Schaffung eines positiven Klassenklimas

  • Zitat

    biene maja schrieb am 25.04.2006 22:21:
    ... meldet sich dieses Mädchen: "Irgendwie habe ich Frage 3 nicht verstanden. Wie geht das???" Nachdem dazu vorher auch schon Fragen beantwortet wurden, muss ich mich da echt zusammenreißen, weil mich ihr Unverständnis auch nervt. Das tut mir zwar im gleichen Moment leid, weil ich weiß, dass sie es nicht böse meint und auch nicht nicht aufgepasst hat, sondern einfach länger braucht zum Denken. Dabei bemühe ich mich um eine trotzdem freundliche Antwort, weil sie eh schon ein sehr negatives Selbstbild hat.


    So, ich glaube, so weit auseinander sind wir gar nicht. Bloß, dass es bei mir nicht wirkt :(


    Ach was, das wirkt bei Dir auch.


    Was die 1000ste Frage angeht, erkläre ich freundlich: "Ok, Du hast es noch nicht verstanden."
    Ggf. rufe ich dann zur Ordnung: "Leute, das ist richtig so, wenn jemand fragt. Lieber so als nicht gefragt und nicht gewusst - also Ruhe!"
    Dann weiter: "Nochmal zu deiner Frage ... oder kann es jemand mal mit anderen Worten erklären? Du, Kevin? Schön, dann erklär Du es mal..."

  • Ja, genau! Bloß was ich schlimm finde ist, dass das jedes Mal so läuft. In dem Moment, wo von Schülerseite ein blöder Kommentar kommt, ist es ja schon zu spät. Meine Reaktion wirkt höchstens noch abmildernd für das Mädchen. Aber trotzdem kommt sie sich ja schon blöd vor. Besser wäre es eben, wenn es so wirken würde, dass das nächste Mal überhaupt kein Kommentar mehr käme. Und das habe ich in den bisher immerhin schon 7 Monaten Schule noch nicht geschafft...

  • KEINE BÖSE Frage: Bist Du energisch genug? Anders: "Sch.. Du die Bande auch mal dafür zusammen?
    Noch anders: Lachst Du auch mal jemanden (als Antwort auf eine Bosheit) aus bzw. stöhnst Du auch mal über eine Dummheit?


    Leider muss man auch (selten) in so einer "Sprache" sprechen, weil diese am besten verstanden wird.

  • Noch anders gesagt: Der Harte Kontrast dazu, dass Du sonst sehr nett und höflich zu den Kindern bist zu dem lauten Zurechtweisen macht viel aus.


    Der Schreck lässt das Bewusstsein für einen Moment brach liegen und schafft Platz für neue Sichtweisen.

  • Ich habe das Gefühl, ich schimpfe viel zu viel. Kann's aber noch nicht genauer definieren. Aber vielleicht wirklich nicht energisch genug, sondern immer einen Tick zu wenig, dafür wirkt's nicht und ich muss öfter schimpfen.
    Also vielleicht muss ich mehr darauf achten, wie streng und energisch ich reagiere.


    Die auslachenden Kinder selbst auszulachen würde ich aber für mich eher nicht in Betracht ziehen. Schließlich habe ich doch eine Vorbildwirkung, und bei sowas heißt's glaube ich ganz schnell "Du hast aber doch auch..."


    Etwas am Rande: So in der Art habe ich es bei meinem Freund probiert. Also das Verhalten, was mich an ihm immer sehr genervt hat (Reaktionen etc.), selber übernommen, "um ihm zu zeigen, wie blöd das ist". Hat überhaupt nichts genutzt. Es hat nur die Atmosphäre zwischen uns verschlechtert, weil wir beide ziemlich genervt vom anderen waren. Inzwischen akzeptiere ich es - was natürlich wiederum für die Schule keine annehmbare Alternative wäre.

  • Zitat

    biene maja schrieb am 25.04.2006 22:42:
    Ich habe das Gefühl, ich schimpfe viel zu viel. Kann's aber noch nicht genauer definieren. Aber vielleicht wirklich nicht energisch genug, sondern immer einen Tick zu wenig, dafür wirkt's nicht und ich muss öfter schimpfen.
    Also vielleicht muss ich mehr darauf achten, wie streng und energisch ich reagiere...


    Meiner Erfahrung nach macht es gerade der Kontrast aus. Negativbeispiele: IMMER schimpfen bringt Gewöhnung, IMMER nett sein auch.


    Wenn man dann aber PLÖTZLICH nicht mehr nett/höflich ist, erschreckt das enorm!!

  • Noch was: Schimpfen erscheint mir nicht so gut wie "Hinweisen", dafür aber ruhig energisch!

  • Im Prinzip versuche ich das anzustreben, aber ich befürchte, ich habe mich dazu irgendwie zu wenig im Griff. Blöd ausgedrückt. Aber irgendwie krieg ich das nicht hin. Ich find das toll, wenn es heißt "Und weil ich sonst nie laut werde, merken die Kinder sofort, dass es jetzt richtig ernst ist". Aber ich krieg's bisher nicht gebacken :(


    Letztes Jahr war ich Fachlehrerin, und bei mir war die Klasse meistens ziemlich laut. Da hieß es dann als Tipp: "Lass doch mal einen Schrei los!" Was ja auch nicht verkehrt ist - EIN Schrei. Aber ab da hab ich es mir so ein bisschen angewöhnt, nicht jetzt jedesmal zu schreien, aber doch schon etwas lauter zu werden, und das immer häufiger. Wie du sagst - die Klasse gewöhnt sich dran, also hab ich immer öfter geschimpft und so weiter und so weiter...


    Ich schreibe morgen weiter, muss jetzt langsam ins Bett (morgen ist Prüfung, zwar keine Lehrprobe, sondern nur mündliche, aber trotzdem...)


    Vielen Dank für deine Tipps, row-k, und vielleicht kommen ja noch mehr Ideen und Ansichten zur Verbesserung des Klassenklimas :) !!


    P.S.: Mein letzter Post bezog sich auf deinen vorletzten. Mit den "Hinweisen" hast du aber auch Recht...

  • Fun-System!


    Woher ich das nehme? Aus meiner Überzeugung, auch mal jemandem einen Tipp geben zu können, wenn er in Not ist. EDIT: Not ist hier nicht richtig. Aber Du weißt, was ich meine.


    Bist Du so anders?

  • Ist das wirklich alles, was uns zu Bienes Problem einfällt? Das darf ja wohl nicht wahr sein...


    Ins Blaue:


    1. Ein Teil der Probleme liegt glaube ich am noch nicht gefestigten Klassenklima, das heißt, mit punktuellem Eingreifen erreichst du nur begrenzt etwas. Es käme darauf an, gemeinsam etwas zu unternehmen (Ausflug mit Schatzsuche, Theateraufführung etc.). Wenn du etwas machen könntest, in dem das Mädchen eine Stärke hat, umso besser. Wenn sich in dieser Form Bindungen der Kinder untereinander entwickeln, hört das Hänseln von selbst auf oder lässt zumindest nach.


    2. Ich kenne es meist so, dass einige in der Klassen den Leitwolf (bzw. Leit-Lästerer) geben und der Rest mitzieht - das sind die, die immer mit "witzigen" Kommentaren vorpreschen. Die würde ich mir nicht immer unbedingt vor der Klasse kaufen (das kann auch zu dem Spielchen "Woll'n mal gucken, ob sie wieder motzt." führen, deshalb nur, wenn es um akute, ernste, persönliche Beleidigungen eines Mitschülers vor versammelter Mannschaft geht), sondern nach dem Unterricht - dann aber gründlich und mit persönlicher Enttäuschung. Ich habe schon erlebt, dass Schüler sich dann voll des schlechten Gewissens bei mir entschuldigen wollten - sie dann zum Geschädigten weiterschicken, also dem Läster-Opfer.


    3. Blöde-Fragen-Phasen einbauen. Fragenstellen lernen kommt im Unterricht oft zu kurz, und eine Runde "Wer findet die dümmsten Fragen zum Thema" macht erstens Spaß, schult zweitens das Sprachgefühl und gibt drittens schwächeren Schülern einen Schutzraum, in dem sie nichts falsch machen können. Wenn dann jemand mit "So blöd finde ich die Frage gar nicht..." einhakt, kommt ein interessanteres Unterrichtsgespräch auf als wenn immer nur der Lehrer fragt.


    4. Trotzdem ein besonderes Auge auf das Kind halten, von dem du erzählt hast - möglich, dass sich in seiner Langsamkeit eine Lernschwäche manifestiert, bei der früh genug eingegriffen werden sollte. Ist sie denn in allen Fächern langsam oder nur in bestimmten? Gibt's schon andere Beobachtungen zu ihr?


    5. Zur Unruhe allgemein: Stille muss gelernt werden - am besten spielerisch. Indianer-Schleich-Spiele, Schweigephasen, Flüster-Gruppenarbeit, der Merksatz als "Stille Post" usw. können den meckernden Lehrer ergänzen oder ersetzen. Niemals Unterricht gegen Lärm machen - entweder alle sofort mit (Einzel-, Partner-) Arbeit eindecken, sodass jeder was zu tun hat, oder abwarten, bis es ruhig ist. Zeit,die dabei verstreicht, wird gesammelt und in einer Freistunde nachgeholt.


    6. Die Sache mit dem Schrei: Funktioniert am Anfang prima, nutzt sich aber schnell ab. Der einzige Zweck ist es, Kinder durch ein lautes Geräusch zu erschrecken und sie aus ihrer "Wir haben doch gerade alle so einen Spaß, ist mir doch egal, ob wir in der Schule sind"-Trance herauszuholen. Kann manchmal nötig sein, dann am besten Geräusch wechseln (niemals mit Lineal oder Klassenbuch auf's Pult hauen - wenn das kaputt geht, wird die Geschichte noch in hundert Jahren erzählt, eine geknallte Tür tut's auch). Meistens eher nicht hilfreich, lieber demonstrativ auf die Uhr starren oder etwas Ungewöhnliches tun, z.B. singen oder immer den gelichen Satz wiederholen, bis Ruhe ist.


    Ich geb dir übrigens recht, die Methode "Wie du mir so ich dir" führt eher zu mehr desselben - bringt nur selten was, weil ja jeder Täter der Überzeugung ist, dass es für sein Handeln besondere Gründe gibt. An eye for an eye makes the whole world blind.


    Schreib mal, wie's weitergegangen ist.
    EV

    Frölich zärtlich lieplich und klärlich lustlich stille leysejn senffter süsser keuscher sainer weysewach du minnikliches schönes weib

  • Ich würde mich Wolkenstein anschließen wollen. Da kann man nicht punktuell handeln und den Kindern ein bestimmtes Verhalten andressieren.


    Vor einiger Zeit habe ich ein Fortbildungsseminar für Lehrer besucht, das um Motivationsförderung ging. Ein gutes Klassenklima ist dabei eine Voraussetzung, die ein motiviertes Lernen überhaupt erst möglich macht. Es gab dazu diverse Vorschläge, wie man daran arbeiten kann.


    Ich kann mal gucken, ob ich die Quelle finde.


    Grüße Enja

  • Btw.: Über Motivation und Klassenklima wurde hier ja schon gesprochen;


    http://www.lehrerforen.de/oldforum.php?topic=100685296639
    http://www.lehrerforen.de/oldforum.php?topic=100778978850
    http://www.lehrerforen.de/oldforum.php?topic=100577339020
    http://www.lehrerforen.de/oldforum.php?topic=102076362587 (ziemlich weit hinten in diesem Thread hat Timm dazu einiges gepostet)


    Mir hat folgendes Büchlein sehr geholfen, das Tipps und Ratschläge versammelt, wie sie wolkenstein formuliert hat:


    Hans-Peter Nolting: Störungen in der Schulklasse. Ein Leitfaden zur Vorbeugung und Konfliktlösung, Weinheim/Basel: Beltz 2002
    ISBN 3-407-22108-8
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  • Zitat

    Enja schrieb am 26.04.2006 07:22:
    ...und den Kindern ein bestimmtes Verhalten andressieren...


    Da steckt ein sehr interessanter Gedanke darin - Dressur! Interessant, weil Dressur auch ein Bestandteil der Verhaltensbeeinflussung ist.


    Wir sind - in gewissem Maße - alle von unseren Eltern dressiert worden. Beispiel: Wenn ein Kind im Begriff steht, etwas Gefährliches zu tun (Hand zum heißen Kaminofen führen etc.) und wenn die Eltern das merken, IST ES FALSCH, freundlich zu bitten.
    In solchen Fällen muss ein kurzer Befehl ausgerufen werden: "Halt! Finger weg!" Danach kann in Ruhe erklärt, demonstriert, gezeigt werden, worin die Gefahr besteht.


    Natürlich, aus Schaden wird man klug, sagt ein Sprichwort. Nur kann in solchen Fällen der Schaden für Leben und Gesundheit zu hoch sein, es darauf ankommen zu lassen. Insofern ist Dressur (was für ein abwertendes Wort) recht nützlich.


    Auch sind wir darauf "dressiert", dass wir unsere Aufmerksamkeit dem zuwenden, der uns mit unserem Namen anspricht. Das lässt sich leicht nutzen, wenn man etwas lauter zB. ruft: "Oliver!" Dann leiser: "Psst."
    Das "Psst" ersetzt man später nur noch durch einen kurzen bedeutungsvollen Blick und das Rufen des Namens ersetzt man bald nur durch ein Räuspern.
    Es dauert dann nicht lang und die Schüler ermahnen sich gegenseitig zu Ruhe und Höflichkeit.


    Was die weitere Verbesserung des Klassenklimas angeht, kann man dann bald ALLE Register ziehen, die möglich sind und die Wolkenstein so schön ergänzte.

  • Und was tut man dagegen, dass ausgerechnet der Schüler, der permanent den Unterricht stört, die anderen Schüler lautstark zurechtweist, wenn ihnen auch nur mal etwas lauter ein Stift vom Tisch fällt oder sie leise ihren Nachbarn bei einer Aufgabe um Hilfe bitten.

  • Zitat

    Nell schrieb am 26.04.2006 14:01:
    Und was tut man dagegen, dass ausgerechnet der Schüler, der permanent den Unterricht stört, die anderen Schüler lautstark zurechtweist, wenn ihnen auch nur mal etwas lauter ein Stift vom Tisch fällt oder sie leise ihren Nachbarn bei einer Aufgabe um Hilfe bitten.


    Ich würde genau diesen Schüler in diesem Moment zurechtweisen: "Na, na! Erstmal an die eigene Nase fassen! Sei also Du gaaaanz leise!"

  • Zitat

    row-k schrieb am 26.04.2006 14:04:


    Ich würde genau diesen Schüler in diesem Moment zurechtweisen: "Na, na! Erstmal an die eigene Nase fassen! Sei also Du gaaaanz leise!"


    Hast du diese Strategie schon einmal in einer Grundschule ausprobiert? Die Klassen, die ich unterrichtet habe, waren dermassen kindlich albern, dass sie ein solcher Spruch vollkommen aus der Fassung gebracht hätte. Sie hätten sich vor Lachen gekugelt, der "Zurechtgewiesene" hätte sich - wie vom Lehrer angewiesen - an die Nase gefasst, was die Stimmung noch mehr in Schwung gebracht hätte.


    Bei dieser Art des Zurechtweisens hätte mein Unterricht nicht stattfinden können; in einem Fall, wie Nell ihn anfragt, hätte ich die anderen Schüler arbeiten lassen, wäre mit dem Störer auf den Gang gegangen und hätte ruhig mit ihm gesprochen. Im realen Grundschulreferendariat hat das immer geholfen.


    LG, das_kaddl.

    • Offizieller Beitrag

    Außer Kopfschütteln fällt mir nichts mehr zu manch "wertvollen" Ratschlägen ein.


    Liebe Threadstarterin: nach wolkensteins sinnvollem Beitrag und philos Hinweisen auf die vorhergehenden Threads zu diesem Thema, könnte man den Thread da nicht getrost schließen?


    Oder legst du Wert auf noch mehr Ratschläge ala: Sag ihm, er soll sich an die eigene Nase fassen?


    Melosine

  • Na, na, na Melosine wir wollen doch wohl nicht schon wieder beleidigend werden oder? Wäre doch schade um das schöne Klima im Forum. Lass doch jedem seine Meinung. Du weißt doch Intolleranz ist die Mutter von Neid und Missgunst.


    Also, immer schön freundlich bleiben... und ohne beleidigenden Unterton ok?


    Freundliche Grüße


    Anke

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