Lernen durch Lehren - Schüler in der Rolle des Lehrers

    • Offizieller Beitrag

    Hallo Ihr Lieben!


    Ich möchte Euch um Eure Meinung zu folgender Situation bitten:


    Ich habe in meinem 12er Geschichts-GK zwei junge Damen sitzen, die neben profunden Fachkenntnissen auch über herausragendes analytisch-kritisches Denken verfügen und von ihrem geistigen Level her locker mit Geschichtsstudenten im Grundstudium mithalten könnten.
    Die zwei Mädels haben von mir aufgrund ihrer herausragenden Leistung auch 15 Punkte in der SoMi-Note erhalten.


    Leider fürchte ich, dass die beiden hoffnungslos unterfordert sind - dennoch bereiten sie sich immer sehr gut vor und beteiligen sich immer am Unterricht.


    Meine Idee war, die beiden einmal die eine oder andere Stude selbst halten bzwl. durchführen zu lassen und sich vorher entsprechend tiefgründig mit einem historischen Problem auseinander setzen zu lassen.
    Dadurch wären die beiden auf eine ganz andere Art und Weise gefordert und könnten ihre Fähigkeiten möglicherweise noch besser einbringen.


    Natürlich geht es mir nicht darum, meine Arbeit sozusagen wegzudelegieren - schließlich muss ich mit den Mädels dann schon einiges an Zeit einplanen, um die Stunden vorzubereiten.


    Was haltet Ihr von der Idee?


    Gruß
    Bolzbold

  • Also ich finds super!


    Deinen Mädels kannst du ja sagen, dass es keine "Strafe", sondern eine "Belohnung" ist. Nicht, dass sie meinen, nur weil sie Interesse haben, bekommen sie das jetzt aufgedrückt.


    Aber so, wie du sie beschreibst, machen die das vermutlich gerne. Und 15 Punkte wollen verdient sein.


    Ich hätte als Schüler zwar keinen Bock darauf gehabt, aber ich war auch kein guter Schüler :P .

    Vermeintliche Rechtschreibfehler sind ein Vorgriff auf kommende Rechtschreibreformen und deren Widerruf.

  • Tolle Idee!
    Etwas Ähnliches mache ich - allerdings in GA und nur für eine 1/2 h - momentan im Literaturunterricht. Ich habe dazu einen Reader und eine Ideenkiste, wie man ein Thema vermitteln kann, den Schülern an die Hand gegeben.
    Vielleicht wäre das auch etwas für die Mädels: Material zum Themeneinstieg und zur methodischen Vermittlung, das dann durch eigene Recherche und Überlegungen ergänzt werden muss.


    Wie auch immer, bin sehr gespannt, wie das läuft und erbitte schonmal einen Bericht nach der Durchführung...


    P.S.: Weniger Arbeit ist aber eine solche Vorbereitung und Begleitung auf keinen Fall...

    Erziehung ist die organisierte Verteidigung der Erwachsenen gegen die Jugend.

    Einmal editiert, zuletzt von Timm ()

    • Offizieller Beitrag

    Ich find's eine gute Idee. Wie Timm betreibe ich das Lernen durch Lehren auch desöfteren in der Oberstufe, in LKs geht das auch hervorragend und da ist es bei mir eine der Standardmethoden.
    Es kommt auch keiner wirklich auf die Idee, dass man sich Arbeit spart, denn das Vorbereiten mit den Schülern ist doppelt arbeitsintensiv. Es hat aber tolle Effekte:

    1. Die Schüler müssen sich, um ein Thema nicht nur zu kapieren, sondern auch vermitteln zu können, doppelt intensiv in die Materie einarbeiten: Was ist wichtig, was muss man weglassen (didaktische Reduktion), was in welcher Reihenfolge, mit welchem Material und welcher Methode? (die müssen sie natürlich bei mir alle kennen gelernt haben, deshalb mache ich das nicht am Anfang des Jahres). Wenn sie das drauf haben, können sie die Materie aus dem FF.
    2. Die Schüler trainieren nicht nur Stoff, sondern Gesprächsleitung, Zuhören, Reagieren, Umdenken, auf Fragen und Probleme eingehen, Moderation, Zeitmanagement, etc etc.
    Multitasking pur!
    3. Es hat einen großen pädagogischen Effekt: die Schüler wissen, wie unendlich komplex ud schwierig es ist, eine gute Stunde zu halten. Klar machen sie alle Anfängerfehler in FETT - aber im Großen und Ganzen bekommen sie es (auf ihrem Level) gut hin. Und: Die anderen Schüler schenken ihnen doppelte Aufmerksamkeit: a) weil sie eben Mitschüler und nicht olle Lehrernasen ;) sind, b) weil sie demnächst selber dran sind und sehen wollen, was wie geht (bei mir muss jeder mal und es gibt ellenlange Fedbackbögen für die, die dran sind!.


    Wenn die Schüle die LdL - Reihe hinter sich haben, nehmen sie Unterricht ganz anders wahr. Das habe ich jedesmal bemerkt. Sie verstehen den Sinn von Methoden, sie schätzen Lehrerarbeit anders ein (im positiven Sinne, aber auch kritisch, nämlich da, wo methodisch nix oder nichts Gutes stattfindet). Sie teilen mir oft mit, wie sehr ihnen das auch für Prüfungen geholfen hat und wie anders sie guten Unterricht wahrnehmen. Bei meiner Jahresendevaluation steht das of ganz oben auf der Top Ten Liste unter "Weiter so!"


    Von der Methode LdL könnte ich ewig schwärmen, wobei sich aber eine Erfahrung auf LKs beschränkt und weil das eine sehr enge Perspektive ist, habe ich bisher dazu noch nix gepostet. Aber das, was meine Schüler da so hingelegt haben, war schon toll. Wenn sie auch jeder Stunde auch schweißgebadet waren und erstmal meinten "Das kann man ja als Beruf gar nicht machen, das ist ja so ätzend anstrengend...Puh!" Auch'n wichtiger Lerneffekt :)


    Ja, mach mal!
    Und warum nicht auch mal die Schwächeren ranlassen? Frag doch mal wer Interesse hat?

  • Und noch was von einer 5.Klasslehrerin:


    Teile des Unterrichts lasse ich meine Schüler auch vorbereiten!
    In Erdkunde übernimmt jeder mal einen kleinen Teil und stellt ihn vor.
    In Deutsch schreiben wir am Montag ein Diktat, das haben meine Schüler in GA selbst geschrieben und sich gegenseitig diktiert (und DAS IST Arbeit für mich - die sollen ja keine Fehler üben!).
    Letzte Woche haben meine Süßen sich einen Mathe - Lernzirkel mit Textaufgaben selber gemacht. Jeder hat zwei Aufgaben entworfen, nach Rechtschreibung geguckt, mir gezeigt, gerechnet, mir wieder gezeigt, schön auf buntes Papier geschrieben... Ich hatte dabei die ehrenvolle Aufgabe, die Endkontrolle zu machen (die Partner waren aber ganz schön kritisch!) und das Ganze dann zu laminieren. Hätte ich selbst einen LZ gemacht, hätte ich höchstens die Hälfte der Zeit gebraucht. Aber so... meine Kleinen waren total begeistert und wollten immer grad wissen, welcher Fiesling denn gerade diese schwere Aufgabe gemacht hat und wollten gar nimmer das Rechnen aufhören.
    "Normal" (was ist schon normal?) wäre das bestimmt schneller gegangen (ich hätte nicht ne ganze Woche dafür gebraucht *g*) und ich hätte weniger Arbeit gehabt - aber so haben wir alle eine Menge Spaß gehabt (ja, Schule darf auch Spaß machen!) und hoffentlich was gelernt.


    Die "ganz großen" Schüler werde ich ja nie haben (leidder oder zum Glück?), aber ich finde, dass das auch schon die 5./ 6.Klässler zum Teil leisten können und der Lernzuwachs ist immens.
    Wenn eure Schüler eine ganze Unterrichtsstunde komplett alleine hinbekommen - Respekt! Aber zumindest Teile sind meiner Meinung nach in jeder Lerngruppe machbar und durchaus angemessen. Und was für mich ein positiver Nebeneffekt ist: Ich kann Noten machen, die für mich fair und für die Schüler auch transparent sind (Da hab ich was geleistet!).

    Vermeintliche Rechtschreibfehler sind ein Vorgriff auf kommende Rechtschreibreformen und deren Widerruf.

    • Offizieller Beitrag

    Edit Bolzbold:


    Hier war einmal ein Statement von row-k, das wegen Verstoßes gegen die neuen
    Forenregeln von mir entfernt wurde, obwohl es Zustimmung und Bestärkung in dem, was ich vor habe, enthielt.


    Ich räume ein, dass die nachträgliche Legitimierung mehr Unsicherheit als Ruhe gebracht hat. Deswegen ist sie auch wieder weg.


    Gruß
    Bolzbold

  • Hallo Bolzbold,
    ich kann dir nur raten, LdL durchzuführen. Habe gerade meine Examensarbeit abgegeben, deren didaktischer Schwerpunkt u.a. aus LdL bestand. Und ich bin (auch nach dem Schreibstress) begeistert von der Methode!


    Ich würde aber nicht nur die 2 guten Mädels Unterricht vorbereiten lassen, sondern alle Schüler! Da kann man ein bisschen mit der Gruppenbildung tricksen und vergibt an diese Gruppe das "schwere Thema" und an die schwächeren Gruppen eben "leichtere Themen".
    Ich nutze hier bewusst die Gänsefüßchen, weil ich diesbezüglich einige Überraschungen erlebt habe und die Schüler zu Dingen in der Lage sein können, die man so nicht erwartet. Man lernt seine SuS ganz neu kennen. Ich habe LdL in der Berufsschule in einer heterogenen Klasse duchgeführt (alle Schulabschlüsse und große Altersunterschiede) und war von den Ergebnissen mehr als überrascht! Gute und schlechte Gruppen für schwere und leichte Themen gibt es bei mir in der Hinsicht nicht mehr! Wenn der Arbeitsauftrag komplex ist und Teilaufgaben impliziert, reguliert sich (so meine Erfahrung) die Gruppe von selbst. Bei mir erfolgte quasi automatisch eine Binnendifferenzierung, an der ich in der eigenen Vorbereitung sonst ewig feile.


    Wichtig ist natürlich, dass die SuS schon einen gewissen Kompetenzstand erreicht haben, d.h. Präsentationen, Visualisieren und Gruppenarbeit sollte für die Lerngruppe kein Novum sein. Aber das dürfte bei dir ja kaum der Fall sein.



    Die Darbietung von Stoff erfolgt im Grunde ja nach jeder Gruppenarbeit, aber dass die Gruppen sich Aufgaben, Arbeitsblätter usw. ausdenken müssen und somit die Festigung und das Üben gewährleisten müssen, ist ja die Herausforderung der Sache und für mich das Wesentliche von LdL. Die Schüler übernehmen sogar die Lernberatung in der Übungsphase und selbst fachliche Fehler und unlogische Schlussfolgerungen erkannten alle Klassen bisher größtenteils allein! Aber da bedarf es viel Geduld, dass man nicht gleich eingreift, wenn der Fehler erfolgt. (Ich saß einmal 40min wie auf glühenden Kohlen...).


    Wichtig ist auch eine Auswertung der Unterrichtsstunden. Ich nutze verschiedene Reflexionsbögen, die ich aber nicht im Plenum veröffentliche. In Reflexionsgesprächen oder in den genutzten Evaluationsmethoden erkennen die SuS selber ihre Fehler, müssen konstruktive Kritik äußern, JEDER Gruppe (auch den guten) müssen Verbesserungsvorschläge gemacht werden. Das mögen die SuS nicht, aber das bringt ungemeine Lerneffekte. Neulich erkannte eine Gruppe, dass es besser wäre, Lösungen auf Folie zu haben und nicht nur vorzulesen etc. Das heißt: die fetten Anfängerfehler, von denen Meike schreibt, erkennen sie selbst und das bewirkt 100 Mal mehr, als x Mal vorzubeten, man möge bei Präsentationen nicht an die Wand starren oder Plakate in einer adäquaten Schriftgröße schreiben etc.


    Ich könnte von LdL nur noch schwärmen. Aber genug ... probiere es aus!

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