbeit? (ist der Fall in meiner neun, superlieb, aber stinkfaul) - Sollte das so sein, lass dir die Arbeit genehmigen und erklär den Schülern, dass sie sich etwas mehr anstrengen müssen... wenn sie das einsehen, kannst du als "zweite Chance" die gleiche Arbeit leicht verändert nochmal schreiben.
    - War der Anspruch wirklich zu hoch? (das müsstest du als Lehrer selbst am besten wissen...) oder habt Ihr vorher nicht ausreichend Zeit zum Üben gehabt? Dann die Arbeit auch nochmal wiederholen...
    Tatsache ist, man kann nicht jeden Schüler auf derselben Wellenlänge erwischen- nur erwarte ich von den meinen (und hab das durchaus auch schon im Unterricht erwähnt), dass dann eine dementsprechende Rückmeldung kommt.
    Halt die Ohren steif und liebe Grüße,
    Hermine

  • Hallo Hermine,


    danke schon mal für deine Antwort.
    In meinem speziellen Fall habe ich mich eigentlich schon entschieden, die Arbeit zu wiederholen und vorher genau zu besprechen, wo die Schwierigkeiten lagen. Die Klasse ist zweigeteilt, die eine Hälfte hat gute Ergebnisse, die andere Hälfte war dafür grottenschlecht und da bin ich mir eben nicht so sicher, ob es an mir liegt (schlecht erklärt) oder an den Schülern liegt (zu faul, zu wenig Zeit zum Lernen). Der Anspruch war mit Sicherheit nicht zu hoch eher zu niedrig, wenn ich mal auf die Abschlussprüfung schiele...


    Liebe Grüße
    Ramapas

    • Offizieller Beitrag

    Hm, mit dem Anspruch meinte ich auch nicht die Prüfungsansprüche, sondern ob die Arbeit in Relation zu dem steht, was die Schüler davor gelernt hatten...
    Wenn die Ergebnisse allerdings Hälfte/Hälfte sind, dann neige ich dazu, eher an "faule" Schüler zu glauben- das siehst du ja dann bei der wiederholten Arbeit...
    Viel Erfolg!
    Hermine

  • Was heißt: "Schlecht ausgefallen?"


    Das ist ja auch immer eine subjektive Einschätzung des Lehrers - es kommt darauf an, wo man das Linmit setzt, ab dem eine Arbeit als ungenügend bewertet wird.


    Wenn ich bei einem Diktat mit 150 Wörtern bei maximal 6 Fehlern bereits die Note 6 vergebe, weil ich der Meinung bin, dass die Schüler die deutsche Sprache ja perfekt beherrschen sollten, werde ich (je nach Schwierigkeitsgrad) eventuell einen Notendurchschnitt von 5,0 oder schlechter erhalten.


    In Mathematik plagen mich immer wieder die Zweifel, ob meine Bewertungsskala richtig ist, weil die Ergebnisse "zu gut" ausfallen. Dabei halte ich mich an folgende Regel:


    Die Punkteskala wird 1:1 auf die Notenskala übertragen, keine Gaussche "Normal-"-Verteilung. Dazu gab's sogar mal einen Gerichtsbeschluss, der in der Presse veröffentlicht wurde., Habe mir den Artikel leider nicht aufbewahrt und auch durch Internet-Recherchen nicht s mehr dazu erfahren, aber sei's drum:


    Ich errechne meine Noten mit folgender, einfacher Formel:


    |(erreichte Punktzahl/Gesamtpunktzahl)*5 -6|


    lies: Betrag von erreichter Punktzahl geteilt durch Gesamtpunktzahl mal fünf und das Ergebnis geteilt durch 6
    ergibt eine Zahl zwischen 1,0 und 6,0.
    Halbe Punktzahl ergibt 3/4


    Das schöne daran: Ich kann meine Punkte frei vergeben - und auf diese Weise die Honorierung der Schwierigkeit und somit die Notenverteilung steuern - und bin an keine Tabelle gebunden. Ich benötige nur einen Taschenrechner - und die Schwellenwerte im Kopf.

    Vorurteilsfrei zu sein bedeutet nicht "urteilsfrei" zu sein.
    Heinrich Böll

    • Offizieller Beitrag

    Hallo ihr,
    ich kenne das - habe gerade ein derartiges Desaster mit meiner 12er LK Klausur.
    Ich neige eigentlich eher selten dazu, meinem Unterricht die Schuld zu geben. Immerhin konzipiert man doch die Klausur nicht "einfach so", sondern als Summe dessen, was man vermittelt hat, oder?
    Besonders wenn, wie bei dir, R, die Hälfte der Klasse mit dem Thema klarkam, kann es doch schlecht an dir gelegen haben.


    Was ich oft tue, besonders in "frischen" Lks, die sich an das erhöhte Tempo erst gewöhnen müssen, ist vorher mal eine Klausur aus vorhergehenden Kursen durchzusprechen um den Anspruch zu verdeutlichen und den Schülern Gelegenheit zu geben, sich mit der intensiveren Form der Textarbeit vertraut zu machen (und mich mit ihren Fähigkeiten, dann kann ich zur Not die Klasusur nochmal umformulieren). Dazu bekommen sie auch einen von mir geschriebenen "Erwartungshorizont", der genau zeigt, wie vollständig und wie gut formuliert eine Arbeit für 15 Punkte sein müsste. Auch die Bewertungskriterien (Sprache, Inhalt, Fehlerindex) bekommen die Schüler vorher, wissen also, worauf ich wert lege. Ebenso ein Blatt mit Tipps zu Formulierungen, Satzverbindern, Struktur, Arbeitstechniken etc ....Mehr kann ich nicht tun.
    Wenn dann immer noch welche "rumsabbeln", dann haben sie eben verloren, das kann ich auch nicht ändern.


    Allerdings biete ich auch nach der Rückgabe der Klausur eine vollständieg Besprechung an, in der die inhaltliche Maximalausbeute und besonders elegante Formulierungen schriftlich festgehalten und die häufigsten Fehlerquellen benannt und korrigiert werden.


    Das erwarte ich dann aber auch in der nächsten Klausur - und dann bin ich auch gnadenlos, wenn es dann nicht beachtet wird. Wie z.B. in dieser - bei der kaum jemand sich die Mühe gemacht hat, die zitierten Passagen wirklich zuende zu analysieren - "the author wants to make the reader think about it" ist eben keine hinreichende Erklärung für jedes Stilmittel, sondern ein Allgemeinplatz: das will eh jeder Autor, warum schreib ich denn sonst nen Text. Schien aber diesmal die bequeme Lieblingserkärung von 50 % der Schüler zu sein, trotz intensiven Übungen zur Analyse vorher und trotz des Hilfsmittelblattes, in das offensichtlich kein Schwein reingegeuckt hat: da stand nämlich eine Warnung vor ebensolchem Blabla.


    Ergebnis: 45% unterm Strich, und ich werde die Arbeit genehmigen und werten lassen. Ich sitz doch nicht wie ein Depp nachts am PC und entwerfe solche Hilfen, wenn sie fröhlich ignoriert werden!!


    X( hrrrmpffglngnnnn!!


    Heike

  • Kann mir mal jemand erklären, was "genehmigen lassen" heißt?
    Also, wenn das von übergeordneter Stelle gemacht werden muss, bin ich mir sicher, dass es so etwas bei uns in B-W nicht gibt.


    Auch (das ist aber Rechtslage in B-W) kann man eine Klausur nicht allgemein streichen, das muss immer eine Einzelfallentscheidung sein. Kann mir aber kaum vorstellen, dass das in den anderen Bundesländern rechtmäßig ist!


    Zur Benotung:
    Ich wende meistens eine Benotung mit Sockelpunkten an. D.h., dass man z.B. von 50 Punkten erst mit mehr als z.B. 5 Punkten besser ist als die sechs. Der Sockel nach oben heißt, dass man z.B. ab 45 Punkten die 1 bekommt. Vorteil: Ich kann den Sockel verschieben, wenn die Arbeit zu lang/kurz war oder Aufgaben zu schwer waren. Das ist besser als eine Aufgabe zu streichen, weil die Schüler trotzdem punkten können.
    Es gibt außerdem eine Formel, mit der man mit jeder Verrechnungspunktezahl die Note errechnen kann. Wenn ihr Interesse habt, stelle ich sie in den Herbstferien (beginnen morgen in B-W :-)))) ) gerne online.

    Erziehung ist die organisierte Verteidigung der Erwachsenen gegen die Jugend.

  • Also wir hatten letztes Jahr eine Chemieklausur, in der 10 von 21 Klausuren unterm Strich waren und das auch nur, weil er kurzerhand eine Aufgabe aus der Wertung genommen hat... Lief bei seinen Klausuren aber immer so und irgendwie haben auch seine Versuche nie geklappt. "Das wird jetzt keine Knallgasprobe. Es gibt nur eine Stichflamme." Anstatt der Stichflamme gab es einen riesigen Knall und uns dröhnten noch zwei Stunden danach die Ohren... Nun ja... so viel dazu.
    Sein Unterricht war immer so, dass nur 3, 4 Leute mitegmacht haben und der Rest überhaupt nichts verstanden hat. Auf Nachfragen hieß es dann: "Das lernt ihr später..." oder "Das kann ich jetzt auch nicht erklären. Da muss ich zu Hause noch mal nachgucken..." Die schlechte Klausur -ich war mit 3 Punkten noch relativ gut- hat ihm auch nicht zu denken gegeben. *seufz*


    Liebe Grüße
    Maren

    • Offizieller Beitrag

    Timm: Ich weiß natürlich nur die Gepflogenheiten von Bayern und da ist es auch nochmal schulintern geregelt:
    Wenn eine Arbeit im Durchschnitt schlechter als 4,0 (oder 4,5) ist, dann muss man damit zum Direktor und der entscheidet dann (auch je nach deiner Erklärung und Begründung), ob die Arbeit gültig ist, also nicht wiederholt, sondern gewertet wird, oder ob du sie noch einmal in der Klasse schreiben musst.
    Das gleiche gilt auch für einen Durchschnitt, der besser ist als 2, 5
    Liebe Grüße, Hermine

  • Hallo,


    noch mal zu meinen Ansprüchen. Natürlich ist die Arbeit eine Summe dessen, was ich vorher im Unterricht vermittelt habe. Ich haben nicht neues gefragt, aber es ging natürlich auch darum, das Gelernte anzuwenden und daran hat es irgendwie gehapert.
    Die Punkteverteilung mache ich, indem ich mir die einzelnen Aufgaben anschaue, meinen Erwartungshorizont aufschreibe (ich habe eigentlich immer eine "Musterlösung") und die Aufgaben in Relation zueinander setze.


    Die Bewertung wird nach IHK-Schema gemacht und in % ausgedrückt. Beispiel 30 von 60 Punkten macht 50% und ist damit gerade eine 4. Eine eins gibt es z.B. erst bei 92%.


    alias: welche Note wäre das denn bei dir?


    Timm: bei uns gibt es den 1/3-Erlass, d. h., wenn ein Drittel der Schüler schlechter als vier geschrieben hat, muss die Arbeit genehmigt werden - oder wiederholt. Wann eine Arbeit genehmigt wird oder eben nicht, wird schulintern geregelt.


    Danke schon mal für eure Beiträge und Anregungen
    Ramapas

  • Der Eintrag war 2003 im Forum. D.h. vor 10 Jahren wurde hier geschrieben, dass die Schüler den Anforderungen oft nicht gewachsen sind. Irgendwie ist das immer noch so. Es hat sich also noch nicht viel geändert!






    Hallo ins Forum,


    dies ist mein erster Beitrag, deshalb will ich mich mal kurz vorstellen. Ich unterrichte Wirtschaft und Recht an einem Berufskolleg im Ruhrgebiet, zum Teil also Berufsschüler (Rechtsanwalts- und Notarfachangestellte), aber auch Vollzeitschüler in der Sek II (Höhere Handelsschule und gymnasiale Oberstufe).


    Obwohl ich schon ein bisschen länger dabei bin, kriege ich jedesmal, wenn ich Klassenarbeiten korrigiere Zweifel an meiner Berufswahl, da gehen (mein) Anspruch und Wirklichkeit manchmal weit auseinander und ich frage mich, was ich bei der Vermittlung des Stoffs falsch gemacht habe.
    Anlass für dieses Posting ist eine Klassenarbeit bei meinen ReNo´s, die sehr schlecht ausgefallen ist, so dass ich sie mir eigentlich genehmigen lassen müsste. Hier wird mein Anspruch aber zumindest von der anstehenden Prüfung festgelegt.


    Wie geht ihr damit um? Lasst ihr noch mal schreiben, lasst ihr euch die Arbeiten genehmigen oder kommt sowas bei euch gar nicht vor? Gibt es noch mehr in diesem Forum, die manchmal Selbstzweifel haben?


    Leicht genervte, aber liebe Grüße
    Ramapas


    Hallo ins Forum,


    dies ist mein erster Beitrag, deshalb will ich mich mal kurz vorstellen. Ich unterrichte Wirtschaft und Recht an einem Berufskolleg im Ruhrgebiet, zum Teil also Berufsschüler (Rechtsanwalts- und Notarfachangestellte), aber auch Vollzeitschüler in der Sek II (Höhere Handelsschule und gymnasiale Oberstufe).


    Obwohl ich schon ein bisschen länger dabei bin, kriege ich jedesmal, wenn ich Klassenarbeiten korrigiere Zweifel an meiner Berufswahl, da gehen (mein) Anspruch und Wirklichkeit manchmal weit auseinander und ich frage mich, was ich bei der Vermittlung des Stoffs falsch gemacht habe.
    Anlass für dieses Posting ist eine Klassenarbeit bei meinen ReNo´s, die sehr schlecht ausgefallen ist, so dass ich sie mir eigentlich genehmigen lassen müsste. Hier wird mein Anspruch aber zumindest von der anstehenden Prüfung festgelegt.


    Wie geht ihr damit um? Lasst ihr noch mal schreiben, lasst ihr euch die Arbeiten genehmigen oder kommt sowas bei euch gar nicht vor? Gibt es noch mehr in diesem Forum, die manchmal Selbstzweifel haben?


    Leicht genervte, aber liebe Grüße
    Ramapas


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