Ich finde es erschreckend, wie hier mit der Kollegin umgegangen wird.
Um mal aus die Sicht einer Betroffenen einzunehmen: Eine gute Freundin unserer Familie ist GS-Lehrerin. Im November wurde bei ihr ein schwerer Burnout diagnostiziert. Sie hatte sich vorher schon wochenlang noch irgendwie zur Arbeit geschleppt, obwohl sie nicht mehr konnte, weil es auch an ihrer GS keinerlei Reserven mehr gibt - im Gegenteil, ihre Parallelklasse wurde schon von einer ungelernten Kraft aus dem Ganztagspool übernommen, weil deren KL im September in die Burnout-Krankschreibung gegangen ist. Sie wollte weder diese völlig überforderte "Einspringerin" noch das Kollegium hängen lassen, und ist dabei schlussendlich immer tiefer in den Burnout gerutscht. Seit November ist sie nun wie gesagt selbst krankgeschrieben und es sieht bislang nicht so aus, als ginge sie im nächsten Schuljahr wieder zur Schule. Im privaten Rahmen kann man mit ihr gut reden und auch einiges unternehmen. Aber sobald das Thema Schule aufkommt, treten ihr die Tränen in die Augen und sie beginnt nach kürzester Zeit unkontrolliert zu weinen.
Wäre diese Freundin die betroffene Kollegin, würde es sich ihr und der Schulleitung verbieten, wegen irgendwelcher Aufzeichnen in Kontakt miteinander zu treten, auch wenn sie zu Hause Zugang dazu hätte. Das würde ihrer Pflicht, nichts der Genesung abträgluches zu tun, deutlich zuwiderlaufen.
Meine Bekannte hatte Glück, dass sie nicht direkt zu den Zeugnissen ausfiel. Aber wer weiß schon, ob der Fall aus diesem Thread nicht ähnlich gelagert ist?
Ich finde es erschreckend, wie wenig Menschen, die das Glück haben gesund zu sein, Rücksicht auf Menschen nehmen, denen es nicht so ergeht; dass sie fordern, dass diese weiter Kontakt zum Arbeitgeber pflegen; dass impliziert wird, wer das nicht täte gehöre drangsaliert (der Vorschlag, den Amtsarzt einzuschalten, las sich für mich jedenfalls nicht konstruktiv, sondern eben als Versuch, die vermutlich faule Kollegin zur Mitarbeit zu zwingen).
Das Problem, vor dem die Schule hier steht, ist systemisch bedingt, nicht durch die Kollegin. Sie hat für das Versagen des Systems nicht die Verantwortung zu übernehmen.
Dann gibt es halt Zeugnisse nach bestem Wissen und Gewissen: Halbjahreszeugnisse anschauen, Kinder die letzten zwei Wochen beobachten und schauen, ob gravierende Abweichungen zu verzeichnen sind. Wenn nicht,gibt's halt den Text ( leicht abgewandelt ) nochmal. Ansonsten Ansage an die Eltern: "In nahezu allen Fällen profitierten die Kinder und Familien vom KL-Prinzip und der besonders engen Betreuung, leider ist hier ein außergewöhnlicher Fall aufgetreten, der eine Schwachstelle offenbart.Die vertretenden KuK werden die Aufgabe der KL nach bestem Wissen und Gewissen übernehmen, bitte haben Sie Verständnis, dass ihre Beobachtungen nicht so detailliert ausfallen können wie die der KL. Im nächsten Schuljahr übernimmt eine neue KL die Klasse, um wieder gewohnt detaillierte und gesicherte Diagnosen des Leistungsstandes zu ermöglichen."
Was sollen die Eltern denn tun? Widerspruch gegen ein Zeugnis einlegen, weil sie gern einen zweiten Satz zur Rechtschreibleistung gehabt hätten? Selbst wenn jemand auf die dämliche Idee käme: Unfähigkeit ist kein Dienstvergehen, und wenn eine genauere Beurteilung aufgrund der Situation nicht möglich war, dann gibt es nichts zu befürchten.
Ohnehin finde ich, dass die Bedeutung dieser Zeugnisse doch etwas niedriger gehängt werden darf: Die Kids können am Ende dasselbe wie mit durch die KL geschriebenem Zeugnis, sie werden alle in die nächste Klasse versetzt, und haben dann hoffentlich wieder eine stetige Betreuung und genauere Diagnosen. Keine Zukunft oder Gegenwart wird hier versaut. Natürlich wäre es schön, wenn das Zeugnis den aktuellen Leistungsstand auch noch einmal schriftlich fixiert transparent machen würde (mündlich dürfte das zuletzt zumindest zum EST des 2.HJ geschehen sein), aber jetzt geht es halt mal nicht.
Schule sollte weniger Schiss vor Eltern haben und sich mal überlegen, ob ein Zeugnis der 2. Klasse es wert ist, kranke KuK so unter Druck zu setzen.
Also wäre mein Vorschlag: Wer auch immer die Klasse in den letzten Wochen betreut vergleicht ganz punktuell das HJ-Zeugnis mit dem Eindruck von den Kids jetzt und notiert, wo Abweichungen feststellbar sind. Mit den Notizen erstellen alle KuK die Zeugnisse, basierend auf den HJ-Zeugnissen. Und die kranke Kollegin wird in Ruhe gelassen, so wie es ihr Recht ist.