Ich bin in der Gaststätte meiner Eltern aufgewachsen. Insofern sind mir haushälterische Arbeiten seit der Kindheit vertraut und auch heute koche ich gerne und nehme mir die Zeit, für mich zu kochen. Gurkensalat habe ich mit fünf Jahren schon in der großen Schüssel gemacht und konnte das Rezept natürlich auswendig. Meinen Vater sah ich quasi nur zwei Stunden am Tag mittags und am Samstag, der unser Ruhetag war. Da gab es das normale Familienleben. Sonntag und alle Feiertage waren für uns normale Arbeitstage, nur dass ich nicht in die Schule musste und die anderen Geschäfte geschlossen hatten.
In meiner Familie bin ich das einzige Kind mit akademischem Hintergrund. Als Grundschüler war mir klar, dass ich wie meine älteren Geschwister erst einmal auf die Hauptschule gehe und dann auf die Realschule, da ich es ja nicht anders kannte. Meine Eltern schickten mir aber aufs Gymnasium, da ich in der Grundschule die entsprechenden Noten hatte. Was war das auf dem Gymnasium toll - im Pausenverkauf einen Automaten zu haben, aus dem sogar in einem Plastikbecher Suppe (Brühwürfel-Buillon) herauskam. Kam ich als Jugendlicher von der Schule nach Hause, war es völlig normal, dass ich im Mittagsgeschäft mithalf. Fachliche Unterstützung konnten mir meine Eltern am Gymnasium nie geben, da sie selbst diese Kenntnisse überwiegend nicht hatten. Auch sonst hatten sie vom Schulbetrieb nicht viel Ahnung. Schulaufgaben etc. habe ich meinen Eltern nie vorgelegt und sie hatten auch nie danach gefragt. Die guten Noten zeigte ich ihnen nicht und die schlechten entsprechend auch nicht. Es gab zweimal im Jahr das Zeugnis und da gab es keine schlechtere Note als 4. (Das die 4 bisweilen knapp war, haben sie nie erfahren. ) Elternabende etc. waren kein Thema, weil sie abends im Geschäft arbeiteten. Daher waren wir Kinder abends auch alleine zuhause, was ich aber nicht als Problem empfunden habe. Vielleicht liegt es daran, dass ich gerne alleine bin. Gravierende Probleme gab es in der Schulzeit nicht, ich habe soweit funktioniert, wobei in der Mittelstufe natürlich auch mal schlechte Noten dabei waren. Viele meine Lehrer kannten meine Eltern dennoch, da einmal in der Woche Lehrerstammtisch bei uns war und da gab es sicher den einen oder anderen Austausch über den kleinen Sarek. Wenn ich die Probleme und Päckchen einiger meiner Schüler heute sehe, wird mir im Nachhinein erst klar, wie problemlos ich eigentlich durch meine Schulzeit gekommen bin.
Im Studium ging es gerade so weiter. Ich pendelte von zuhause täglich in die Unistadt, und wenn ich zuhause war, half ich im Geschäft mit, wobei meine Mitarbeit auch immer professioneller wurde. Im Jahr vor meiner Abschlussprüfung fiel meine Mutter aus gesundheitlichen Gründen aus und ich übernahm ein dreiviertel Jahr lang den Service weitgehend alleine und lernte nebenbei für die Prüfungen. Hat alles funktioniert und meine Eltern waren dann auch im Ruhestand angekommen. Jetzt bin ich so alt, dass die Häfte meines Lebens ohne Gastronomie so lange ist wie zuvor die in der Gastronomie.
Bei entsprechendem Anlass berichte ich meinen Schülern von meinen Geschwistern, die (und deren Kinder) alle kein Abitur haben und dennoch sind sie ihren Weg gegangen und auch in ihren Berufen erfolgreich.