Alles anzeigenHi,
ich bin seit 5 Jahren Lehrerin + Ref und drei Vertretungsstellen zur Studienzeit. Ich bin erst Anfang 30 und Unterrichten war (seit ich 14 Jahre alt war) genau das, was ich beruflich immer tun wollte.
Ich bin selbst erst auf einer Haupt/Realschule gewesen und später aufs Gymnasium gekommen, ich habe die Vertiefung GHR gewählt, weil ich ohne einzelne gute Lehrkräfte in meiner Schulzeit den Aufstieg nicht geschafft hätte und ich das auch gerne für meine Schüler sein möchte.
Ich weiß trotz allem immer noch nicht, ob ich für den Job gemacht bin. Ich versuche das so kurz wie möglich zu erklären:
Das Kerngeschäft gefällt mir, geht mir gut von der Hand. Dennoch überlege ich seit Jahren regelmäßig, einfach hinzuschmeißen und mir einen anderen Job zu suchen.
An meiner jetzigen Schule bin ich, seit ich mit dem Ref fertig bin. Dort kam ich mitten im Sj. Ich habe sofort eine Klasse bekommen (entgegen der Absprache bevor ich unterschrieb) und durfte mit dieser in einen Klassenraum voller Glasscherben einziehen. In der zweiten Woche geriet ein ES-Schüler meiner Klasse, dem ich sein Handy abnehmen musste, darüber so sehr in Rage, dass er mich als Hure beleidigte, drohte mich umzubringen, mich verfolgte und wohl auch geschlagen hätte, wenn ich mich nicht mit dem Rest im Klassenraum eingeschlossen hätte. Diesen Schüler musste ich weiter unterrichten. Mein damaliger SL war erbost, als ich es anzeigen wollte, also tat ich es mit Blick auf die Verbeamtung nicht. Ich habe versucht, den Vorfall therapeutisch aufzuarbeiten.
Seit einiger Zeit haben wir einen neuen SL. Er macht vieles besser, kurzfristig war ich glücklicher. An den Rahmenbedingungen (viele auffällige, gewalttätige Schüler, Inkompetenz im Elternhaus, Bürokratie, eingeschränkte Sanktionensmöglichkeiten von Klassenkonferenzen abgesehen), kann er aber auch nicht viel ändern. Ich habe versucht, das ganze nur als Job zu sehen, den ich ordentlich erfülle, der mich aber nicht mein Leben bestimmen darf.
Ich habe einen Fachbereich übernommen, um das, was mich organisatorisch und fachlich störte, aufzuarbeiten und ein bisschen zu spüren, dass ich etwas verändern kann. Über eine Fachleiterstelle an einer anderen Schule habe ich auch schon versucht, die Schule zu wechseln. Der SL der anderen Schule hätte mich gerne gehabt (Stelle konnte/wollte intern keiner, 2x erfolglos ausgeschrieben), das Kollegium hat mich aufgrund meines jungen Alters abgelehnt, obwohl es keine Mitbewerber gab. Das war hart für mein Selbstwertgefühl. In meinem Fachbereich an der jetztigen Schule läuft es jetzt zwar besser, aber wie ein Erfolg fühlt es sich nicht an. Vieles wird als selbstverständlich angesehen, obwohl ich weder Entlastungsstunden erhalte noch mehr Geld bekomme.
In den letzten paar Wochen gab es mehrfach Gewaltvorfälle zwischen Schülern, die ich trennen musste und die ich auch im Feierabend nicht so ganz abschütteln konnte. In meiner jetztigen Klasse ist Rechtsextremismus ein großes Problem, viele haben Depressionen und Suizidgedanken, ich hatte so viele Elterngespräch und Gespräche mit den Therapeuten der Kinder. Ich habe zwar jetzt eine Ko-Klassenleitung, mit der ich gut kann, gleichzeitig aber auch extrem fordernde Eltern. Eine Mutter sagt mir und allen anderen eigentlich permanent, dass sie mich für ungeeignet für den Beruf hält.
Außerdem kam es vor ein paar Wochen unerwartet in einer Klasse dazu, dass eine Schülerin (sie nimmt Drogen) mich wegen einer Kleinigkeit stark beleidigt hat ("Schlampe, bist du dumm?!") und sehr glaubhaft drohte, mich gleich zu schlagen. Sie wurde für einige Zeit suspendiert, ist aber mittlerweile wieder da.
In den letzten Wochen kam es zeugnis- und abschlussbedingt (neues Zeugnisprogramm, Planungsfehler) zu Stress und aus irgendwelchen Gründen haben ein paar meiner Kollegen die Abschlussfeier organisatorisch zeitintensiv angelegt und man sollte da mitziehen. Auf den Konferenzen wurden dann einige Schüler aus päd. Gründen mitgenommen, womit ich nicht gerechnet habe. In einer anderen Klasse habe ich Fehler bei der Bewertung einer Schülerin gemacht, den ich zu spät korrigieren wollte, was natürlich mein Fehler war, aber dazu führte, dass sie am Ende doch ihre Wunschnote erhielt. Von einer Kollegin erhielt ich Spott dafür, dass ich mich für zwei meiner Schülerinnen einsetzte (sie wollten nicht, dass Fotos von ihnen gezeigt werden), ein Förderlehrer äußerte sich abwertend über die Relevanz meines Fachs (das zu dem mei Fachbereich gehört) und das sollte ich alles nicht an mich heran lassen, aber das war für mich der Kipppunkt.
Ich schlafe seit dem Vorfall mit der Drogen-Schülerin (rückblickend betrachtet) wieder sehr schlecht und bin an vielen Tagen von den vielen sozialen Interaktion mit auffälligen Kindern und ihren auffälligeren Eltern so erschöpft, dass ich kaum noch Freunde treffe, weil meine sozialen Akkus einfach leer sind. Ich heule (überwiegend Zuhause) regelmäßig, habe teilweise wieder schlechte Essgewohnheiten angenommen, die ich nicht mehr hatte, seit ich ein Teenager war.
Ich kriege auch positives Feedback, viele meiner Schüler sind mir sehr dankbar, ein paar Eltern schätzen mich auch und ich habe auch nette Kollegen.
Trotzdem war ich an diesem Punkt einfach schon zu oft. Dieser Job ist Hassliebe und ich kann mich nicht entscheiden, was ich tun soll: Schule wechseln? Job wechseln? Ausharren und hoffen? Noch eine Therapie? Mindset anpassen und noch weiter mit den Ansprüchen runter?
Du schilderst sehr heftige Extremsituationen, die ich selber zum Glück noch nie erleben musste. Wer wäre da nicht verunsichert? Dass es überhaupt möglich ist, dass wir Lehrer uns mit solch einem Abschaum rumschlagen müssen. Ich hätte es sicher keine Woche an deiner Schule ausgehalten, da ich mir dafür einfach zu schade wäre.
Ich rate dir einen Schulwechsel, z.B. zu einer Schulform mit einem kirchlichen Träger. Da sind solche Situationen die absolute Ausnahme und führen i.d.R. auch zu einem Schulverweis.